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Letztes Wochenende – Von Wandern, Live-Musik und Beten

Hallo zusammen! 😊

Es gibt so vieles, was ich hier schon gelernt habe und noch lernen werde. Dabei habe ich für mich festgestellt, wie schwer es eigentlich ist, zu wissen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Auf sich selbst zu hören ist manchmal ziemlich schwer, vor allem wenn die Menschen um einen herum ganz andere Bedürfnisse haben. Deswegen verbuche ich letztes Wochenende als vollen Erfolg:

Letzten Freitag bin ich mittags nach einem Besuch im „Youth Initiative Centre Gyumri“ (YCI) ins Wochenende gestartet. Kurz noch nach Hause und dann ging es zum Shuttle nach Yerewan.  Doch selbstverständlich konnten mich meine armenischen Nachbarn von der anderen Straßenseite nicht einfach so gehen lassen: Als ich die Tür hinter mir ins Schloss habe fallen lasse, haben mir die Herren von gegenüber schon herzlich zugewunken und mich gegrüßt. Nachdem ich ihre Blicke kurz nach dem Einzug eher als misstrauisch interpretiert habe, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Ich freue mich mittlerweile sie zu sehen und bekomme immer ein Lächeln und ein „barevzez“ („Hallo, Sie!“) zurück. Mit guter Laune ging es also ganz entspannt nach Yerewan. Auf der Fahrt konnte ich ab ungefähr der Hälfte der Strecke den Ararat bewundern. Das ist der heilige Berg der Armenier, der aber sehr zu ihrem Missfallen heute zur Türkei gehört. Inzwischen kann ich richtig nachvollziehen, warum das hier so ein großes Thema ist. Der Berg hat nämlich wirklich etwas Magisches an sich und ist schon von weit weg gut zu sehen.

Ich war schon etwas früher nach Yerewan gefahren, als die Yerewan-Mädels Zeit hatten, und so konnte ich noch ein bisschen bummeln. Erst ging´s mit der Metro für 100 Dram zum Republic Square und dann zu den Kaskaden. Hier waren wir schon bei der Free-Walking-Tour gewesen, doch waren wir nicht nach oben gegangen. Die anderen Freiwilligen hatten das später schon erledigt und so war es der ideale Zeitpunkt für mich, dieses Erlebnis nachzuholen. All die Stufen nach oben zu laufen (Wikipedia sagt, dass es 572 Stufen sind), war wirklich anstrengend und ich habe mir geschworen, wieder mehr Sport zu machen (wobei es sich als relativ schwierig gestaltet, eine gute Möglichkeit in Gyumri zu finden). Doch ich wurde belohnt: Die Aussicht über Yerewan war echt beeindruckend und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Sonnenuntergang hat dem Ausblick die perfekte goldene Farbe verliehen.

Zu den Kaskaden lässt sich noch sagen, dass sie als Verbindung des Siegesparks (Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im 2. Weltkrieg) und der Innenstadt dienen. Oben befindet sich außerdem ein Denkmal zum 40. Jahrestag der Sowjetunion. Insgesamt umfassen die Kaskaden fünf Hangterrassen und sind ohne das Denkmal 302 m hoch. Zu Sowjetzeiten errichtet wurden sie bei dessen Zerfall nie vollendet, da das Geld fehlte.

Trotzdem hat sich der Besuch wirklich gelohnt und ist definitiv empfehlenswert. Für alle die nicht gerne Treppen laufen: Im Inneren gibt es laut meinen Mitfreiwilligen auch eine Rolltreppe. 😁

Anschließend habe ich Lilly und Nila von ihrem Sprachkurs abgeholt und wir haben für Lilly eine Winterjacke geshoppt. Danach ging es zur „Ararat Taverne“, wo wir Mia, ihre Mutter und deren Lebensgefährten getroffen haben, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind. Die „Ararat Taverne“ ist ein armenisches Restaurant mit Live-Musik, das bei Armerinnen und Armeniern besonders für Familientreffen und Geburtstagsfeiern beliebt ist. Wir hatten den Platz an der Sonne erwischt und saßen direkt bei den Musikern. Die traditionell-armenischen Instrumente in Aktion zu erleben und authentische armenische Volksmusik zu hören, waren definitiv eine Erfahrung. Das Essen war lecker und die Stimmung so ausgelassen, dass immer wieder Menschen anfingen, zu tanzen. Das Highlight war dabei, als ein Kellner sich eine Platte voller Essen schnappte und samt Platte um den Tisch tanzte.

Anschließend ging es noch in die Lieblings-Bar der Yerewan-Mädels, die „Shame-Bar“. Auch hier gab es wieder Live-Musik: Zuerst spielte ein Musiker Gitarre und anschließend setzte sich noch ein älterer Herr ans Klavier. Beim UNO-Spielen genossen wir die Musik und Cocktails und ließen den Tag entspannt ausklingen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung ließ uns der Taxifahrer dann auch noch laut unsere Musik spielen und zu „Zeit, dass sich was dreht“ ging die Fahrt wie im Flug vorüber.

Am Samstag stand für mich Dilijan auf dem Programm. Die anderen Freiwilligen waren schon letztes Wochenende da gewesen, was für mich aber zu anstrengend geworden wäre. Ich habe eben schon angesprochen, dass ich hier schon einige Dinge lernen musste und das Haushalten mit den eigenen Kräften und Kapazitäten steht da ganz oben. Ich habe mich leider schon häufiger ausklinken müssen, weil es mir aktuell einfach nicht möglich ist, jedes Wochenende die Fahrt nach Yerewan auf mich zu nehmen. Es ist gerade einfach einer sehr anstrengende und aufregende, wenn auch schöne Zeit. Vieles ist immer noch neu und muss sich erst noch einpendeln. Da ist es umso wichtiger, auf mich selbst zu hören und das zu machen, was mir gerade gut tut. Auch wenn das bedeutet, mehr alleine zu machen und nicht bei Aktivitäten der Anderen dabei zu sein.

Außerdem kam dieses Wochenende dazu, dass Mia Besuch hatte, Samuel krank war und Lilly und Nila von der Arbeit aus zu tun hatten. Wer hier jetzt meine Mitbewohnerin Dana vermisst, dem muss ich leider mitteilen, dass sie bereits Anfang Dezember nach einem Monat hier in Armenien zurück nach Deutschland geflogen ist. Auslöser hierfür waren gesundheitliche Gründe. Das bedeutet, dass ich jetzt alleine hier in Gyumri bin und auch alleine wohne. Wie das so ist und was das für mich bedeutet, werde ich in einem späteren Eintrag noch ausführlicher beantworten.

Aber zurück zu meinem Ausflug: Ich hatte nach der Ruhe des letzten Wochenende die Energie, einen größeren Ausflug zu machen, und da Dilijan (oder auch Dilischan) im Herbst besonders schön sein soll, habe ich mich für dieses Ausflugsziel entschieden. Außerdem wohnt eine armenische Freundin von mir dort. Also ging es morgens mit dem Shuttle Richtung Norden. Vorbei am Sevansee habe ich endlich mal wieder Wald gesehen. Und der strahlte vor lauter bunter Herbstfarben nur so. In Dilijan angekommen wollte ich erstmal etwas wandern und wie es eben in Armenien so ist, war es ein Abenteuer. Die größte Herausforderung wartete gleich am Anfang: Den Startpunkt zu finden. Als ich der Meinung war, ungefähr dort zu sein, ging es an die nächste Challenge: Den Weg finden. Der „Wanderweg“ war nämlich viel mehr ein Pfad, nachdem ich auch zwischendurch immer wieder suchen musste.

Das waren übrigens die Markierungen, die leider nur in sehr unregelmäßigen Abständen aufgetaucht sind. 🙂

Alles in allem war es aber wirklich herrlich, mal wieder im Wald und ohne irgendwelche anderen Menschen zu sein. Die Stille und Natur haben meine Batterien wieder aufgeladen und entspannt (und von der vielen Steigung ein wenig außer Atmen) habe ich mich dann zurück in der Stadt in ein kleines Café gesetzt. Aufgewärmt und gestärkt ging es dann noch Dilijan erkunden und in ein Museum, bevor ich mich mit meiner Freundin getroffen habe.

Meine Freundin lud mich ein, mit ihr zu einem Treffen ihrer evangelischen Kirche zu kommen. Da ich neugierig war und Zeit hatte, kam ich mit. Dort wurde ich gleich ganz in typisch armenischer Manier mit Essen überhäuft und herzlich willkommen geheißen. Es waren tatsächlich auch zwei andere Deutsche da und eine bunte Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Gemeinsam wurde gesungen und auf Russisch und Armenisch gebetet, wobei meine Freundin für mich auf Englisch übersetzte. Anschließend wurde in kleinen Gruppen für Personen gebetet, die es wollten. Hierbei bat mich einer der Deutschen zum Übersetzen hinzu. So bildeten wir eine Übersetzerkette, bei der ich seine Worte von Deutsch auf Englisch und meine Freundin für die Frau von Englisch auf Armenisch übersetzte. Insgesamt eine sehr ungewohnte, aber auch schöne Erfahrung, die mir wieder in Gedächtnis gerufen hat, wie sehr Glaube die Menschen verbinden und zusammenbringen kann.

Anschließend war es auch schon wieder Zeit für den Heimweg und so ging es erst mit dem Shuttle nach Yerewan, dann mit dem Bus zum anderen Shuttlepunkt und mit dem zweiten Shuttle nach Gyumri (es gibt leider keine Direktverbindung nach Gyumri). Dort lernte ich einen Mann aus Ghana kennen, der gerade in Gyumri Medizin studiert und anschließend Kinderarzt werden möchte. Wir unterhielten uns die Fahrt über miteinander und dem Taxifahrer, bis wir schließlich mitten in der Nacht Gyumri erreichten.

Am Sonntag hieß es schließlich ausschlafen, bis Mia und ihr Besuch in Gyumri ankamen. Als mittlerweile quasi „Einheimische“ zeigte ich ihnen die Stadt und wurde von ihnen im Gegenzug auf einen Kakao und einen Monchik im „Ponchik Monchik“ eingeladen.

Was mir danach noch passiert ist und was das mit meinen Kochkünsten zu tun hat, spare ich mir für meinen nächsten Eintrag zum „Alleine-Leben“ auf. Also seid gespannt! 😂

Bis bald! 😊

Armenischer Verkehr – Zwischen Geschick und Wahnsinn

Hallo zusammen!

Ich denke, dass jeder von euch sofort ein bestimmtes Bild im Kopf hatte, als ihr die Überschrift gelesen habt. Und Spoiler: Vermutlich lagt ihr nicht allzu weit daneben. Da ich mich hier in diesem Blog aber darum bemühe, keine Vorurteile zu reproduzieren und Armenien so differenziert wie möglich abzubilden, werde ich mit euch ein weinig weiter in die (Un-) Tiefen des armenischen Verkehrswesens einsteigen. Schnallt euch an und los geht´s…

… nur damit ihr ganz schnell feststellt, dass es grundsätzlich zwar Anschnallgurte gibt, diese aber meist hinter den Sitzen versteckt sind. Wenn ihr sie rausgefriemelt bekommt, gibt es zwei Szenarien, die passieren können:

  1. Ihr kassiert einen bösen Blick eures Taxifahrers (und gegebenenfalls auch ein paar eingeschnappte Worte) oder
  2. Euch fällt auf, dass das Gurtschloss (ja, ich musste die Bezeichnung googlen) nicht sichtbar und ebenfalls unter den Polstern vermauert ist.

Tja, in Armenien gilt die Anschnallpflicht eben nur für den Fahrer und den Beifahrer. Allerdings habe ich es bisher nur selten erlebt, dass sich der Fahrer auch wirklich anschnallt. Besonders amüsant war eine Situation, in der uns auf der Taxifahrt nach Yerewan ein Polizeiauto entgegenkam und der Fahrer hektisch, ja beinahe panisch versucht hat, sich schnell doch noch anzuschnallen (es hat nicht geklappt; war dann aber auch egal, sobald das Polizeiauto an uns vorbeigefahren war).

Wo ich schon bei besagter Taxifahrt bin: Es war die erste Taxifahrt von Dana und mir nach Yerewan. Also haben wir uns ganz bequem über eine App namens „YandexGo“ ein Taxi gerufen und sind für knapp 18 Euro pro Person zwei Stunden nach Yerewan gedüst. Die App funktioniert übrigens wirklich prima und ist super bequem und einfach zu bedienen. Daran könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen, wenn Taxifahren dort nicht ein halbes Vermögen kosten würde. Ein weiterer großer Vorteil der App ist auch, dass die Preise vorher bereits festgelegt sind und man sich je nach Gruppengröße auch einen Minibus rufen könnte. Meistens sind die Fahrer (ich habe noch keine Frauen gesehen) auch schon nach wenigen Minuten bei dir. Genug der Werbung und zurück zur Story:

Diese Taxifahrt hat mich nachhaltig geprägt. Ich hatte keinerlei Vorbehalte, als ich in das Auto stieg. Natürlich hatte ich den rasanten armenischen Fahrstil schon miterlebt, ihn bis dahin aber nicht als besorgniserregend empfunden. Meine Besorgnis wurde jedoch spätestens dann massiv erregt, als unser Fahrer mit 110 km/h durch eine Kurve bretterte, die als „sehr eng“ angekündigt und eigentlich auf eine Geschwindigkeit von 30 km/h beschränkt worden war. Ich hatte ernsthafte Bedenken, dass wir einfach aus der Kurve kippen. Nachdem die Kurve (streng genommen gab es mehrere und in meinen Augen zu viele dieser Kurven) überlebt worden war und ich mich ein wenig beruhigt hatte, fiel ich direkt wieder vom Glauben ab: Mitten auf der Autobahn bei 100 km/h öffnete der Fahrer ganz entspannt seine Tür, um sie dann mit voller Wucht wieder zuzuknallen. Was man halt mal eben so macht.

Auch sein Überholverhalten verdient hier eine Erwähnung: Stellt euch eine zweispurige Straße vor. Auf der einen Seite der eigene Verkehr und auf der anderen der Gegenverkehr. Jetzt stellt euch vor, dass auf der Gegenfahrbahn ein Auto überholt und auch schon ziemlich nah ist. Was würdet ihr tun? Genau! Ihr überholt auch und hupt dabei. Glücklicherweise scheint es in Armenien üblich zu sein, die Standstreifen bei Überholvorgängen mitzubenutzen, aber als da vier Fahrzeuge auf einer zweispurigen Straße nebeneinander waren, habe ich mein ganzes Leben hinterfragt. Generell kam mir der Verdacht, dass unser Fahrer vielleicht irgendeinen Streckenrekord brechen wollte, von dem wir nichts wussten.

Lediglich ein Mal musste er vom Gas runter, was er selbstverständlich erst in aller letzter Sekunde tat: Als plötzlich mitten auf der Straße Kühe standen. Dana und ich konnten unseren Augen kaum trauen, aber hier der Beweis:

Sie ließen sich nicht aus der Ruhe bringen und waren damit wesentlich entspannter als ich. Die Entspannung kam erst, als ich aus dem Taxi aussteigen konnte. Zur Verteidigung aller armenischer Taxifahrer: Es sind nicht alle so wahnsinnig. Wir hatten auch schon Taxifahrer, die sehr rücksichtsvoll gefahren sind. Außerdem verdient es auch ein wenig Bewunderung, dass verhältnismäßig so „wenig“ Unfälle passieren. Man muss schon geschickt sein, um sich derart durch den Verkehr schlängeln zu können. Insbesondere durch den Großstadtverkehr Yerewans.

Wenn ihr mich fragt, fahre ich dennoch wesentlich lieber Marschrutka. Das sind die regionalen Kleinbusse, die hier sehr regelmäßig fahren und sehr günstig sind (23 Cent pro Fahrt). Da ich zur Schule meistens etwas früher als die Schüler und Schülerinnen dran bin, bekomme ich regelmäßig einen Sitzplatz und kann die Fahrt ganz entspannt genießen. Sie haben feste Haltestellen, halten aber auch auf Wunsch überall entlang der Strecke. Was ich an ihnen auch sehr faszinierend finde, ist das Phänomen, dass älteren Menschen grundsätzlich immer einen Platz angeboten wird. Sobald jemand einsteigt, der den Platz dringender braucht, stehen die Menschen auf. Das finde ich wirklich sehr schön. Bei all dem Schwärmen über Marschrutkas sollte ich jedoch auch erwähnen, dass die Dinger bei Überfüllung die Hölle sind. Hier in Gyumri habe ich es noch nicht erlebt, aber bei den Bussen in Yerewan:

Wenn du glaubst, dass der Bus voll ist, beweisen dir die Armenier, dass noch mindestens 25 Personen hineinpassen. Der Bus ist dann so voll gequetscht, dass das Öffnen der Türen kaum noch möglich ist. Und wenn doch, dann nur weil einige Menschen hinauspurzeln. Gepäck wird hierbei übrigens so verteilt, dass es möglichst wenig Platz einnimmt. Einen regionalen Unterschied zwischen Gyumri und Yerewan gibt es übrigens beim Bezahlen der Busfahrten: In Gyumri wird dem Fahrer das Geld meistens beim Einsteigen oder kurz danach gegeben, während das in Yerewan erst nach der Fahrt geschieht. Unabhängig davon ist es aber überall üblich, das Geld Fremden zum Durchreichen in die Hand zu drücken, und niemand kontrolliert, ob du bezahlt hast. Das Ganze basiert auf Vertrauen, was wieder mal ein schöner Gedanke ist. Mein Eindruck wird immer mehr bestärkt, dass wir in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern viel zu oft davon ausgehen, dass uns andere Menschen etwas Schlechtes wollen. Dieser Gedanke scheint hier völlig fern zu sein.

So auch beim Zugfahren, wo man immer jemanden zum Plaudern finden. Auf meiner letzten Zugfahrt von Yerewan nach Gyumri (der Zug fährt dreimal am Tag) saß ich bei einem älteren Ehepaar, zwei älteren Damen und einem Mann, mit denen ich keine gemeinsame Sprache gesprochen habe. Dennoch habe ich mich bei ihnen sehr aufgehoben gefühlt und wir haben gemeinsam herzlich gelacht, als ich das Angebot einer Dame, mich mit einem Wildfremden anhand eines Bildes zu verheiraten, vehement ausgeschlagen habe. Später habe ich von ihr, vielleicht als Wiedergutmachung, ein Bonbon bekommen. Der Zug braucht drei Stunden, ist langsam unterwegs und hält an jedem Dorf, aber dafür hat man Zeit, die armenische Landschaft zu bewundern (dazu wird irgendwann sicherlich auch noch ein Beitrag kommen). Gerade wollte ich auch noch schreiben, dass die Sitze eigentlich echt bequem sind, aber meine Mitbewohnerin musste die leidvolle Erfahrung machen, einen Zug mit Holzbänken zu erwischen. Naja, immerhin kann man sich über den Preis von 1400 AMD (3,26 Euro) für drei Stunden Zugfahrt nicht beschweren.

Zu guter Letzt noch drei schnelle Fakten:

  1. Zebrastreifen werden so gut wie immer beachtet und haben manchmal sogar eigene Ampeln.
  2. Sowohl an den Ampeln für Autos als auch bei denen für Fußgänger laufen die Sekunden der jeweiligen Phase runter.
  3. Die Straßen hier sind teils im besseren Zustand als in Deutschland und teils katastrophal. Letzteres ist aber meistens nur bei Straßen, abseits des Hauptverkehrs der Fall. Da wird dann fleißig „Weich-dem-Schlagloch-aus“ und/oder „Durchschütteln-der-Extraklasse“ gespielt.

Damit ist hoffentlich das Wesentliche zum armenischen Verkehr gesagt und ich kann diesen super lagen Eintrag schließen. Nächstes Mal wird es wieder mehr Bilder und weniger Text geben, also seid auf das Thema gespannt. 😉

Bis bald!

Eine Marschrutka.

Lilly, Nila und ich (von rechts nach links) im Bus in Yerewan.

Der Zug (Gyumri-Yerewan). Quelle: https://www.railway.am/

„Das Wandern ist des Müllers Lust“ – Wenn man vorher richtig liest…

Hallo zusammen! 😊

Wer mich ein bisschen besser kennt oder meine Selbstbeschreibung hier auf diesem Blog bei „Über mich“ gelesen hat, der weiß, dass ich gerne wandern gehe. Und kaum hatte ich in meinem Armenien-Reiseführer ein Kapitel mit der Überschrift „Wanderrouten“ gesehen, stand für mich fest, dass ich diese Seite Armeniens definitiv erkunden möchte, sobald ich da bin. Umso besser, dass meine Mitfreiwilligen alle ebenso wanderbegeistert sind. Damit war unser Programm für den ersten gemeinsamen Samstag in Yerewan gesetzt. Über „Hike-Armenia“, einer Wander-App, die uns empfohlen worden war, suchten wir uns eine mittelschwere Route aus, die dreieinhalb Stunden dauern und knapp 13 km umfassen sollte. Startpunkt war der Tempel von Garni, den wir nach einer wilden Taxifahrt auf Straßen mit den größten Schlaglöchern, die ich jemals gesehen habe, gut durchgeschüttelt erreichten.

Wir ließen es uns nicht nehmen und bezahlten den Eintritt von 3,50 Euro, um ihn uns anschauen zu können. Während die Größe für einige eher enttäuschend war (der Tempel ist nicht sonderlich groß), war ich von der hellenistisch-römischen Bauweise fasziniert. Es hat mir vor Augen geführt, dass es in diesem Land nicht nur sowjetische, sondern noch so viele andere Einflüsse gab, derer ich mir bisher noch gar nicht bewusst war. Da ich euch hier aber nicht allzu sehr mit meiner Liebe für Geschichte langweilen möchte und die Bilder in diesem Beitrag für sich selber sprechen,  schaut euch den Tempel und die grandiose Aussicht vom Tempelgelände aus selbst an:

Unsere Reisegruppe.

Unsere Reisegruppe.

Der Tempel von Garni.

Die Aussicht vom Tempelgelände.

Armenien hat mit diesem Ausflug mein Herz erweicht. Die massiven Gebirgsketten und die weite Sicht waren erst der Anfang unserer Wanderung. Während ich vorher vor allem viele Steine und kahles Land gesehen hatte, präsentierte sich Armenien hier von seiner anderen Seite: Entlang des Azat-Flusses war es sehr grün und nach jeder Biegung wurden wir von neuer Vielfalt und Schönheit der Natur überrascht. Mal fühlten wir uns an Deutschland erinnert, mal an die Toskana oder Spanien. Lediglich die Stromtrassen und gelegentlichen Rohre holten uns aus dem „Natur-pur“-Gefühl raus, konnten unserer Laune allerdings keinerlei Abbruch tun. Ein Highlight unserer Tour war auf jeden Fall das Baden im Fluss. Aufgrund der eisigen Kälte des Flusses, der im Gebirge entspringt, zwar nur mit den Füßen, aber bei 30 Grad Celsius und wenig Schatten doch eine willkommene Abkühlung.

Dort, wo kein kühlendes Wasser oder Schatten war, hielten wir uns durch Singen bei Laune. Angefangen bei Wanderliedern (wo wir allerdings sehr schnell an unsere Grenzen kamen; wir kannten kaum welche) sangen wir uns durch sämtliche deutschen Hits der letzten Jahre und Jahrzehnte. Mal mehr, mal weniger textsicher.

Eine Pause im Schatten ist ein Muss!  🙂

Am Ende unserer Wanderung angekommen, stellte uns Armenien jedoch die nächste Aufgabe: Den genauen Endpunkt finden. Eigentlich war das Azat-Reservoir als solcher angeben, doch wir konnten es auch dann nicht entdecken, als wir uns knappe zehn Minuten weiter durchs Gebüsch schlugen und dabei die ein oder andere Schlange aufschreckten. Nur um dann festzustellen, dass wir schon am „Endpunkt“ vorbeigelaufen waren. Die Wandertour endete nämlich gar nicht wirklich beim Reservoir, sondern ein gutes Stück davor. Wir hatten nicht richtig gelesen und am Endpunkt neben dem Reservoir zu allem Überfluss auch noch eine Straße erwartet, von der aus wir zurück nach Yerewan gelangen könnten. Die gab es dort aber nicht. Stattdessen stand in der Tour-Beschreibung, dass wir 4 km zur letzten Gabelung zurücklaufen müssten und von dort aus nach weiteren 2 km an eine Straße gelangen könnten. Also hieß es umdrehen und das Tal nochmal von der anderen Seite bewundern.

Komplett erschöpft kam uns aber der Zufall und die „armenische Gastfreundschaft“ zur Rettung: Zwei Armenier, die wir vorher schon beim Fischen gesehen hatten, wollten zur gleichen Zeit nach Hause und fuhren mit ihrem alten Truck an uns vorbei. Prompt hielten sie an und bestanden darauf, uns ein Stück mitzunehmen. Wieder kannte ihre Hilfsbereitschaft keine Sprachbarriere. Es beeindruckt mich zutiefst und ich verneige mich vor diesem Land, wenn man bedenkt, wie viele Begegnungen dieser Art ich allein in meiner ersten Woche hier hatte. Das ist definitiv etwas, was ich mit nach Deutschland nehmen möchte: Die Unvoreingenommenheit und Offenheit, auf fremde Menschen zuzugehen, ihnen Hilfe anzubieten und mit ihnen zu teilen.

Mit diesen schönen Worten möchte ich diesen Beitrag über meine erste Wanderung in Armenien beenden und lasse die Bilder für sich sprechen.

Bis bald! 😊