Hallo zusammen! 😊
Es gibt so vieles, was ich hier schon gelernt habe und noch lernen werde. Dabei habe ich für mich festgestellt, wie schwer es eigentlich ist, zu wissen, was einem gut tut und was man gerade braucht. Auf sich selbst zu hören ist manchmal ziemlich schwer, vor allem wenn die Menschen um einen herum ganz andere Bedürfnisse haben. Deswegen verbuche ich letztes Wochenende als vollen Erfolg:
Letzten Freitag bin ich mittags nach einem Besuch im „Youth Initiative Centre Gyumri“ (YCI) ins Wochenende gestartet. Kurz noch nach Hause und dann ging es zum Shuttle nach Yerewan. Doch selbstverständlich konnten mich meine armenischen Nachbarn von der anderen Straßenseite nicht einfach so gehen lassen: Als ich die Tür hinter mir ins Schloss habe fallen lasse, haben mir die Herren von gegenüber schon herzlich zugewunken und mich gegrüßt. Nachdem ich ihre Blicke kurz nach dem Einzug eher als misstrauisch interpretiert habe, ist davon nun nichts mehr zu spüren. Ich freue mich mittlerweile sie zu sehen und bekomme immer ein Lächeln und ein „barevzez“ („Hallo, Sie!“) zurück. Mit guter Laune ging es also ganz entspannt nach Yerewan. Auf der Fahrt konnte ich ab ungefähr der Hälfte der Strecke den Ararat bewundern. Das ist der heilige Berg der Armenier, der aber sehr zu ihrem Missfallen heute zur Türkei gehört. Inzwischen kann ich richtig nachvollziehen, warum das hier so ein großes Thema ist. Der Berg hat nämlich wirklich etwas Magisches an sich und ist schon von weit weg gut zu sehen.
Ich war schon etwas früher nach Yerewan gefahren, als die Yerewan-Mädels Zeit hatten, und so konnte ich noch ein bisschen bummeln. Erst ging´s mit der Metro für 100 Dram zum Republic Square und dann zu den Kaskaden. Hier waren wir schon bei der Free-Walking-Tour gewesen, doch waren wir nicht nach oben gegangen. Die anderen Freiwilligen hatten das später schon erledigt und so war es der ideale Zeitpunkt für mich, dieses Erlebnis nachzuholen. All die Stufen nach oben zu laufen (Wikipedia sagt, dass es 572 Stufen sind), war wirklich anstrengend und ich habe mir geschworen, wieder mehr Sport zu machen (wobei es sich als relativ schwierig gestaltet, eine gute Möglichkeit in Gyumri zu finden). Doch ich wurde belohnt: Die Aussicht über Yerewan war echt beeindruckend und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Sonnenuntergang hat dem Ausblick die perfekte goldene Farbe verliehen.
Zu den Kaskaden lässt sich noch sagen, dass sie als Verbindung des Siegesparks (Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im 2. Weltkrieg) und der Innenstadt dienen. Oben befindet sich außerdem ein Denkmal zum 40. Jahrestag der Sowjetunion. Insgesamt umfassen die Kaskaden fünf Hangterrassen und sind ohne das Denkmal 302 m hoch. Zu Sowjetzeiten errichtet wurden sie bei dessen Zerfall nie vollendet, da das Geld fehlte.
Trotzdem hat sich der Besuch wirklich gelohnt und ist definitiv empfehlenswert. Für alle die nicht gerne Treppen laufen: Im Inneren gibt es laut meinen Mitfreiwilligen auch eine Rolltreppe. 😁
Anschließend habe ich Lilly und Nila von ihrem Sprachkurs abgeholt und wir haben für Lilly eine Winterjacke geshoppt. Danach ging es zur „Ararat Taverne“, wo wir Mia, ihre Mutter und deren Lebensgefährten getroffen haben, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind. Die „Ararat Taverne“ ist ein armenisches Restaurant mit Live-Musik, das bei Armerinnen und Armeniern besonders für Familientreffen und Geburtstagsfeiern beliebt ist. Wir hatten den Platz an der Sonne erwischt und saßen direkt bei den Musikern. Die traditionell-armenischen Instrumente in Aktion zu erleben und authentische armenische Volksmusik zu hören, waren definitiv eine Erfahrung. Das Essen war lecker und die Stimmung so ausgelassen, dass immer wieder Menschen anfingen, zu tanzen. Das Highlight war dabei, als ein Kellner sich eine Platte voller Essen schnappte und samt Platte um den Tisch tanzte.
Anschließend ging es noch in die Lieblings-Bar der Yerewan-Mädels, die „Shame-Bar“. Auch hier gab es wieder Live-Musik: Zuerst spielte ein Musiker Gitarre und anschließend setzte sich noch ein älterer Herr ans Klavier. Beim UNO-Spielen genossen wir die Musik und Cocktails und ließen den Tag entspannt ausklingen. Auf der Rückfahrt zur Wohnung ließ uns der Taxifahrer dann auch noch laut unsere Musik spielen und zu „Zeit, dass sich was dreht“ ging die Fahrt wie im Flug vorüber.
Am Samstag stand für mich Dilijan auf dem Programm. Die anderen Freiwilligen waren schon letztes Wochenende da gewesen, was für mich aber zu anstrengend geworden wäre. Ich habe eben schon angesprochen, dass ich hier schon einige Dinge lernen musste und das Haushalten mit den eigenen Kräften und Kapazitäten steht da ganz oben. Ich habe mich leider schon häufiger ausklinken müssen, weil es mir aktuell einfach nicht möglich ist, jedes Wochenende die Fahrt nach Yerewan auf mich zu nehmen. Es ist gerade einfach einer sehr anstrengende und aufregende, wenn auch schöne Zeit. Vieles ist immer noch neu und muss sich erst noch einpendeln. Da ist es umso wichtiger, auf mich selbst zu hören und das zu machen, was mir gerade gut tut. Auch wenn das bedeutet, mehr alleine zu machen und nicht bei Aktivitäten der Anderen dabei zu sein.
Außerdem kam dieses Wochenende dazu, dass Mia Besuch hatte, Samuel krank war und Lilly und Nila von der Arbeit aus zu tun hatten. Wer hier jetzt meine Mitbewohnerin Dana vermisst, dem muss ich leider mitteilen, dass sie bereits Anfang Dezember nach einem Monat hier in Armenien zurück nach Deutschland geflogen ist. Auslöser hierfür waren gesundheitliche Gründe. Das bedeutet, dass ich jetzt alleine hier in Gyumri bin und auch alleine wohne. Wie das so ist und was das für mich bedeutet, werde ich in einem späteren Eintrag noch ausführlicher beantworten.
Aber zurück zu meinem Ausflug: Ich hatte nach der Ruhe des letzten Wochenende die Energie, einen größeren Ausflug zu machen, und da Dilijan (oder auch Dilischan) im Herbst besonders schön sein soll, habe ich mich für dieses Ausflugsziel entschieden. Außerdem wohnt eine armenische Freundin von mir dort. Also ging es morgens mit dem Shuttle Richtung Norden. Vorbei am Sevansee habe ich endlich mal wieder Wald gesehen. Und der strahlte vor lauter bunter Herbstfarben nur so. In Dilijan angekommen wollte ich erstmal etwas wandern und wie es eben in Armenien so ist, war es ein Abenteuer. Die größte Herausforderung wartete gleich am Anfang: Den Startpunkt zu finden. Als ich der Meinung war, ungefähr dort zu sein, ging es an die nächste Challenge: Den Weg finden. Der „Wanderweg“ war nämlich viel mehr ein Pfad, nachdem ich auch zwischendurch immer wieder suchen musste.
Alles in allem war es aber wirklich herrlich, mal wieder im Wald und ohne irgendwelche anderen Menschen zu sein. Die Stille und Natur haben meine Batterien wieder aufgeladen und entspannt (und von der vielen Steigung ein wenig außer Atmen) habe ich mich dann zurück in der Stadt in ein kleines Café gesetzt. Aufgewärmt und gestärkt ging es dann noch Dilijan erkunden und in ein Museum, bevor ich mich mit meiner Freundin getroffen habe.
Meine Freundin lud mich ein, mit ihr zu einem Treffen ihrer evangelischen Kirche zu kommen. Da ich neugierig war und Zeit hatte, kam ich mit. Dort wurde ich gleich ganz in typisch armenischer Manier mit Essen überhäuft und herzlich willkommen geheißen. Es waren tatsächlich auch zwei andere Deutsche da und eine bunte Zusammenkunft unterschiedlichster Menschen. Gemeinsam wurde gesungen und auf Russisch und Armenisch gebetet, wobei meine Freundin für mich auf Englisch übersetzte. Anschließend wurde in kleinen Gruppen für Personen gebetet, die es wollten. Hierbei bat mich einer der Deutschen zum Übersetzen hinzu. So bildeten wir eine Übersetzerkette, bei der ich seine Worte von Deutsch auf Englisch und meine Freundin für die Frau von Englisch auf Armenisch übersetzte. Insgesamt eine sehr ungewohnte, aber auch schöne Erfahrung, die mir wieder in Gedächtnis gerufen hat, wie sehr Glaube die Menschen verbinden und zusammenbringen kann.
Anschließend war es auch schon wieder Zeit für den Heimweg und so ging es erst mit dem Shuttle nach Yerewan, dann mit dem Bus zum anderen Shuttlepunkt und mit dem zweiten Shuttle nach Gyumri (es gibt leider keine Direktverbindung nach Gyumri). Dort lernte ich einen Mann aus Ghana kennen, der gerade in Gyumri Medizin studiert und anschließend Kinderarzt werden möchte. Wir unterhielten uns die Fahrt über miteinander und dem Taxifahrer, bis wir schließlich mitten in der Nacht Gyumri erreichten.
Am Sonntag hieß es schließlich ausschlafen, bis Mia und ihr Besuch in Gyumri ankamen. Als mittlerweile quasi „Einheimische“ zeigte ich ihnen die Stadt und wurde von ihnen im Gegenzug auf einen Kakao und einen Monchik im „Ponchik Monchik“ eingeladen.
Was mir danach noch passiert ist und was das mit meinen Kochkünsten zu tun hat, spare ich mir für meinen nächsten Eintrag zum „Alleine-Leben“ auf. Also seid gespannt! 😂
Bis bald! 😊
Hey,
es klingt echt schön und auch aufregend, was du letztes Wochenende alles erlebt hast!
Außerdem finde ich es sehr wichtig, dass du gerade lernst, auf dich und deine Bedürfnisse und Kapazitäten zu achten. Es mag sich vielleicht nicht immer gut anfühlen, wenn man den anderen absagen muss und stattdessen Dinge später alleine erleben muss, aber es ist definitiv die bessere und richtige Entscheidung für dich auf deine Bedürfnisse zu achten und du wirst mit Sicherheit auch nichts verpassen, was du nicht auch später noch nachholen kannst!
Ich bin sehr gespannt auf den nächsten Blogeintrag und deine bisherigen Erfahrungen im alleine Leben!
Bis dahin wünsche ich dir einen schönen Start in die neue Woche!
Deine Miriam