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Wandern im Winter – Ausflug nach Marmashen

Hallo zusammen! 😊

Ein letztes Mal melde ich mich bei euch, bevor es in die Winterpause geht. Mit dem Frühlingsbeginn im März gibt es dann wieder neue Beiträge, doch bis dahin soll dieser hier der vorerst letzte sein. Und dabei wird es noch einmal winterlich:

Am zweiten Adventswochenende habe ich von Samuel Besuch bekommen und gemeinsam mit einem französischen Freiwilligen, den ich aus dem Jugendzentrum kenne, haben wir eine kleine Wanderung unternommen. Erst ging es mit der Marschrutka von meiner Wohnung aus in einen der Randbezirke Gyumris. Dort sollte unsere Wanderung zur Kirche von Marmashen starten und dick eingemummelt ging es querfeldein. Anatole, der französische Freiwillige, war den Weg schon ein paar Mal gewandert und führte uns mitten durchs Nichts. Aufgrund des Nebels, der an diesem Tag ziemlich stark war, konnten wir zwar nicht weit sehen, aber dafür waren wir in vollkommene Stille gehüllt. Abgesehen von dem Vogelgezwitscher, was ich schon lange nicht mehr gehört hatte und was uns auf unserem Weg immer wieder begleitete.

Es hatte gefroren und so war der Boden ziemlich hart. Auch Schneereste waren überall zu sehen. Wir kamen an einem See vorbei, der vollständig zugefroren war. Ich bin mir sicher, dass man darauf ein paar Wochen später, wenn die Eisschicht auch wirklich dick genug war, prima hätte Schlittschuhlaufen können. Auch zeigte uns Anatole die Überreste einer Festung, in deren Ruinen man sogar noch mit Mustern verzierte Tonscherben finden konnte. Das war wirklich cool und ich hätte gern mehr über die Geschichte der Festung erfahren.

Nach einer kurzen Kletterpartie einen Steinhang hinunter ging es auch schon weiter durchs Nichts. Wir waren uns aber einig, dass uns das „Nichts“ sehr gut gefiel. Es war die typische armenische Hügellandschaft mit jeder Menge Steinen und Felsen. Ab und zu stießen wir auf Kuhfladen, doch von den Tieren oder ihren Hirten war ansonsten keine Spur zu sehen (was bei dem Wetter mit der Kälte auch nur nachvollziehbar war). Ungefähr auf der Hälfte der Strecke kamen wir an einem Bauernhof vorbei und begegneten prompt dem Landwirt selbst auf seinem Trecker, der es sich nicht nehmen ließ, zu hupen und uns fröhlich zuzuwinken. Das erwiderten wir natürlich ebenso begeistert. Wirklich beängstigen waren allerdings die Hofhunde:

Ich habe noch nie so große Hunde gesehen und der Fakt, dass sie mit Eisenketten festgemacht waren, war irgendwie nur teilweise beruhigend. Auch als wir das Dorf Marmashen erreichten, begegneten uns immer wieder solche Riesenviecher, die uns bedrohlich anbellten. Glücklicherweise hielten alle Ketten stand. Das Dorf selbst war ziemlich klein und noch „ursprünglich armenisch“. Während wir so die Straße entlangwanderten grüßten wir alle, die uns begegneten, und bekamen immer eine Antwort zurück. Das ein oder andere Mal war auch ein skeptischer Blick dabei, was ich bei unserem Anblick aber auch verstehen konnte: Drei Ausländer in voller Wandermontur mitten im Winter.

Nach unserem Ausflug durchs Dorf führte uns Anatole schließlich zu einer kleinen Anhöhe und da sahen wir endlich die Kirche:

Wir konnten super weit gucken und es war wirklich ein traumhafter Anblick. Auch hier fanden sich wieder die Überreste einer alten Festung und schließlich zeigte uns Anatole eine angrenzende Kirchenruine mit Friedhof. Von dort aus ging es weiter querfeldein und bevor wir die Kirche besichtigten, ging es zum nahegelegenen Staudamm. Auch hier war das Wasser teilweise zu Eis gefroren und ich konnte nur daran denken, wie schön es hier jetzt war und wie schön es im Frühjahr und Sommer sein würde, wenn die Natur grün ist.

Schließlich ging es auch zur und in die Kirche. Eine Armenierin lud uns ein, etwas Weihrauch zu verbrennen, und sang für uns ein armenisches Glaubenslied. Sie hatte eine wunderschöne Stimme und mit der Akustik der Kirche kamen wir aus dem Staunen gar nicht mehr raus.

Leider verließen mich dann die Kräfte und es ging für uns nur noch an die Straße und mit dem Taxi zurück nach Gyumri. Ich hatte schon während der Wanderung ein wenig geschwächelt und leider entpuppte sich das „Krankheitsgefühl“ als eine ausgewachsene Grippe, die mich für anderthalb Wochen außer Gefecht setzte. Aber naja, nichtsdestotrotz war die Wanderung wirklich schön und ein Besuch der Kirche bei Marmarschen eine Empfehlung von mir für euren nächsten Armenienurlaub, wenn es euch in die Nähe von Gyumri verschlägt.

Und damit verabschiede ich mich in die Winterpause. Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest und kommt gut ins neue Jahr 2025! Ich freue mich darauf, wenn es hier in zwei Monaten weitergeht.

Bis bald! 😊

P.S.: Auch in meiner Schule geht es weihnachtlich zu. 🙂

Alltagsmomente – Von „K“ wie „Kopfstoßen“ bis „T“ wie „Tanzen“

Hallo zusammen! 🙂

Heute gibt es noch eine Runde „Alltagsmomente“, da das Format prima ist, um über verschiedene Themen zu berichten und euch einen wirklich authentischen Einblick in mein Leben hier zu geben. Also losgeht´s:

„K“ wie „Kopfstoßen“

Alternativ hätte ich diesen Moment auch „A“ wie „Auslachen“ nennen können, aber das klang mir dann doch zu fies, weil es eher ein gemeinsames Lachen war. Ich bin gestern nämlich woanders und damit später in die Marschrutka zugestiegen und stand dementsprechend sehr nahe an der Tür. Hier befindet sich die einzige tiefhängende Stange mit Knick im ganzen Gefährt:

In auffälligem Gelb eigentlich gut zu sehen. 😂

Da ich ziemlich groß bin und Marschrutka-Fahrten manchmal etwas holpriger verlaufen, habe ich mir bei einer Bremsung volles Pfund des Kopf an besagter Stange gestoßen. Eine junge Frau, die mir gegenüber stand und das gesehen hatte, musste daraufhin loslachen. Für sie war das eine sehr surreale Situation, da die meisten Armenierinnen und Armenier deutliche kleiner sind als ich und sie sich niemals den Kopf hätte stoßen können. Wahrscheinlich hatte sie vorher auch noch nie drüber nachgedacht, dass das überhaupt passieren könnte. Jedenfalls musste ich auch lachen und wir haben uns auch danach immer wieder angegrinst. Mein Schmerz hatte also durchaus etwas Gutes.

„M“ wie „mein Markus“

Ich möchte es eigentlich vermeiden, mich über die Fehler meiner Schülerinnen und Schüler lustig zu machen, da ich vollstes Verständnis dafür habe, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen. Ich bin mehr als heilfroh, dass meine Armenisch-Lehrerin keinen Blog schreibt, in dem ich mit meinen ganzen Fehlern vorkommen könnte (ich hoffe zumindest, dass sie keinen Blog schreibt). Ich würde auf jeden Fall mehr als genug Material dafür liefern. Trotzdem kann ich es nicht lassen und möchte einen sehr „schönen“ Fehler eines Schülers hier anführen: Die Aufgabe war, Fragen unter der Nutzung von Possesivpronomen zu beantworten.  Eine der Fragen lautete: „Ist das der Roller von Markus?“ Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, das ist sein Roller.“ Die Antwort eines Schülers lautete: „Ja, das ist mein Markus.“ Der Satz ist grammatikalisch korrekt, nur leider inhaltlich nicht die Antwort auf die Frage. Trotzdem hat es mich zum Lachen gebracht und für die grammatikalische Korrektheit gab´s immerhin einen halben Punkt.

„M“ wie „Milchshake“

Vor ein paar Tagen hatte ich nach der Schule richtig Lust auf einen Milchshake. Da ich jeden Nachmittag an einem Stand mit Milchshakes vorbeilaufe, habe ich beschlossen, mir einen mit Nutella und Banane zu holen. Die super liebe Verkäuferin fragte mich daraufhin nach meinem Namen und da mein Name hier nur Probleme bereitet, musste sie mehrfach nachfragen, bis sie ihn auf Armenisch auf den Becher schrieb. Vielleicht ist er richtig geschrieben. Ich glaube aber nicht. Anfang und Ende könnten hinkommen, aber in der Mitte meine ich mit meinen sehr eingeschränkten Buchstabenkenntnissen zu erkennen, dass etwas schiefgelaufen ist. Nichtsdestotrotz gab es ein süßes kleines Bild dazu, was ich euch nicht vorenthalten möchte:

Vielleicht mein Name auf Armenisch.

Da ich das Thema „Name“ gerade schon angeschnitten habe, hier noch ein kurzer Ausflug zu „N“ wie „Name“ oder wir bleiben einfach bei „M“ wie „mein Name“. Meine Schülerinnen und Schüler haben ein Problem mit dem „I“-Laut. Sie lernen den Buchstaben als „I“, aber in meinem Namen wird er nicht genau so, sondern dumpfer ausgesprochen. Auch meine Lehrerinnen mussten mehrfach nach der Aussprache fragen, bis es nicht mehr „ielka“, sondern „ilka“ war.  Ich habe kein Problem damit, wenn mein Name nicht hundertprozentig richtig ausgesprochen wird (im Wesentlichen ist er ja richtig), aber es hat mir das erste Mal bewusst gemacht, dass mein Name eigentlich gar nicht so wirklich gesprochen wie geschrieben wird. Wieder was gelernt! 😊

„P“ wie „Platten“

Was soll auch sonst auf meinem Weg von Jerewan zurück nach Gyumri passieren. Ich war letzten Freitag bei den Yerewan-Mädels zu Besuch, aber musste mich aufgrund einer fiesen Erkältung schon samstags wieder auf den Heimweg machen. Hierzu hatte ich mir ein GG-Shuttel gebucht, was so etwas wie ein Gruppentaxi ist und auf bestimmten Strecken regelmäßig für kleines Geld fährt. Also haben wir entspannt gefrühstückt, ehe ich mich mit dem Bus zum Abholungspunkt begeben habe. Hier habe ich gleich einen russischen Mitreisenden kennengelernt, der auch in Gyumri lebt und mit dem ich mich die ganze Fahrt über unterhalten habe. Besonders ein Satz von ihm ist mir im Kopf geblieben. Es war seine Antwort auf meine Frage, ob er jemals nach Russland zurückkehren wollen würde: „In Russland gelte ich als Extremist, weil ich gegen den Krieg bin. Insgesamt fallen mir so spontan sechs Gründe ein, warum ich in Russland verhaftet werden könnte.“ Wir haben viel über sein Leben und das Leben anderer Exilrussen gesprochen. Nachdem ich bei einem Besuch in einer Karaokebar mit den anderen Freiwilligen schon russische Soldaten getroffen hatte, die mit voller Überzeugung russische Kriegspropaganda wiedergegeben haben, ist mir der krasse Gegensatz nochmal deutlicher geworden, der hier in Gyumri aufeinander trifft. Einerseits ist hier eine russische Militärbasis und andererseits leben hier wie auch sonst in Armenien viele Exilrussen. Wo ich das hier gerade schreibe, fällt mir auf, dass ich das sogar nebenan habe: Rechts von mir wohnt ein russischer Soldat und links wohnen Exilrussen.

Aber zurück zur Panne: Wir hatten gut drei Viertel der Strecke schon hinter uns gebracht, als einer der Reifen geplatzt ist. Also hieß es für uns mitten auf der Fernstraße aussteigen und unseren Fahrer beim Reifenwechsel beobachten. Er war zum Glück sehr gut vorbereitet (was die Frage aufwirft, ob das häufiger vorkommt, aber ich will hier nichts Böses vermuten). Routiniert wechselte er den Reifen und war dabei so schnell, dass wir nach gut zehn Minuten schon weiterfahren konnten. Ich war davon wirklich beeindruckt.

Der Übeltäter.

Unsere Aussicht beim Warten.

Der alte und kaputte Reifen wurde bei der Weiterfahrt übrigens professionell mit Klebeband gesichert:

Da der eingewechselte Reifen allerdings nur ein Ersatzrad war, reisten wir mit reduzierter Geschwindigkeit weiter und kamen erst mit über einer Stunde Verspätung in Gyumri an. Das stellte sich im Nachhinein allerdings als glücklicher Zufall heraus, wie der nächste Alltagsmoment zeigt.

„T“ wie „Tanzen“

Die Stunde Verspätung hatte nämlich zur Folge, dass wir genau pünktlich zu einer Tanzaufführung kamen. Wenn Paul (mein neuer russischer Bekannter) es mir von der armenischen Frau richtig übersetzt hat, war es wohl ein Projekt der UNESCO zum traditionell-armenischen Tanz, das auch mit jeder Menge Kameras und Drohnen gefilmt wurde. Die Aufführung fand auf dem zentralen Platz in Gyumri statt, wo wir zufällig rausgelassen wurden. Es war wirklich cool, dabei zuzusehen und die traditionelle Kleidung zu bewundern. Angeleitet wurde das Ganze von einer Gruppe, die sowieso armenische Volkstänze unterrichtet und immer mal wieder Flashmobs hier in Gyumri macht. Ich folge ihnen jetzt auf Instagram und werde auf jeden Fall Augen und Ohren offenhalten, wann sie mal wieder irgendwo in der Stadt zu sehen sind. Ich hätte ihnen nämlich stundenlang zusehen können.

Und mit diesen Eindrücken aus Armenien schließe ich den heutigen Beitrag. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und konntet das ein oder andere Mal mit schmunzeln.

Bis bald! 🙂

Gyumri – Eine Stadt mit zwei Gesichtern

Hallo zusammen!

Eigentlich wäre ich dieses Wochenende mit den anderen Freiwilligen unterwegs gewesen, aber leider habe ich mir den Magen verstimmt und musst so schweren Herzens zu Hause bleiben. Aber so habe ich immerhin Zeit für diesen Blogeintrag. 😊

Ich muss ehrlich sagen, dass mir dieser Eintrag bisher am schwersten fällt. Das ist vermutlich auch der Grund, warum er erst jetzt und nicht schon viel früher kommt. Der Titel verrät auch schon, warum ich nicht so richtig weiß, wie ich beginnen soll. Aber vielleicht fange ich einfach bei meiner Ankunft hier und den ersten Gedanken zu Gyumri an:

Es ist mittlerweile drei Wochen her, dass ich in dieser Stadt angekommen bin. An diesem Tag war ich dermaßen übermüdet, dass ich nur wenig von Gyumri gesehen habe. Nur eine Sache ist mir im Kopf hängen geblieben: Entlang der Bahnstrecke gab es viele zerstörte oder zerfallende Gebäude. Ich habe in einem vorherigen Eintrag schon das schwere Erdbeben von 1988 angesprochen und ich wusste auch vorher schon, dass die Stadt immer noch unter den Folgen leidet. Ich habe das Ausmaß allerdings vollkommen unterschätzt.

Umso schockierter war ich, als ich mich das erste Mal Richtung Innenstadt aufgemacht habe. Neben den schönsten Gebäuden stehen Ruinen. Das Stadtbild ist von Schönheit und Zerstörung geprägt. Beides liegt so dicht nebeneinander, wie ich es noch nie erlebt habe und ist untrennbar miteinander verbunden. Der Kulturschock war für mich so massiv, dass ich nach einer halben Stunde in der Stadt starke Kopfschmerzen hatte und unter Tränen zurück zur Wohnung bin.

Ich möchte an dieser Stelle ganz ehrlich sein: Nach den ersten Tagen wollte ich nur noch zurück nach Deutschland, weil ich mich hier so fremd gefühlt habe. Yerewan hat mich gerettet. Bei meinem Besuch dort habe ich gesehen und erlebt, dass sich Armenien heimisch anfühlen kann. Die Gründe habe ich im „Yerewan-Artikel“ ausführlich erklärt und hinzu kamen natürlich auch die anderen Armenien-Freiwilligen, die mich aufgefangen haben.

Danach hatte ich die Kraft, Gyumri eine zweite Chance zu geben: Und wurde belohnt. Ich bin bei meinem zweiten Ausflug ins Zentrum andere Straßen gegangen und habe die wirklich schöne Seite Gyumris gesehen:

Ich rede hierbei von vielen, super liebevoll gestalteten Läden und Museen. Von Blumen und Architektur. Von armenischer Baukunst und armenischem Handwerk. Ich habe mich verliebt. Doch all das wäre ohne einen bestimmten Punkt nichts wert gewesen: Den Menschen. Egal, wohin ich ging, egal, wie wenig gemeinsame Sprache wir teilten, egal, wie es mir ging. Die Menschen waren immer herzlich zu mir. Ob auf dem Weg zur Schule, wo mich ein Taxifahrer ansprach und wir uns seitdem morgens immer zulächeln, oder unterwegs in der Innenstadt: Nach kurzer Scheu öffnen sich die Menschen und freuen sich darüber, dass man sich für ihre Stadt und ihre Geschichten interessiert.

Besonders hervorheben möchte ich hierbei die Menschen rund um das Berlin ART Hotel. Es ist eigentlich ein „Hotel in einer Galerie“, in der nur Künstlerinnen und Künstler aus Gyumri ausstellen. Ursprünglich war es eine Tagesbettenklinik für die angrenzende Poliklinik, die nach dem Erdbeben vom Deutschen Roten Kreuz aufgebaut wurde. Da es wegen der Ansteckungsgefahr mit der Poliklinik eigentlich keine Tagesbetten geben durfte, entschied man sich, ein Hotel daraus zu machen, um die Gebäude erhalten zu können. Im gleichen Gebäudekomplex gibt es eine deutsche Bücherei mit einer großartigen Sammlung an „Der kleine Prinz“-Büchern in verschiedenen Sprachen und Dialekten. Bei meinem ersten Besuch dort wurde ich gleich von einer super netten Frau mit knapp 20 Lesezeichen versorgt und durfte mir ein Buch mitnehmen. Die gleich Frau arbeitet auch für ein dort ansässiges Reisebüro, das Touren durch Armenien anbietet und auf das ich in Zukunft definitiv nochmal zurückkommen werde.

Eingangsbereich: Links geht es zur Poliklinik und rechts befinden sich die Eingänge des Honorarkonsulats und des Hotels.

Übrigens war das immer noch nicht alles zu diesem faszinierenden Ort: Auch mein Lieblings-Co-working-Space „ROOF25“ befindet sich dort auf der Dachterrasse. Entstanden ist er erst vor Kurzem, weil das Dach marode und einsturzgefährdet war. Da es Gelder nur für Tourismusprojekte gibt, hat man sich kurzerhand dazu entschieden, ein Touristeninformationscenter mit Café darauf zu bauen. Es ist also eigentlich nichts andere als ein „Dachrettungsprojekt“. Außerdem befindet sich ein Biergarten im Hinterhof des Hotels. Und jetzt zum wichtigsten: Das deutsche Honorarkonsulat für die Provinzen Shirak und Lori ist hier ansässig. Im Zuge dessen habe ich jetzt die Ehre, euch den Mann vorzustellen, der hinter all dem steckt: Honorarkonsul Aleksan Ter-Minasyan. Er leitet das Hotel und hat den Ort zu dem gemacht, was er heute ist.

Ich habe ihn bei der Verleihung der DSD-Diplome für einige meiner Schülerinnen und Schüler kennengelernt. Hierbei hat er auch alle oben stehenden Infos erzählt und noch so viel mehr, was hier leider den Rahmen sprengen würde. Er spricht sehr gut Deutsch und ist ein wirklich großartiger und warmherziger Mensch. Ich habe selten jemanden getroffen wie ihn, dem Menschen wirklich am Herzen liegen. Er machte mir klar, dass ich jederzeit herzlich willkommen sei und lud mich glatt zum Abendessen ein. Das Abendessen sei ein „Oktoberfest“ von seinem Rotary Club und als Deutsche müsse ich unbedingt dabei sein. Was wäre ein Oktoberfest schon ohne Deutsche?

So sah ich mich wenige Stunden nach der Verleihung schon wieder im Biergarten zwischen 2 Armenierinnen und 12 Armeniern sitzen. Lediglich der Konsul und mein Koordinator Benjamin, der auch eingeladen worden war, sprachen Deutsch, aber ich habe mich sehr schnell sehr wohlgefühlt. Ich hatte am Anfang ein bisschen Sorge, ob ich nicht fehl am Platz sein würde, aber das war unbegründet. Alle Menschen an diesem Tisch haben dafür gesorgt, dass die Atmosphäre super entspannt und ausgelassen war. Die Burger und das Gläschen Wein haben gut geschmeckt, genauso wie die ganzen Häppchen.

Es war eine einmalige Erfahrung, die mich nochmal in das armenische Beisammen-Sein hat blicken lassen. Die Menschen aus dem Rotary Club haben ganz unterschiedliche Berufe und treffen sich regelmäßig. Dabei bringt immer irgendjemand etwas Besonderes für den Abend mit. An diesem Abend war es ein armenischer Professor, der eine Fragerunde mit ganz unterschiedlichen Fragen veranstaltete. Auch wenn er viele Fragen ins Englische übersetzte, konnte ich kaum folgen, da viele Fragen Wortspiele aus dem Armenischen oder Russischen beinhalteten. Trotzdem war es sehr lustig, dabei zu sitzen und die anderen beim Mitraten zu beobachten.

Ab und zu wurden auch Witze erzählt, die Benjamin oder der Honorarkonsul mir übersetzten. So langsam bekomme ich ein Verständnis dafür, was im Reiseführer mit „Humor von Gyumri“ gemeint ist. Dafür sorgte auch unser Guide auf der Free-Walking-Tour, der uns in die berühmten Spitznamen der Bewohner von Gyumri einführte. Hier in Gyumri lieben es die Leute nämlich, Orten oder Personen Spitznamen zu geben; teilweise nett, aber meistens eher unvorteilhaft.

 

Besonders fasziniert hat mich eine Wand, an der ich bestimmt fünfmal vorbeigelaufen bin, bevor mich eine Armenierin darauf aufmerksam gemacht hat, dass an ihr jede Menge Witze stehen. Das war übrigens eben jene Armenierin, die ich beim Berlin Art Hotel getroffen hatte und die mich für´s Frühjahr zu sich nach Dilidschan eingeladen hat. Einer der Witze, den sie mir übersetzt hat, ist mir gut im Gedächtnis geblieben:

Ein Mann geht zum Zahnarzt, um sich einen Zahn ziehen zu lassen. Während des Ziehens schreit der Mann sehr laut. Im Anschluss sagt ihm der Arzt: „Das macht 30$.“ Der Mann erwidert: „Was für 30$? Ein Zahn kostet 10$!“ „Das stimmt schon, aber Sie haben so laut geschrien, dass zwei andere Patienten vor lauter Angst weggelaufen sind.“

Hier nochmal auf Armenisch. 🙂

Wo ich gerade den Reiseführer und die Free-Walking-Tour erwähnt habe, möchte ich doch noch ein paar generelle Informationen mit euch teilen:

Gyumri ist mit 110000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Armeniens und Hauptstadt der nordwestlichsten Provinz Shirak an der Grenze zu Georgien und der Türkei. Lange Zeit war Gyumri sehr unbedeutend und lediglich eine kleine Siedlung. Erste Erwähnungen gibt es jedoch schon aus der Antike. Anders als Yerewan gibt es bei Gyumri nicht zwanzig verschieden Schreibweisen des Namens, sondern im Verlauf der Zeit gleich ganz verschiedene Namen:

Bedeutsam wurde Gyumri im russischen Kaiserreich, nachdem Kaiser Nikolaus der Erste die Stadt besucht hatte, und sie seiner Frau zu Ehren 1840 in „Alexandropol“ umbenennen ließ. Das währte bis 1924, wo daraus zu Ehren Lenins „Leninakan“ wurde. Während dieser Zeit entwickelte sich Gyumri zur Kunst- und Handwerkshauptstadt des Landes und kam zu Wohlstand. Unser Guide hat uns erzählt, dass Gyumri zeitweise bedeutender als die Hauptstadt war und viele Menschen hierher zogen.

Nach dem schweren Erdbeben von Spitak 1988 und dem Zerfall der Sowjetunion (nachdem Gyumri mit der armenischen Unabhängigkeit auch den jetzigen, an die ursprüngliche Bezeichnung angelehnten Namen erhielt) ändert sich das jedoch: Die Stadt wurde schwer beschädigt und viele Gebäude zerstört. Mit Ende der Sowjetunion fehlte zudem Geld für die Restauration. Auch der Völkermord der Türken an den Armeniern, der seinen traurigen Höhepunkt in den Jahren 1915/1916 fand und bei dem schätzungsweise zwischen 300000 und 1,5 Millionen Menschen zu Tode kamen, sowie der Bergkarabachkonflikt sorgten dafür, dass viele Menschen flohen und das Land verließen. Aus diesen Gründen hat sich die Bevölkerung Gyumris laut unserem Guide im Vergleich zum Anfang des 20. Jahrhunderts halbiert.

Hierin liegt auch eine weitere Begründung für die vielen Ruinen: Einerseits ist die Bevölkerung massiv geschrumpft und die, die geblieben sind, haben meist nicht das Geld, sich die alten Herrenhäuser im Zentrum zu kaufen oder sie geschweige denn zu restaurieren. Heutzutage ist der Trend unter denen, die es sich leisten können, Gyumri zu verlassen und nach Yerewan oder ins Ausland zu gehen.

Das finde ich sehr schade, da diese Stadt wirklich viel Potential hat. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr verständlich, da gerade junge Menschen andernorts mehr Chancen auf ein besseres Leben haben. Umso privilegierter bin ich, dass ich nach diesem Jahr einfach so zurück nach Deutschland kehren werde. Nachdem ich gestern eine Stunde nicht bei meiner Lieblings-Neunten-Klasse war, haben sie sich schon große Sorgen gemacht, dass das jetzt schon passiert ist.

Aber keine Angst: Auch wenn ich einen schwierigen Start mit Gyumri hatte, fühle ich mich hier jetzt wohl und freue mich sehr auf die Zeit in dieser schönen Stadt. In diesem Sinne könnt ihr gespannt sein, was ich noch alles von hier berichten werde.

Bis bald! 😊

 

Meine „Erfrischung des Tages“

Hallo zusammen! 🙂

„Schon wieder ein neuer Beitrag?“, fragt sich vielleicht der ein oder andere von euch. Die Antwort lautet: Ja. Und warum? Ganz einfach: Es macht mir super viel Spaß, meine Erlebnisse hier mit euch zu teilen und euch einen Einblick in meine Welt geben zu können.

Da die letzten Artikel alle etwas länger waren, dachte ich mir, dass eine kleine Erfrischung vielleicht gut tut. Insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Gyumri-Artikel, den ich hiermit auch wirklich zum letzten Mal angekündigt habe. Die „kleine Erfrischung“ soll ein kurzer Beitrag darüber werden, was mich hier in Gyumri eigentlich gut fühlen und runterkommen lässt, obwohl ich noch nicht mit meinen Hobbys begonnen habe.

Die Arbeit in der Schule ist bei all den schönen Momenten doch meistens anstrengend und ich merke richtig, wie meine Energie abfällt, sobald ich nach Hause komme. Auch das Blog-Schreiben nimmt einiges an Zeit in Anspruch, weil ich Artikel gerne einmal mehr überarbeite, um dann auch wirklich zufrieden zu sein. Dazu kommen das „Alleine-Leben“, Vorbereitungen für anstehende Projekte (seid gespannt!), Telefonate mit den Liebsten und manchmal auch noch Termine, die eben so anstehen. Da bleibt ab und zu doch überraschend wenig Zeit, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen.

Darum gehe ich gerne spazieren. Das habe ich auch Zuhause in Deutschland schon immer viel gemacht und ich muss zugeben, dass es mir hier in der Stadt doch manchmal recht schwer fällt, weil mir die Natur fehlt. Trotzdem habe ich mich gestern aufgemacht und folgende „Erfrischungen“ gefunden:

Erst wollte ich zu meinem Lieblings-Co-Working-Space auf einer Dachterrasse, doch der hatte leider zu. Wie der Zufall es aber so wollte, gab es an diesem Ort eine andere Art der Erfrischung für mich: Eine 19-jährige Armenierin hatte im Nachbargebäude einen Workshop und hat mich angequatscht. Das Gespräch mit ihr auf Englisch war total interessant und sehr erfrischend, da es mich aus meinem kleinen grauen „Loch“ herausgeholt hat. Wir haben uns glatt für den nächsten Abend verabredet, um noch etwas gemeinsam zu unternehmen.

Für den Moment hat das richtig gut getan, doch sobald ich weitergegangen war, kam das mulmige, erdrückende Gefühl zurück. Also bin ich weiter gelaufen und auf meinem Weg an einem kleinen Laden vorbeigekommen. Eigentlich war er nicht mein Ziel gewesen, doch ich nehme mir hier oft die Zeit, um einfach überall mal reinzuschauen. Ich war (wie so oft) die einzige „Kundin“. Im Laden selbst fand ich mich zwischen wirklich wunderschönen Bildern wieder. Besonders eines, das armenische Landschaft gezeigt hat, hatte es mir wirklich angetan. Es hat mich richtig runterkommen lassen, wovon ich selbst sehr überrascht war, da ich eigentlich nicht der „Kunst-Mensch“ bin. Ich stand so lange davor, dass mich der Besitzer des Ladens angesprochen hat. Er erzählte mir, dass alle Bilder in diesem Laden von Künstlern aus Gyumri gemalt worden seien und dieses, was mich so angezogen hat, von seinem Vater. Als ich mich endlich losreißen konnte, führte er mich weiter durch den Laden und zeigte mir den Souvenir-Shop, die Töpferwerkstatt und das kleine Café. Alles in diesem Laden sei handgemacht und ich war wirklich von der Atmosphäre dieses eigentlich so unscheinbaren Ladens begeistert. Ich werde dort definitiv nochmal zum Schreiben hingehen und eine Tee trinken.

Der Laden heißt übrigens „B 612“ und ist nach dem Heimatplaneten des „kleinen Prinz“ benannt, was man auch an der Visitenkarte des Laden sehen kann:

Vom Besitzer selbstdesigned.

Dieser Laden hat mir sogar so gut getan, dass ich danach noch in der dazugehörigen Ausstellung am anderen Ende Gyumris war. Auch dort wurde ich wieder nett von einem Angestellten und seiner super süßen Katze begrüßt und durch die Räume des Kellers geführt.

Der wahre Chef des Ladens 🙂

 

Anschließend habe ich mir noch an meinem Stamm-Stand eine heiße Schokolade für knapp einen Euro gegönnt und bin mit bester Laune zurück zur Wohnung gelaufen. Alle Wolken hatten sich verzogen und der Himmel hat strahlend-blau geleuchtet.

Was ich damit sagen will: Wenn es euch schlecht geht, dann wartet nicht darauf, dass ein Wunder geschieht, sondern versucht es selbst in die Hand zu nehmen. Ich weiß, dass das immer einfacher gesagt als getan ist und manche Probleme schlichtweg zu erdrückend sind, aber versucht es wenigstens. Schlimmer kann es davon meistens eh nicht werden. Auch ich hatte eigentlich gar keinen Bock, als ich losgelaufen bin, aber die ganzen schönen Begegnungen waren mein kleines persönliches „Wunder“. In Kombination damit, dass ich mir etwas gegönnt habe, von dem ich wusste, dass es mir gut tut (die heiße Schokolade), waren das Ergebnis meiner Neugierde und die Bewegung meine „Erfrischung des Tages“. Mein Tipp ist also, sich einfach mal aus der eigenen Komfortzone rauszuwagen und den inneren Schweinehund zu besiegen. Aus dem „Grau“ der eigenen vier Wände auszubrechen, kann Farbe ins Leben bringen und lohnt sich meiner Erfahrung nach so gut wie immer. Überraschungen sind dabei vorprogrammiert. Und mit diesen Worten überlasse ich euch euren Gedanken und freue mich auf´s nächste Mal, wenn wieder ein „gewöhnlicher“ Beitrag kommt.

Bis bald! 😊

Aufregende erste zwei Tage – Von Türen, Stromausfällen und Keksen

Hallo zusammen! 🙂

Seid ihr schon mal mit richtig viel Gepäck unterwegs gewesen? Mit so viel Gepäck, dass es eigentlich zu schwer für euch war? Falls nicht, dann lasst euch von mir sagen, dass das überhaupt keinen Spaß macht und ihr nach wenigen Metern jeden einzelnen Muskel eures Körper spüren werdet. Ihr werdet euch nichts sehnlicher wünschen, als endlich anzukommen.

So ging es auch Dana und mir, als wir den (ebenfalls wieder sehr hübschen) Bahnhof von Gyumri erreichten. Wir hätten uns zwar ein Taxi rufen können, doch nach dem langen Sitzen erschien es mir als die bessere Idee, die relativ „kurzen“ 15 Minuten zu unserer Wohnung zu laufen. Ich mag Spaziergänge sehr und hatte unsere Kraftreserven, die Qualität der Gehsteige ebenso wie die Qualität der Rollen meiner Koffer deutlich überschätzt. Und so kamen wir nach 25 Minuten anstatt nach 15 Minuten völlig verschwitzt und ausgepowert bei unsere kleinen, aber sehr zentral gelegenen Wohnung an. Dort wurden wir nicht vom Vermieter selbst, sondern von dessen Eltern empfangen. Da die beiden kein Deutsch oder Englisch sprachen und weder Dana noch ich Armenisch konnten (noch nicht!), erfolgte die Roomtour mit jeder Menge wilder Zeichen und immer wieder Gelächter, wenn etwas nicht gleich verständlich war.

Unsere Wohnung.

Nachdem wir uns soweit eingerichtet hatten, rief mich der Vater noch einmal zu sich, um mir zu zeigen, dass er noch eine Schublade im Bad reparieren würde und der Strom aus war. Ich interpretierte das so, dass er den Strom eigenständig abgeschaltet hatte. Als wir (nachdem er bereits gegangen war) immer noch keinen Strom hatten, kontaktierte ich unseren Vermieter und fragte nach. Dieser klärte mich daraufhin auf: Ich hatte seinen Vater zu Unrecht verdächtigt und es handelte sich um einen regionalen Stromausfall, was immer mal wieder vorkäme und maximal zwei Stunden andauern würde. Tatsächlich war der Strom kurze Zeit später wieder da und beim nächsten Stromausfall hatte man sich direkt dran gewöhnt. Als wir abends mit den anderen Armenien-Freiwilligen Erfahrungen austauschten, wurde klar, dass es dieses Problem nicht nur in Gyumri gibt: Auch die drei Mädels aus Yerewan hatten schon einen Stromausfall hinter sich, auf den während unseres Telefonats prompt der zweite folgte. Lediglich Samuel in Sardarapat war verschont geblieben.

Aber zurück zu unserem Vermieter: Eigentlich ist unsere Wohnung eine Ferienwohnung auf Airbnb, die wir aber netterweise zu einem humanen Preis für sechs Monate mieten dürfen. Unser Vermieter war hierbei von Beginn an sehr hilfsbereit und zuvorkommenden. Auch dann noch, als ich ihn an unserem ersten Tag zum gefühlt fünften Mal schrieb und um Hilfe bat. Dieses Mal gab es ein Problem mit der Haustür. Wie sich herausstellte war es meine eigene Unwissenheit und nicht die Schuld der Tür, aber von vorne: Als ich versucht habe, die Tür abzuschließen, ist mir das grundsätzlich zwar gelungen, aber ich konnte den Schlüssel nicht mehr aus dem Schloss ziehen. Wenn die Tür offen war, ging es problemlos, aber sobald abgeschlossen war, wollte der Schlüssel auch mit aller Gewalt nicht aus dem Schloss. Kaum hatte ich die Nachricht an unseren Vermieter abgeschickt, bekam ich ein YouTube-Tutorial zum Abschließen von dieser Art von Tür zurück. Zu meinem maßlosen Entsetzen war das Video so hilfreich, dass der Vater nicht nochmal zur Demonstration kommen musste und es klappte. Zur Feier meines Erfolgs schickte mir der Vermieter noch eine lange Liste mit hilfreichen Tipps für Gyumri, die mich in meiner Zeit hier bestimmt noch öfters begleiten werden.

Komplett erschöpft fiel ich nach knapp 28 Stunden auf den Beinen abends ins Bett, nur um am nächsten Morgen schon wieder um 7:30 Uhr aufstehen zu müssen. Ich hatte mit meiner Ansprechpartnerin Hasmik vereinbart, dass ich zum Schnuppern schon einen Tag an der Schule vorbeischauen würde. Sie holte mich mit dem Taxi ab und auf der 20-minütigen Fahrt zur Schule, die ein bisschen außerhalb liegt, bestätigte sich mein erster Eindruck von Gyumri: Die Stadt ist deutlich grüner als Yerewan und kleiner. Es gibt viele schöne Gebäude, aber auch einige Ruinen. Der Verkehr ist stellenweise das pure Chaos, aber man gewöhnt sich schnell daran (wenn ich wieder nach Deutschland komme, werde ich nicht mehr vernünftig Autofahren können). Es waren so viele Eindrücke, dass ich wohl noch etwas brauchen werde, um mich zurechtfinden zu können. Die Schule selbst ist von innen sehr bunt und es gibt viele Pflanzen. Von vielen Lehrkräften und auch einigen Kindern wurde ich mit einem Lächeln oder einem freundlichen Zunicken begrüßt, sodass ich mich schnell wohlgefühlt habe. Das lag auch an der zweiten Deutschlehrerin, die auch Hasmik heißt, und mich sehr warmherzig in Empfang genommen hat. Vom Unterricht und meiner Arbeit werde ich an anderer Stelle erzählen, da ein Tag noch nicht sehr aussagekräftig ist und ich hier lieber noch Anderes berichten möchte. Zu erwähnen sind beispielsweise noch die Kekse und die Busfahrt zurück:

In den Pausen haben mir die beiden Deutschlehrerinnen nämlich jede Menge armenischer Kekse, Süßigkeiten und ein Stück Banane angeboten, was ich dankend angenommen habe. Besonders gut geschmeckt haben mir hierbei Kekse, die fast wie Prinzenrolle nur mit weicherem Keks und weißer Creme waren. Ich habe im Supermarkt bei uns um die Ecke schon nach ihnen Ausschau gehalten, konnte sie leider aber noch nicht entdecken. Ich werde die Suche dennoch weiter fortsetzen oder bei nächster Gelegenheit nachfragen!

Ein weiteres Tageshighlight war die Rückfahrt in einer Marschrutka, einer Art regionalem Linienbus, den ich ab Montag täglich zur Schule und zurück nehmen werde. Völlig überfüllt und mit waghalsigem Fahrstil ging es quer durch Gyumri, sodass ich schon nach wenigen Minuten keinerlei Orientierung mehr hatte. Trotz eines Schreckmoments, als ein Blitz in unmittelbarer Nähe einschlug, erreichte ich meine Haltestelle und stieg sogar richtig aus, was alles andere als selbstverständlich ist, da ich während der Fahrt ungefähr fünfmal dachte, dass wir schon da wäre. Kaum ausgestiegen, wollte ich zu einem Geldautomaten und lief erstmal in die falsche Richtung. Ich fürchte, bis ich mich in Gyumri zurecht finde, wird es wohl noch eine Weile dauern. Am Geldautomaten fand dann die für mich schönste Begegnung des Tages statt: Ich stand nur wenige Minuten dort, schon kamen drei Jungs im Alter von 12-15 Jahren auf mich zu und der Älteste bat mir auf Deutsch Hilfe an. Während sie mir dabei halfen, den Automaten zu knacken, unterhielten wir uns wirklich nett über alles Mögliche. Für einen Lacher sorgte die Entschuldigung eines Jungen für das „schlechte Wetter“, das normalerweise deutlich wärmer und weniger regnerisch sei, woraufhin ich nur erwiderte, dass ich aus Norddeutschland käme und es sich fast wie Zuhause anfühle.

Das war auch einer der Momente an denen ich für mich festlegte, dass „armenische Gastfreundschaft“ als Beschreibung für die Armeniern im Umgang mit „Ausländern“ nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht ganz passend ist. Selbstverständlich bin ich zu Gast in diesem Land, doch ist die Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen, die ich hier bisher getroffen habe, so viel universeller: Tags zuvor war eine Frau auf der Straße gestürzt und sofort waren ihr mindestens fünfzehn Personen zur Hilfe geeilt. Diese Hilfsbereitschaft hat mich in der kurzen Zeit, in der ich erst hier bin, schon oft überrascht und ich bin sehr dankbar für all die Hilfe, die ich bereits erhalten habe. Das geht für mich über bloße „Gastfreundschaft“ hinaus. Ohne diese Menschen wäre ich in diesem fremden Land mit fremder Sprache schon das ein oder andere Mal verzweifelt.

Dennoch beginne ich langsam, mich einzufinden und alleine zurechtzukommen. Ich habe es sogar eigenständig geschafft, uns Essen zu bestellen, ohne dafür unseren Vermieter fragen zu müssen! Es besteht also noch Hoffnung auf ein selbstständiges Leben hier. Ob und wie schnell das jedoch in Erfüllung geht, wird erst die Zeit zeigen und mit diesen weisen Worten beende ich den heutigen Eintrag. Sobald wieder etwas Spannendes oder Berichtenswertes passiert, wird es hier selbstverständlich weiter gehen. In diesem Sinne:

Bis bald! 😊