Verlängern oder nicht? Von entscheidungsschweren Vorweihnachtstagen

Ich wohne jetzt schon seit Mitte September in São Paulo. Wie ich in meinem vorigen Beitrag Wie ist São Paulo? erwähnte, ist es aufregend, in einer so großen Stadt zu leben. Ich war zu Anfang des Freiwilligendienstes felsenfest davon überzeugt, dass ich nach einem halben Jahr Ende Februar wieder zurück nach Europa kehren würde, um dann dort erstmal eine Weile zu reisen und Zeit mit Freund*innen und Familie zu verbringen, bevor ich dann (hoffentlich) ein Praktikum anfange. Ich vermisse meine lieben Menschen zuhause und hatte mich auf das Wiedersehen gefreut.

Allerdings hatte ich dann im November/Dezember gemerkt, dass ich doch sehr gerne noch einige Monate länger in dieser Stadt verbringen möchte. Vielleicht nicht gleich weitere sechs Monate, aber meinen Aufenthalt um drei Monate zu verlängern klang verlockend. Sechs oder neun Monate machte in meinem Kopf keinen krassen Unterschied, außerdem wäre ich zu der Zeit zurück wo viele mit ihrem Studium abschließen und ich hätte mehr Zeit, Brasilien zu bereisen.

Sobald ich diesen Entschluss getroffen hatte, schrieb ich eine Mail an kulturweit, um zu fragen, ob dies überhaupt möglich wäre. Die Antwort lautete, dass dies nicht möglich wäre, da neun Monate außerhalb der Regelzeit liegen. Man könne nur um sechs Monate verlängern, aber da es bereits eine lange Warteliste für Verlängerungen gäbe, wolle man mir nicht allzu große Hoffnungen machen. Ob ich auf die Warteliste gesetzt werden wollte? Da ich wenig Lust hatte, die restliche Zeit bis Februar in Ungewissheit zu verbringen, sagte ich erstmal nichts Konkretes, sondern ließ mir Zeit, mir das alles zu überlegen.

Dachte ich zumindest. Denn einige Tage danach, kurz vor der Weihnachtsschließung des Goethe-Instituts hier in São Paulo, fand ich in meinem Postfach eine E-Mail von kulturweit mit einem Verlängerungsangebot. Ich war vollkommen überrascht und überwältigt, da ich ja nie gesagt hatte, dass ich auf die Warteliste wollte. Ich saß zu dem Zeitpunkt an meinem Arbeitsplatz, es war kurz vor zwölf und ich flüchtete buchstäblich in die Mittagspause. Überfordert von der ganzen Situation und der Tatsache, dass ich nur zwei Tage Zeit für die Entscheidung hatte, setzte ich mich im institutseigenen Garten in die Hängematte und rief meine Eltern an.

Jeder der mich kennt, weiß, dass ich das Gegenteil von entscheidungsfreudig bin. Ich glaube ich musste bis dahin noch nie eine so große Entscheidung innerhalb so kurzer Zeit treffen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, stand die Entscheidung eigentlich schon tief in mir drin fest: ich wollte verlängern. In Europa rumreisen konnte ich ja immer noch danach, und die Verlängerung würde mir mehr Zeit lassen, mich für Praktikumsstellen ab Oktober zu bewerben. Obwohl ich die ganzen Menschen natürlich vermisse, weiß ich, wir werden in Kontakt bleiben und uns sehen, sobald ich da bin. Es freute mich enorm, zu sehen, dass so viele Leute hinter meiner Entscheidung standen und mir das nicht verübelten. Außerdem macht mir die Arbeit hier am Goethe-Institut enorm viel Spaß und ich habe durch meine Verlängerung die Möglichkeit, die Goethe-Welt mit ihren ganzen Aufgaben und Projekten näher kennenzulernen.

So kam es dann, dass ich kulturweit kurz vor dem Weihnachtsurlaub das unterschriebene Verlängerungsangebot zurückschickte und somit meinen Urlaub mit der Gewissheit startete, bis August in Brasilien zu leben. Auch schön – dann kann ich das Land in aller Ruhe weiter erkunden und weitere Blogbeiträge über meine Erlebnisse schreiben 😉

 

Até breve!

Shama 🙂

Wie ist São Paulo?

,,Wie ist São Paulo?´´ Die Frage kriege ich ziemlich oft gestellt, sowohl von Leuten die noch nie da waren, als auch von Altbekannten der Weltmetropole. Die Frage erfordert eine längere Antwort.

Als ich im April erfuhr, dass es für mich nach São Paulo gehen würde, war ich aufgeregt und nervös zugleich. Aufgeregt, weil es eine einzigartige Möglichkeit war, für begrenzte Zeit in einer der größten Städte der Welt zu leben und sie nicht nur als Touristin kennenzulernen. Nervös, weil ich wusste, dass ich wahrscheinlich nie von mir aus die Entscheidung getroffen hätte, mich in einer solchen Stadt niederzulassen, egal wie lange. Klar, die Stadt hatte mich schon interessiert als Reiseziel für Brasilien, aber ich hätte mir nicht in meinen kühnsten Träumen vorstellen können, irgendwann einmal dort zu leben.

São Paulo ist eine Millionenstadt die ständig wächst und einer der größten Ballungsräume weltweit aufweisen kann. Sie ist auch Brasiliens bevölkerungsreichste Stadt und die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats São Paulo. Außerdem ist sie die größte Stadt Südamerikas und scheinbar (laut Internetrecherchen) die bevölkerungsreichste der gesamten Südhalbkugel – einfach krass.

Ich erinnere mich noch an das Gefühl als ich, nach einem ungefähr 18-stündigen Flug an einem Freitag im Uber saß und auf dem Weg zu meiner WG war. Die Fahrt dauerte anderthalb Stunden, was daran lag, dass um etwa 06:30 Uhr morgens, die Straßen, welche in die Stadt führen, schon voll waren. Als ich auf der Rückbank des Autos saß und mich ein etwas schlechtes Gewissen plagte, weil ich mich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht mit dem Fahrer unterhalten konnte, schaute ich abwechselnd auf mein Handy und aus dem Fenster. Auf mein Handy, weil ich wissen wollte, ob mein Vermieter wie verabredet beim Haus sein und mich einlassen würde. Dabei nahm ich in Kauf bei der nächsten Handyabrechnung aus Deutschland wegen Datenroaming mindestens das Doppelte zahlen zu müssen.

Als ich so auf der Rückbank des Autos saß und die Stadt an mich vorbeiziehen ließ, fühlte ich mich ehrlich gesagt etwas verloren. Die Stadt schien so groß und überwältigend und ich hatte absolut keine Ahnung, wie mein Leben hier aussehen würde. Dazu kam, dass ich jetzt wieder auf einem anderen Kontinent als viele meiner Familienmitglieder*innen und Freund*innen war und sie jetzt bis Februar nur auf einem kleinen Bildschirm sehen würde.

Dieser Aufenthalt ist nicht nur mein erster in Brasilien, sondern auch mein erster in Südamerika. Ich muss ehrlich sagen, dass mir einige Bedenken zum Thema Sicherheit im Hinterkopf rumgeschwirrt sind. Das Sicherheitsthema spielte auch eine Rolle während des Vorbereitungsseminars, wo wir uns in der Brasilien-Homezone manchmal darüber unterhielten. Als mein Vermieter (der selbst Brasilianer ist) mir während meiner Fahrt vom Flughafen auch noch schrieb, ich soll mein Handy nicht benutzen, wenn das Auto im Stau oder an einer roten Ampel steht, war ich schon etwas neugierig. Wenn schon ein Brasilianer das sagt, dann muss da was dran sein… Und so ist es leider oft wenn man hier auf neue Leute trifft: man bekommt gut gemeinte Ratschläge und Vorsichtsmaßnahmen mit auf den Weg. Selbst jetzt noch höre ich ab und zu sanfte Ermahnungen zu diesem und jenem.

Obwohl ich natürlich nicht will, dass ich mich in São Paulo zu übervorsichtig bewege und viel zu beschäftigt damit bin, auf meine Wertsachen zu achten, um die Stadt richtig aufzunehmen, ist es schon gut das Thema Sicherheit nicht allzu fahrlässig zu behandeln. São Paulo als Großstadt ist natürlich etwas anderes als eine kleine Stadt irgendwo im Landesinneren. Viele fragen mich, ob ich mich sicher fühle hier, und ich muss sagen, bis jetzt hatte ich noch keine Probleme. Klar, hundertprozentig sicher fühle ich mich nicht, schon alleine deswegen, weil doch viele Brasilianer einen ständig zur Vorsicht mahnen, aber ich war bis jetzt kein einziges Mal in einer Situation wo ich mich offensichtlich unsicher gefühlt habe. Ich halte die grundsätzlichsten Maßnahmen ein, benutze selten mein Handy auf offener Straße, gehe (wenn möglich) mit einer kleinen Umhängetasche aus dem Haus, und setze meinen Rucksack in einer vollgepackten U-Bahn verkehrt (vorne statt hinten) auf, und ich finde das reicht. Sicherheit ist natürlich ein extrem subjektives Gefühl und vielleicht brauchen manche mehr, manche weniger um sich sicher zu fühlen, aber ich finde, wenn man sich darüber einen allzu großen Kopf macht, verpasst man viel von der Schönheit der Metropole.

São Paulo ist riesig, abwechslungsreich und nie langweilig. Wenn ich die Frage ganz am Anfang dieses Blogbeitrags beantworte, fange ich immer damit an, zu sagen, dass ich mich am Anfang etwas verloren gefühlt habe, und überwältigt war von der großen Stadt und der vielen Möglichkeiten, von denen ich aber nicht wusste (und es zum Teil immer noch nicht tue), wie ich sie wahrnehmen soll. Nachdem ich das gesagt habe, setze ich hinzu, dass ich mich mittlerweile aber schon recht gut eingelebt habe, was absolut stimmt: denn obwohl es noch so viel gibt was ich noch nicht über die Stadt weiß, weiß ich schon jetzt, dass es eine super tolle Erfahrung gewesen sein wird, hier sechs Monate meines Lebens verbracht zu haben.

 

Até breve!

Shama 🙂

Ein verspäteter Anfang…

Hallöchen,

jetzt, etwa drei Monate nach Anfang meines FSJ, fange ich an meine Erlebnisse in einem Blog festzuhalten. Aber wie heißt es so schön – besser spät als nie…

Zuerst einmal möchte ich mich kurz vorstellen:

Ich heiße Shama, bin 22 Jahre jung und bin jetzt für sechs Monate (obwohl, wenn wir ehrlich sind, sind es noch nicht einmal ganze sechs Monate) mit kulturweit am Goethe-Institut in São Paulo, Brasilien. Ich komme ursprünglich aus Bad Vilbel, einer kleineren Stadt in der Nähe von Frankfurt am Main. Diesen Sommer habe ich meinen Bachelor abgeschlossen und bin dann Mitte September mit freudiger Erwartung und Spannung nach einem 10-tägigen Vorbereitungsseminar nach Brasilien geflogen.

Ich kann kaum glauben, dass jetzt schon etwas mehr als die Hälfte meines Freiwilligendienstes vorbei ist und ich in etwa zwei Monaten wieder nach Hause fliege. Ich habe schon einiges sehen können, während ich hier war und bin mega gespannt, was die nächsten Monate so bringen werden.

Ich habe auch vor einigen Wochen meinen Portugiesisch-Sprachkurs angefangen und ich merke wie ich mich richtig darauf freue, die Sprache besser kennenzulernen. Dadurch, dass ich schon Spanisch spreche, fällt es mir etwas leichter, Sachen zu verstehen, aber im Gespräch zu antworten war bis jetzt etwas schwierig für mich. Mal sehen, wie es aussieht, wenn ich dann voraussichtlich im Januar den Kurs beendet habe…

Ich werde versuchen ab jetzt etwas regelmäßiger hier rein zu schreiben, kann aber nichts versprechen 😉 aber macht euch gefasst für eine (kurze) Flut von Beiträgen, die eigentlich längst überfällig sind….

 

Até breve!

 

Eure Shama