Im Bann der Stadt Xi’an

 

Seit langem hat mich keine Stadt mehr so aufgewühlt wie diese. Ich war völlig begeistert, zu Tode betrübt, absolut gechillt und bis in die letzte Faser meines Körpers angespannt. Ganz vielleicht lag es daran, dass ich mich so spontan dazu entschieden hatte, für den nächsten Tag ein Zugticket nach Xi’an zu kaufen. Aber ziemlich wahrscheinlich ist es dieser explosive Mix gewesen, aus einer Jahrtausend-alten Stadtgeschichte und dem erbarmungslosen, zielgerichteten Entwicklungsgedanken des heutigen Chinas. Dieser Mix aus dem Zusammenleben muslimischer, taoistischer und buddhistischer Religionsgruppen und dem Aufkreuzen vieler Backpacker aus aller Welt, die in Xi’an die berühmte Terrakotta-Armee bestaunen… Und dann plötzlich wieder das Gefühl, von den forschenden Blicken der Einheimischen beinah verschlungen zu werden, als ich mich zu einer Tempelanlage außerhalb der Stadtmauer aufmachte.

Es waren ein Bauer, der vor dreißig Jahren auf ein Tongefäß in seinem Acker stieß, und ein Zufall, dass die Kulturrevolution gerade zu Ende gegangen war, welche die Stadt so berühmt werden ließen. Endlich war der Grund gefunden, weshalb die verfluchte Ackerstelle so unfruchtbar gewesen war. Touris aus aller Welt kommen nun seit 30 Jahren in die Provinzhauptstadt von Shaanxi, um die beeindruckenden Ausgrabungen von mehr als 6000 Tonrittern zu sehen, die vor 1500 Jahren gebrannt wurden, um den Grabhügel eines Kaisers zu bewachen.

Die Tourismusbranche in Xi’an boomt, ich habe in China noch kein ebenso großflächiges, modernes Ausstellungsgelände gesehen, aber dennoch hat die Stadt es geschafft, ihren speziellen Charakter zu erhalten. Xi’an ist nämlich auch das Ende, oder, wie man es nimmt, der Anfang der Seidenstraße. Deshalb wurde die Stadt schon früh sehr international, Händler von überall her siedelten sich an und bald war Xi’an mit mehr als einer Millionen Einwohner die größte Stadt der Welt. Es gab sogar schon damals einen „westlichen“ und einen „östlichen“ Markt, sodass in Xi’an jeder fand, wonach er suchte.

Nur eine Seitenstraße von der Hauptfußgängerzone entfernt, konnte man das China erleben, wie es im Reiseführer steht: Gebäckstände, Gewürzverkäufer, Garküchen auf beiden Seiten der engen Gassen und regionale Spezialitäten, die unerwartet vor mir auf dem Klapptisch landeten, und was für ein Glücksfall,- hätt‘ ich sie doch sonst kaum gewählt.

Und überall blühte und duftete es, bei frühlingshaftem Sonnenschein: die Kirschbäume, das erste Grün der Weiden und frischen Bambuspflanzen, und des Nachts: die brutzelnden Pfannen und dampfenden Woks unter den gelben Glühbirnen, die an Kabeln in der Luft baumeln.

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