„Warum?“, frage ich mich, wenn direkt vor mir eine Kiste Feuerwerkskörper auf dem Radweg explodiert. „Warum?“, frage ich mich, wenn ein LKW mithilfe seines großen Wassertanks die staubigen Bäume am Straßenrand duscht. „Warum?“, frage ich mich, wenn die Chemikalien bei Sonnenaufgang seltsame Muster am Himmel bilden. Aber dann fällt mir wieder ein, dass dieses Land, in dem ich nun seit zwei Monaten lebe, China, die aufstrebende Weltmacht ist. Hier geht es um das große Geld, um das Image einer zur Modernisierung verdammten Stadt und nicht um „Bewahrung“, „Umweltbewusstsein“ oder gar „Nachhaltigkeit“.
So bleibt mir immer wieder nichts anderes, als den chinesischen Feuerwerksböllern geschickt mit meinem neu erstandenen Fahrrad auszuweichen, ein Foto vom Bäume-Duschenden LKW zu schießen, die blutroten Sonnenaufgänge einfach „schön“ zu finden, und mich den vielen Aufgaben als Freiwillige an der Mittelschule zuzuwenden.
Die Vorbereitung auf unsere Deutsche Woche läuft hier nämlich schon in vollen Touren. Alle Deutschschüler durften sich aussuchen, ob sie im Chor, beim Krippenspiel, in der Werbung oder beim Kreieren bunter Themenplakate mitwirken wollen. In dieser Woche noch will ich mit meiner Mentorin zur Metro fahren, um erste Einkäufe für die deutsche Woche zu erledigen, für die wir auch eine Filmvorstellung und einige Vorträge geplant haben. Plakate in der ganzen Schule kündigen außerdem den Malwettbewerb an, an dem alle Schüler zum Thema „Deutsche Impressionen in meiner Umgebung“ teilnehmen können.
Und auch in der Umwelt-AG, die ich leite, tauen die chinesischen Schüler mehr und mehr auf. Bei der Recherchearbeit zum Thema „Klimawandel“ zeigte einer auf ein Diagramm zum CO2-Ausstoß, schaute mich sehr bekümmert an und fragte: „Johanna, if it’s really like this, what can we do against it?“ Wieder so ein Moment, der mich einfach sprachlos macht. Wie viel kann ein 14-Jähriger über Umweltschutz verstehen, der in seinem Leben vermutlich mehr Baukräne und wachsende Hochhausdschungel als grüne Wälder gesehen hat? Der Blick aus dem Fenster macht mich nur noch ratloser: seit zwei Wochen hat es in Wuhan nicht mehr geregnet und der Smog wird von Tag zu Tag schlimmer.
Ich freue mich schon sehr auf den Klimaumschwung in den chinesischen Winter. Der soll nämlich schon bald eintreffen, auch wenn wir hier zur Zeit – nach einem kurzen, kühlen Intermezzo – noch über 25 Grad haben. „In Wuhan gibt es keinen Herbst, und keinen Frühling“, wurde mir erklärt, „nur einen sehr warmen Sommer und einen sehr kalten Winter“. Mit meiner kleinen Heizung und nun auch neuen Gardinen, bin ich dafür eigentlich perfekt gewappnet, finde ich. Und, mit dem Winter rückt auch das Kulturweit-Zwischenseminar in Shanghai immer näher!
Auch wenn ich diese Stadt wohl niemals lieben werde, meine Aufgaben an der Schule machen mir viel Spaß. Wenn mich meine Schülerinnen besuchen, um mit mir eine Sahnetorte aus Stoff zu nähen, wenn wir uns über chinesische Popmusik unterhalten, wenn sie sich zum ersten Mal trauen, vor der ganzen Klasse eine Frage zu stellen, dann habe ich schon das Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Ich wusste noch gar nicht, dass unser Seminar in Shanghai stattfindet… =)
Aber den Text finde ich toll! Besonders die Einleitung! Wird das dein nächster Zeitungsartikel?
Haha, naja, bei Shanghai traefe es wohl besser. Dazu gibts dann im naechsten Blogartikel mehr Details, versprochen!