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Alltagsmomente – Von „L“ wie „Last Christmas“ bis „S“ wie „Shuttlefahrten“

Hallo zusammen! 🙂

Es gibt mal wieder eine Runde Alltagsmomente. Ich sammle immer fleißig und wenn es dann genug sind, fasse ich sie hier für euch zusammen. Ursprünglich hatte ich hier auch die Erlebnisse vom Volkstrauertag integriert, aber dann wäre dieser Beitrag viel zu lang geworden. Also sind es zwei Beiträge geworden und in diesem gibt es einige Momente aus der Schule. In diesem Sinne: Viel Spaß!

„L“ wie „Last Christmas“

Würde ich euch raten lassen, wann und unter welchen Umständen ich das Lied dieses Jahr das erste Mal gehört habe, würdet ihr niemals darauf kommen. Es war nämlich im Unterricht. Genauer gesagt, während eines Tests. 😂 Ich habe ja schon mal erzählt, dass hier nach jeder Lektion, sogenannte „thematische Arbeiten“ geschrieben werden und letztens stand in einer sechsten Klasse mal wieder eine an. Mit Tests in Deutschland ist das allerdings nicht zu vergleichen, da viel geschummelt und zusammengearbeitet wird. Die Lautstärke ist nur um Weniges leiser als im normalen Unterricht und auch bei der Benotung werden gerne mal beide Augen zugedrückt. Trotz teils schlechter Leistungen steht nie etwas Schlechteres als eine 6 oder 7 von 10 da, was bei uns einer 3 entspräche. Das liegt daran, dass die Lehrkräfte sonst mit den Eltern und dann auch der Schulleitung Probleme bekommen würden. Aber naja, das ist ein anderes Thema. Also zurück zu „Last Christmas“: Ich war gerade dabei, die Tests einer anderen Klasse zu korrigieren, als der Schüler direkt vor mir plötzlich anfing, „Last Christmas“ zu singen. Das kam so aus dem Nichts, dass ich loslachen musste. Es war das erste Mal, dass ich den Weihnachtsklassiker dieses Jahr gehört habe, und es war besonders in einer solchen Situation so unerwartet, dass mir das auf jeden Fall noch lange im Gedächtnis bleiben wird,

„L“ wie „Leibesübungen“

Das war mal wieder einer von diesen Momenten im Unterricht, in denen ich überfragt war. Als es um die Stadt Bochum ging, wollte einer meiner Oberstufenschüler wissen, wofür die Abkürzung „VfL“ des VfL Bochums stünde. Ich bin bis „Verein für“ gekommen, doch das „L“ habe ich nicht gewusst. Also wurde kurzerhand gegoogelt: Das „L“ steht für „Leibesübungen“. Das war definitiv nicht die erwartete Antwort und hat für einen Lacher gesorgt. Anschließend musste ich erklären, warum man nicht einfach „Sport“ sagt. Meine Schüler waren mit dem Wort insgesamt eher unzufrieden und das kann ich tatsächlich nachvollziehen. Ich konnte sie allerdings damit beruhigen, dass sie es sich nicht merken müssten, da es im allgemeinen Sprachgebrauch nicht vorkäme. Oder wann habt ihr das letzte Mal davon erzählt, wie ihr Leibesübungen gemacht habt?

„V“ wie „Vornamen“

In einer meiner fünften Klassen stand der Abschlusstest für die Lektion an (das ist nicht die thematische Arbeit, sondern nur eine Art Lektionsabschluss im Buch), den wir aber gemeinsam im Unterricht gemacht haben. Gleich die erste Aufgabe war hierbei, fünf deutsche Vornamen aufzuschreiben. Da ich am Anfang versäumt hatte, mich vernünftig vorzustellen, dachte ich, dass das eine gute Gelegenheit sei, zumindest meinen Namen nachzuholen. Also schrieb ich ihn an die Tafel und erklärte mit meinen neu erworbenen Armenischkenntnissen, dass ich so heiße. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, aber beim Vergleichen der Antworten, nannten fast alle Schülerinnen und Schüler neben den Namen aus der Lektion stolz meinen Namen. Und wenn einer ihn nicht nannte, fügten die anderen gleich ein energisches „Und Ilka!“ hinzu. Ich habe mich wirklich über ihre Begeisterung gefreut und bin gespannt, ob sie sich meinen Namen merken können. In einer anderen fünften Klasse hatte ich mich schon bei früherer Gelegenheit vorgestellt und ein Schüler aus dieser Klasse grüßt mich nun immer mit meinem Namen. Es ist wirklich schön, mit welcher Freude mich die Schülerinnen und Schüler hier immer noch empfangen. Laut den beiden Deutschlehrerinnen bin ich während meiner Woche in Tbilissi schmerzlich vermisst worden. Und das nicht nur von den Kindern und Jugendlichen: Auch einige Lehrkräfte und Mitarbeitende haben wohl nach mir gefragt. Darunter auch der Militärlehrer, der mich jeden Morgen auf Deutsch begrüßt.

„S“ wie „Schachspieler“

„Die Schachspieler kommen!“ zählt wohl zu den seltsamsten Erklärungen, die ich jemals bekommen habe. Es war die fünfte Schulstunde und plötzlich war auf dem Flur jede Menge Lärm zu hören. Dann ging die Tür auf, eine Lehrerin streckte ihren Kopf in den Klassenraum und sagte etwas auf Armenisch. Daraufhin brach Jubel aus und die Kinder sprangen von ihren Plätzen auf. Ich sah meine Ansprechpartnerin fragend an und sie sagte nur mit einem Schulterzucken: „Die Schachspieler kommen.“ Als würde das alles erklären. Tat es nicht. Ich war immer noch genauso verwirrt wie vorher und ging einfach mit den Schülerinnen und Schülern mit. Auf dem Weg wohin auch immer überlegte ich mir, dass vielleicht irgendein bekannter Schachspieler zu Besuch sei und die Kinder ihm Fragen stellen dürften. Da Schach hier eine Art Nationalsport ist, habe ich es nicht weiter hinterfragt. Das „wo auch immer“ stellte sich als Eingangshalle heraus, wo schon diverse andere Schülerinnen und Schüler aus allen Jahrgängen sowie Lehrkräfte standen. Sie standen Spalier, sodass sich ein Gang bildete. Und dann kamen sie: Die Schachspieler. Entgegen meiner Vermutung waren es aber keine „Profis“, sondern Schüler unserer Schule, die an einem Wettkampf teilgenommen hatten und nun siegreich zurückkehrten. Also eher die „Profis der Zukunft“. Alle klatschten und jubelten, als sie die Schule betraten, und ich fand das einen wirklich schönen Moment. Es zeigt eindrücklich das Gemeinschaftsgefühl an dieser Schule und schätzt die tolle Leistung der Schachspieler wert.

„S“ wie „Shuttlefahrten“

Eigentlich hätten Shuttlefahrten an sich hier keinen eigenen Moment verdient, weil sie für mich schon zum unspektakulären Alltag gehören, aber mittlerweile zeichnet sich ein Muster ab: Jedes Mal, wenn ich die letzten Male mit dem Shuttle von Gyumri nach Yerewan oder umgekehrt gefahren bin, habe ich danach einen neuen Kontakt in meinem Handy gehabt. Es ist wirklich verrückt, aber jedes Mal lerne ich jemanden Neues kennen. Auf meiner letztes Hinfahrt nach Yerewan war es ein armenischer Student, der in Gyumri aufgewachsen ist, aber jetzt in der Hauptstadt studiert. Er hatte mich angesprochen, weil er sich gefragt hat, was jemand wie ich in Armenien macht, zumal ich nicht wie eine Touristin ausgesehen hätte. Ich frage mich bis heute, wieso nicht, da ich mit meinem für Georgien gepackten und aus allen Nähten platzenden Rucksack unterwegs war. Aber das Gespräch, was sich daraus ergab, war für mich besonders im Hinblick auf das Leben der jungen armenischen Männer sehr bereichernd. Er war wirklich nett und hat mich prompt eingeladen, mit ihm bei meinem nächsten Besuch in Yerewan richtig Armenisch essen zu gehen. Die nächste Gelegenheit zum „Kontakteknüpfen“ war dann auch wieder die Rückfahrt, von der ich im vorherigen Beitrag ja schon erzählt habe. Für mich ist es ein schönes Gefühl, hier nicht ganz allein zu sein und ich bin sehr gespannt, wen ich hier noch so kennenlerne und wie viele meiner Bekanntschaften am Ende auf Shuttlefahrten entstanden sind. 😂

Damit soll es das für heute auch wieder gewesen sein.

Bis bald! 😊

Alltagsmomente – Von „K“ wie „Kopfstoßen“ bis „T“ wie „Tanzen“

Hallo zusammen! 🙂

Heute gibt es noch eine Runde „Alltagsmomente“, da das Format prima ist, um über verschiedene Themen zu berichten und euch einen wirklich authentischen Einblick in mein Leben hier zu geben. Also losgeht´s:

„K“ wie „Kopfstoßen“

Alternativ hätte ich diesen Moment auch „A“ wie „Auslachen“ nennen können, aber das klang mir dann doch zu fies, weil es eher ein gemeinsames Lachen war. Ich bin gestern nämlich woanders und damit später in die Marschrutka zugestiegen und stand dementsprechend sehr nahe an der Tür. Hier befindet sich die einzige tiefhängende Stange mit Knick im ganzen Gefährt:

In auffälligem Gelb eigentlich gut zu sehen. 😂

Da ich ziemlich groß bin und Marschrutka-Fahrten manchmal etwas holpriger verlaufen, habe ich mir bei einer Bremsung volles Pfund des Kopf an besagter Stange gestoßen. Eine junge Frau, die mir gegenüber stand und das gesehen hatte, musste daraufhin loslachen. Für sie war das eine sehr surreale Situation, da die meisten Armenierinnen und Armenier deutliche kleiner sind als ich und sie sich niemals den Kopf hätte stoßen können. Wahrscheinlich hatte sie vorher auch noch nie drüber nachgedacht, dass das überhaupt passieren könnte. Jedenfalls musste ich auch lachen und wir haben uns auch danach immer wieder angegrinst. Mein Schmerz hatte also durchaus etwas Gutes.

„M“ wie „mein Markus“

Ich möchte es eigentlich vermeiden, mich über die Fehler meiner Schülerinnen und Schüler lustig zu machen, da ich vollstes Verständnis dafür habe, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen. Ich bin mehr als heilfroh, dass meine Armenisch-Lehrerin keinen Blog schreibt, in dem ich mit meinen ganzen Fehlern vorkommen könnte (ich hoffe zumindest, dass sie keinen Blog schreibt). Ich würde auf jeden Fall mehr als genug Material dafür liefern. Trotzdem kann ich es nicht lassen und möchte einen sehr „schönen“ Fehler eines Schülers hier anführen: Die Aufgabe war, Fragen unter der Nutzung von Possesivpronomen zu beantworten.  Eine der Fragen lautete: „Ist das der Roller von Markus?“ Die richtige Antwort wäre gewesen: „Ja, das ist sein Roller.“ Die Antwort eines Schülers lautete: „Ja, das ist mein Markus.“ Der Satz ist grammatikalisch korrekt, nur leider inhaltlich nicht die Antwort auf die Frage. Trotzdem hat es mich zum Lachen gebracht und für die grammatikalische Korrektheit gab´s immerhin einen halben Punkt.

„M“ wie „Milchshake“

Vor ein paar Tagen hatte ich nach der Schule richtig Lust auf einen Milchshake. Da ich jeden Nachmittag an einem Stand mit Milchshakes vorbeilaufe, habe ich beschlossen, mir einen mit Nutella und Banane zu holen. Die super liebe Verkäuferin fragte mich daraufhin nach meinem Namen und da mein Name hier nur Probleme bereitet, musste sie mehrfach nachfragen, bis sie ihn auf Armenisch auf den Becher schrieb. Vielleicht ist er richtig geschrieben. Ich glaube aber nicht. Anfang und Ende könnten hinkommen, aber in der Mitte meine ich mit meinen sehr eingeschränkten Buchstabenkenntnissen zu erkennen, dass etwas schiefgelaufen ist. Nichtsdestotrotz gab es ein süßes kleines Bild dazu, was ich euch nicht vorenthalten möchte:

Vielleicht mein Name auf Armenisch.

Da ich das Thema „Name“ gerade schon angeschnitten habe, hier noch ein kurzer Ausflug zu „N“ wie „Name“ oder wir bleiben einfach bei „M“ wie „mein Name“. Meine Schülerinnen und Schüler haben ein Problem mit dem „I“-Laut. Sie lernen den Buchstaben als „I“, aber in meinem Namen wird er nicht genau so, sondern dumpfer ausgesprochen. Auch meine Lehrerinnen mussten mehrfach nach der Aussprache fragen, bis es nicht mehr „ielka“, sondern „ilka“ war.  Ich habe kein Problem damit, wenn mein Name nicht hundertprozentig richtig ausgesprochen wird (im Wesentlichen ist er ja richtig), aber es hat mir das erste Mal bewusst gemacht, dass mein Name eigentlich gar nicht so wirklich gesprochen wie geschrieben wird. Wieder was gelernt! 😊

„P“ wie „Platten“

Was soll auch sonst auf meinem Weg von Jerewan zurück nach Gyumri passieren. Ich war letzten Freitag bei den Yerewan-Mädels zu Besuch, aber musste mich aufgrund einer fiesen Erkältung schon samstags wieder auf den Heimweg machen. Hierzu hatte ich mir ein GG-Shuttel gebucht, was so etwas wie ein Gruppentaxi ist und auf bestimmten Strecken regelmäßig für kleines Geld fährt. Also haben wir entspannt gefrühstückt, ehe ich mich mit dem Bus zum Abholungspunkt begeben habe. Hier habe ich gleich einen russischen Mitreisenden kennengelernt, der auch in Gyumri lebt und mit dem ich mich die ganze Fahrt über unterhalten habe. Besonders ein Satz von ihm ist mir im Kopf geblieben. Es war seine Antwort auf meine Frage, ob er jemals nach Russland zurückkehren wollen würde: „In Russland gelte ich als Extremist, weil ich gegen den Krieg bin. Insgesamt fallen mir so spontan sechs Gründe ein, warum ich in Russland verhaftet werden könnte.“ Wir haben viel über sein Leben und das Leben anderer Exilrussen gesprochen. Nachdem ich bei einem Besuch in einer Karaokebar mit den anderen Freiwilligen schon russische Soldaten getroffen hatte, die mit voller Überzeugung russische Kriegspropaganda wiedergegeben haben, ist mir der krasse Gegensatz nochmal deutlicher geworden, der hier in Gyumri aufeinander trifft. Einerseits ist hier eine russische Militärbasis und andererseits leben hier wie auch sonst in Armenien viele Exilrussen. Wo ich das hier gerade schreibe, fällt mir auf, dass ich das sogar nebenan habe: Rechts von mir wohnt ein russischer Soldat und links wohnen Exilrussen.

Aber zurück zur Panne: Wir hatten gut drei Viertel der Strecke schon hinter uns gebracht, als einer der Reifen geplatzt ist. Also hieß es für uns mitten auf der Fernstraße aussteigen und unseren Fahrer beim Reifenwechsel beobachten. Er war zum Glück sehr gut vorbereitet (was die Frage aufwirft, ob das häufiger vorkommt, aber ich will hier nichts Böses vermuten). Routiniert wechselte er den Reifen und war dabei so schnell, dass wir nach gut zehn Minuten schon weiterfahren konnten. Ich war davon wirklich beeindruckt.

Der Übeltäter.

Unsere Aussicht beim Warten.

Der alte und kaputte Reifen wurde bei der Weiterfahrt übrigens professionell mit Klebeband gesichert:

Da der eingewechselte Reifen allerdings nur ein Ersatzrad war, reisten wir mit reduzierter Geschwindigkeit weiter und kamen erst mit über einer Stunde Verspätung in Gyumri an. Das stellte sich im Nachhinein allerdings als glücklicher Zufall heraus, wie der nächste Alltagsmoment zeigt.

„T“ wie „Tanzen“

Die Stunde Verspätung hatte nämlich zur Folge, dass wir genau pünktlich zu einer Tanzaufführung kamen. Wenn Paul (mein neuer russischer Bekannter) es mir von der armenischen Frau richtig übersetzt hat, war es wohl ein Projekt der UNESCO zum traditionell-armenischen Tanz, das auch mit jeder Menge Kameras und Drohnen gefilmt wurde. Die Aufführung fand auf dem zentralen Platz in Gyumri statt, wo wir zufällig rausgelassen wurden. Es war wirklich cool, dabei zuzusehen und die traditionelle Kleidung zu bewundern. Angeleitet wurde das Ganze von einer Gruppe, die sowieso armenische Volkstänze unterrichtet und immer mal wieder Flashmobs hier in Gyumri macht. Ich folge ihnen jetzt auf Instagram und werde auf jeden Fall Augen und Ohren offenhalten, wann sie mal wieder irgendwo in der Stadt zu sehen sind. Ich hätte ihnen nämlich stundenlang zusehen können.

Und mit diesen Eindrücken aus Armenien schließe ich den heutigen Beitrag. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und konntet das ein oder andere Mal mit schmunzeln.

Bis bald! 🙂

Alltagsmomente – Von „A“ wie „Aussicht“ bis „T“ wie „Trinkbrunnen“

Hallo zusammen! 😊

Schon länger habe ich hier nichts mehr von mir hören lassen und möchte das dringend ändern. Viele der „großen Themen“ habe ich mit den letzten, sehr ausführlichen Beiträgen abgehakt und so bleibt nun der Raum für ein paar Alltagsmomente:

„A“ wie „Aussicht“

Am Samstag sind die anderen Freiwilligen aus Yerewan und Sardarapat zu uns nach Gyumri gekommen, um uns zu besuchen und in den Geburtstag meiner Mitbewohnerin Dana reinzufeiern. Außerdem hat uns auch noch Besuch aus Danas Heimat, ihr Bruder und zwei Freunde, beehrt. Sonntags wollten wir uns ein bisschen bewegen und so habe ich vorgeschlagen, zur „Schwarzen Festung“ und der „Mutter Armenia“ zu laufen, die etwas außerhalb von Gyumri auf einer Anhöhe liegen. Gesagt getan und es ging bei 23 Grad und Sonnenschein los zu Gyumris Sehenswürdigkeiten. Die „Mutter Armenia“ ist eine Statue und der Treppenaufgang zu ihr hin ist sehr imposant. Man fühlt sich wirklich klein, wenn man ganz unten steht und zur Statue hinaufblickt. Nachdem wir erst die Treppenstufen geschätzt und dann beim Laufen gezählt hatten (ich glaube, es waren 150), wurden wir oben mit einem wunderbaren Ausblick über Gyumri belohnt. Ich kannte die Aussicht schon, doch war es letztes Mal ein regnerischer und bewölkter Tag gewesen. Um genau zu sein, habe ich das Regenschauer von ganz hinten heranziehen sehen, was mich dann völlig durchnässt hat. Glücklicherweise hatte mich eine junge Frau an ihrem Stand vorbeirennen sehen und mich dann zu sich herein gewunken (zu diesem Zeitpunkt war ich zwar schon komplett nass, aber ich konnte mich wenigstens kurz aufwärmen).

Aber zurück zum Thema: Bei wolkenlosem und strahlend blauem Himmel konnte man super weit gucken und hatte einen fantastischen Blick über Gyumri und den Aragaz, den höchsten Berg Armeniens. Hier offenbart sich wieder einmal die Schönheit Armeniens, an der ich mich einfach nicht sattsehen kann.

Auch in der „Schwarzen Festung“ waren wir drin, die heute als Theater dient.

„B“ wie „bari luis“

Wie jeden Morgen bin ich auch am Montag zur Schule gelaufen und habe den uniformierten Lehrer am Eingang mit einem „Guten Morgen!“ begrüßt. Bei ihm steht meistens noch ein anderer Mann, den ich ebenfalls so begrüße. Doch an diesem Morgen waren die beiden besonders gut drauf und beschlossen, meinen Tag mit einer kleinen Armenisch-Lektion beginnen zu lassen: Sie brachten mir bei, dass „Guten Morgen“ auf Armenisch „bari luis“ heißt. Da ich nachmittags meine erste Stunde Sprachkurs hatte (die armenische Sprache und meine Abenteuer mit ihr werden hier eines Tages auch noch Thema werden, versprochen), hakte ich gleich bei meiner Lehrerin Diana nach. Und so marschierte ich tags drauf auf die beiden zu, um sie auf zwei Sprachen und nicht nur auf einer zu begrüßen. Das Strahlen der beiden ging mir direkt ins Herz und ist einer der vielen Gründe, warum ich mich dazu entschieden habe, Armenisch und nicht Russisch zu lernen (auch wenn Russisch vielleicht auf lange Sicht nützlicher wäre). Mit den Leuten hier auf ihrer Muttersprache sprechen zu können, ist wirklich ein tolles Gefühl und mein Ehrgeiz, Armenisch so gut es geht zu lernen, ist definitiv geweckt! 🙂

„G“ wie „Gyumri-Männchen“

Nach dem Monchik-Essen am Samstag (siehe „M“ wie „Monchik“) wollten sich Lilly, Dana und ihr Besuch noch etwas ausruhen und so habe ich den anderen Freiwilligen die Stadt gezeigt. Nachdem wir in zwei Kirchen und einer Kunstgalerie waren, sind wir im B 612 gelandet.

Wie es der Zufall so wollte, haben wir dort im Souvenir-Shop den Erfinder der Gyumri-Männchen getroffen, dessen Figuren es hier überall zu kaufen gibt. Er hat uns erzählt, wie es dazu kam: Er war als Soldat im Krieg und als er zurück nach Hause kam, wollte er unbedingt etwas Schönes und Positives machen. Also bastelte er ein Männchen und teilte ein Bild auf Facebook. Er hatte sich nichts dabei gedacht, doch sein Post ging viral und hatte nach drei Stunden schon 500 Aufrufe. Viele Leute schreiben ihm, dass sie auch ein Männchen wollten. Auf den Männchen stehen nämlich liebe Worte im Dialekt von Gyumri. Und so kam ihm die Idee, das Ganze auch personalisiert anzubieten. Mittlerweile gibt es für fast alle netten Worte ein Männchen, sogar für die Geburtsmonate. Hierzu erzählte er uns, dass für die Sprüche seine Freunde und Familie als Vorlage für den jeweiligen Monat dienten. Für den Monat Februar ist der Spruch zum Beispiel: „Ein Mensch mit goldenem Herzen“. Dadurch, dass jedes Männchen einzeln per Hand gefertigt wird und es sie nur in Gyumri gibt, sind sie etwas ganz Besonderes und ich werde bestimmt ein paar für meine Liebsten mit nach Hause nehmen.

Hier sieht man einen kleinen Teil des Shops. Mittlerweile gibt es die Männchen auch als Kuscheltiere und Sticker.

Anschließend haben wir noch super leckeren Tee getrunken und der Besitzer hat uns eingeladen, im Juni mit ihm in die Berge zu fahren, um frische Blumen und Kräuter zu sammeln. Die Zutaten für den Tee, den wir genießen durften, stammten übrigens aus dem Garten seiner Oma. Bei schöner Atmosphäre und bester Gesellschaft verging die Zeit dort wie im Flug.

„K“ wie „Käsekuchen“

Am Montag habe ich mich für das Erstellen einiger Tests in mein Lieblingscafé, das „Herbs&Honey“, gesetzt. Hier gibt es ein eigenes Tee-Menü mit ganz verschiedenen Tee-Sorten auf Schwarz- oder Grünteebasis. Dazu gibt es immer den Honig des Tages. Viele junge Menschen kommen hierher, um am Laptop zu arbeiten. Mit der großen Fensterfront sowie den von der Decke hängenden Kräutern ist die Atmosphäre einfach unglaublich entspannt. Dazu tragen mit Sicherheit auch die gemütlichen Sofas ihren Teil bei. Ich habe schon beschlossen, dass ich mich hier im Winter einfach einschneien lasse und die kalten Tage dort verbringe. Doch zurück zu besagtem Montag: Ich wollte eigentlich nur kurz vorbeischauen, da ich anschließend zum Sprachkurs musste. Als ich nach der Rechnung fragte, brachte mir der Kellner zusätzlich noch ein eingepacktes Stück Käsekuchen. Ich wusste schon von meinem vorherigen Besuch, dass der Käsekuchen hier einfach göttlich schmeckt, aber ich war sehr irritiert, da ich eigentlich keinen bestellt hatte. Der Kellner erklärte mir dann, dass der vom Nachbartisch käme, wo ein junger Mann am PC arbeitete. Ich bedanke und entschuldigte mich, dass ich leider nicht länger bleiben konnte, und freute mich den ganzen Weg nach Hause über den Kuchen.

Ein „kleiner“ Tee im „Herbs&Honey“.

„M“ wie „Monchik“:

Nachdem ich die anderen Freiwilligen am Samstag zu ihrer Unterkunft begleitet hatte, haben wir uns mit all unserem Besuch im „Ponchik Monchik“ getroffen. Das ist eines der beliebtesten Restaurants hier in Gyumri und sie sind besonders für eine Sache berühmt: Monchiks. Auf der Karte heißen sie im Englischen „Donuts“, aber sie haben eigentlich wenig mit dem Donut zu tun, den ihr nun im Kopf habt. Sie sind zwar auch aus frittiertem Teig, aber sie haben kein Loch in der Mitte und bestehen eigentlich nur aus Hülle und Füllung. Bei der Füllung gibt es folgende drei Möglichkeiten: Erdbeermarmelade, Vanillepudding oder Nutella. Trotz der Füllung ist ein Großteil des Inneren aber Luft und stellt eine besondere Herausforderung zum Essen da. Erschwert wird das nochmal zusätzlich durch den Puderzucker obendrauf. Wer es schafft, einen Monchik zu essen, ohne sich seine Finger dreckig zu machen oder zu schmieren, dem gebe ich höchstpersönlich einen aus! Mochik-Essen ist die ganz hohe Kunst der Knigge.

„T“ wie „Trinkbrunnen“:

Die gibt es hier überall. In den Städten findet man an jeder zweiten Ecke einen und selbst bei unserer ersten Wanderung sind wir mitten im Nirgendwo auf einen gestoßen. Das ist wirklich toll, da man so viel häufiger zwischendurch etwas trinkt, wenn man unterwegs ist (besonders wenn man wie ich leider viel zu oft nicht genug trinkt). Die Wasserqualität ist hierbei immer gut und gerade bei den immer noch sommerlichen Temperaturen ist das kühle Wasser eine echte Erfrischung. Manche dieser Brunnen werden auch von berühmten Persönlichkeiten gesponsert oder nach deren Tod ihnen zu Ehren errichtet. Hier gibt’s jetzt noch ein schönes Bild von mir und den Armenien-Mädels, wie wir in Gyumri gleichzeitig unseren Durst an einem der größeren Trinkbrunnen stillen konnten:

Das soll´s jetzt aber auch gewesen sein, denn eigentlich sollte das hier nur ein kurzer Beitrag werden. Aber inzwischen kennt ihr mich ja. Ich schicke euch allen ein bisschen Sonnenschein, von wo auch immer ihr das hier lest, solange es den hier in Gyumri noch gibt und der Winter auf sich warten lässt.

Bis bald! 😊