Von Spontanität, ungarischen Abibräuchen und nonverbaler Kommunikation

Hoch über dem See thront meine Schule – das Eötvös Gimnáziuma (Ötwösch ausgesprochen). Der Schulweg führt direkt an diesem See entlang, danach geht es durch die ehemalige Burg und dann bergauf zur Schule. Geht man von meiner Wohnung aus in die entgegengesetzte Richtung, ist man schnell im Englischen Garten, in dem man charmante kleine Höhlen, Holzbrücken und einen weiteren, kleineren See finden kann. Tata ist eine wirklich wunderschöne Kleinstadt.

Kaum zu glauben, dass ich erst seit anderthalb Wochen hier bin – die Schule kommt mir schon so vertraut vor und meine Deutschkollegen kenne ich inzwischen auch ziemlich gut. Eine Abiturklasse hat mir heute ihr Abi-T-Shirt geschenkt 🙂 Und dazu ein Armband, das fast ein bisschen wie ein Festivalband aussieht.

Da ich insgesamt sechs verschiedenen Lehrern im Unterricht assistiere und jeder andere Vorstellungen davon hat, was ich machen soll/kann/muss, ist meine Arbeit sehr abwechslungsreich. Teilweise habe ich auch schon aus dem Stehgreif kleinere Gruppen oder sogar eine ganze Klasse unterrichtet – und festgestellt, dass es funktioniert! Selbst wenn man überhaupt keine Ahnung hat, was dieser Kurs eigentlich gerade für ein Thema behandelt. Neueste Erkenntnis: Je motivierter die Schüler sind, desto mehr Spaß macht es, mit ihnen zu arbeiten.

Langsam aber sicher werden meine Aufgabenbereiche deutlicher. Eine Schülerin nimmt z.B. am Lesefüchse-Wettbewerb teil und muss dafür Fragen zu vier verschiedenen Büchern beantworten können – die ich natürlich auch lesen muss, um mit ihr die Bücher zu behandeln. Es gilt zudem, Aufsätze zu korrigieren und Themen vorzubereiten, über die ich mit den Schülern sprechen kann. Meine Hauptaufgabe ist nämlich, mit den Schülern zu reden, und sie auf die mündliche Prüfung beim DSD vorzubereiten.

Gestern und heute Nachmittag war ein Programm des Abijahrgangs, das ist etwa so wie unsere deutschen Abistreiche, nur viel cooler und besser durchdacht. Ein Film war dabei, ein Theaterstück, die Lehrer mussten Karaoke singen und die Schüler erraten, welcher Abiturient zu welchem Kindheitsfoto gehört. Sogar Lose wurden verteilt und man konnte Preise gewinnen. Ich habe auch etwas gewonnen: Einen Gutschein für ein Angelgeschäft. Da ich die ungarischen Zahlen noch nicht kann, hat mich mein Sitznachbar auf mein Los aufmerksam gemacht. Jede Abschlussklasse erstellt ein solches Programm, in den nächsten Tagen sind weitere Programme von anderen Klassen.

Im Unterricht haben wir das Thema (Schul-)Feste behandelt, und die Schüler haben mir erklärt, dass es außerdem im Januar noch die Bandweihe gibt, bei der die Abiturienten ein Band von der Schule bekommen, das sie bis zu ihrem Abitur am Mantel tragen. Ein anderes wichtiges Ereignis ist auf meiner Schule die Königenwahl, bei der jede Klasse einen Kandidaten vorschlägt. Auf meinem schon beschriebenen Abiarmband steht Mikis Name – ihn schickt die Klasse a ins Rennen. Die Wahl ist nächste Woche.

Dafür, dass ich nur so wenig Ungarisch spreche, klappt die Kommunikation erstaunlich gut. Klar, tiefgründige Gespräche mit Kollegen, die nur Ungarisch sprechen, kann ich nicht führen. Aber ob es jetzt um einen Einkauf oder um die Auskunft am Bahnhof geht – mit „Szia“ (Hallo), „Köszönöm“ (Danke) und einem freundlichen Lächeln kommt man erstaunlich weit. Mit den Kollegen, die ich begleite, spreche ich Deutsch, und mit den Schülern auch. Um mit anderen Kollegen Ungarisch sprechen zu können und um mich auch sonst in Ungarn verständigen zu können muss ich aber natürlich die Sprache lernen. Deshalb gibt mir eine Kollegin Ungarischunterricht, ich werde also hoffentlich bald mehr sagen können als diese wenigen Worte. „Viszontlátásra“ heißt übrigens „auf Wiedersehen“. Wird „Wisontlataschro“ ausgesprochen.

Tja, was gibt es sonst noch zu erzählen? Ich freunde mich immer mehr mit meiner ersten eigenen Wohnung an und habe seit heute endlich WLAN. In Ungarn sind die Schulen verpflichtet, eine warme Mahlzeit für Schüler und Lehrer anzubieten. Deshalb kann ich glücklicherweise in der Schulmensa essen (sogar vegetarisch) und muss nicht kochen. Montag wurde ich dem Kollegium vorgestellt, gestern war ein Augenarzt in der Schule. Bei einem Arztbesuch in Ungarn muss man sehr lange warten, deshalb gibt es Initiativen, die Ärzte u.a. an Schulen schicken.

In diesem Sinne – Viszontlátásra!