Kossi ist Deutschlehrer an einem Gymnasium im Osten Lomés und unterrichtet zusätzlich Deutsch am Goethe Institut. Zudem betreut er als Vorsitzender des togoischen Vereins Hoffnung für die Jugend/espoir pour la jeunesse deutsche Freiwillige in Lomé und hat auch für mich meine Gastfamilie gesucht. Er teilt mit uns einige Erlebnisse aus seiner Kindheit und erinnert sich an eine Erkenntnis, die ihn besonders geprägt hat.
Als Kind hatte ich ein großes Interesse an Fußball. Am Wochenende und Mittwochnachmittag – da hatten wir nachmittags keine Schule – organisierten wir Fußballturniere. Immer drei bis vier Personen bildeten eine Mannschaft. Wir spielten gegeneinander und um Geld, immer zwanzig Minuten und die Gewinnermannschaft bekam 100 Francs. Außerdem spielte ich sehr gerne Tischtennis, einfach draußen auf einem Tisch, ohne Trainer. Ich erinnere mich an eine Feier in meinem Viertel. Auf dieser Feier war eine Art Tischtennisprofi zu Gast. Er dachte, er würde gegen uns gewinnen. Aber er verlor! Wenn ich mich recht erinnere, hat er vor Wut seinen Schläger geworfen. Und wir spielten immer gerne Awali. Auf Deutsch heißt das, glaube ich, Bohnenspiel. Es ist eine Art Brettspiel für zwei Personen.
Und dann habe ich es verstanden.
In Togo kommt man nach der Grundschule auf die Gesamtschule. In der dritten Klasse der Gesamtschule habe ich angefangen, keine Lust mehr zu haben auf die Schule. Ich bin oft einfach nicht hingegangen und meine Eltern waren natürlich sauer. Als ich sitzen geblieben bin – ich war damals siebzehn Jahre alt – musste ich dann die Schule wechseln. Mein Vater hat mich ins Dorf gefahren zu meinen Verwandten, die über alles Bescheid wussten. Ich kam in der dritten Woche des Schuljahres in die Klasse. Mein Onkel hat mit dem Direktor gesprochen und dieser machte mir viele Vorwürfe. Es war schwierig für mich, es gab keinen freien Platz mehr im Klassenzimmer und wir mussten uns zu dritt eine Bank teilen.
Gleich am Anfang schrieben wir einen Test in Mathematik und ich bekam neun von zwanzig Punkten. Da wurde es mir bewusst und ich habe angefangen zu verstehen: Ich werde keine sichere, gute Zukunft haben, wenn ich mich so verhalte. Ich wurde sehr tüchtig und habe angefangen, gut zu arbeiten. Meine Mitschüler haben sich dann auch für mich interessiert. Zwei Jahre lebte ich auf dem Land und mit meinem Abschluss auf der Gesamtschule durfte ich zurück nach Lomé auf das Gymnasium. Ja, das ist die Jugend (lacht). Gott sei Dank habe ich das schnell verstanden. Und heute arbeite ich tüchtig, um ein guter Deutschlehrer zu sein.
Die englische Sprache und der Islam prägten mich.
Mein Stadtteil war und bleibt ein lebendiger Stadtteil, in dem es viele Händler und Märkte gibt. Nicht weit von unserem Haus entfernt wurden Schuhe und Kleidung aus zweiter Hand verkauft, überwiegend von Igbo (Bevölkerungsgruppe Nigerias). Igbo sprechen Englisch und so habe ich Englisch gelernt. Englisch war immer mein bestes Fach in der Schule und ich fühlte mich sehr wohl im Unterricht.
Zu der Zeit habe ich auch einen Job gefunden. Ich arbeitete immer abends und am Wochenende in einem Café eines Moslems aus Mali. So konnte ich eigenes Geld verdienen, Kleidung – v.a. Fußballtrikots – nach meinem Geschmack kaufen und ein bisschen sparen. Der Besitzer des Cafés wurde wie ein zweiter Vater für mich. Ich habe auch angefangen, zusammen mit ihm zu beten. Diese zwei Aspekte hatten eine große Wirkung auf mein Leben: Englisch und der Islam.
In meinem Viertel gab es seit meiner Kindheit keine große Veränderung. Allerdings gibt es in den Straßen keine Marktstände mehr für Igbo, sie verkaufen jetzt alles auf einem zentralen Markt. Das ist aus Sicht der Regierung positiv: Das Viertel ist nun ruhiger und geordneter. Allerdings waren die Igbo auch immer gute Kunden und so hatte es eine negative Auswirkung auf den Handel. Auch auf das Café, in dem ich gearbeitet habe.
Im Schulsystem gab es seitdem auch keine große Veränderung. Man geht erst in den Kindergarten, dann auf die Grund- und dann Gesamtschule. Im Anschluss kann man das Gymnasium besuchen. Es gibt technische, eher praktische, und generelle Gymnasien, in denen man sich entweder auf Literatur oder Naturwissenschaft spezialisiert. Vor ungefähr fünf Jahren wurde die öffentliche Grundschule kostenlos für alle, für die weiterführenden Schulen bezahlt man Gebühren. Es gibt immer wieder kleine Änderungen, aber eigentlich ist das Schulsystem seit Langem unverändert.