Sky above me, earth below me, fire within me

Für alle Reisebegeisterten hier nun meine liebsten Orte im vielseitigen, kontrastreichen Georgien, an das ich mein Herz verloren habe. In welchem Land kann man schon an einem Tag ans Meer, in die Berge und durch alle vier Jahreszeiten reisen?

Tbilissi

Tiflis ist eine der charmantesten Hauptstädte, die ich je erleben durfte. Alle Tipps könnt ihr in meinen beiden vergangenen Beiträgen nachlesen: Die Karte der Herumtreiberin und Stadtrandlichter.

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Im Oktober, Ende der Saison, sind in Mestia kaum noch Touristen und die Berge in wunderbare Herbstfarben getaucht. Es bieten sich zahlreiche Wanderungen in die Umgebung an, zum Beispiel zum Gletscher oder zum Gipfelkreuz. Auf keinen Fall dürft ihr Ushguli, das höchste Dorf Europas verpassen.

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Die historische Region Tuschetien liegt im großen Kaukasus. Mächtige Wehrtürme zieren die Gebirgstäler genauso wie Schafsherden, Kühe und Pferde. Der Pass ist leichter passierbar als der Ruf behauptet. Doch zugegebenermaßen ist die Region wunderbar verlassen, also deckt euch ordentlich mit Essen ein oder verzichtet auf eure Luxusgüter. Aber wie immer wird man in den Gasthäusern mit guter georgischer Küche versorgt.

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Davit Gareja ist das älteste georgisch-orthodoxe Kloster des Landes. Es liegt am Berg Udabno in der Region Kachetien. Wenn man den Bergkamm hochläuft, kann man die Fresken in den alten Höhlenklöstern bestaunen und kommt in den Genuß eines atemberaubenden Blickes über Aserbaidschan.

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Racha lockt mit klarer Bergluft. Das Gästehaus „Family Hotel Gallery“ in Oni ist als Ausgangspunkt für Sommerausflüge nach Schowi, zu Bergseen oder Wasserfällen unbedingt zu empfehlen. Die supernette Familie punktet mit einem wunderschönen Schäferhund, der aufs Wort gehorcht und Holzscheite zum Kamin trägt, sowie mit Verpflegung, von der ich heute noch träume.

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Der Pass durch Sairme bis nach Abastumani führt an Almhütten vorbei und bietet seinen Besuchern neben einem wunderschönen Panorama auch frischen Bergkäse.

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Die Wanderung zum Bergsee im Lagodheki-Nationalpark an der russischen Grenze ist zwar nichts für untrainierte Muskeln, jedoch ist der Weg mindestens genau so sehenswert und beeindruckend wie sein Ziel. Und ein Treffen mit den georgischen Grenzbeamten ist immer eine Erfahrung wert.

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Der größte Nationalpark in Georgien ist der Borjomi-Kahragauli-Nationalpark. Ende Juni ist es hier besonders schön, weil alles blüht. Man sollte unbedingt zum Berg des Löwen („Lomistma“)  aufsteigen. Denn hier hat man eine wunderbare Sicht auf den großen Kaukasus.

Doplhinwatching

Batumi, die Stadt der Delfine, gehört irgendwie auch auf meine Liste. Von hier kann man wunderbare Ausflüge unternehmen, zum Beispiel kann man durch den botanischen Garten spazieren, am Strand von Sarpi an der türkischen Grenze baden, im Mtirala-Nationalpark zum Wasserfall laufen oder im Kobuleti-Nationalpark Kanu fahren. Im Café Chocolatte gibt es den besten Cappuccino der Stadt und sehr leckeres Essen.

Kasbegi

Stepandsminda ist ein Ort, der am Fuße des Kasbegs liegt. Von hier aus kann man zur Kirche wandern oder einen Kaffee mit Blick auf den 5000er im Rooms Hotel trinken. Die Fahrt von Tiflis aus dauert zwar zwischen zwei bis drei Stunden, aber die Strecke an der Heerstraße entlang lohnt sich allemal.

Vardzia

Wardzia ist ein unbeschreiblich beeindruckender Höhlenkomplex, der sich in wunderschöne Landschaft einfügt. Man sollte dem Ganzen einfach einen Besuch abstatten und sich einen Weg durch die Kammern bahnen.

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Der Vashlovani-Nationalpark beeindruckt mit Halbwüstenlandschaft. Lasst euch am Grenzfluss zu Aserbaidschan von möglichen Anglern mit frischem Fisch versorgen und passt auf Schlangen auf.

Moschee

Der Pass von Batumi durch Khulo bis nach Zalka wird von Moscheen geziert. In Khulo sollte man auf keinen Fall die kilometerlange, wackelige Seilbahn missen!

Und hier noch ein paar hilfreiche Links: Welche Events finden wo statt? Wann fahren welche Züge? Welche Wanderrouten kann man in den Nationalparks laufen? Was gibt es Neues in Georgien?

Generell empfiehlt es sich ein wenig Georgisch zu lernen, den Preis für Übernachtungen vor Ort zu erfragen statt vorher zu buchen und natürlich nette Kompanions an Bord zu haben. (:

 

Mit dem Nachtzug nach Baku

Nachtpanorama
Den besten Blick über die Bucht und die Flame Towers hat man vom Dagüstü Park.

Flame Towers

Teatime
Gunel kenne ich vom Kiwi-Café in Tbilissi. Schon vor der Attacke auf meinen Lieblingsverpflegungsort ist sie in ihr Heimatland zurückgekehrt. Nun hat sie mich in ihrer gemütliche Wohnung, unweit des Zentrums und der Altstadt, aufgenommen und mit mir Bett und Baklava geteilt. Sie und ihre kleine Schwester waren wunderbare Gastgeberinnen!
Boulevard
Die Promenade wird am Abend zum Leben erweckt: Kinder fahren Inliner, Jungs spielen Gitarre, Einwohner flanieren am Meer entlang.
Hafen
Gerne wäre ich im kaspischen Meer geschwommen, doch das Wasser war leider so dreckig wie man mir vor meiner Reise erzählte.
Nachtbucht
Verglichen mit Tbilissi, ist Baku ist zwar schick, ruhig, sauber und ordentlich, aber irgendwie spießig. Alle – selbst die Autofahrer auf dem Land – halten sich an Regeln, wie langweilig. :D

Park

Formel1
Baku boomt! Mit dem Eurovision Songcontest, den Europaspielen, der Formel-1-Rennstrecke und der Fußball-EM 2020 zieht die Hafenstadt immer mehr Besucher an.
Eurovision-Hall
Neben der Halle, die für den Eurovision-Songcontest erbaut wurde, trohnt ein Platz mit einer gigantischen Flagge des Landes.
Shopping
In den vielen Shoppingmalls und in der Innenstadt kann man wunderbar einkaufen. Wenn man in Tbilissi lebt, freut man sich über jede Fußgängerzone. Ach, sind Jerevahn und Baku doch fortschrittlich.
Altstadt
Die historische Altstadt Bakus, in deren verwinkelten Gassen man sich leicht verlieren kann, wurde im Jahr 2000 in die Liste der Unesco-Weltkulturerben aufgenommen.
Karawanserei
Eine Karawanserei war eine ummauerte Herberge an Karawanenstraßen. Reisende konnten dort mit ihren Tieren und Handelswaren sicher nächtigen und sich mit Lebensmitteln versorgen. Große Karawansereien dienten zugleich als Warenlager und Handelsplatz für Im- und Exportwaren.
Maaaidan
Auch einen tollen Blick auf Baku hat man vom Legenden umrangten Maidan-Turm.

Tagpanorama

Teppichmuseum
Wenn mir der Schweiß die Haut herunter läuft, besuche auch ich gerne ein klimatisiertes Museum. Das Teppich-Museum war nicht zuletzt allein wegen seiner Architektonik eine spitze Wahl.

Teppichschafe

Steppe
Gleich hinter der Metropole beginnt eine Steppenwüste.
Schlammvulkane
Ein wahres Naturschauspiel sind die vor sich hin blubbernden Schlammvulkane. Mit 350 quer durch das Land verteilte Erhebungen ist Aserbaidschan das Land mit den meisten Schlammvulkanen. Sie belegen Platz 5 der sieben Weltwunder. Das Spektakel, soll hier vor 25 Millionen Jahren begonnen haben, als erstmals riesige Flammen aus den Erdlöchern züngelten. 10 Kilometer von Gobustan entfernt spuckt die Familie der Babyvulkane heute noch kalten, dicken, grauen Schlamm.
Gobustan-Museum
Eine der ältesten Stätten der menschlichen Zivilisation befindet sich rund 60 Kilometer südlich von Baku, in Gobustan. In den 1930er-Jahren wurden hier steinzeitliche Felszeichnungen entdeckt. Die Fundstätte der rund 6000 Abbildungen, die u.a. Menschen, Tiere sowie Jagdszenen darstellen, wurde zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt.

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Bergfeuer1
Der brennende Berg „Yanar Dag“ macht dem „Land des Feuers“, wie Aserbaidschan auch genannt wird, alle Ehre. Das am Fuße herausströmende Gas setzt den Hang seit hunderten Jahren permanent in Flammen. Diese sind bis zu drei Meter hoch und schlängeln sich eindrucksvoll den Kalksteinhügel empor.
Saj
Mein Lieblingsgericht der persisch beeinflussten Küche ist Saj, bestehend aus gebratenen Auberginen, Paprika, Kartoffeln und anderem Gemüse, sowie Hühnchen-, Rind- oder Lammfleisch.
Khanpalast
Eine Perle ist der ohne Nägel gebaute Kahnspalast von Sheki mit seinen buten Fenstern, Wänden und Decken.
Sheki
Sheki liegt Mitten in den bewaldeten Bergen. Der Ort war einer der wichtigen politischen und wirtschaftlichen Städten vor der arabischen Invasion und es gibt Spuren von großen Siedlungen, die mehr als 2700 Jahren zurückreichen.
Hotel
Dort habe ich in einer historischen Karawanserei übernachtet.
Hängebrücke
Vorbei an wackligen Brücken, all den Postern des aserbaidschanischen Staatspräsidenten İlham Əliyev, den Moscheen und der am Straßenrand angebotenen Pistazien, fahre ich nach Lahij, eine der ältesten menschlichen Siedlungen in Aserbaidschan.
Lahic
Während des Mittelalters wurde Lahij ein wichtiges Zentrum der Handwerker in Aserbaidschan. Der bemerkenswerte Ort Lahij, gelegen an den südlichen Hängen des Großen Kaukasus, beeindruckt mit authentischen Juwelieren, Schmieden, Tischlern, Teppichknüpfer, Malern, Schustern und Webern.

Tee

Dag-Park
Zurück fahre ich mit der Erkenntnis, dass reisen mehr Spaß macht, wenn man jemanden hat, mit dem man seine Erlebnisse und glückliche Momente teilen kann.

Der Held vom Halbwüstenfeld

Kaum Schatten, schwere Rucksäcke und Salz auf der Haut. Linda aus Kalifornien, Thomas und Moritz, zwei deutsche Studenten, die hier ihr Praktikum absolvieren, Lisa aus der Ukraine und ich, wir haben unser Wochenende im Vashlovani Nationalpark an der aserbaidschnischen Grenze verbracht. Die Hitze hat uns auf unserem 30 km langen Weg durch die beeindruckenden Landschaften ohne Pause begleitet. Genau so treue Wegbegleiter waren bunte Vögel, Schildkröten, Schlangen und Blumen, die nach Süßigkeiten riechen.  Es war unglaublich anstrengend. Unter dem Muskelkater litt ich zugegebenermaßen noch weitere drei Tage, aber dafür kam ich mit gebräunter Haut zurück. Und bei dem leckeren Fisch, den die Georgier nachts im Alazani-Grenzfluss  angelten, konnten wir super regenerieren.

Tomaten ohne Salz

Eindrücke eines authentischen Tantenurlaubs  ganz nah an Land und Leuten findet ihr hier: Tomaten ohne Salz.

Begegnungen mit einer alten Pippi Langstrumpf, einem dreisten Dieb, der uns unseren Käse stahl, dem Prinz Abdul aus Saudi-Arbabien, Glühwürmchen und Rotmilanen werden sicher ewig in meiner Erinnerungsschatztruhe ruhen.

Auch nicht so schnell vergessen werde ich: Den Ausblick vom Berg des Löwens, den besten Käse, den ich in ganz Georgien je gegessen habe, die Almhüttenbesuche, den Geschmack von frischer Milch, Knoblauchhühnchen und deutschem Brot, das ich sofort verschlungen habe, die volle Rhododendronblüte und die geschäftstüchtige, Betriebsspionage betreibende Hostelbesitzerin.

Es bleibt die Erkenntnis, dass ein guter Fahrer wichtiger als ein gutes Auto ist und dass man im Land der Ungeduld doch Geduld aufbringen muss und zwar im gefühlt langsamsten Zug der Welt.

Ein Herz für Tuschetien

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Ihr glaubt nicht, was es eigentlich für Zufälle gibt! Als ich vor zwei Wochen in Armenien war und von einem Kloster zurück nach Jerewan getrampt bin, haben mich zwei reizende, reisende Italiener ein Stück der Strecke mitgenommen.

Da meine Reisepläne, zurück in Tbilissi, mal wieder spontan gescheitert sind, musste ich meine Mitbewohnerin Marlies und ihren Kumpel Wannes, der sie gerade besucht,  überzeugen mit mir nach Tuschetien zu kommen. Bei einem Abendessen im Café Littera habe ich das natürlich mit Links geschafft. (;

Schon lange wollte ich der ursprünglichsten und unberührtesten Region des großen Kaukasus zwischen Tschetschenien und dem daghestanische Hochland einen Besuch abstatten. Zugänglich ist die faszinierend schöne Landschaft mit glasklaren Bächen und tiefgrünen Wäldern jedoch erst in den Sommermonaten, da der 2.950 Meter hohe „Abano Pass“ passiert werden muss.

Von Sätzen wie „Mara, mach das nicht, die Strecke ist mega gefährlich!“ oder mir zugesandten Fotos, ließ ich mich nicht abschrecken und wir stürzten uns in das Abenteuer. Und ganz ehrlich: der Mythos um diese Strecke ist wirklich übertrieben und sie entpuppte sich als eine ganz normale, eben georgische Straße. Trotzdem war ich froh, dass wir das Wetter auf unserer Seite hatten.

Von Tbilissi sind Wannes, Marlies und ich im Nu zum Beginn des Passes getrampt. Genau hier lag unser Glück. Ewigkeiten kam kein Auto vorbei, doch plötzlich sahen wir ein Fahrzeug kommen und es hielt auch noch an! Und wer saß drin? Die beiden Italiener aus Armenien! Marlies und Wannes, in einem Moment noch von unserer herzlichen Begrüßung verwundert, waren überglücklich mit der Mitfahrgelegenheit.

Die zwei charmanten Kerle nahmen uns nicht nur mit über den Pass, nein. Sie zeigten uns Omalo, Schenako, Dartlo und Diklo – mittelalterliche Bergdörfer mit mächtigen Wehrtürmen und malerischen schiefergedeckten Steinhäusern,  in denen die Menschen noch leben wie vor vielen hundert Jahren. Sie erzählten uns, dass die Tuschen später das Christentum angenommen haben, aber ihren eigenen Glauben relativ unabhängig weiterleben. Sie führten uns zur einzigen Kirche in Tuschetien und zu vielen kleine Heiligtümern in freier Natur, die sogenannten „Chati“,  an welchen  noch immer in heidnischer Tradition den Naturgöttern Opfer dargebracht werden. Sie nahmen uns wieder mit zurück ins Tal. Und gemeinsam teilten wir folgendes typisch georgisches Erlebnis, bei dem wir mit Essen, Wein, Chacha, Tanz und Musik versorgt wurden: Passbegegnung.

Der Geruch von Frieden

Genau hier in Racha, als ich meine Nase aus unserem Gefährt, dem roten Kugelblitz, steckte und in den Wind hielt, um die gute Bergluft einzuatmen verstand ich was Lomi meinte, als er eines Abends vom Geruch des Friedens sprach. Eindrücke von unserem Roadtrip findet ihr hier, denn mein Speicherplatz ist aufgebraucht…

Zwischen Wein, Chacha, Wein, Essen, Wein, Duschen unter Wasserfällen, Wein, Essen, einem wundervollen Sternenhimmel, Trinksprüchen und noch mehr Chacha haben wir im Augenblick verweilenden, verplanten Vier es tatsächlich geschafft unser Wandervorhaben in die Tat umzusetzen.

Das Gästehaus in Oni ist nur zu empfehlen! Es fühlte sich letztendlich sogar so an als würde man von Verwandten wegfahren. (:

Ein Dialog beim Frühstück:

„Obwohl man satt ist, will man gar nicht mehr aufhören zu essen, so lecker ist das hier.“

„Sie wollen uns eine Fettfessel anlegen, damit wir schon früh am Tag anfangen Chacha zu trinken.“

„Oder sie wollen uns unbeweglich machen und uns von unseren Wanderplänen abhalten, damit wir mit auf die Supra im Dorf kommen.“

„Oder beides.“

Fünf Gespräche zwischen Mara und der Patriotin

Gespräch 1, spätabends während einer Supra im Restaurant

 Mara: Ich habe genug für heute, Leute. Ich bin raus.

Unlustige Person: Machst du jetzt eine auf Nonne oder was?

Mara, gekonnt ignoriert zur Patriotin: Ich will endlich eure Gastfreundschaft verstehen. Erzähl doch mal.

Die Patriotin: Wir passen auf unsere Gäste auf. Es passiert nie was.

Mara: Und ihr ladet sie immer und immer wieder ein, selbst wenn ihr sie gar nicht kennt. Das wird…

Die Patriotin unterbricht: Wir haben doch dieses Sprichwort: Man kennt sich dann, wenn man zusammen getrunken hat.

Mara: Ich weiß. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Das wird auf die Dauer doch ein bisschen anstrengend und irgendwie auch zwanghaft, oder nicht?

Die Patriotin: Nein, das ist uns eine Ehre. Der Gast ist ein Geschenk Gottes. Die Tore sind immer offen auf den Dörfern. Da passiert nichts, da ist Vertrauen da. Die Familien, die die Tore zu machen, die sind fertig. Die Familien, die keine Gäste bekommen, sind nichts.

Mara: Das ist hart.

Ein paar Augenblicke vergehen ehe die Patriotin wieder von ihrem Weinglas aufblickt.

Die Patriotin: In den 90er Jahren habe ich eine schwere Zeit erlebt. Wir hatten kein Essen. Aber das ganze Dorf wusste, dass Gäste zu uns kommen. Und sie haben uns Essen gebracht. Die Gäste bekommen alles. Das bedeutet nicht, dass die Familie so viel hat.

Mara: Aber warum ist das so?

Die Patriotin: Ich kann nicht erklären warum das so ist. Das ist so.

Mara, es ist so spät, sie darf ehrlich sein: Irgendwie auch gefährlich.

Gespräch 2, Mara hat eine Rose geschenkt bekommen und sitzt mit der Patriotin in der Metro

Nachdem ein vierjähriges Mädchen Maras Rose haben will, nicht locker lässt und nicht mal das Geld der Patriotin annehmen will, gibt Mara dem Kind ihre Rose. Alle Menschen im Abteil sehen verständnislos zu. Ein Mann kommt zur Patriotin und sagt etwas zu ihr, woraufhin sie schmunzeln muss.

Mara neugierig: Was hat der Mann gesagt?

Die Patriotin: Er hat sich entschuldigt. Und gesagt, dass er sich schämt und dass Georgier so etwas nie machen würden. Weil er weiß, dass du nicht von hier bist, wollte er, dass ich dir die Situation erkläre. In letzter Zeit gibt es immer mehr Zigeuner hier. Sie sind sehr frech geworden, reißen Essen aus deinen Händen, schlafen auf der Straße, schicken ihre Kinder in Cafés, um Leute anzubetteln. Einmal war Betteln in diesem Land verboten. Wie auch immer, er meinte, dass es ihm leid tut. Weißt du, auch wenn diese Männer manchmal ganz anstrengend sind, sie sind immer da. Man braucht keine Angst haben, wenn man durch die Stadt läuft.

Gespräch 3, Mara und die Patriotin fahren an den Flüchtlingslagern vor Südossetien vorbei

Die Patriotin: Weißt du eigentlich, warum die Russen versuchen hier immer weiter vorzudringen?

Mara: Erzähl.

Die Patriotin: Durch Georgien, Aserbaidschan und die Türkei verläuft eine Öl-Pipeline, vom kaspischen Meer bis an die Ostküste. Die Russen wollen da dran und Europa abhängig machen.

Mara: Dazu stand auch was in meinem Buch. Warte mal, ich habe es dabei. Hier: „Wie in vielen Jahrhunderten zuvor befindet sich Georgien im Schnittpunkt der strategischen Interessen rivalisierender Großmächte und ihrer Verbündeten. Was einst die Seidenstraße und die lukrative Kontrolle der Handelsströme waren, sind heute die Pipelines durch welche Gas und Öl aus Aserbaidschan und Mittelasien über Georgien in die Türkei gepumpt werden. Georgien ist nicht mehr und nicht weniger als eine politische Trumpfkarte in diesem Konflikt, in dem sich Präsident Saakashvili eindeutig auf die Seite der USA stellte.“ Apropos Saakashvili. Es sind doch bald Parlamentswahlen, im Oktober 2016. Ich habe gelesen, dass Saakashwili zurückkommen will. Was denkst du über ihn?

Die Patriotin: Er war verrückt, ja. Seine Präsidentschaft war trotz bedeutender Erfolge von Anfang an umstritten. Doch er hat viel gemacht gegen Russland. Der Krieg war schrecklich, aber er musste sein. Damit Deutschland und die USA mal sehen, was Russland anrichten kann. Und er brachte den Amtsmissbrauch im Justizwesen und Strafvollzug zu Fall. Die Gehälter der Sicherheitskräfte wurden wesentlich angehoben und gegen die meisten korrupten Politiker und Geschäftsleute Verfahren eingeleitet. Und heute frage ich mich: Was macht unsere Regierung eigentlich? Haben wir überhaupt eine? Seit 2012 ist der „Georgische Traum“ die stärkste Fraktion im Parlament. Das ist ein Bündnis aus sechs Parteien. Sie haben nicht mal ein Programm. Initiator war Iwanischwili. Du kennst ihn doch, der Milliardär, dem die hässliche Villa am botanischen Garten gehört. Manche Leute sagen, dass er von den Russen geschickt wurde.

Mara: Kannst du eigentlich Russisch?

Die Patriotin: Ja, aber ich will es nicht sprechen.

Gespräch 4, oder eher ein Monolog, bei der Patriotin zu Hause auf dem Sofa

Mara: Sag mal, gibt es eigentlich viele Alkoholiker in Georgien?

Die Patriotin, schweift wie so oft, ein bisschen vom Thema ab: Ach, ich weiß nicht, Mara. Aber ich habe noch nie gesehen, dass man einfach so, wie bei euch, ein Glas Wein trinkt. Nur wenn Gäste kommen, wird getrunken. Die Leute, die einfach nur trinken, verdienen keinen guten Wein. Mein Papa hat zum Beispiel vier Sorten Wei zu Hause: Eine für Menschen, die einfach nur trinken, eine für gute Menschen, eine für Gäste und eine für besondere Gäste. Und wenn Gäste kommen, dann machen wir eine schöne Party, ganz gemütlich, und sind glücklich. Du weißt ja, wir feiern gern. Denn ich weiß doch nicht was morgen ist. Ich lebe heute.

Gespräch 5, Mara und die Patriotin sitzen mit der Pessimistin im Auto

Die drei stehen an der Ampel. Von hinten kommt ein Auto, fährt auf die Gegenspur und will sich einreihen. Die Pessimistin lässt das Fenster herunter und sagt etwas zu dem Fahrer.

Mara: Was hast du gesagt?

Die Pessimistin: Ich habe ihn nochmal daran erinnert, dass es sich hier um eine zweispurige Straße handelt.

Die Ampel sptingt auf grün und sie fahren weiter.

Die Pessimistin: Ich glaube in einem früheren Leben habe ich in Deutschland gelebt. Ich fühle mich dort so wohl. Keine Umweltverschmutzung, die Leute sind nicht faul oder egoistisch, man hält sich an Regeln. Es ist alles so schön ruhig und geordnet dort. Wenn ich jung wäre, würde ich sofort hier weg. Die Jugend hat hier keine Perspektive. Du weißt doch, wie wenig wir verdienen. Fast alle Lehrer haben mindestens noch einen anderen Job. In den Ferien und am Wochenende müssen wir auch arbeiten. Manchmal fragt mich mein Sohn, warum er denn zur Uni gehen müsse, wenn es keine Jobs gibt und alles über Beziehungen läuft. Ich will ihn nach Deutschland schicken. Dort kann er sehen wie man leben kann, wie man leben muss. Nicht umsonst geht es den Deutschen so gut, sie sind fleißig, sie können ihr Freizeit gestalten. Hier hängen alle nur herum. Die Jugendlichen sind so unselbstständig. Und die Erwachsenen sind auch nicht besser. Alle definieren sich über Kleidung und Autos. Selbst wenn das Kind nur zwei Minuten von der Schule entfernt wohnt, kommt es mit dem Taxi, weil es sonst heißt, die Familie könne es sich nicht leisten. Du kennst doch die Eltern der Schüler. Solche Leute sitzen in Ministerien und verstehen die einfachsten Dinge nicht.

Danach sprach die Pessimisten von den Dingen, die sie machen würde, wenn es ihr und Georgien besser gehen würde. „Georgien“ klang aus ihrem Mund, wie ein ungepflegter, verlorener Sohn, der irgendwo bei Kutaissi aufs Internat ging und ein paar Probleme in der Schule hatte.

Die Patriotin: Natürlich geht es unserem Land nicht super gut. Aber der Tourismus hat viel gebracht. Ja, wir haben wirtschaftliche Probleme.. Und viele, viele Menschen flüchten in die Stadt. Doch da gibt es doch noch mehr. Das Lebensgefühl, die Natur, die Gastfreundschaft, die Herzlichkeit. Die Menschen interessieren sich füreinander, sie kümmern sich. Georgien ist ein verdammt charmanter Kerl, der hoffentlich ganz bald der EU beitritt und damit ein ganz großes Ding am Start hätte. Langsam, langsam schaffen wir das.

Dort, wo Erwachsene Kinder sind

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Mit Marlies, meiner belgischen Mitbewohnerin, bin ich ein zweites Mal nach Jerewan getrampt.

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„Wardawar“ heißt das Wasserfest in Armenien, bei dem sich die Menschen mit Wasser bespritzen, um sich von ihren Sünden des letzten Jahres reinzuwaschen. An diesem Tag versinkt die Stadt in ein einziges Chaos. Das Fest artet in eine riesige, öffentliche Wasserschlacht aus und niemand bleibt verschont. Sobald man einen Schritt vor die Tür macht, ist man komplett nass.
Der Versuch zu trocknen.
Der Versuch zu trocknen. Fünf Minuten später bennene ich den Tag in den „Tag der Wachsamkeit“ um.
Jerewan ist eine Peter-Pan-Stadt. Hier sind Erwachsene Kinder: Sie zielen mit Wasserpistolen aus ihren Autos, schmeißen Wasserbomben vom Balkon und kippen Eimer über Passanten.
Laut Marlies ist Jerewan eine Peter-Pan-Stadt: „Hier sind Erwachsene Kinder: Sie zielen mit Wasserpistolen aus ihren Autos, schmeißen Wasserbomben vom Balkon und kippen Eimer über Passanten.“
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Der vorchristliche Tempelkomplex von Garni trohnt über der Azat-Schlucht.
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Fischer an einem verlassenen See in der Nähe von Jerewan.

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Das Geburtstagsfrühstück ist Anlass für ein Dankeschön an Lisa, Max, Lorena und Leonie für die Schlafplätze. Auf kulturweit-Freiwillige ist doch immer Verlass. (;
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Im Azat- Fluss können wir uns wunderbar abkühlen.

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Das Kloster Norawank aus dem 13. Jahrhundert liegt in der filmreifen Schlucht „Amaghu“.
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Das Vergissmeinnicht ist Symbol für den Genozid unter der Verantwortung der Jungtürken. Es klebt an Autos, Ladenfenstern und Marschrutkas.
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Wir wandern entlang der „Sinfonie der Steine“ in der Azat-Schlucht.

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Am Tag der Verfassung feiert die ganze Stadtbevölkerung.

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Müsliriegel, Attacke!

Ab und zu versucht der Regen zwar die Stadt abzukühlen, aber so wirklich gelingen, will es ihm leider nicht. Marlies, meine belgische Mitbewohnerin, fünf niederländische Freunde und ich haben uns deshalb auf den Weg zum Lagodheki-Nationalpark gemacht.

Drei Tage wandern, endlich mal abschalten und frische Bergluft atmen. Wir sind so hoch gestiegen, dass man es eher Wolken atmen nennen sollte. Es war wunderbar. Wunderbar anstrengend. Ich habe noch nie so viele Müsliriegel innerhalb von drei Tagen gegessen.

Am ersten Tag haben wir 12 km und 1600 Höhenmeter hinter uns gebracht. Es war so steil, dass ich wegen meines Muskelkaters in den Beinen nicht schlafen konnte. Na gut, auch die Mäuse in der Hütte haben dazu beigetragen. Der zweite Tag war mindestens genau so anstrengend – auch wenn es diesmal nur noch 700 Höhenmeter zurückzulegen galt. Dafür waren es aber insgesamt 26 km. Die Grenzbeamten ließen uns nach einer halbstündigen Passkontrolle dann auch endlich passieren und wir konnten uns den Weg durch die im Sekundentakt kommenden und gehenden Nebelschwaden bahnen. Der Bergsee an der russichen Grenze war die Strapazen jedoch allemal wert.

Nach den 700 Höhenmetern, die es am selben Tag wieder nach unten zur Hütte gin, und weiteren 1600 Höhenmetern im Regen am darauffolgenden Tag kamen wir verstochen, von Dornen verkratzt und dreckig vom Matsch auf den gewöhnten 500 an. Mit Knieschmerzen und schweißgebadet fuhren wir  – komfortabel wie immer – mit der Marschrutka zurück in die Hauptstadt. Irgendwie waren wir gar nicht müde, sondern eher stolz und beflügelt von unserer Aktion.

Oh ja, das tut weh

Mara war die glücklichste Piratin unter der Sonne. Denn sie besaß einen Schatz, den ihr niemand nehmen konnte. Es war ein Album, das niemals verstaubte. Nicht in hundert Jahren und nicht in dreiunddreißig Abenteuer-Ewigkeiten. Sie bewahrte es dort auf, wo nicht einmal einäugiger Goldzahn, der meist gefürchtetste Seeräuber weit und breit, es finden würde. Nämlich in ihrem Herzen.

Wann immer sie wollte, konnte sie das schwere, dicke Buch aufschlagen, auf wunderbare Zeiten zurückblicken und sich an ihre Crew erinnern, von der sie das beste immer bei sich trug. Kompass, Sextant und Landkarte hatte sie schon längst über Bord geworfen. Zu dem Ort, an dem sich all diese Erinnerungen in ihr Gedächtnis gebrannt hatten, konnte sie ohne Längen- und Breitengrade zurückfinden.

Das war auch gut so, denn bald schon musste sie ihre Piratenfreunde hinter sich lassen. Und das tat ganz schön weh. Dass Mara Geschenke bekam, machte den Abschied auch nicht leichter. Sie liebte Überraschungen und hatte ja selbst ein Jahresrückblicksvideo dabei. Nur ihre auf hoher See gebackenen Tonkabohnenkekse konnten die anderen wenigen Freibeuter, die sich in der letzten Woche noch im Trainingslager herumtrieben, ein wenig aufheitern. Und weil im zeugnislosen Land offizielle Dokumente rar waren, freuten sich die Deutschclubkumpanen besonders über die Teilnehmerschriftrolle, die sie von der Piratin Mara ausgehändigt bekamen.

Zu ihrer Enttäuschung kamen kaum Seeräuberkinder zu Lauras-Stern-Kinoversammlung, für die doch anfangs alle so Feuer und Flamme waren. „Wir wollten doch einen Stern erbeuten. Das war doch unser Plan!“ dachte sie. Doch insgeheim, tief im Inneren, wusste die Piratin, dass es am Meer doch viel schöner war als hier.

Und dann musste sie daran denken, dass die Crew an Bord eine Schatztruhe voller Goldtaler finden musste, um in ihrer Sommerpause die Deutschraum-Streichaktion durchführen zu können. Sie erinnerte sich daran, dass sie sich echt beherrschen musste kein „Ihgitt! Rosa!“ in den Raum zu schreien. Denn diese Farbe war wohl die aller-, aller-, allerletzte, die ihr in ihre Kajüte kam. Niemand kannte den Kodex der freien See so gut wie sie. Und sie musste an den kostbarsten Schatz denken, den sie in ihrer Piratenlaufbahn je erobert hatte und begann wieder zu schmunzeln. 

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Ein letztes Mal traf sich die Crew zu einer Schlacht. Und sie speisten und tranken so, wie es sich für wahrhaftige Seeräuber gehörte. Am Ende der Tafel saß Mara. Sie saß dort gedankenverloren und wusste gar nicht so richtig, wie sie sich fühlen sollte. So wie zu Beginn dieses großen Abenteuers musste sie an Winnie the Pooh denken: „How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard.“ Irgendwie hatte sie hier ihre zweite Familie und ihr zweites zu Hause gefunden. Wirklich lauschen konnte sie den ganzen ihr gewidmeten Trinksprüchen und warmen Worten deshalb auch nicht. Doch eins war sicher: Sie verdienten den dicksten Abschiedkuss. Und am Ende verlor selbst die tapferste Piratin ein paar Salzwassertränen.

„So gerne würde ich hier bleiben!“ dachte sie bei sich. Doch gleichzeitig freute sie sich schon riesig auf ihre alte Crew. Aber die Piratin hatte gar keine Lust sich darüber den Kopf zu zerbrechen. So schnappte sie sich ihr Seegelboot, um einen Ausflug zu machen.

Mara hisste sie die Segel und schipperte los. Der Wind blies kraftig und brachte sie schnell voran. „Ach wie ist das Leben schön!“ freute sich das Krokodil. „Wir könnten mit dem Äffchen in den Iran zu seiner Familie fahren und uns dort den Bauch vollschlagen oder in den tuschetischen Wachtürmen ein Nickerchen machen“ überlegte das Krokodil. „Oder wir fahren nach Baku, wenn der aserbaidschanische Häuptling uns die Einreise gestattet“. Dieses Ziel gefiel ihm sogar noch besser, denn im Iran ist es doch schon ziemlich heiß für so ein Krokodil. Außerdem fügte der Papagei hinzu, dass das Äffchen am Ende doch sowieso nicht fahren würde und alleine würde es sich das nicht trauen.

„Schiff ahoi! Volle Kraft voraus!“ rief Kapitän Mara so überzeugend wie möglich und dachte dabei, dass es wohl eine sehr chaotische und spontane Reise werden würde.

Die drei machten zwar kaum Beute und streiteten sich ständig über Back- und Steuerbord, aber das Krokodil mochte es, wenn der Papagei „Fertig machen zum Entern!“ kreischte. Es mochte es auch, wenn sie sich eine gute Nacht wünschten. „Schlaf schön. Gute Nacht!“ gähnte das Krokodil. „Nacht jetzt! Schlaft schon!“ erwiderte die Piratin. Und der Papagei krächzte: „Aye, aye, Sir!“

Nur eine konnte diese Nacht nicht schlafen. Und das war die Piratin selbst. „Als ich klein war und nicht schlafen konnte… was haben da die großen Piraten getan?“ grübelte sie. Sie haben, sie haben… ja, das haben sie. Sie haben von ihrer Heimat geträumt. Und es fiel ihr so viel ein, dass sie ihr Logbuch aufschlug. Unter dem Sternenhimmel auf offener See notierte sie ein paar Dinge, die sie zu Hause unbedingt machen müsste.

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Ihr letzter Eintrag war schon lange her, aber brachte sie sofort zum Lachen. Da stand ein Zitat eines befreundeten Piraten:

„Du bist ein Vertreter deines Landes und darfst nicht sagen, dass du nach ein paar kleinen Tschatschas schon betrunken bist. Die ersten drei Gläser sind schwer, aber danach geht es einfacher.“

Jetzt konnte sie beruhigt einschlafen.

Stadtrandlichter

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Auch wenn ich Tbilissi auf Grund der unerträglichen Temperaturen so bald wie möglich verlassen und mich mal wieder auf Reisen begeben werde, hat die Stadt eine zweite Liebeserklärung verdient. Denn ich habe alles an ihr mögen gelernt. Und damit meine ich nicht nur, dass sie mich dank ihrer Wasserquellen nie verdursten und für 50 Tetri  eineinhalb Stunden mit Bus und Bahn fahren lässt.* Sondern auch die Straßenkunst auf ihrer Haut und ihren Ton, wenn ich meine Metrokarte vergessen habe aufzuladen. Selbst, dass sie bis in die Puppen schläft, stört mich nicht mehr.

Na gut, zugegebenermaßen hat es das noch nie…

Bei den jetzigen Graden ist der beste Start in den Tag ein eisiger Latte im Book Corner Café am Ufer des Flusses. Von Luca Polare habe ich mir zum Frühstück einen Walnuss-Brownie mitgenommen. Danach schlendere ich über den Flohmarkt im Dedaena Park. Hier wird alles verkauft, was das Herz begehrt: Von alten Klamotten, ausgefallener Kunst und Schmuck über leckers Futter bis hin zu selbstgemachten Kleinigkeiten und anderen kreativen Dingen kann man hier alles finden. Die Standgebühr kostet nichts und ein DJ beglückt die Besucher mit Musik für die Seele.

Dann bummle ich ein wenig durch Vake, ein französisch angehauchtes Viertel. Der hinter Bäumen verborgene Brunnen des kleinen Prinzen im runden Garten ist Ausgangspunkt für meinen Spaziergang durch die Abaschidze-Allee, auf der sich eine Boutique an die nächste und ein Café an das andere reiht.

Diesmal entscheide ich mich für ein Mittagessen in Mukha, denn so langsam muss ich mich ja wieder an deutsche Preise gewöhnen. (; Oder doch lieber zu Eso, dem Hinterhof-Lokal bei mir um die Ecke? Wenn ihr den Geldbeutel schonen wollt, bietet sich auch die georgische 24/7 Restuarant-Kette Machachela an. Die beste Filiale befindet sich am Gorgassali-Platz. Man sollte ein bisschen Glück mitbringen, um einen Platz auf dem Balkon mit Postkarten-Aussblick zu ergattern.

Die Kalorien lassen sich ja wunderbar wieder wegtanzen. Nämlich auf dem Mzesumzira’s EZO Festival, das vor kreativer Atmosphäre und Musik zum Lieben, Lachen und Entspannen nur so strotzt. Und wenn man schonmal im Mtadsminda Park und vom Tanzen ausgepowert ist, muss man sich natürlich auch ein Punshiki mit Blick auf die beleuchtete Stadt reinziehen.

*Das billigste Taxiunternehmen „Taxi Star“ (+995 574 12 12 12) fährt für 14 Lari zum Flughafen

Seensüchtig

Das letzte Wochenende vor den Schulferien musste ich nochmal nutzen, um schnell zu Anna ans Meer zu fahren bevor man sich dort vor lauter Urlaubern kaum mehr bewegen kann. Mit guter Musik auf den Ohren, Badezeug, Proviant von meinem Schwesterherz und Lion, einem Mitfreiwilligen, im Gepäck ging es ganz spontan zum Bahnhofsschalter. Zwei Tickets nach Batumi, bitte.

Die Rechnung haben wir ohne amerikanische Megastars gemacht. Erst tritt Robbie Williams in Tbilissi und jetzt auch noch die Band Maroon 5 in Batumi auf. Tickets kosten übrigens nur 30 Lari (ca. 12 Euro), da die Konzerte, als Werbung für das Land dienend, fast vollständig von der Regierung finanziert werden. Eine Mara fragt sich da, ob das Geld nicht hätten besser investiert werden können…

Wie auch immer. Die Züge waren deshalb bis auf Weiteres ausgebucht – und zwar für ganze drei Tage! Also, auf zum Marschrutka-Bahnhof, der mal wieder Beginn eines typisch georgischen Erlebnisses ist.

Wir laden unsere Rucksäcke in den Kofferraum und freuen uns, dass wir ein ziemlich komfortables Gefährt erwischt haben. Jetzt müssen wir nur noch auf weitere Fahrgäste warten. Wenigstens sind wir schon zu viert, so lange kann es also nicht mehr dauern. Prompt steuern sieben Jungs unsere Marschrukta an. Wir haben aber nur noch drei Plätze. Ein kurzes Gespräch später müssen wir dann aussteigen. Vielen Dank auch.

Während unser Gepäck hektisch umgefrachtet wird, trotten wir genervt zur uns zugewiesenen Marschrutka. Für den weiteren Verlauf wichtig: Wir achten extra darauf, dass unsere Rucksäcke auch wirklich den Weg in das richtige Auto finden.

Naja, wenigstens müssen wir hier nur noch auf einen einzigen Mitfahrer warten. Gleich muss es losgehen… Das tut es auch. Nur, dass trotz Platzmangel zwei Fahrgäste ins Auto sollen. Lion und ich, wir rutschen auf der Rückbank zusammen. Bei der Hitze dürfen wir dort jetzt auch noch zu viert kuscheln, oder was? Fängt ja gut an.

Der georgische Mann, der uns abkassiert und umgesetzt hat, gestikuliert wild um sich und redet mal wieder wie ein Wasserfall auf uns ein. Und das auf Russisch, weil wir die Sprache ja so gut verstehen. Nicht. Das nervt mich übrigens richtig, dass ich die Menschen auf Georgisch anspreche und sie dann meinen, ich könne Russisch. Leute, wenn ich besser Russich als Georgisch könnte, würde ich das schon anders machen!

Aber zurück zum Thema. Wir sollen nochmal aussteigen. Der Grund dafür: Der georgische Mann will nicht, dass die Freundin des Ukrainers, der gerade vor uns Platz genommen hat, neben Lion sitzt. Für mich heißt das Fensterplatz, ade. Dann setz ich mich halt neben sie, wenn es dir so besser gefällt.

Endlich geht die Autotür zu und wir fahren los. Lion und ich beginnen zu lachen. Selbst das ukrainische Paar kann sich nicht mehr halten. Später tauschen wir wieder Plätze.

Ich höre Musik, sehe mich an den Mohnblumen auf den Feldern neben der Autobahn satt, spiele mit Lion “Ich gewinne” und beobachte wie ein Auto die Einfahrt verpasst, den Rückwärtsgang einlegt und zurückstößt. Das Handy des Fahrers klingelt. Die Marschrutka- und Taxifahrer könnten übrigens wunderbar einen Zweitjob im Callcenter annehmen. Vielleicht mit ein bisschen mehr Geduld und Kontrolle über ihre Emotionen. (;

Nach dem aufgeregten Telefonat halten wir an und werden nach unseren Gepäckstücken gefragt. Drei Taschen können keinem der Passagiere zugeordnet werden. An einer Raststätte lässt der Fahrer die herrenlosen Reisetaschen zurück. Ein paar Kilometer weiter bimmelt sein Handy erneut. Wir drehen um und fahren zum Lokal zurück. Er zieht die Handbremse an, springt aus dem Auto und unterhält sich lautstark mit dem Besitzer des Restaurants. Die Marschrutka rollt dabei langsam, aber sicher, rückwärts auf die Fahrbahn.

Trotzdem kommen wir in Batumi an. Die Tatsache, dass wir zur geplanten Zeit dort sind, dürfte schon so einiges über die Fahrweise aussagen…

Dafür konnten wir uns das ganze Wochenende davon erholen: beim Baden im salzigen schwarzen Meer, beim Bootfahren im Kolkheti-Nationalpark oder beim Sonnen am Strand von Sarpi, dem letzten georgischen Ort vor der trükischen Grenze.

Die Fahrt dorthin war nicht weniger amüsant als die nach Batumi. Zigarettenpäckchen, die in Georgien  um einiges billiger sind, als in seinem Nachbarland, wurden an Mitfahrende verteilt und dann wohl hinter der Grenze wieder eingesammelt, in Schals eingewickelt und sonst wo versteckt.

Der Countdown läuft

Heute vor zwei Wochen war der letzte Schultag für die 12. Klässler: Unglaublich laute Musik, aufgeregte Kinder, georgisches Chaos. Schüler steigen aus den Fenstern, bemalen und beschriften gegenseitig ihre weißen T-Shirts, erscheinen nicht zum Unterricht und setzen ihre abgedrehten Ideen in die Tat um. So veranstalten sie mit Feuerlöschern eine Schaumparty im obersten Stockwerk. Und prompt werden dabei ein paar Schüler vergiftet.

Wieso sind sie eingentlich so am Feiern und Ausrasten? Ist es eine Leistung, wenn man während der finalen Prüfungen alles machen darf, außer sein Handy zu benutzen?! Der Mai war übrigens nicht nur im zwölften Jahrgang mit Kontrollarbeiten vollgestopft. Auch in den Deutschklassen mussten ein paar Schüler leiden. Die Siebtklässler haben sich durch drei Vorprüfungen (Leseverstehen, Hörverstehen und Schreiben) auf das Deutsche-Sprach-Diplom geqäult. Die fünften Klassen mussten an einem Samstag in die Schule kommen, um ihre Abschlussprüfung abzulegen. Denn ab der sechsten Jahrgangsstufe werden die Klassen in zwei Gruppen eingeteilt: Die stärkere Gruppe absolviert im Gegensatz zur schwächeren Hälfte zwei statt nur ein Sprachdiplom.

Der Stress macht vor den Lehrern nicht halt. Meine Kolleginnen sind am Kämpfen. Die Schüler erhlaten nur ein Zeugnis im Schuljahr, und das jetzt am Ende des Semesters. Tagtäglich tauchen deshalb Mütter auf, die bessere Noten für ihre Kinder verlangen.

Aber es gab auch schöne Momente in den vergangenen Wochen. So hat unsere Schulfinalistin beim Vorlesewettbewerb den ersten Platz gemacht. Dabei hatte sie elf Gegner aus ganz Georgien und musste neben einem ihr bekannten Text auch einen fremden Text ohne Vorbereitung vor Publikum und Jury vorlesen. Dreimal dürft ihr raten, wer sie vorbereitet hat, hehe. :D

Außerdem fand das alljährliche Geländespiel im botanischen Garten statt. Fünf Deutschlerner aus den sechsten Klassen jeder ZfA-Schule durften an verschiedenen Stationen ihr Können beweisen. Sportlichkeit, Schnelligkeit und Orientierungsvermögen waren genauso gefragt wie das Wissen über Musik, berühmte deutsche Persönlichkeiten, Märchen und Deutschland. So macht Deutschlernen Spaß!

Und jetzt verbleibt mir nur noch eine Woche in der größten Schule Tbilissis. Denn die letzte Woche habe ich mit den anderen kulturweit-Freiwilligen als kleine Helfer, die in Georgien eingesetzt sind, im Debattiercamp in Rustavi verbracht. Es findet schon zum sechsten Mal für einen Bruchteil der Zehnt- und Elftklässler aus den ZfA-Schulen statt. Aus finanziellen Gründen kamen dieses Jahr leider keine Teilnehmer aus Armenien und Aserbaidschan dazu.

Es wurden Workshops zu den vier Bewertungskriterien Gesprächsfähigkeit, Sachkenntnis, Überzeugungskraft und Ausdrucksvermögen angeboten. Die Schüler debattierten in der Vorrunde u.a. über folgende Themen: Sollen Plastiktüten abgeschafft werden? Soll das Fach Religion an staatlichen Schulen unterrichtet werden? Sollen alle Privatschulen in Georgien abgeschafft werden? Als Teil der vierköpfigen Jury habe ich die Finalisten mitausgewählt. Ich war überrascht auf welch hohem Niveau sie debattierten – nicht nur sprachlich, auch inhaltlich. Am meisten hat mich die letzte Debatte mit der Streitfrage “Sollten Staaten das Recht haben keine Flüchtlinge aufzunehmen?” beeindruckt.

Die Freizeit wurde wunderbar mit Tischtennisspielen, Singen am Lagerfeuer, einer Wasserschlacht, Tanzen, einem Karaokeabend und einer traditionellen Supra verbracht. Besonders schön war das Kennenlernen der kulturweit-Freiwilligen, die im März 2016 ausgereist sind und nach Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Tunesien, Aserbaidschan, Georgien sowie in die Mongolei entsandt wurden. Während des Camps haben sie ihr Zwischenseminar in Saguramo verbracht und uns für einen Tag besucht, um zu schauen, wie wir als Freiwillige so arbeiten. Viele von ihnen werde ich auf meinem Nachbereitungsseminar wieder sehen.

Hier ein paar Eindrücke der Evaluation nach dem Camp. Die Probleme der Jugend von heute oder der “degenerierten Generation“, wie mein Mitbewohner zu sagen pflegt, sind ziemlich klischeehaft. Aber irgendwie ist manche Kritik auch zum Schmunzeln.

Besuch vom Mädchen, das die Maulbeeren liebt

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Mit meinem Schwesterherz war ich wandern in Birtvisi, bin durch den botanischen Garten spaziert, war in der Schule und bin durch die Stadt gestreift.

Wir haben uns in der Markthalle durch Erdbeeren, Maulbeeren und Walnüsse gegessen, gemütliche Abende in der WG verbracht, meine Lieblingsorte in Tbilissi besucht, getanzt, die Sommergewitter genoßen, den Tag der Unabhängigkeit in Tbilissi erlebt und im Bett gefrühstückt.

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Der Charme der Häuser, die WG, das Essen und die Seele der Stadt haben auch meine Schwester überzeugt. Irgendwie macht es mich glücklich, wenn Leute verstehen, warum ich hier nicht mehr weg will.

Frankfurt, here we go!

Erinnert ihr euch noch an Flohmarktliebe? Damals haben Mara und ich uns mit unserer Standnachbarin angefreundet.

Beim Einpacken hat uns Hannah dann mal gefragt, was wir denn nach dem Abi so vorhaben. Als ich mal wieder anfing zu erklären, wo ich mein FSJ absolviere und wo Georgien liegt*, fiel sie mir ins Wort: „Echt? Oh mein Gott, das gibt es doch nicht! Ich war drei Monate in Tbilissi für ein Praktikum von der GIZ. Das ist so schön da. Du kannst dich echt glücklich schätzen. Und ich habe eh geplant nächstes Jahr mal wieder hin zu fahren und Freunde zu besuchen.“

Jap, und jetzt ist sie hier und wir rocken Tag für Tag, ob beim Raften, in Restaurants, über den Dächern der Stadt oder beim Einkaufen. Witzigerweise hat sie in der selben Wohnung wie ich gewohnt und auch noch in dem selben Zimmer. Zufälle gibt’s. Und dann bringt sie mir aus der hessichen Heimat sogar noch Schwarzbrot und eine gute Nachricht mit, nämlich, dass die Eintracht in der ersten Liga bleibt. (;

*Es ist echt schade, dass so wenige Menschen in Deutschland von Georgien wissen. Aber warum eigentlich? Weil in deutschen Schulbüchern die Europakarte nur bis zur Türkei reicht? Kann sein. Und wer weiß, die Frankfurter Buchmesse 2018 ändert daran vielleicht was. Denn dann ist Georgien als Gastland an der Reihe. (:

Täglich mahlt das Kaffeetier

Die Zeit rennt und bevor hier alles aus den Fugen gerät, will ich noch schnell von meinem Alltag berichten, der so eigentlich gar nicht existiert. Obwohl ich fast jeden Morgen zu einer anderen Uhrzeit in der Schule sein muss, stehe ich mittlerweile immer um halb neun auf, erledige Dinge, die eben so getan werden müssen und mache mich auf den Weg durch unser wunderschönes Treppenhaus. Ich würde ja auch früher aus meinem Nest kriechen, aber eine belegte Espressokanne kann mir schon mal meine Laune verderben. No coffee, no workee. (; Außerdem will ich mich der Spät-Aufsteher-Kultur ein bisschen anpassen. :D

Abgesehen von meinem morgendlichen Kaffeeritual kann ich wenig Regelmäßigkeit vorweisen. Vor ein paar Tagen ist das Kickbox-Projekt von mir und meiner belgischen Mitbewohnerin gescheitert. Zwei Abende in der Woche haben wir zunächst in einem nahegelegenen Park Sport gemacht. Dann wurden wir von irgendeinem Securitytyp von dort vertrieben. Marlies, die mich fälschlicherweise als „Mara – the boxing machine“  bezeichnet, und ich haben ihm wohl zu viel Angst gemacht. :D

IMG_7421 (2)Bei einem Sparziergang habe ich zwar eine neue perfekte Location bei uns im Stadtviertel ausfindig gemacht, doch jetzt wird es später dunkel und zunehmend wärmer. Und auf glotzende Passanten haben wir dann auch keine Lust. Da gehen wir lieber in ein Café oder kochen was zu Hause. (;

Am Schönsten ist es doch sowieso, wenn etwas Außergewöhnliches passiert. Zum Beispiel, wenn man Besuch von Freunden oder Familie bekommt. Als Mara mich besucht hat, lautete das Kommentar meiner Mitbewohnerin „so, you are besties“ darauf, woher wir uns denn kennen würden. Unglaublich gerne hätte ich sie hier behalten, denn es war genau so fett wie immer: „Was ist denn mit euch schon wieder los? Habt ihr was von meinen Kräutern geklaut oder einfach nur natural happiness?“ – ach, am Liebsten würde ich meine Mitbewohner in meinen Koffer packen und mit nach Deutschland zurück nehmen.

Obwohl es noch knappe vier Monate bis zu meiner Abreise sind, habe ich schon ein bisschen Panik bekommen. Die Wochen vergehen wie im Flug und dabei muss ich noch so viele Reiseziele auf meiner Liste abhaken…

Die besten Sprüche meiner Mitbewohner: „you’re crazy in the coconut“ // „good news for people who like bad news“ // „you’re a lovely bubble of happiness, Mara“ // „I need coffee“ – „coffee needs you too“

Über die kriminelle Energie von Fünftklässlern und andere Schulgeschichten

Sie wurden zwar nicht auf frischer Tat ertappt, aber immerhin kam die Kommissarin aka Frau Maka ihnen früher oder später auf die Schliche. Die kleinen Diebe! Klauen sie einfach die mühevoll gestalteten Hefte ihrer Parallelklasse, in die die Schüler ihre Erlebnisse auf Deutsch eintragen.

Anders als das Mysterium um das verschwundene Druckerkabel wurde das Rätsel der verschollenen Tagebücher relativ schnell gelöst. Es war so ziemlich das witzigste Ereignis der letzten Schulwochen. Aber eigentlich vergeht kaum ein Tag ohne ein Schmunzeln auf meinen Lippen.

So sagte ein Siebtklässler als wir über den georgischen Valentinstag sprachen: „Du weißt doch, wir feiern alle Feste doppelt oder dreifach“. Und die Vermutung einer Schülerin auf meine Frage, warum CRO denn eine Pandamaske tragen würde, lautete: „Wahrscheinlich ist er hässlich“. Auch witzig war das Kommentar eines Schülers zu mir, während seine Mitschülerinnen ein Foto von sich machten: „Mara, sie selfieren“.

Zum Hinschmelzen ist es auch, wenn die süßen Fünftklässler in ihre Lauras-Stern-Welt eintauchen, während ich ihnen vorlese. Oder – Achtung Eigenlob! – wir gemeinsam Aufgaben aus dem von mir erstellten Heft lösen. :D

Ein paar der fünften Klassen waren so verliebt in das Jahrmarkt-Thema, dass wir uns vor gebastelten Karussells, Geisterbahnen und Riesenrädern kaum retten konnten. Deshalb haben wir unseren ganz eigenen Rummel in der Schule errichtet – nicht, dass hier schon genug los sei – und dort ein paar Unterrichtsstunden verbracht.

In zwei sechsten Klassen haben wir  Schneewittchen und die sieben Zwerge vorgeführt und somit endlich die Theaterprojekte abgeschlossen. Im Nachhinein und rückblickend auf meine Schulzeit: Hut ab vor den Lehrern, die ihre Nerven für solche Projekte opfern.

Zur Osterzeit habe ich mit dem Deutsch-Club Küken-Bommeln gebastelt und Rübli-Muffins gebacken. Die begeisterten, lachenden Gesichter haben meinen Glücksmomentvorrat für Monate gesichert.

Ansonsten bin ich auf der Suche nach einer deutschen Partnerschule, esse mich durch ein Osterfrühstück, muss über Aufsätze von Schülern lächeln, rege mich über die Smartphones von Viertklässlern auf, frage ich mich wie man ihnen die Uhrzeit auf Deutsch beibringen soll, wenn sie sie noch nicht auf Georgisch beherrschen, bereite für den Deutschclub ein Augsburger-Puppenkisten-Projekt vor und leide mit den Lehrerinnen, wenn anstrengende Eltern vorbeischauen.

Und ab und zu frage mich bei Klassenarbeiten, wie man als Schüler der festen Überzeugung sein konnte, dass Lehrer nicht merken, wenn man verdächtig nachdenklich und scheinbar konzentriert durch den Raum starrt oder mal kurz auf das Blatt des Sitznachbarn schielt.

Lasst euch eines gesagt sein: Lehrer sehen alles! Vom Blick aufs Handy bis zum Botschaften-Schreiben und Kaugummi-Kauen. Oder vielleicht sehen es auch nur diejenigen, die das Geschehen im Klassenzimmer gerade noch aus der Schülerperspektive gesehen haben…

Eisenbahnausflüge

Fotos gibt es hier zu sehen! Der Speicherplatz ist aufgebraucht… :D

Was wäre ich wohl ohne die georgische Liebe zu Feiertagen? Dank Frauen-und Muttertag, die hier beide als nationale Ruhetage gelten, konnte ich zur kulturweit-Freiwilligen Anna reisen. Kurs: Immer Richtung schwarzes Meer. An die türkische Grenze.

Nach einer fünf-einhalb-stündigen Zugfahrt in den Süd-Westen Georgiens kam ich in Batumi an. Die Hauptstadt der autonomen Republik Adschariens und gleichzeitig drittgrößte Stadt Georgiens finde ich ehrlich gesagt ein bisschen merkwürdig. Die hohen Gebäude werden von Neonlichtern geziert und Brunnen tanzen am Abend zu Musik. Überall ploppen Hotelkomplexe sowie Casinos aus der Erde, die wohl von vielen türkischen Touristen frequentiert werden. Denn keine 20 km weiter ist das Glücksspiel verboten.

Naja, verlassene Urlaubsorte wirken immer komisch auf mich. Dafür war die Hafenstadt, verglichen mit Tbilissi, fast menschenleer. So konnte ich mich bei frischer Meeresluft, Spaziergängen am Kiesstrand und Sonnenbrillenwetter vom Hauptstadt-Trubel erholen. In der spätrömischen Festung „Gonio“ und im botanischen Garten war ich fast ganz alleine. Und das Beste war, dass ich dutzende Delfine unweit der Küste stundenlang beobachten konnte. (: