Erst Berlin, dann Belarus!

Nach langem Hin und Her habe ich es jetzt auch endlich geschafft, mir einen Blog zu erstellen, also bekommt ihr gleich die volle Dröhnung mit allem, was die letzten zweieinhalb Wochen so bei mir los war.

01.09.2017: Nachdem ich am Abend zuvor noch schnell meine Tasche gepackt hatte und dann zu meinem vorerst letzten Spiel mit meinen Fußballmädels bin, musste ich mich an diesem Morgen zum ersten Mal seit langer Zeit früh morgens aus dem Bett quälen. Da mein Zug um sieben Uhr in Treysa gestartet ist, hieß das für mich konkret, dass mein Wecker um fünf Uhr geklingelt hat, sodass ich genug Zeit zum Aufwachen, Aufstehen, Frühstücken und Fertigmachen hatte. Dann ging es auch schon los zum Bahnhof, wobei es für mich zu dem Zeitpunkt noch unvorstellbar war, dass ich in zwei Wochen die vertraute Heimat für ein Jahr verlassen würde. Aufgeregt und nervös verabschiedete ich mich also von meinem Vater und stieg in den Zug, der mich bis Kassel bringen würde, wo ich dann endlich den ICE Richtung Berlin nehmen konnte, In Kassel hatte ich fast eine Stunde Zeit zum Umsteigen, in der ich mir ein kleines zweites Frühstück gönnte und etwas Reiseproviant besorgte. Die anschließende Zugfahrt nach Berlin verbrachte ich mit Schlafen, Musik hören und Landschaft angucken, wobei ich allerdings des Öfteren von einer Gruppe netter älterer Damen gestört wurde, die ihren Frauenausflug sehr genossen und dies auch von Zeit zu Zeit lautstark kundtaten. Endlich in Berlin angekommen, machte ich mich direkt auf die Suche nach dem richtigen Ausgang, um die kulturweit-Shuttlebusse zum Werbellinsee zu erwischen. Zufälligerweise fand ich mich nach dem Überqueren der Ampel neben Amelie wieder, die mir für mindestens ein halbes Jahr in Molodechno Gesellschaft leisten wird. Dadurch ging die etwa anderthalb Stunden lange Busfahrt auch wie im Flug vorüber und ich fühlte mich zwischen all den anderen Teilnehmern nicht mehr ganz so einsam. Am Werbellinsee angekommen, bezogen wir erstmal unsere Zimmer, bevor es einen kleinen Snack und die offizelle Begrüßung gab. In diesen 1-2 Stunden habe ich mehr Menschen kennengelernt als jemals zuvor an einem Tag und gefühlt jede Minute mit jemand anderem geredet. Bei der Begrüßung wurden wir in sogenannte Homezones aufgeteilt, die für die Dauer des Seminars quasi unsere Familie waren und aus Personen bestanden, die in dieselbe Region ausreisen würden. Meine tolle Homezone 21 (#Werbellin21) hat mir die Zeit des Seminars echt versüßt und ich habe tolle Leute kennengelernt, die ich hoffentlich im Laufe des Jahres an ihren Einsatzstellen besuchen kann.

Die folgenden Tage des Seminars liefen eigentlich alle nach demselben Muster ab: Frühstück, erste Einheit, Mittagspause, zweite Einheit, Abendessen und dann entweder Freizeit oder eine dritte Einheit. Inhaltlich haben wir in diversen Workshops viel zu Rassismus, Diskriminierung, Kolonialismus und Privilegien aufgrund des eigenen Weiß-Seins gearbeitet. Auch auf das Gendern wurde viel Wert gelegt, allerdings werde ich hier darauf verzichten, überall „Gendersternchen“ einzufügen. Zwischen all dem kritischen Denken war meine liebste Abend- und Freizeitaktivität eigentlich das regelmäßige Werwolf-Spielen, das der harte Kern auch mal bis tief in die Nacht fortgeführt hat. Auch die Volleyballfelder, der See und andere Outdooraktivitäten waren lohnenswert, allerdings hat das Wetter einen nicht gerade vor die Tür gezogen. Einen Tag haben alle Freiwilligen einen Ausflug nach Berlin unternommen, wo wir vom Auswärtigen Amt begrüßt wurden und anschließend spannende Stadtführungen zu verschiedenen Themen gehört haben. Auch die Partnertage, die von den jeweiligen Partnerorganisationen durchgeführt wurden, in  meinem Fall vom Goethe-Institut, waren sehr interessant, leider konnte ich mit manchen Tipps oder Angeboten noch nichts anfangen, weil mir die Begebenheiten vor Ort in Belarus noch nich bekannt waren, genauso, wie das Sprachniveau meiner zukünftigen Schüler. Zum Abschluss haben wir in unseren Homezones noch kleine Projekte geplant und durchgeführt, wobei wir in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem ganzen EJB-Gelände Plakate verteilt haben: „Achtung! Python entlaufen“, „Betreten verboten, Hanfplantage“ und „Bitte Wiese nicht betreten, Gras muss nachwachsen“ seien hier als Beispiele genannt. Jedoch musste auch diese Zeit einmal vorbeigehen und das wurde Samstagabend mit einer kleinen Party in der Disco gefeiert. Am nächsten Morgen hieß es dann Koffer packen, ein letztes Mal Homezone und Mittagessen, bevor die Verabschiedung anstand und die ersten Freiwilligen sich bereits auf den Weg an ihre Einsatzstellen machten.

An dieser Stelle ein großes Shoutout an alle Leute, die das Vorbereitungsseminar für mich zu einer tollen Zeit gemacht haben: Alle Werbellin21 Mitglieder (Laura, Anna-Lena, Lotti, Pia, Thekla, Zoe, Anja, Sabrina, Henrieke, Roman und der allerbeste Trainer Mika), meine Kummerkasten-Gang (Theresa, Henrieke und Anna), die InBelVies (Roman, Justus und Sophie), meine Psychos (Katha, Justus, Roman, Theresa, Henrieke und Anna) und natürlich die ganze Werwolfcrew (Leandra, Katha, die andere Theresa….).

Als mich am Bahnhof dann alle verlassen hatten, habe ich glücklicherweise noch zwei Freiwillige aus Frankfurt getroffen, von denen einer sogar denselben Zug wie ich genommen hat. Mit Clara habe ich sofort einen Besuch vereinbart, da sie nach St. Petersburg geht und mich eingeladen hat, sie zu besuchen. Als Clara dann auch zu ihrem Zug musste, haben Tsching-Tschung und ich uns bei Vapiano noch ein Abendessen für die Heimfahrt geholt und dann am Gleis auf den Zug gewartet. Dabei sind und überall Bremen-Fans begegnet, das Vapiano war sogar von einer englischen Fanbase belagert. Glücklich im Zug angekommen, hat sich dann jedoch die Frage gestellt, wo noch Sitzplätze frei seien, denn im Gegensatz zu Tsching-Tschung hatte ich mir keinen Sitzplatz reserviert und wir wollten die Zugfahrt ungern alleine verbringen. So kam es, dass wir nach drei glücklosen Versuchen, zwei freie Sitzplätze nebeneinander in einem Waggon zu finden, kapitulierten und die Fahrt im Gang auf dem Boden campten. Das ganze war allerdings bequemer als gedacht, weshalb wir mit dem Gedanken spielten, das alles in einem Jahr beim Nachbereitungsseminar zu wiederholen. In Kassel mussten wir uns leider  auch verabschieden und ich stieg in den RE Richtung Treysa, wo ich eine nette Studentin kennenlernte, die ebenfalls gerade aus Berlin kam und auf dem Weg nach Hause war. In Treysa angekommen, wurde ich dann von meiner Familie abgeholt, habe meine Erfahrungen und Erlebnisse mit ihnen geteilt und bin anschließend ins Bett gefallen, um den ganzen Vormittag zu verschlafen.

11.09.2017: Die nächsten Tage hätte ich logischerweise bereits anfangen sollen zu packen, allerdings war die Abreise für mich immer noch in weiter Ferne, sodass ich die letzten Tage daheim eher entspannt genoss und letzte Dinge einkaufte, als meinen Koffer zu füllen. Dadurch kam Donnerstag dann der Stress, dass ich zwischen letzten Besuchen, Verabschiedungen und Tränen ziemlich planlos und verzweifelt vor meinem größtenteils noch leeren Koffer saß und weder ein noch aus wusste. Zum Glück hat sich meine packerfahrene Schwester bereit erklärt, mir zu helfen, sodass ich es doch noch geschafft habe fertigzuwerden. Die letzte Nacht in meinem Bett habe ich dann doch wieder recht entspannt genossen. Am nächsten Morgen ging dann alles ganz schnell. Noch ein letztes Mal checken, ob die wichtigsten Dokumente und Unterlagen eingepackt sind und dann musste ich schon meinen Großeltern Tschüss sagen und im Auto beobachten, wie die bekannte Gegend kleiner und kleiner wurde und schließlich verschwand. Am Flughafen angekommen hatten wir noch Zeit für ein kleines Abschiedsessen, bevor ich dann meinen Koffer aufgegeben habe und mich an der Passkontrolle tränenreich von meiner Familie verabschieden und den weiteren Weg alleine bewältigen musste (Zitat meiner Schwester: „So wie du weinst, denken noch alle, dass du gar nicht freiwillig gehst.“).

Kurz bevor das Boarding dann gestartet hat, ist endlich auch Amelie am Gate angekommen, die glücklicherweise denselben Flug wie ich gebucht hatte. Im Flieger hat mir dann mein netter weißrussischer Sitznachbar geholfen, mein Handgepäck zu verstauen. Wie von mir vorhergesagt, kamen mir zu Beginn des Fluges wieder die Tränen, spätestens beim Anflug auf Minsk waren diese aber überwunden und wurden von der Vorfreude verdrängt. Wieder half mir mein Sitznachbar mit dem Handgepäck und auch das Ausfüllen der Migrationskarten haben Amelie und ich mit einigen Startschwierigkeiten und Hinweisen der Beamten gemeinsam gemeistert. Am Flughafen wurden wir bereits von Mitarbeitern des Goethe-Instituts erwartet, die uns zu unserem Hostel gebracht haben, wo wir die anderen Freiwilligen aus Belarus wiedergetroffen haben. Einen Einkauf und ein kurzes Abendessen später haben fünf von uns beschlossen, doch noch eine Bar aufzusuchen, um den Abend entspannt ausklingen zu lassen und so sind wir etwa zwanzig Meter vom Hostel entfernt in einer Shishabar gelandet. Nach einer zu kurzen Nacht für den aufregenden Tag mussten wir dann das Goethe-Institut finden-keine allzu leichte Angelegenheit, wenn 6/9 der Gruppe, mit etwa 30kg Gepäck bewaffnet sind. Irgendwie haben wir uns dann auch aufgespalten und meine Gruppe kam nur etwa 10 Minuten zu spät – einen Dank an Google Maps und den Bus, der glücklicherweise in die richtige Richtung fuhr, während die anderen noch etwa eine halbe Stunde brauchten. Den restlichen Vormittag haben wir größenteils Fragen gestellt, zu unseren Aufgaben, dem Leben in Belarus und was uns sonst noch auf der Seele lag. Zum Mittagessen kamen dann die Ansprechpersonen aus unseren Schulen, die wir endlich persönlich kennenlernen und die uns mehr über unsere künftigen Aufgaben erzählt haben. Und ich kann jetzt schon sagen, dass Olga einfach eine total liebe und herzensgute Person ist, die sich super um uns kümmert und immer für uns da ist. Gemeinsam mit ihr haben wir uns dann gegen vier Uhr auf den Weg zu unserer Stadt gemacht: Maladsetschna! Ein netter Marshrutka-Fahrer (Marshrutka=Minibus) hat uns dankenwerterweise trotz des vielen Gepäcks mitgenommen, sodass wir nach einer Stunde endlich am Zielpunkt unserer Reise angekommen sind-mit dem Zug hätte es etwa doppelt so lange gedauert. Dort hatten wir wieder Glück, denn unser Vermieter konnte uns mit dem Auto vom Bahnhof abholen und direkt zur Wohnung bringen. Dort wurde auch direkt das W-Lan eingerichtet, während Amelie und ich noch die Zimmer bewundert haben und uns auch hier glücklicherweise direkt einigen konnten, wer welches Schlafzimmer bekommt. Anschließend sind wir mit Olga noch zum Supermarkt gegangen und haben uns vorläufige Sim-Karten besorgt, da man registriert sein muss und die Aufenthaltsgenehmigung braucht um einen Vetrag abzuschließen. Dieser Prozess dauert allerdings immer etwas länger und ist sehr aufwendig-morgen steht er uns dann bevor. Bei Amelie hat das alles leider nicht funktioniert und sie hatte ihr Ersatzhandy in der Wohnung gelassen, also sind wir erst einkaufen gegangen. auch hier hatten wir wieder Glück, denn Olgas Mann ist mit dem Auto ebenfalls zum Supermarkt gekommen und hat uns anschließend zur Wohnung gefahren, weshalb wir zumindest den Abend vom Einkauf Schleppen veschont geblieben sind. Zurück in der Wohnung haben wir dann das W-Lan getestet und festgestellt, dass in Amelies Ersatzhandy anstelle der Nano-Sim- eine Micro-Simkarte muss. Da wir heute aber sowieso noch einmal einkaufen wollten haben wir beschlossen, das alles dann ebenfalls heute zu regeln. Nachdem wir uns also von Olga und ihrem Mann verabschiedet haben, haben wir noch etwas gegessen, mittlerweile war es bestimmt schon 11 Uhr und anschließend noch einen Film geguckt (Magic beyond words – Die zauberhafte Geschichte der J.K. Rowling, sehr empfehlenswert, einer meiner Lieblingsfilme), was der erste Filmabend von vielen sein sollte. Heute haben wir dann beide ausgeschlafen und lagen noch bis mittags im Bett. Danach habe ich meinen Koffer fertig ausgeräumt, mein Zimmer fertig eingerichtet und anschließend schnell Mittagessen gekocht. Eigentlich wollten wir gegen vier Uhr dann einkaufen gehen, nur hat es leider geregnet, weshalb wir das ganze dann auf später verschoben und uns noch ein bisschen selber beschäftigt, es hat aber nicht aufgehört zu regnen, daher sind wir dann einfach losgelaufen. In dem Handyladen haben zum Glück dieselben Frauen wie gestern auch gearbeitet, sodass sie uns wiedererrkannt haben und wir es auch mit unseren fehlenden Russischkenntnissen geschafft haben, das Problem zu erklären und lösen. Anschließend haben wir noch mehr Essen gekauft und sind wieder zurück-immer wieder mit der Feststellung: Den Rest der Stadt gucken wir uns dann mal an, wenn das Wetter besser ist!

Und jetzt sitze ich hier und schreibe seit circa drei Stunden an diesem Eintrag, der viel länger geworden ist, als ich es eigentlich geplant hatte. Aber da ich den Blog unter anderem als Reisetagebuch für mich verfasse, mache ich das doch mit Freuden.

Morgen ist dann unser erster Tag an der Schule und wir müssen früher aufstehen als in Zukunft, da Olga uns noch die Schule zeigen und uns dem Direktor vorstellen möchte. Sie ist übrigens total stolz auf uns, dass wir den heutigen Tag ganz ohne Hilfe gemeistert haben!

Bis zum nächsten Beitrag 🙂

Ps.: Hier noch ein kleiner Funfact zu unserer Wohnung: Jedes Zimmer hat eine andere Tapete, im Wohnzimmer sind es sogar zwei 😉

 

2 Gedanken zu „Erst Berlin, dann Belarus!

  1. Servus,
    hier ist Roman (der Typ der am häufigsten in deinem Shoutouts „geshoutoutet“ wurde).
    Ich finde toll dass du jetzt auch einen Blog schreibst und werde ihn laufend mit großer Neugier verfolgen (auch wenn wir zum Glück nicht allzu weit voneinander entfernt sind :))
    Ansonsten wünsche ich dir einfach ein möglichst reibungsloses Einleben; bei Fragen, Problemen oder einfach Lust auf jemanden anders als deine Mitbewohnerin stehe ich gerne zur Verfügung 🙂

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