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Rumänien.

Es gibt Neues, und davon viel zu viel. In den 3 Wochen, die seit meinem letzten Blogeintrag vergangen sind habe ich einen Studentenball besucht, an einem Sankt-Martins-Zug teilgenommen, der nicht draußen sondern in der Schulturnhalle stattfand, ich habe an Hörverstehensübungen für deutsch-lernende Studenten mitgewirkt, indem ich Texte über Dickdarmkrebs vorgelesen habe und dabei aufgenommen wurde, ich wurde auf einer Feier als neues Mitglied des Lehrerkollegiums eingeweiht und ich habe eine 10-tägigige, aufregende und sehr schöne Rumänien-Reise plus Zwischenseminar hinter mir. Darum soll es in diesem Bericht gehen.

Unser Zwischenseminar fand vom 18. bis zum 22. November in Sibiu, Rumänien, statt.

Sibiu trägt den deutschen Namen Herrmannstadt und liegt in der Region Siebenbürgen, auch Transsilvanien genannt – da wo Dracula wohnt also. In der gesamten Gegend haben sich im Mittelalter deutsche Bauern angesiedelt, weshalb die meisten Städte zusätzlich zum rumänischen auch einen deutschen Namen tragen. Weil Siebenbürgen bis 1918 zu Ungarn gehörte, gibt es auch noch eine ungarische Minderheit und ungarische Städte-Bezeichnungen – und jede Menge Ungarn, die Siebenbürgen immer noch als Teil ihres Landes ansehen.

Das Wochenende vor dem Zwischenseminar wollte ungefähr die Hälfte der Freiwilligen in Brasov [Kronstadt / Brassó] verbringen – die Strecke von 720km legten wir Pécsis in einer beeindruckenden Zeit von 11 Stunden mit dem Zug zurück. Freitag nachmittag ging es zuerst nach Budapest, dort stiegen wir um in den Zug nach Bukarest, nervten das gesamte Zugabteil mit unserem Gequatsche, zeigten unsere Pässe den ungarischen und rumänischen Grenzbeamten, stellten unsere Uhren eine Stunde vor, schliefen ein – und wachten am nächsten Morgen auf umgeben von dichtem Nebel, Nadelwäldern, hohen Bergen und bitterarmen Dörfern.

In Brasov angekommen empfing uns das rumänische Verkehrssystem gleich von seiner besten Seite: Unsere Frage nach Bustickets ins Stadtzentrum blieb aufgrund fehlender Rumänisch-Kenntnisse leider unbeantwortet und nachdem wir mit Hilfe eines älteren, deutsch-sprechender Mannes schließlich doch Tickets erwerben konnten erfuhren wir, dass aufgrund einer Demonstration momenten weder Busse noch Taxis fuhren – dann eben laufen.

Im Hostel wurden wir von den Freiwilligen aus Rumänien empfangen, die wir schon vom Vorbereitungsseminar im September kannten. Zusammen besichtigten wir das mittelalterliche Stadtzentrum mit seinen Sehenswürdigkeiten:

  • Die riesige, etwas bedrohlich wirkende „Schwarze Kirche“, die aufgrund eines Stadtbrand im Jahre 1689 so heißt. Dieser zerstörte große Teile der Stadt, nur die rußgeschwärzten Außenmauern der Kirche blieben bestehen.
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  • Den Weißen und den Schwarze Turm, beide Teile der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Von den etwas erhöht stehenden Türmen hatten wir einen super Ausblick auf das Stadtzentrum.
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  • Der „Brasov“-Schriftzug im Hollywood-Design, der auf dem steilen Berg am Rand der Altstadt angebracht ist und von dem sich uns ein noch besserer Ausblick über die gesamte Umbegung bot.
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Der Samstag begann ziemlich früh mit dem ultimativen Touri-Programm. Um 9 Uhr holte uns Vlad, unser Guide für den Tag, ab und brachte uns zu einem Minibus, mit dem wir in den folgenden 10 Stunden 2 Schlösser, eine Bauernburg und eine Tropfsteinhöhle abklapperten. Besonders stolz waren wir nicht auf den Omi-Rundreise-Style, aber anders hätten wir die ganzen Sehenswürdigkeiten wohl nie an einem Tag erreicht.

In Serpentinen ging es durch die felsigen Karparten zum Schloss Peles, dessen spitze Türme über die Kronen der Nadelbäume ragen, die das Schloss umgeben.

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Unsere nächste Station, das Schloss Bran, wird den Touristen als Draculaschloss präsentiert und sieht auch so aus – steinig, verwinkelt, auf einem Felsen gelegen und umgeben von hohen Bergen. Der historische Vlad III Drăculea, der als Inspiration für den Dracula-Roman diente, soll allerdings nur zwei Wochen auf dem Schloss gelebt haben, erzählte uns unser Vlad.

Den Abschluss unserer Fahrt 2_1_1024bildete die Besichtigung einer Tropfsteinhöhle und die daneben auf einem Bergliegende Bauernburg, die 1215 vom Deutschen Orden erbaut wurde und seitdem nur einmal eingenommen wurde. Dort gönnten wir uns den ersten Glühwein des Jahres und bewunderten im Licht der Abendsonne den Blick über Berge, Wälder und Täler – Rumänien ist SO schön!

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Montag ging es dann weiter nach Sibiu – doch das war leichter gesagt als getan. Wir hatten zwar schön ordentlich Plätze für den Bus um 11 Uhr reserviert, allerdings interessierte das weder den Busfahrer noch die Leute, die sich schon auf den Sitzplätzen breit gemacht hatten. Der Bus verließ also ohne uns den Bahnhof – und parrallel dazu verließ das Portemonnaie meiner Mitfreiwilligen seine Besitzerin. Das Chaos war perfekt.

Glücklicherweise wurde dank eines hilfsbereiten Rumänen wenigstens das Busproblem gelöst: Wir fanden einen Bus, in dem wir halb stehend, halb sitzend bei gemütlichen 30°C Innentemperatur alle Platz fanden. Dem weiblichen Teil der Truppe wurden sogar Sitzplätze auf dem Schoß von beleibten, nach Zwiebeln, Bier und Tabak duftenden Rumänen angeboten – diese Gastfreundschaft!

Mit nur einer Stunde Verspätung kamen wir schließlich in Sibiu an, wo wir bereits von den beiden Trainerinnen, den Bulgarien-Freiwilligen und diversen Hunden, Katzen und Schafen empfangen wurden, die auf dem Seminargelände hausten.

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Die 5 Tage in Sibiu vergingen verdammt schnell. Gespräche über unsere Probleme und Herausforderungen in den Einsatzstellen, ein Crashkurs in Rumänisch, Diskussionen über die Zigeuner-Problematik mit dem Berater des Romakönigs, eine Stadtführung durch die Altstadt Sibius und das Finden des eigenen Freiwilligenprojekts standen auf dem Programm. Abend wurde in verrauchten Kneipen billiges rumänisches Bier und Palinka getrunken, Sibius Nachtleben unsicher gemacht und Gespräche geführt, die uns als Gruppe ganz schön zusammenwachsen ließen. 😉

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Das folgende Wochenende verbrachten Jacqueline, Ann-Kathrin und ich in Cluj-Napoca [Klausenburg, Koloszvár], der zweitgrößten Stadt Rumäniens, die durch viele tolle Bars und irgendwie heruntergekommene, aber wunderschöne historische Gebäude einen ganz eigenen Charme besitzt.

 Zurück ging es schließlich mit einem Bus, nachdem wir feststellen mussten, dass der Zug, den wir uns ausgeguckt hatten, nicht existiert – aber nach einer Woche in Rumänien konnte uns das nicht mehr schocken.

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Etwas melancholisch und wehmütig war ich also wieder zurück in Pécs und zurück im Schulalltag – dabei wäre ich am liebsten sofort weitergereist und hätte alle Freiwilligen besucht, die ich auf dem Zwischenseminar besser kennengelernt habe. Doch es tut auch gut, nach den ganzen Abenteuern wieder Zuhause zu sein. Ein Zuhause, das sich auch wirklich so anfühlt.