Ende / Anfang.

Hallo.

Das hier wird wohl mein letzter Blogeintrag auf dieser Seite, denn mein Freiwilliges Soziales Jahr mit dem Dienst Kulturweit ist nun endgültig zuende.

Ich bin bereits seit Anfang August wieder in Deutschland und habe mich schon fast wieder eingelebt. Fast. An die hiesigen Bier- und Eintrittspreise kann ich mich noch nicht so ganz gewöhnen. Mir fehlt das Pécsi Est Café und Mitsingen zu ungarischer Musik, das Csinos und die Nappali-Bar direkt unter unserer Wohnung. Mir fehlen Fröccs und Kater-Langos. Mir fehlt der Sonntagsmarkt, auf dem man alles findet, was man gerade nicht sucht, und die 2nd-Hand-Läden, in denen man Klamotten zu Cent-Preisen kaufen kann. Mir fehlt meine idyllische Jogging-Route durch den Wald und an der Kapelle vorbei, von der aus man den schönsten Ausblick auf die Stadt hat. Mir fehlt das ständig jemanden treffen, den man kennt, und Abhängen mit Freiwilligen, denen es genauso geht wie einem selbst. Irgendwie vermisse ich auch den Sonderstatus, den ich als Deutsche so oft verliehen bekommen habe: Ein gesteigertes Interesse an meiner Person, Freude darüber, dass ich mich in ihrem Land befinde, Begeisterung bei meinen Bemühungen, mich auf Ungarisch zu verständigen, Stolz beim Vorführen der eigenen Deutschkenntnisse. Ich vermisse Ungarn, ich vermisse Pécs.

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Nachdem Anti und ich einen Monat lang durch alle möglichen Länder Europas gereist waren, blieb mir noch eine Woche in Pécs, um meine Sachen wieder neu zu packen, ein letztes Mal all die oben erwähnten Dinge zu genießen und Abschied zu nehmen. Diese letzte Woche fühlte sich komisch an. Die meisten anderen Freiwilligen waren schon wieder zuhause, meine Mitbewohnerinnen und alle anderen Studenten ebenfalls, die Schule war geschlossen – es gab nur wenig zu tun und vielleicht war das gut so, denn das hat es mir leichter gemacht, den endgültigen Rückweg anzutreten.

Der Rückweg: War total chaotisch und verrückt wie mein gesamtes Jahr in Ungarn – ich hätte mir keinen besseren Abschluss vorstellen können.Weil ich mein ganzes Gepäck unmöglich alleine hätte transportieren können (wie haben das eigentlich die aus Südamerika gemacht?), wollte ich per Mitfahrgelegenheit zurück nach Deutschland reisen. Dafür musste ich mich auf der ungarischen Mitfahrgelegenheits-Website anmelden und dort mit der Mitfahrgelegenheit auf ungarisch Kontakt aufnehmen – schon eine Challenge für sich. Als weitere Schwierigkeits-Upgrades kamen hinzu, dass ich in der letzten Woche kein Handy mehr besaß und unsere Türklingel erst noch gefunden werden muss. Außerdem ließ sich mein Mitfahrer Zeit mit der Benachrichtigung, um wie viel Uhr es denn eigentlich losgehen sollte.

Als ich am Tag der Abreise gegen halb 10 erwachte (kein Handy = kein Wecker) und meine Emails checkte, wusste ich dann Bescheid: Um 7 Uhr morgens hatte mein Fahrer geschrieben, dass er zwischen 10 und 11 bei mir vorbeikommen würde. Aufgrund plötzlich auftretenden Zeitmangels mussten Dusche und Butterbrote-Schmieren leider ausfallen. Gottseidank hatte ich sonst alles schon so weit gepackt, sodass ich fast pünktlich und in Schweiß gebadet mit meinen 2 riesigen schweren Koffern und den Taschen mit Bettzeug an unserer Eingangstür stand. Nur: Meine Mitfahrgelegenheit stand dort nicht. Und ohne Handy konnte ich ihn ja auch nicht anrufen.

Also sprintete ich wieder in den ersten Stock, schmiss den Computer meiner Mitbewohnerin an, klickte mich durch gefühlt eine Millionen ungarischer Seiten, bis ich die Handynummer fand, schrieb diese heraus, rannte wieder hinunter, an meinem Gepäck vorbei, das unbeaufsichtigt in der Eingangshalle unseres Wohnblocks herumstand, ins Nappali, unsere Hausbar, hinein, und schrie die Kellnerin an, ob sie nicht ganz schnell mit ihrem Handy diese Nummer anrufen könnte denn das ist meine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland die leider weder Deutsch oder Englisch spricht und eigentlich hätte sie schon vor 20 Minuten hier sein sollen aber sie ist nicht gekommen und ich habe kein Handy um anrufen zu können und abgesehen davon kann ich nicht gut genug ungarisch um mich mit ihr verständigen zu können!

Gottseidank kannte die Kellnerin meine organisierte und reflektiere Art schon (unter anderem  hatte ich in den letzten Tagen aus Versehen ihr unabgeschlossen im Treppenhaus stehendes Fahrrad benutzt, weil ich dachte es wäre meins, und in der Überzeugung, ich hätte meine Tasche verloren, alle Kellner in die Suche involviert, bis die Tasche wieder dort auftauchte, wo ich sie auch abgestellt hatte – verrückt!) und rettete mir ein weiteres Mal das Leben. Anscheinend hatte meine Mitfahrgelegenheit ein paar Straßen weiter gewartet, weil meine Straße eine Anliegerstraße war, in die er nicht reindurfte.

Nachdem wir uns also gefunden hatten, mein Gepäck in dem Kleinbus für 12 Personen verstaut war, ich hinter den beiden Fahrern ohne Fremdsprachenkenntnisse Platz genommen hatte und wir die letzten Straßen von Pécs langsam hinter uns ließen, hatte ich schließlich Zeit für ein bisschen Emotionalität. Mein iPod spielte melancholische Musik, ich blickte zurück in Richtung Stadtkern und meine Augen füllte sich mit Tränen. Das war’s wohl jetzt. Tschüss, Pécs, es war wunderschön mit – doch dann machten wir ein ziemlich ruckartiges Bremsmanöver, einen abenteuerlichen U-Turn und fuhren wieder zurück in Richtung Stadt. Hää?
Meine beiden Fahrer hatten wohl beinahe das Kaffeedate mit ihrem Kumpel, vergessen, einem Gebrauchtwagenhändler, der mir erklärte, dass „Auto scheiße“ sei. Hát, nem baj. Macht nichts.

Nach dem Kaffee und einem netten Plausch, von dem ich leider nur die regelmäßig auftauchenden Worte „bazdmeg“ (fick dich) und „curva“ (Hure) aufschnappen konnte, ging es dann endlich richtig los. Wir fuhren, sammelten eine weitere Mitfahrerin ein, fuhren weiter, hielten bei Mc’s, fuhren noch ein Stück, und waren auf einmal am Balaton (der größte See Mitteleuropas, oder auch: Das ungarische Meer). Merkwürdig. Der lag doch gar nicht auf unserer Route!

Noch mehr Leute wurden eingesammelt, während wir den See einmal komplett umrundeten (ganz nett, aber warum bloß?). Es war ein unglaublich heißer Tag und wir schwitzten alle. Inzwischen entstanden aber lebhafte Gespräche zwischen den Mitfahrern, in die auch ich involviert wurde, sodass die Stunden wie im Flug vergingen. Es war inzwischen Abend geworden, und dann – erreichten wir Budapest. Wir hatten gerade 7 Stunden für eine Strecke gebraucht, die man auch in 1 1/2 Stunden hätten bewältigen können. Jetzt nur nicht den Glauben an eine noch in diesem Jahr stattfindende Ankunft in Deutschland verlieren…

In Budapest füllte sich unser Minibus dann komplett. Soweit ich das richtig verstanden habe, wollten alle Mitfahrer über den Sommer in Deutschland arbeiten und freuten sich riesig auf dieses Abenteuer. Handymusik schallte aus der letzten Busreihe, alle riefen durcheinander und mir, der Deutschen, wurden im Eiltempo noch stolz die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Budapests präsentiert (Hier, Burg! Da, Parlament! Gut, oder? Schön Budapest!). Dass ich all diese Dinge schon des öfteren gesehen hatte, da ich mich während meines Ungarn-Jahres oft in Budapest aufgehalten hatte, schien meine aufgedrehten Mitfahrer nicht zu interessieren.

Dann wurde noch einmal ein Großeinkauf bei Tesco abgehalten (schließlich gibt es in Deutschland keine guten ungarischen Paprikas und kein Túró Rudi) und gegen 10 Uhr abends passierten wir tatsächlich die österreichische Grenze.

In Köln kamen wir schließlich gegen 8 Uhr am nächsten Morgen an. In der Nacht hatten wir uns alle aneinandergekuschelt, wobei mein Sitznachbar bestrebt war, dass ich es besonders bequem hatte. Ich bekam seine warme Jacke, seine Schulter zum Anlehnen, und wenn ich etwas aus Höflichkeit ablehnen wollte oder ihm anbot, dass er sich doch irgendwie auch an mich lehnen konnte, tat er dies mit einer energischen Handbewegung ab. Bei dieser Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kann man die Ungarn nur lieb haben! Ich hoffe wirklich, dass meine neuen ungarischen Freunde während ihrer Zeit in Deutschland mit dem kleinen Prozentsatz der Deutschen in Kontakt gekommen sind, die genauso nett und aufopferungsbereit sind.

Verabschiedet wurde ich mit Umarmungen und Facebook-Freundschaftsanfragen. Dann verließ der kleine schrottige Minibus mit dem Rest Ungarn, das mir noch geblieben war, den Parkplatz am Kölner Hauptbahnhof und ich war wieder in Deutschland.
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Es war ein schönes Gefühl, meine kleinen, inzwischen aber unglaublich groß gewordenen Brüder, meine Mama, meinen Papa, meinen Stiefvater, meine Katze und meine Freunde wieder in die Arme schließen zu können. Es fühlt sich gut an, wieder in Deutschland zu sein, jeden auf der Straße verstehen und mit jedem ein Gespräch anfangen zu können, jederzeit ein Familienmitglied zum Sprechen und einen vollen Kühlschrank zum Essen zu haben. Ich habe mich gleich wieder herzlich aufgenommen gefühlt und mein Leben ist ohne große seelische Krise weitergegangen. Ich hatte, seitdem ich wieder hier bin, kaum Langeweile. Ich habe alte Freunde wiedergetroffen und mich um den Start in mein neues Leben als Studentin gekümmert. Als ich Anfang August nach Hause gekommen bin, wusste ich noch nicht zu 100%, wie es jetzt weitergehen würde. Nun, einen Monat später, ist alles so gekommen, wie ich mir den Idealfall ausgemalt habe: Ich wurde zum Wintersemester für den Studiengang Druck- und Medientechnik in Berlin angenommen und habe auch schon ein WG-Zimmer in Kreuzberg, in das ich nächste Woche einziehen kann, damit ich an den Vorkursen teilnehmen kann. Ich freue mich auf diesen neuen Abschnitt, weil ich weiß, dass mit dem Ende meines Ungarn-Jahres der Anfang von etwas Neuem einhergeht.

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Trotzdem können meine Erfahrungen, die ich in den letzten 12 Monaten gemacht habe, durch nichts ersetzt oder überspielt werden.

Auch wenn ich noch so viel berichte, wird niemand außer mir selbst das verstehen können, was ich in den letzten 12 Monaten gedacht, gesehen und gelebt habe.

Meine 12 Monate in Ungarn waren mit nichts aus der Vergangenheit vergleichbar, und ich werde sie auch mit nichts in der Zukunft Liegendem vergleichen können.

Auch wenn bald so viel Neues auf mich zukommen wird, werden meine Erfahrungen und Erlebnisse aus den letzten 12 Monaten so bleiben, wie sie waren: unbeschreiblich. Und nichts kann mir sie wieder nehmen.

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Zum Schluss möchte ich nochmal einer Menge Menschen meinen Dank aussprechen, auch wenn die meisten das hier wahrscheinlich nicht lesen werden. Ich danke allen Voran der Organisation Kulturweit und allen dort Beteiligten, für alles, was sie getan haben, um mir ein tolles und lehrreiches Jahr im Ausland zu ermöglichen. Ich danke den anderen Freiwilligen für den Spaß, den ich auf den Seminaren hatte, für Schlafpätze, Besuche und gemeinsame Ausflüge, für die tollsten Gespräche und die verrücktesten Erlebnisse – ganz ehrlich, wir müssen uns alle unbedingt wiedersehen! Insbesondere danke an meine liebsten Pécsis für die harmonische Zeit, die wir miteinander erleben konnten. 😛 Ich danke allen Lehrern an meiner Schule, insbesondere meiner Ansprechpartnerin Erzsi, für die herzliche Aufnahme am Koch-Valéria-Schulzentrum, und meinen Schülern fürs manchmal still sein, manchmal sich beteiligen und immer mich zum lachen bringen. Ich danke meinen Mitbewohnerinnen für Tipps, Gespräche, Nachsicht beim Putzplan-Einhalten und das mich-zu-coolen-Partys-mitnehmen-und-mich-anderen-Studenten-vorstellen. Ich danke allen Menschen, mit denen ich Nächte durchgetanzt und Abenteuer erlebt habe. Ich danke Erika, unserer Ungarisch-Lehrerin! Ich danke allen Busfahrern und Leute, die mir den Weg gezeigt haben. Ich danke meiner Mama und Carla fürs sich immer geduldig meine Geschichten anhören, und ich danke allen Leuten, die meine Blogeinträge gelesen haben.

Und jetzt danke ich noch allen anderen Menschen auf dieser Welt, weil ich Angst habe, jemanden vergessen zu haben und weil das Sich-Bedanken echt total Spaß macht! Ihr könnt es ja selber ausprobieren.

„… Natürlich verändert es mein Leben.“

Ende in Kroatien.

In Zadar, dem letzten mehrtägigen Stop unserer 4 Wochen andauernden Reise erwartete uns die wahrscheinlich größte Challenge des gesamten Urlaubs: In der Wohnung, die wir gebucht hatten, gab es kein Wifi!

Das bedeutet, keine Handygammelei am Morgen, keine Handygammelei am Abend, keine Handygammelei, während man darauf wartet, dass der jeweils andere fertig mit Duschen ist und auch keine Handygammelei einfach so, wenn man keine Lust darauf hat, irgendetwas produktives zu machen.

In diesen Tagen brauchten wir morgens und abends, nach dem Strand und vor dem Essen, viel weniger Zeit um uns fertig zu machen und unsere letzten Bücher waren in Rekordzeit ausgelesen.

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Die Altstadt Zadars ist hübsch mit ihren weiß-gräulichen Häuschen, süßen Kirchen und engen Gassen. Große Stufen führen zum Meer, das direkt an die Altstadt angrenzt. Hier befindet sich auch die Seeorgel, eine Installation, bei der durch das Meerwasser Töne erzeugt werden. Im Boden befinden sich verschieden große Orgelpfeifen, in die durch die Wellen Luft gepresst wird. Je nachdem, wie stark die Welle und wie groß die Orgelpfeife ist, entstehen so verschiedene Töne. Es ist eine ganz besondere Stimmung, bei Sonnenuntergang auf den Stufen am Meer zu sitzen, die milden Temperaturen zu genießen und den Orgeltönen zu lauschen, die die eigentümliche Melodie der Wellenbewegung spielt: Mystisch und befremdlich, unheimlich und beruhigend zugleich.

Wenige Schritte von der Seeorgel entfernt befindet sich eine andere Sehenswürdigkeit, die mir in Zadar sehr gefallen hat: Derselbe Künstler ließ hier einen großen Kreis aus begehbaren Glasplatten bauen, die im Dunkeln in verschiedenen Farben aufleuchten. Das Ganze wird durch Sonnenenergie betrieben, die am Tag gewonnen wurde. Die Glasplatten wechseln ihre Farben und bilden verschieden Formationen, Kinder versuchen den über die Platten huschenden Farbfeldern zu folgen. Auch hier entsteht eine faszinierende Stimmung, wenn man langsam über die Farbplatten schreitet und im Hintergrund der Seeorgel lauscht, die irgendwie mit der Farbchoreografie harmoniert. Lieber Herr Bašić, das haben sie gut gemacht. Nagyon szép!

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Weniger schön waren die deutschen Preise und die vielen deutschen Touristen, mit denen wir hier konfrontiert wurden – Zadar hat sich eben inzwischen (zu Recht) als Urlaubsziel etabliert und gehört nicht mehr zum wilden Osten, in denen sich die meisten Westeuropäer nicht trauen bzw. den sie noch nie wahrgenommen oder in Erwägung gezogen haben. Ich möchte mich da nicht drüberstellen, schließlich ging es mir vor meinem FSJ nicht anders.

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Nach 3 weiteren Strandtagen waren Anti und ich schließlich knackebraun, alle unsere T-Shirts rochen nach Schweiß und Sonnencreme, die eigene Reiselektüre und die des anderen war ausgelesen und das Bedürfnis nach Diskretion nicht mehr vorhanden – warum etwas anziehen, wenn es im Zimmer viel zu heiß war und einen eh nur der andere sehen konnte?

Es konnte also zurück gehen.

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Eine letzte Nacht im Bus und wir waren in Osijek. Das ist eine kroatische Stadt nahe der Grenze zu Ungarn. Ein letztes, leckeres, fettiges Stück Burek zum Frühstück. Hold on, we’re going home. Ich fühlte mich wie Chris MacCandles aus ‚Into The Wild‘, der beschließt, den Magic Bus zu verlassen und in die Zivilisation zurückzukehren. Gottseidank lag mir kein reißender Fluss im Weg. Nur ein 12-stündiger Aufenthalt in Osijek nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht, bevor der Bus nach Pécs abfuhr.

Anti und ich liefen eine Weile durch die Gegend und schauten uns das Stadtzentrum Osijeks an. Die Stadt gefiel mir gut, weil sich hier viel weniger Touristen hinverirrten und die Altstadt nicht so hochglanzrenoviert war wie die in Zadar. An stolzen Bürgerhäuser konnte man den ehemaligen Glanz der Stadt trotz bröckelnder Fassade und Einschusslöchern gut erkennen.

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Weil wir unglaublich müde waren, suchten und fanden Anti und ich 2 Parkbänke im Schatten, auf denen wir uns ausstreckten und promt einschliefen. Leider wurde mein 2. Burek, den ich in seiner Verpackung auf den Boden neben mich gelegt hatte, in dieser Zeit von Ameisen erobert. Jetzt fühlte ich mich wie Chris MacCandles, der den Elch geschossen hat und ihn nicht rechtzeitig ausnehmen kann, bevor sich Maden im Fleisch einnisten.

1 1/2 Stunden und einen Kaffee später hatten Anti und ich eine Entscheidung getroffen: Anstatt noch 10 Stunden auf unseren Bus warten zu müssen, wollten wir trampen und somit auch das letzte Häkchen auf meiner Reise-To-Do-Liste machen.

Ziemlich aufgeregt und euphorisch begannen wir, Schilder zu malen und uns den strategisch besten Startplatz zu suchen. Dann ging es los: Wir schulterten unsere schweren Rucksäcke und liefen sehr, sehr, sehr lange an einer sehr, sehr, sehr langen Straße entlang. Das war glaube ich der anstrengendste Moment auf der ganze Reise. Wir waren zwar nicht ganz so lange unterwegs wie auf unserer Mostar-Odyssee, dafür liefen wir diesmal in der prallen Mittagshitze. Die Sonne knallte unbarmherzig auf unsere Schultern, unsere Rucksäcke klebten am schweißnassen Körper und unsere Wasservorräte schwanden in beängstigendem Tempo.

Schließlich hatten wir die Autobahnauffahrt in Richtung Norden erreicht, doch – oh Schreck! Kein Auto fuhr hier auf die Autobahn auf, denn sowohl Auf- als auch Abfahrt waren aufgrund einer Baustelle gesperrt.

Bevor wir jedoch in einen Status der kompletten Verzweiflung versinken konnten (denn der Weg zur nächsten Autobahnauffahrt hätte uns locker weitere 2 Stunden gekostet), winkte uns ein Rudel braungebrannter und muskulöser kroatischer Bauarbeiter heran. Per Handzeichen bedeuteten sie uns, einmal quer über die Baustelle zu latschen und uns auf der gesperrten Autobahnabfahrt zu positionieren. Wieder eine Situation, die in Deutschland so garantiert nicht stattgefunden hätte.

i1_1024Nun standen wir also mitten auf der vor Hitze flimmernden Autobahn in Richtung Ungarn. Als erstes wurde ein kurzes Fotoshooting abgehalten, bei dem wir stolz mit unserem „Pécs“-Schild vor vorbeibrausenden Lastwagen posierten. Wenige Minuten später hielt auch schon ein älterer kroatischer Herr mit seinem etwas baufälligen Wagen neben uns, der uns bis zur ungarischen Grenze brachte und auf dem Weg begeistert von seinen Verwandten und seinem Aufenthalt in Deutschland berichtete. Ich musste mich wieder ein bisschen schämen: So viele Leute in den Ländern, die wir bereist hatten, konnten wenigstens ein bisschen Deutsch, kannten sich dort so gut aus und sprachen meist in höchsten Tönen von unserem Heimatland. Und wir Deutschen behandeln diese Länder im Gegenzug mit Desinteresse, Ignoranz und Überheblichkeit.

Zu Fuß passierten wir unter amüsierten Blicken der Grenzbeamten die ungarische Grenze und fühlten uns gleich ein bisschen wie zuhause. Üdvözlés Magyarországan.

Hinter der Grenze bauten wir uns wieder mit unserem Pécs-Schild auf. Leider fuhr kaum jemand von Kroatien nach Ungarn, während am Übergang nach Kroatien sogar ein bisschen Stau herrschte, und wir mussten diesmal etwas länger warten. Dann aber wurden wir von einem ungarischen Mann mitgenommen, der leider weder englisch noch deutsch sprach, uns aber auf ungarisch versicherte, dass wir die schönsten Mädchen seien, die er je gesehen hätte, dass er sich auf den ersten Blick in uns verliebt hätte und dass er uns so gerne mit in seine Heimatstadt Szeged nehmen würde – äh, neeeee!

Glücklicherweise wurden wir ohne unerfreuliche Zwischenfälle in Mohács wieder ausgesetzt. Von dort aus war es nur noch ein Katzensprung nach Pécs – den wir aber nach der letzten Erfahrung lieber mit dem Bus bewältigten.

Und ja, dann kam die Situation, die ich vor langer Zeit in meinem ersten Reiseblogeintrag schon beschrieben habe:

Am heißen Spätnachmittag des 25. Julis 2014 ratterte am Pécser Busbahnhof der Bus aus Mohács schwerfällig auf seinen Bussteig zu. Quietschend öffneten sich die Türen, und zwei braungebrannte, staubige und etwas zerzaust aussehende Mädchen mit großen Rucksäcken auf den Schultern hüpften die Stufen hinunter. Anti und ich, Veteranen einer einmonatigen Balkantour, sind back in town!

Abenteuerurlaub in Bosnien-Herzegowina.

Unser Bosnien-Herzegowina-Aufenthalt startete abenteuerlich, setzte sich abenteuerlich fort und endete genauso abenteuerlich.

Laut Plan sollten wir mit dem Nachtbus um 3 Uhr morgens in Mostar ankommen. Gegen 4 Uhr wurden wir zusammen mit der handvoll anderer Mitfahrer, die nach Mostar wollten, an einer Tankstelle mitten im Nirgendwo herausgeworfen.

Busfahrer: „Bis zum Busbahnhof in Mostar sind es noch 200m!“

Anderer Businsasse: „Quatsch, das sind mindestens 500m!“

Busfahrer: „Egal!“

Nach längeren Orientierungsversuchen via Google Maps (wohlgemerkt ohne Internet) und der Hilfe des Tankstellenwärters trottelte die verbliebene Gruppe der Mostar-Touristen  los in die Richtung, in die wir die Stadt vermuteten. Leider waren sowohl 200m als auch 500m leicht utopische Schätzungen. Etwa eine halbe Stunde liefen wir an der komplett unbeleuchteten, autobahnähnlichen Landstraße entlang, an der der Busfahrer uns rausgelassen hatte, und unterhielten uns darüber, wie wir lieber sterben würden: Durch ein Auto, das die 5 Backpacker am Straßenrand nicht gesehen hatte, oder durch die überall in Bosnien-Herzegowina verstreuten Landminen, Andenken des Jugoslavienkriegs.

Glücklicherweise passierte weder das eine noch das andere, so langsam kamen die ersten Häuser in Sicht, die Straße wurde kleiner und am Horizont zeichnen sich erste Anzeichen des Morgengrauens ab.

Eine weitere halbe Stunde später schmerzte uns dank der schweren Rucksäcke und ausgelatschten Sandalen ungefähr alles, wir waren verschwitzt und wir hatten den Busbahnhof erreicht. Zumindest glaubten wir, uns jetzt am richtigen Bahnhof zu befinden, denn Mostar hat von allem 2. Während des Bosnienkrieges in den 90er Jahren kämpften hier zuerst die katholischen Kroaten und die muslimischen Bosniaken zusammen gegen die Serben, danach bekriegten sie sich gegenseitig. Da die Kroaten im Westen und die Bosniaken im Osten der Stadt lebten, gab es sowohl einen kroatischen als auch einen bosnischen Bahnhof. Geteilt wird die Stadt durch den Fluss Neretva, inzwischen ist aber wieder Frieden zwischen den Völkern eingekehrt und man kann sich frei bewegen.

Vom Bahnhof aus waren es dann „nur“ noch 2 1/2 km bis zu unserem Hostel, für die wir dank eines leeren Handyakkus und einigen auf Schlafmangel zurückführbaren Denkaussetzern meinerseits ebenfalls eine gute Stunde brauchten. Auf dieser Odysee sahen wir im Licht der aufgehenden Sonne schon einiges von der bereits sehr schön anmutenden Altstadt Mostars. Um kurz vor 6 hatten wir es dann tatsächlich geschafft – nur 3 Stunden später, als wir dem Hostelbesitzer angekündigt hatten.

Am „nächsten Tag“ wurden wir von der Hosteloma mit einem sehr leckeren Frühstück beglückt und machten uns dann auf den Weg in Richtung Altstadt, die wir auf unserem Fußmarsch schon komplett durchlaufen hatten.

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Das Herzstück Mostars ist die Alte Brücke, „Stari Most“ genannt.

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Sie wurde, zusammen mit einem großen Teil der Altstadt, im Jugoslavienkrieg komplett zerstört und erst vor ein paar Jahren im naturgetreuem Maßstab wieder aufgebaut. Jetzt tummeln sich Touristen auf der Brücke, sitzen in Cafés und stöbern in den zahlreichen Souvenirshops, die in den Gassen um die Stari Most herum erbaut wurden, und nichts verweist mehr auf den Krieg.

Ein paar Straßen weiter jedoch, wo die Altstadt aufhört und auch der Touristenstrom schlagartig versiegt, ist er wieder ganz präsent: Einschusslöcher, kaputte Fassaden und unbewohnte Ruinen erinnern mich an meinen Besuch in Sarajevo, der Hauptstadt des Landes.

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Nachdem wir eine Weile herum-gelaufen waren, mussten wir der Wahrheit ins Auge blicken: Es war einfach zu heiß. Also schnell zurück zum Hostel, Schwimmsachen holen und ab in den Fluss!

In Mostar ist es eine langjährige Tradition, von der ca. 20m hohen Stari Most in den türkis glitzernden Fluss Neretva zu springen. Andere badeten am Fuß der Brücke, durchschwammen den Fluss und hopsten von kleinen Felsen am Ufer hinein. „Das können wir auch!“, dachten wir, machten ein paar Schritte ins Wasser und stellten fest:

n3_1024a) Das Wasser ist unglaublich kalt!

b) Die Strömung ist ziemlich stark!

Heldenhaft wateten wir unter Quiekgeräuschen bis zu den Oberschenkeln in die Eisfluten, zählten bis 3 und trauten uns doch nicht, auf die andere Seite zu schwimmen.

Zu unserer Verteidigung kann ich sagen: Nur wenige Kilometer vor Mostar mündet ein Nebenfluss in die Neretva, dessen Wassertemperatur nur 10°C beträgt! Und genauso fühlte sich das Wasser in Mostar auch an.

Einen Tag später haben wir uns dann doch getraut, die Neretva zu überqueren (allerdings nur in Begleitung und durch gutes Zureden eines anderen Backpackers, der auch aus Deutschland kommt). Glücklicherweise trieben wir nicht bis zum Mittelmeer, bevor wir die andere Flussseite erreichen konnten, und sprangen mutig von Klippen in die eiskalten Fluten. Ich bin immer noch sehr stolz auf uns.

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Außerdem machten wir einen Ausflug nach Blagaj, ein Dorf, in dem der Seitenarm der Neretva entspringt. Das unglaublich türkise Wasser strömt hier aus der Höhle eines riesigen Felsens. Dieser Anblick gefiel nicht nur uns, sondern auch einem türkischen Sultan, der im 16. Jahrhundert ein Kloster direkt an der Quelle erbaute. Wir besichtigen das hübsche Kloster, machten viele Fotos und fuhren dann zurück nach Mostar.

Am späten Abend, genauer gesagt um 0.30 Uhr, sollte uns dann ein Bus nach Zadar bringen. Wir trafen pünktlich eine Viertelstunde vor Abfahrt am Busbahnhof ein, nur leider wartete dort irgendwie niemand anderes. Der Bahnhof war menschenleer.

Etwas beunruhigt überprüften wir nochmal Datum und Abfahrtszeiten, und bemerkten, dass um 0.30 Uhr ja eigentlich schon der nächste Tag begonnen hatte. War unser Bus eigentlich schon vor 24 Stunden abgefahren?

Anti und ich kriegten eine mittelschwere Krise bei dem Gedanken, dass wir schon Bustickets gekauft, unsere Unterkunft in Zadar gebucht und bezahlt hatten und uns sowieso bereits einen Tag länger in Mostar aufhielten als eigentlich geplant, weil der Bus laut Aussage des Hostelbesitzers nur alle 2 Tage kommt

Glücklicherweise fanden wir ein anderes Backpacker-Pärchen, das ebenfalls auf den Bus nach Zadar wartete und uns mit ihrer Entspanntheit etwas beruhigte. Sie hatten gehört, dass irgendein Bus um 1.00 Uhr kommen sollte und meinten, dass wir uns keine Sorgen machen müssen: Sie wären heute mit gutem Karma gesegnet, sie hatten nämlich in ihrem Hostelbett ein Tütchen Gras gefunden.

Eine halbe Stunde später kam ein anderer Mann auf uns zu und fragte, ob wir auch auch auf den Bus nach Sarajevo warten würden. Gottseidank wurden neu aufkeimende Zweifel an der Existenz des Zadar-Busses ausgelöscht, als dieser tatsächlich um 1.10 Uhr in den Busbahnhof einrollte. Auch die Befürchtung, dass unser Ticket nicht für diesen, sondern für irgendeinen anderen Bus galt, wurden mit einem gutgelaunten „Nema problema!“ des Busfahrers  beseitigt.

Und so konnten wir den schönen Staat Bosnien-Herzegowina nach zwei ereignisreichen Tagen und wenig Schlaf doch noch verlassen. War schön!

Baden in Montenegro.

An unserem letzten Tag in Mazedonien hatten wir uns gefragt, ob wir durch Albanien und durch den Kosovo nach Montenegro gelangen würden. Nachts, während der Busfahrt, fragte ich mich, warum die albanischen Straßen eigentlich so verdammt kurvig und holprig sein mussten, dass ich mehrmals (natürlich immer kurz vorm Einschlafen) fast von meinem Sitz gepurzelt wäre. Als wir am nächsten Morgen in Budva, Montenegro, ankamen, stellten wir uns 2 Fragen: Warum ist es um 7 Uhr morgens schon so unglaublich heiß?, und Wo sollen wir jetzt eigentlich schlafen?l1_1024

Irgendwie hatten wir in Budva im Vorfeld einfach kein billiges Apartment oder Hostel gefunden, aber gehört, dass vor dem Busbahnhof immer eine Menge Leute standen, die Zimmer vermieteten. Tatsächlich hatten wir Glück und bekamen für unsere Zeit ein schönes Zimmer bei einer süßen Tante und ihrem Hund.

Blieb noch die Hitze-Problematik.

Im Zuge des ersten Tages taten sich uns noch eine Menge weiterer Fragen auf: Was ist eigentlich das Adjektiv zu Montenegro? Montenegrisch? Montenegronisch? Und wie werden die Einheimischen genannt? Montenegroaner? Montenegrer? Was für eine Sprache spricht man hier? Montenegrisch? Montenegroanisch?

Gottseidank gab Google Auskunft: Die Montenegriner sprechen montenegrinisches Montenegrinisch. Alles klar.

Blieb immer noch die Hitze-Problematik.

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Während Anti und ich verschwitzt und müde nach einem Geldautomaten suchten, stellten wir fest: In Budva gibt esso viele riesige Hotelklötze, wie noch in keinem anderen der Orte, die wir auf unserer Reise kennengelernt hatten. Und die Stadt platzt aus allen Nähten.

Die montenegrinische Küste ist wunderschön, wie ich auf der Busfahrt feststellen konnte. Hohe, graue Berge ragen majestätisch aus dem Meer heraus, kleine Buchten laden zum Schwimmen gehen ein. Leider hat der Tourismus meiner Meinung nach viel von dieser Schönheit genommen. Zu viele protzige Hotelbauten versperren die Sicht, zu viele Sonnenschirme und Liegestühle nehmen Platz in den Buchten weg. Weil man in Budva aufgrund der Berge nicht gut expandieren kann, wachsen die Hotels eben in die Höhe, und die Straßen sind verstopft mit Autos, Bussen und hauptsächlich russischen Touristen in abenteuerlicher Strandmode.

Und diese Hitze!

Auch der Badebereich in Budva war nicht so das Wahre: Vollgestopft mit Menschen, Handtüchern, Tretbooten, Absperrseilen und Liegestühlen konnten wir weder am Strand noch im Wasser so richtig entspannen, uns war zu heiß und wir fühlten uns klebrig vom Salzwasser. Erschöpft von den ersten Eindrücken dieser hektischen Stadt und der unentspannten Nachtbusfahrt fielen wir um 8 Uhr abends in einen tiefen Schlaf, aus dem wir erst 13 Stunden später wieder erwachen sollten.

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Ab dem nächsten Morgen begann unser Aufenthalt in Montenegro schöner zu werden. Wir starteten mit dem leckersten Frühstück, dass ich während des gesamten Urlaubs zu mir genommen habe: Vollkornbrot (!!!), Frischkäse, frische Tomaten, Eurocrem (nutellaähnliches Zeug, auf das die Balkaneinwohner schwören), Banane und die leckerste Wassermelone, die ich je gegessen habe. Daraufhin trafen wir uns mit der anderen Mascha, einer Freiwilligen aus Budapest, die zur selben Zeit mit anderen Freiwilligen in Budva Urlaub machte. Als Gruppe fuhren wir mit dem Bus etwas aus der Stadt heraus, um an einer leereren und schöneren Bucht schwimmen zu gehen.

Es war wieder unerträglich heiß, sodass wir etwa alle 10 Minuten von unserem Handtuch ins geringfügig kühlere Wasser flüchten mussten. Highlight des Tages: Ich kletterte auf einen kleinen, aus dem Wasser ragenden Felsen, übte Kopfsprünge und kam mir unglaublich mutig vor.

Am nächsten Tag besichtigten wir mit den anderen Freiwilligen die ehemalige Hauptstadt, Cetinje. Die verschlafene Kleinstadt erinnert jedoch nur noch durch einige alte Regierungsbauten an ihre frühere Hauptstadtfunktion und das Spannendste an unserem Ausflug war die abenteuerliche Hin- und Rückfahrt: In enormem Tempo düste der Bus in Serpentinen Berge rauf und runter und offenbarte uns beeindruckende und beängstigende Blicke auf mehrere Hundert Meter unter uns liegende Orte und Buchten.

Außerdem schauten wir uns die süße Altstadt Budvas an, suchten mehr oder weniger vergeblich nach der Partyszene der Stadt und versuchten uns wieder an Europreise zu gewöhnen.

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Obwohl Montenegro nicht zur EU gehört, ist der Euro nämlich Landeswährung. Das rührt daher, dass in Montenegro früher mit Deutscher Mark bezahlt wurde – warum auch immer! Als Deutschland auf den Euro umstellte, machte Montenegro mit und ist seitdem das einzige Nicht-EU-Land, dem es erlaubt ist, den Euro als offizielle Währung zu benutzen (allerdings ist die Europäische Zentralbank wohl nicht besonders glücklich damit). Weil Montenegro den Euro jedoch nicht selbst produzieren darf und das Geld ausschließlich durch Touristen ins Land gebracht wird, sind vor allem Münzen Mangelware. Wir haben es ständig erlebt, dass uns Geld nicht passend zurückgegeben werden konnte und im Restaurant einzeln bezahlen fällt sowieso aus dem Bereich des Möglichen.

 

Budva ist, abschließend betrachtet, wahrscheinlich der Ort, der mir auf unserer Reise am wenigsten gefallen hat, weshalb wir uns freuten, nach 3 Tagen den Bus nach Mostar in Bosnien-Herzegowina zu besteigen. Trotzdem verbrachten wir eine schöne Zeit in Montenegro, die mir vor allem gefallen hat, weil ich Mascha, mit der ich schon zusammen nach Ljubljana, Zagreb, Sarajevo, Belgrad, Subotica und Eger gereist war, noch einmal wiedersehen konnte, bevor es für uns beide zurück nach Deutschland gehen sollte. Über unseren Kurz-Abenteuerurlaub in Bosnien werde ich dann im nächsten Eintrag berichten.

Es wird nicht besser in Mazedonien.

Die Busfahrt nach Ohrid in Mazedonien verbrachten Anti und ich etwas zusammengequetscht auf dem Beifahrersitz eines Minibusses, dessen Faher uns gut gelaunt auf die Features des bulgarischen Hinterlandes aufmerksam machte (Regenbögen, Berglandschaften, Esel am Straßenrand), während aus dem Radio kaum nervige Balkanmusik dudelte.
Als am Grenzübergang die erste Businsassin nicht nach Mazedonien eingelassen wurde (ein bisschen Verlust ist immer) und ein Großteil der anderen Mitfahrer in der Hauptstadt Skopje ausstiegen, konnten wir den lieblichen Klängen gottseidank entfliehen und uns für die restlichen Stunden auf der Rückbank ausstrecken.
Die Leute, die noch nie etwas von dem See und der gleichnamigen Stadt Ohrid gehört haben, kann ich beruhigen: Ich kannte es vorher auch nicht. Tatsächlich ist Ohrid aber wunderschön und ich empfehle jedem einen Besuch!

Der See wird bis zu 300m tief und ist einer der ältesten Seen der Welt. Umgeben ist er von hohen mazedonischen und albanischen Bergen. Das türkis-blaue, kühle Wasser ist unglaublich klar – es macht so viel Spaß, darin zu schwimmen, zu tauchen und auf den viele Meter unter einem liegenden Grund zu blicken.
Auch die Stadt Ohrid hat mir sehr gefallen. An jeder Ecke befinden sich kleine Kirchen, die Schönste steht auf einer Klippe direkt über dem See. Die alten schnuckeligen Häuser sind direkt ans Wasser gebaut, außerdem gibt es in der Altstadt noch ein altes Amphitheater und eine Festung. Und: In Ohrid wachsen Kiwis!
Dies alles bekamen wir dank Connections zu den Locals aus erster Hand gezeigt. Die Mutter von Anti hat nämlich eine Arbeitskollegin, die ursprünglich aus Mazedonien kommt und noch eine Menge Familienangehörige dort hat. Aufgrund der daraus resultierenden quasi geschwisterlichen Beziehung zwischen uns und irgendwelchen Cousins dieser Arbeitskollegin war natürlich klar, dass wir rund um die Uhr (ungefragt) von diesen betreut wurden.

Wir bekamen also eine Stadtführung, eine Menge Getränke ausgegeben, Tipps zu den besten Badeplätzen und eine Einführung in das Ohrider Nachtleben, bevor wir überhaupt nach irgendwas dergleichen fragen konnten. Ich glaube ich habe noch nie so hilfbereite, gastfreundliche und übereifrige Menschen kennengelernt wie die Jungs in Ohrid.
Wie überall im Balkan scheint man in Mazedonien ein bisschen lascher mit Gesetzen umzugehen als im regelliebenden Deutschland. Anschnallen ist grundsätzlich Quatsch und der Fahrer trinkt beim feiern gehen fleißig mit, woran sich sein Beifahrer, ein Polizist, nicht stört. Dank unserer mazedonischen Kumpels mussten wir dafür in den Clubs weder anstehen noch Eintritt bezahlen, und falls es einen Dresscode gab (wie die abenteuerlich kurzen Kleider, tiefen Ausschnitte, hohen Schuhe und die Menge an Schminke pro Quadratzentimeter Haut suggerierten), wurde bei uns auch ein Auge zugedrückt.
Da man in hohen Schuhen bekanntlich nicht gut tanzen kann (das aufgestylte Partyvolk stand lieber in der Gegend rum und schlürfte seine Cocktails) und uns Tanzen zu Balkanmusik ein bisschen schwer fiel (ich habe es aber versucht!) wurde es kein allzu langer Abend.
Dafür erwartete uns einen Tag später ein anderes, mehr oder weniger spannendes Ereignis: Das Finale der Fußball-WM! Wir schauten es in einer halbleeren Kneipe in Begleitung von 2 Amerikanern, die während des Spiels einschliefen. Das war der einzige Moment auf unserer Reise (und wahrscheinlich sogar der einzige Moment während meines Jahres im Ausland), an dem ich mich plötzlich ganz doll nach Deutschland zurückwünschte. Ich bin zwar wirklich kein Fußballfan, aber der euphorischen, gemeinschaftlichen Stimmung und den ganzen Straßenpartys habe ich sehr hinterhergetrauert.
Ansonsten machten wir noch einen Bootsausflug zum Kloster auf der anderen Seite des Sees und hingen mit Freunden, die wir noch aus dem Hostel in Sofia kannten, rum.

Hostelbekanntschaften und -unterhaltungen sind ein merkwürdiges Phänomen: Man betritt einen Raum voller fremder Menschen, die von überall her kommen, und eine Viertelstunde später hat man das Gefühl, unter Freunden zu sein. Die Gespräche sind einfach: Wo warst du schon? Wo gehts als nächstes hin? Wie fandest du das-und-das? Man freut sich, Menschen getroffen zu haben, die in derselben Situation sind wie man selbst, die dieselben Orte bereist haben, ähnlich denken und ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Lustiger, oberflächlicher Smalltalk, der immer und überall gleich ist, egal, ob man sich in Istanbul, Bukarest, Ohrid oder Sofia befindet. Ich bin froh, in Ohrid nicht nur in der kleinen isolierten Welt der Backpacker gelebt zu haben, sondern dank unserer mazedonischen Bekannten auch etwas vom Leben der Einheimischen mitgekriegt zu haben – selbst wenn es nur die Beobachtung war, dass Mazedonier ständig am Handy hängen und irgendwie alle mit allen verwandt sind.

Mit diesen Gedanken endet mein Kalendereintrag für den letzten Tag in Ohrid, den ich verfasste, bevor ich, abermals im Bus, auf den holperigen Straßen Albaniens, in einen unbequemen Schlaf fiel. Und genauso endet auch dieser Bericht. Nächste Station: Montenegro.

Eins noch: Die Überschrift ist eine Art Insider. Natürlich fand ich Mazedonien super. Auf seine mazedonische Art hätte unser Aufenthalt nicht besser werden können. Danke an alle, die dazu beigetragen haben!

Zug fahren in Bulgarien.

Wenn ich an unseren Aufenthalt in Sozopol denke, fallen mir sofort 2 Sachen ein: Sonnenbrand und Shopska-Salat. Ersteres ist schmerzhaft, letzteres schmeckt sehr lecker.

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Sozopol ist eine kleine, hauptsächlich von einheimischen Touristen besuchte Stadt am Schwarzen Meer. Die Altstadt ist wunderschön auf einer kleinen Halbinsel gelegen: An jedem Haus ranken sich Weinreben entlang, bestickte Bettwäsche und riesige Unterhosen werden auf quer über die Straßen gespannten Wäscheleinen zum Trocknen aufgehängt und dicke bulgarische Tanten in Blümchenkleidern verkaufen selbstgemachte Marmelade auf Klapptischen am Straßenrand. In jedem noch so kleinen Garten wachsen hohe Bäume, die Schatten spenden, und das Wasser glitzert blau unter den Klippen, auf denen die Stadt erbaut ist. Es ist wunderschön und ultra romantisch – aber die deutschen Touristen können ruhig am Goldstrand bleiben.

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Anti und ich wohnten in Sozopol bei einer sehr lieben Familie, dessen Omi sich besonders gerne mit uns unterhielt. Dass sie kein Wort englisch, deutsch, französisch oder ungarisch sprach und wir ebensowenig bulgarisch, schien sie dabei nicht zu stören. Ansonsten lagen wir viel am Strand rum, schwammen im wunderbar unsalzigen Meer und aßen das leckerste Eis, das ich je gegessen habe.

Am 8. Juli fuhren wir abend mit dem Nachtzug weiter in die Hauptstadt Sofia. Um Geld für Übernachtungen zu sparen, mehr von den Tagen zu haben und weil es oft auch gar nicht anders ging, sollten wir in den nächsten Wochen unsere Nächte sehr oft so verbringen: Zusammengeknüddelt auf einem oder zwei Sitzplätzen in einem ranzigen Zug, irgendwo zwischen Schlaf und Wach sein.
In Sofia kamen wir entsprechend topfit an und machten uns mit unserem schweren Gepäck auf den Marsch zu unserem Hostel. Die Stadt machte einen ziemlich ramponierten Eindruck auf uns: Auf dem Boden lagen Äste, Blätter und Glassplitter, Fenster waren eingeschlagen und Unterführungen standen unter Wasser. Ratlos spielten wir in unserem Kopf Szenarien durch, die diesen Zustand erklären könnten: Amoklauf eines Arbeiters einer Baumbeschneide-Firma! Tsunami! Bürgerkrieg!

Im Hostel angekommen erfuhren wir dann den wahren (aber genauso weit hergeholten) Grund: Während wir im Zug saßen hatte es in Sofia einen heftigen Hagelsturm gegeben, mit bis zu 5cm langen Eisklumpen, die vom Himmel fielen. Diverse Handyvideos und -fotos der Hostelbewohner belegten dieses ungewöhnliche Naturphänomen, und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich froh sein oder mich ärgern sollte, es verpasst zu haben.
Beim Frühstück mit den anderen Gästen erfuhren wir dann das andere Event, das wir während der Zugfahrt verpasst hatten – „Yeah, what the fuck was up with these german soccer players last night? Still can’t believe they scored 7 goals in a worldcup match!“, beglückwünschte uns ein Amerikaner und wir taten das Ganze als Scherz ab, bis wir im Laufe des Tages in diversen Cafés Wiederholungen eben dieser 7 Tore sahen. Da ist wohl was an uns vorbeigegangen.
Die Stadtarchitektur Sofias ist ein riesiger Mischmasch, der aus den verschiedensten Epochen und Kulturkreisen entstanden ist. Während wir durch die Stadt liefen, sahen wir Ruinen aus der Römerzeit, mittelalterliche Steinkirchen, schicke Bürgerhäuser, die auch nach Wien oder Budapest gepasst hätten, Synagogen, Moscheen, sozialistische Protzbauten im Bukarest-Stil und moderne Büro- und Shoppingcenter. Ich wusste überhaupt nicht, dass Sofia so eine lange Geschichte hat und war einigermaßen beeindruckt. Das schönste Gebäude ist meiner Meinung nach die Aleksandar-Newski-Kathedrale mit ihren typisch orthodoxen Kuppeln und Malereien, die mich immer so an Bilderbuchzeichnungen erinnern.

Während unser Tage in Sofia verbrachten wir sehr viel Zeit mit den anderen Hostelgästen. Wir nahmen an der Free Walking Tour und der Free Food Tour teil, die ich beide sehr empfehlen kann, führten verwirrende Gespräche über die Bedeutung der Wörter ‚Stuhl‘, ‚Stool‘, ‚Hocker‘, ‚Glühbine‘, ‚Leiter‘, ‚Lighter‘, ‚Ladder‘ und ‚Schnabeltier‘, testeten eine Menge einheimisches Bier, irrten durch die Stadt auf der Suche nach Nachtclubs und endeten zusammen mit bulgarischen Jugendlichen in einem der vielen Parks in Sofia.

Insgesamt erlebten wir eine lustige Zeit in Sofia und lernten eine Menge interessante Menschen kennen. Am 11. Juli ging es dann, nachdem wir 7 Tage in Bulgarien verbracht hatten uns sich das Wort für „danke“ noch immer nicht in meinem Kopf vrfestigt hatte, weiter nach Ohrid in Mazedonien. Darüber wird im nächsten Eintrag berichtet.

Tee trinken in Istanbul.

Schon im Vorfeld habe ich viel über die riesige Stadt am Bosporus, an der Grenze zwischen Europa und Asien, gehört. Viele Freiwillige und Hostelbekanntschaften waren dort hingepilgert und hatten begeistert von der magischen Atmosphäre berichtet. Als Anti und ich am frühen Nachmittag des 30. Junis ankamen, waren wir zunächst einmal von der unglaublichen Größe der Stadt verblüfft, die besonders durch die riesigen Hochhaussiedlungen um den Flughafen herum zum Ausdruck kam.

Wir übernachteten während unseres Aufenthalts bei der Kulturweit-Freiwilligen Kristina, die im asiatischen Teil der Stadt wohnt und uns gleich mit dem örtlichen Bussystem bekannt machte: Alle paar Minuten düst ein Minibus an ihrem Haus vorbei, den man durch eine Winkbewegung zum Anhalten bringt. Mit ein paar Münzen kauft man ein Busticket, dann sucht man sich schnellstmöglich einen freien Platz oder zumindest einen geeigneten Griff zum Festhalten, denn die Fahrweise der Istanbulaner ist ziemlich rasant und die Wegstrecke gleicht einer Achterbahnfahrt: Im Affentempo geht es Hügel rauf und runter, es wird ruckartig gebremst, ausgewichen und gehupt, Menschen steigen ein und aus, Kleingeld wird zum Busfahrer und wieder zurückgereicht, und auf einmal befindet man sich am Bosporus, der türkis glänzend die asiatische von der europäischen Seite trennt. Möven fliegen kreischend durch die Gegend, es riecht nach Salz, Fähren laufen ein und legen ab, und die Muezzins aus unzähligen Moschees rufen durch ihren eigenartigen Gesang zum Gebet auf. Istanbul ist eine volle und hektische Stadt, aber durch die Wassermassen, die die Stadt teilen, wird der Trubel entschleunigt und man hat Zeit zu entspannen, nachzudenken und zu genießen.

n4_1024 Die meisten Sehenswürdigkeiten (und die meisten Touristen) befinden sich auf der europäischen Seite Istanbuls.

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Um zum europäischen Teil zu gelangen, setzten Anti und ich jeden Tag mit einer Fähre über den Bosporus, was dank der tollen Aussicht auf die Stadt und dem entspannten Hin- und Herwiegen der Boote eine der schönsten Erfahrungen war, die ich in Istanbul gemacht habe.

Der europäische Part Istanbuls wird durch das Goldene Horn, eine ca. 7 km lange Bucht des Bosporus, noch einmal zweigeteilt. Der Stadtteil Eminönü ist voll von wichtigem geschichtlichen Zeug.
Hier steht die berühmte ‚Hagia Sophia‘, die ‚Blaue Moschee‘ und die ‚Süleymanyie Moschee‘, die wir barfuß und mit Kopftüchern bedeckt von Innen besichtigten und der riesige und beeindruckende ‚Tokapı-Palast‘, in dem früher die Sultane mit ihrem Harem lebten. Besonders gefallen haben mir die kunstvollen Mosaike und die orientalischen Muster, die die Wände der Moscheen und des Palastes zierten und die das Europa, wie wir es kennen, ganz weit weg rücken lassen.

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In Eminönü hetzten wir außerdem über den Großen Bazaar und den Gewürzbazaar, und ich sage hetzen, weil man dort einfach nicht entspannt entlangschlendern kann. Sobald man seinen Blick für einen Moment auf einem Gegenstand ruhen lässt, springt einem direkt ein aufgeregter Händler vor der Nase herum, um einen zum Kauf zu überreden. Ich weiß nicht wie es anderen Leuten geht, aber in meinem Fall war dieses Verhalten eher kontraproduktiv:
Anstatt mich auf anstrengende Konversationen und Verhandlungen einzulassen, ergriff ich lieber schnell die Flucht und begnügte mich damit, die schönen Tücher und kunstvoll drapierten Trockenfrüchte, Nüsse, Gewürze und Süßigkeiten unauf-fällig aus den Augenwinkeln zu betrachten. Beim Umgang mit auf-dringlichen Händlern und Anmach-sprüchen entwickelten Anti und ich nach kurzer Zeit eine einfache, aber sehr effiktive Methode: Bei der Frage, woher wir denn kämen, antworteten wir nicht mehr mit ‚I’m from Germany‘, da dies bei den Gesprächspartnern meist zu großer Begeisterung, Vorführung der eigenen Deutsch-Kenntnisse und Aufzählung sämtlicher in Deutschland arbeitenden Verwandten führte. Bei der Antwort ‚I’m from Hungary‘ reagierten die meisten Verkäufer jedoch etwas verdattert: ‚Oh. Hungary. I know Hungary!‘ Seltener angesprochen wird man außerdem, wie ich im Selbstexperiment testete, wenn man konsequent niemandem ins Gesicht schaut. Ein bisschen anstrengend. Einmal, als Anti und ich auf einer Parkbank saßen, fing ein Typ ein Gespräch mit mir an. Nach einer Weile fragte er, wie viele Brüder ich hätte. Bei meiner Antwort (3 Stück) wurde er etwas unruhig und meinte „uuuh, dangerous girl!“ Ich musste über die Vorstellung lachen, meinen großen Bruder mit seinem Anzug und seiner Aktentasche zu Beschützerwecken zwischen mich und irgendeinen Türken zu stellen.

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Tatsächlich ist uns aufgefallen, dass Frauen in Istanbul nur selten alleine unterwegs sind, meistens befinden sie sich in Begleitung eines Mannes oder mehrerer Freundinnen. Sie hängen auch weniger auf den Straßen rum als die Männer, die den ganzen Tag in Teestuben zu sitzen scheinen. Über die Kleidung der Istanbulanerinnen (Istanbulerinnen? Istanbulinnen?) kann ich nichts zusammenfassendes sagen: Von komplett verschleiert bis Minirock und T-Shirt habe ich alles gesehen. Trotzdem ist mir aufgefallen, dass in Istanbul im Vergleich zu den restlichen Stationen unserer Reise weniger Haut gezeigt wird – aber Bulgarien, Mazedonien und Montenegro sind in der Knapp-Bekleidet-Hinsicht auch wirklich schwer zu toppen.f3_1024

Beyoğlu auf der anderen Seite des Goldenen Horns ist moderner, hipper und irgendwie europäischer mit seiner breiten Fußgängerzone voller internationaler Ketten, einer Straßenbahn und unzähligen abends auftauchenden Bars und Clubs. In kleinen Schiebewägen werden Fischdöner, Maiskolben und Sesamkringel verkauft, als es jedoch einmal anfing zu regnen, wechselte die Verkaufspalette in Sekundenschnelle zu Regenschirmen und -capes. Als wir dann abermals ein paar Stunden später eine Bar zum Fußball-WM-schauen aufsuchten, verkauften dieselben Straßenhänder schon fleißig Deutschland-Fanartikel. Wie in den meisten Ländern, in denen wir die Deutschlandspiele der verfolgten, feuerte eine große Mehrheit der Einheimischen ebenfalls die deutschen Fußballspieler an. Keine Ahnung warum. In der Türkei mag die Deutschland-Euphorie vielleicht am Spieler mit den türkischen Wurzeln liegen – während alle anderen Fußballer beim Nachnamen genannt wurden, lies der Kommentator immer, sobald Özil am Ball war, begeisterte „Mesut! Mesut!“-Rufe von sich.

Während unserer Zeit in Istanbul war gerade der jährlichen Fastenmonats, hier Ramazan genannt, angebrochen. Tagsüber ließ er sich hauptsächlich anhand der vielen leeren Restaurants ausmachen, deren Besitzer uns zu Gratis-Türkischen-Kaffees und -Chais einluden, damit sie überhaupt etwas zu tun hatten. Abends, sobald die Sonne unter- und die Leuchtschrift an den Moscheen angegangen war, verwandelte sich Istanbul jedoch in eine Art überdimensionales Familienfest. Auf jedem Fleck Grün hatte sich bereits eine türkische Großfamilie zum Picknick machen niedergelassen, die Teestuben waren voll besetzt und auf der Kirmis, die wir mit Kristina und einer Lehrerkollegin im Wallfahrtsort Eyüp besuchten, tobte das Leben.

a3_1024Von morgens bis abends nicht zu essen, das kann ich mir irgendwie noch vorstellen – gerade wenn es so warm ist, hat man ja oft nicht viel Appetit. Aber bei der Hitze einen ganzen Tag nichts trinken! Wir verzichteten lieber auf einen Selbstversuch. Nach 4 1/2 Tagen in der pulsierenden Stadt am Bosporus hieß es dann für Anti und mich weiterziehen. Aber ich bin mir sicher, dass dies nicht das letzte Mal war, dass ich Istanbul einen Besuch abstatte.

Eine Reise, die ist…

Am heißen Spätnachmittag des 25. Julis 2014 war auf den Straßen der ungarischen Stadt Pécs nicht allzu viel los. In den schattigen Cafés der Király utca wurde an kühlen Getränke genippt, Menschen schlenderten mit Eis in der Hand über den Széchenyi tér und Kinder plantschten in den müde vor sich hinplätschernden Springbrunnen.
Am Pécser Busbahnhof ratterte der Bus aus Mohács, einem ca. eine Stunde entfernten Ort nahe der kroatischen Grenze, schwerfällig auf seinen Bussteig zu. Quietschend öffneten sich die Türen, und zwei braungebrannte, staubige und etwas zerzaust aussehende Mädchen mit großen Rucksäcken auf den Schultern hüpften die Stufen hinunter. Anti und ich, Veteranen einer einmonatigen Balkantour, sind back in town!
Noch nie habe ich eine so lange Reise durch so viele verschiedene Länder mit so vielen Zwischenstops gemacht und ich bin sprachlos, wie schnell die 4 Wochen vergangen sind, wie gut alles trotz allem geklappt hat und wie viel verrücktes Zeug wir erlebt haben. Die Seiten meines Kalenders sind vollgekritzelt, damit ich ja kein Erlebnis vergesse, und jetzt befinde ich mich in der verzwickten Situation, zusammenfassend über unsere Reiseerfahrungen zu berichten. Zuerst zur besseren Übersicht ein paar Randdaten:

Start: 29. Juni in Pécs, Ungarn.
Ende: 25. Juli in Pécs, Ungarn.
So weit so gut.

Reisestops:
Budapest (Ungarn), Istanbul (Türkei), Sozopol (Bulgarien), Sofia (Bulgarien), Ohrid (Mazedonien), Budva (Montenegro), Mostar (Bosnien-Herzegowina), Zadar (Kroatien), Osijek (Kroatien).

Fortbegewungsmittel:

  • Flugzeug: von Budapest nach Istanbul,
  • Busse und Züge in verschiedensten Verfassungen: von ultramodern bis abgeranzt, von mit-Aircondition-in-Schockzustand-gefrohren bis ZU-heiß, von ein-Abteil-für-2-Personen bis so-voll-dass-manche-eben-stehen-müssen,
  • Autos von fremden Menschen, und
  • unsere Füße.

Übernachtungen:

  • Bei netten Freiwilligen und Freiwilligen in spe (danke!)
  • in Hostel-Mehrbettzimmern
  • bei Einheimischen, die im Sommer zu mehrern in einem Zimmer schlafen, um den Rest an Touristen zu vermieten, und
  • sehr sehr oft, im Bus.

Finanzielles:

  • Währungen: Forint, Lira, Lew, Denar, Euro, Konvertible Mark und Kuna.
  • Davon am Hübschesten: Eindeutig die mazedonischen Denars.
  • Am kompliziertesten umzurechen: Gleichstand zwischen Denars (1€ = 61 Denar) und Kunas (1€ = 7,6 Kunas).
  • Billigstes Land: Gleichstand zwischen Bulgarien, Mazedonien und Bosnien. Zigaretten kosten um die 1€, fürs Essen gehen ca. 5-6€ einkalkulieren.
  • Teuerstes Land: Eindeutig Kroatien, dank der vielen deutschen Touristen. Buuh!

Nervigster Bestandteil der Reise:
Grenzkontrollen. Keiner blickt bei diesem System durch. Die Passkontrolle ist ein Paradebeispiel der Willkürlichkeit: Mal braucht man den Reisepass, mal nur den Perso. Mal wird nur kurz auf den Pass draufgeschaut, mal wird er eingesammelt und eingescannt, mal muss jeder einzeln antreten und dem Grenzbeamten erzählen, warum man wo hinfährt. Mal kriegt man Stempel, mal keine. Was alle Grenzübergänge gleich haben: Es dauert ewig. Hiermit setze ich mich für den weltweiten Wegfall dieser veralteten und unsinnigen Maßnahme ein, deren einziger Sinn darin besteht, unschuldige Menschen aus dem Schlaf zu reißen!

Meistbenutztes Wort auf der Reise:
Bazdmeg!

Bevor ich jetzt richtig loslege mit erzählen, möchte ich noch klarstellen: Ich fahre am 1. August wieder zurück nach Deutschland. Mein Vorsatz, in der verbleibenden Woche in Pécs meine Einträge über die Reise zu veröffentlichen, haut leider nicht ganz hin, ich bin einfach zu lahm im Schreiben. Auch wenn ich noch munter über Hostelbekanntschaften in Bulgarien, Partynächte in Montenegro und Hitch-Hiking-Versuche in Kroatien berichte, bin ich also schon wieder in Bonn. Also kommt mich besuchen! 🙂

Sommerreisen.

Nach langen Abenden vor dem Laptop, frustriertem Herumgesuche und Preisvergleichen steht Antis und meine Sommerreise jetzt – so halbwegs. An vielen Stellen fehlen noch Unterkünfte, und die Kosten bereiten uns bereits einiges an Bauchschmerzen, aber ich freue mich auch schon sehr.
Am Montag, den 30. Juni werden wir den von Budapest aus nach Istanbul fliegen. Von dort aus geht es über Sozopol (Bulgarien), Sofia (Bulgarien), Ohrid (Mazedonien), Budva (Montenegro), Mostar (Bosnien Herzegowina), Zadar (Kroatien) und Osijek (Kroatien) zurück nach Pécs, für ein letztes Mal.

Schon in den letzten Wochen habe ich Pécs einige Male für kürzere Ausflüge den Rücken zugekehrt.

Ende Mai statteten Anti und ich zum Beispiel der österreichischen Hauptstadt Wien einen Wochenendbesuch ab. Eine Reise zurück zu geschlossenen Läden an Sonntagen, Preisen, die einen traurig machen, und zurück zur deutschen Sprache – mehr oder weniger zumindest.

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In vielen Aspekten hat mich Wien an Budapest erinnert, schließlich gehörte beides mal demselben Kaiserreich an und die Häuser stammen aus derselben Zeit. Wien kam jedoch um einiges gepflegter, sauberer, ordentlicher restauriert und schicker hergerichtet vor. Mit den vielen prächtigen Gebäuden, gestutzten Buchsbäumen und symmetrisch angelegten blühenden Rosengärten war alles fast schon gruselig perfekt – die Rasenfläche bitte nicht betreten! imm032_31A_1024Ein paar Wochen später entstand in einem Gespräch ein lustiger Vergleich, der es meiner Meinung nach ziemlich auf den Punkt trifft: Wenn Wien und Budapest Schwestern wären, dann wäre Wien die ältere, vernünftige und ehrgeizige Schwester, die schon mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht: Ein guter Job, ein reicher Mann, hohes Ansehen unter den ebenfalls wohlhabenden und einflussreichen Freunden. Budapest dagegen ist rebellischer und ausgeflippter: Sie färbt sich die Haare türkis, sticht sich selber Nasenpiercings und kommt erst morgens vom feiern wieder.

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Trotz der Spießigkeit, die sich nicht leugnen lässt, herrschte in Wien eine entspannte Stimmung, die wir bei super Wetter und 4 € teurem Bier (Preissteigerung um 400%) in den Bars am Donaukanal und am Museumsquartier genossen. Ansonsten klapperten wir in den 3 Tagen alle Sehenswürdigkeiten ab, die uns so in den Sinn kamen: Schloss Schönbrunn, Karlskirche, Schloss Belverde, Hundertwasser-Häuser, Wiener Prater, blablablablabla. Schmerzende Füße und verknipste Filme waren das Ergebnis.

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Direkt im Anschluss ans Wien-Wochenende war abermals unser Einsatz bei ‚Jugend Debattiert International‘ in Budapest gefragt. Dabei wurde der ungarische Landessieger des Debattierwettbewerbs ermittelt. Weil ich diesmal im Bereich Organisation tätig war und meine Hauptaufgabe darin bestand, die Gäste vom Eingang zum Debattensaal zu lotsen, waren es entspannte, lustige und aufgrund der Debatten auch wirklich interessante Tage.

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Mitte Juni, direkt nach meinem letzten Schultag, besuchten die andere Mascha (Freiwillige aus Budapest, mit der ich im Februar schon 9 Tage durch Ex-Jugoslavien gereist bin) und ich die Kulturweitfreiwillige Milena in Eger, die mich kurz zuvor auch schon in Pécs besucht hat.
Eger ist eine hübsche kleine Stadt im Nordosten Ungarns, die vor allem durch ihren Weinanbau bekannt ist. Nachdem wir von Milena durch die Stadt geführt wurden und uns die Burg, das Minarett und ein paar Kirchen anguckten, begaben wir uns am frühen Abend ins ‚Tal der schönen Frauen‘, in dem sich zu allen Seiten kleine Weinkeller angesiedelt hatten, um ebendiesen zu testen. Faszit: Sehr süß, sehr billig, sehr lecker.
Und dann landeten wir ziemlich spontan und überraschend auf einer sehr wilden Party, die überhaupt nicht zum kleinen, verschlafenen Eger passt. Nachdem wir der lauten Musik gefolgt waren und den für ungarische Verhältnisse unverschämt hohen Eintrittspreis bezahlt hatten, befanden wir uns, umgeben von ca. 16 – 20-jährigen Schülern, auf einer Schaumparty, und konnten uns im Selbstexperiment von den Tücken dieses Konzepts überzeugen: nasse Klamotten, kurzfristige Erstickungsängste, verschmierte Schminke, riesige Schürfwunden und blaue Flecken vom äh, Ausrutschen, und der Verlust von sämtlichem Schmuck und einem Pullover (wobei ich dabei vielleicht nicht nur dem Schaum die Schuld geben kann). Insgesamt also ein lustiger Abend, der mir noch eine Weile in Erinnerung bleiben wird.

Und dann war da noch ‚Fishing on Orfű‘.
Orfü ist ein See in der Nähe von Pécs und ‚Fishing on Orfű‘ heißt das alljährig dort stattfindende kleine Festival, bei dem nur ungarische Bands auftreten, von denen ich aber mittlerweile ein paar kenne.
Zusammen mit einer Horde anderer Freiwilliger fuhren wir also an einem Nachmittag nach Orfű, setzten uns an den Steg, genossen das wunderbare Wetter, badeten, und gingen abends auf das Festival. Dort verhielt ich mich mal wieder nicht so, wie sich eine Quasi-Lehrerin verhalten sollte, deren Schüler zu dutzenden in unmittelbarer Reichweite vorhanden sind. Zusammen mit den anderen drängelte ich mich in die erste Reihe, tanzte wie wild herum, trat anderen auf die Füße, sang lauthals mit, ohne die Texte zu kennen und saß auf Schultern unbekannter Mitmenschen. Insgesamt war es ein ziemlich verrückter, witziger und langer Abend.
2 Tage später kletterte ich mich mit Besuch von mir, einer Praktikantin aus Budapest, unter einem Zaun durch und wir befanden uns abermals auf dem Festival, wobei wir uns ziemlich wild und verwegen vorkamen, weil wir eigentlich keine Karte hatten. Auch der Abend war ziemlich gut. Das Festival strahlt durch seine Lage (zwischen waldigen Hügeln, aber auch in unmittelbarer Nähe zum See) eine entspannte, verwunschene und aufgrund der geringen Größe auch eine sehr familiäre Athmosphäre aus. Ich bin wirklich froh, es miterlebt zu haben.

Jetzt geht wirklich alles dem Ende zu. Meine Fotos habe ich schon von der Wand abgehängt, meine Winterklamotten in den einen Koffer gepackt und mein Sommerzeug in den Rucksack, der mit nach Istanbul kommt. Ich hadere noch ziemlich mit dem Gepäck: Inzwischen ist es auf 2 große Koffer, einen Rucksack, einen Karton und 2 Taschen mit Bettzeug angewachsen – hoffentlich finde eine Mitfahrgelegenheit, die das alles mitnimmt.
Außerdem sind pünktlich vor der großen Reise meine beiden Kameras kaputt gegangen. Aber nachdem ich einer Lehrerin mein Dilemma geschildert habe, wurde sofort eine Kollegin angerufen, deren Mann einen Kameraladen besitzt, und falls die Kameras nicht repariert werden können, darf ich mir für die Reise eine Kamera von ihnen ausleihen – die enorme Hilfsbereitschaft der Ungarn ist mir nicht umsonst schon in der ersten Woche aufgefallen.

Der nächste Blogeintrag kommt nun erst nach meiner großen Sommerreise und wird wahrscheinlich sogar schon in Deutschland verfasst. Bis dahin wünsche ich allen Lesern alles alles Gute und – das muss ich wirklich mal öfter sagen – danke fürs Lesen! Ich freue mich total über die mittlerweile über 10.000 Aufrufe auf meinem Blog!

Mai / Juni.

Nie wieder Schule!
Diesen Jubelruf darf ich, nachdem ich ihn letztes Jahr zu meinem eigenen Abitur schon des öfteren verwendet habe, dank Kulturweit und dem Koch-Valéria-Gymnasium in Pécs, nun noch einmal ausstoßen. Das Schuljahr und damit meine Arbeit an meiner Einsatzstelle, ist vorüber.
Wenn man ein Jahr im Ausland plant, fragt man sich unzählige Male, wie leicht oder schwer einem der Abschied von zuhause wohl fallen wird, wie die erste Zeit im Gastland und an der Einsatzstelle sein werden und wie sich der neue Alltag anfühlen wird, aber zumindest ich habe kein Stück darüber nachgedacht, wie es sein wird, nach dem Jahr wieder zurück nach hause zu fahren. Entsprechend unvorbereitet sehe ich nun dem Ende meines FSJs entgegen und treffe die Entscheidung: Solange es noch nicht ganz vorbei ist, am besten weiter verdrängen.
Denn eigentlich will ich gar nicht gehen. In den letzten Wochen (die Wochen, in denen nichts neues von mir zu lesen war, weil ich zu faul war, neue Blogeinträge zu verfassen) habe ich noch einmal eine ganz neue Beziehung zu dem Land aufgebaut, in dem ich seit September lebe. Noch nie habe ich so lange an einem Ort gewohnt, der nicht mein eigentliches Zuhause ist, und mir gefällt diese neue Erfahrung. Ich habe mittlerweile das Gefühl, das Leben hier nicht nur oberflächlich kennengelernt zu haben, sondern tief eingedrungen zu sein und eine feste, unzerstörbare Bindung zu Ungarn, Pécs, den Menschen und dem Leben hier aufgebaut zu haben. Und jetzt höre ich aber auf, bevor es zu albern und patriotisch wird – ob das der Einfluss Orbáns ist?

Die Zwölftklässler beendeten ihre Schullaufbahn durch den traditionellen letzten Marsch durch die Schule. Das sieht folgendermaßen aus: Alle tragen dieses komische Hemd, das die Schüler bei festlichen Anlässen tragen sollen. Die Schüler bilden eine Art Karawane und laufen im Gänsemarsch vom Erdgeschoss in den 3. Stock, machen eine 180°-Wende und laufen wieder zurück ins Erdgeschoss. Dabei tragen die Karawanen-Anführer riesige Ungarn-Fahnen vor sich her und die ganze Gruppe guckt stolz und ernst und singt wichtige Lieder (die Nationalhymne? Die Hymne der Ungarndeutschen? Die Zwölftklässler-Hymne?), wobei die ersten Schüler in einem schnelleren Tempo singen als die Nachhut. Das wird dann problematisch, wenn der Beginn des Umzugs aus dem 3. Stock wieder herunterkommt, das Ende des Zuges sich jedoch noch auf dem Weg in den 3. Stock befindet und sich die beiden Liedteile zu einem unharmonischen Mix vermischen. Die restlichen Schüler und Lehrer stehen erfürchtig an der Seite und verfolgen das Spektakel, während ich an unsere Letzter-Schultag-Traditionen denken muss, die man in zwei Wörtern zusammenfassen kann: Viel Bier.
Meine letzten Schulwochen verliefen weniger dramatisch – mit den Sechst- und Siebtklässlern habe ich spannende Unterrichtsstunden zum Thema „Gesundheit und Krankheit“ veranstaltet, die Achtklässler haben mir auf viele verschiedene Weisen vermittelt, wie unzufrieden sie mit der Deutschlektüre „Emil und die Detektive“ sind und mit den Neuntklässler habe ich über die Vorzüge und Schwachstellen der Serie „Berlin Tag und Nacht“ geredet. Lustigerweise gibt es hier eine Serie mit identischem Drehbuch, die – welch Einfallsreichtum – „Budapest Tag und Nacht“ genant wird. In letzter Zeit gab es dann, wie es nunmal kurz vor den Sommerferien üblich ist, sowieso nur noch Personenraten, Kuchen und Galgenmännchen.
Meine Erstklässler, ihre Klassenlehrerin und ich sind dagegen ziemlich kreativ geworden – zum Klassenfest am Ende des Schuljahres haben wir eine Performance zu dem Lied „Die kleine Raupe Nimmersatt“ einstudiert und dazu Requisiten gebastelt. Tagelang anhaltende Ohrwürmer gab es gratis dazu. Ich glaube, es ist ganz gut geworden.
Insgesamt hatte ich in der Schule nicht viel zu tun. Das habe ich teilweise sehr genossen, teilweise führte es aber auch zu Problemen, die ich bald wahrscheinlich nicht mehr kennen werde: Zu viel Freizeit, bei der ich nicht wusste, wie ich sie füllen soll, ohne nachher das Gefühl zu haben, den Tag verplempert zu haben. Lange Tage, an denen ich schon um 12 Uhr fertig war mit der Schule und absolut nichts mehr zu tun hatte. Tage, die ich mit nichts anderem zu füllen wusste als mit lesen, Serien gucken, Sport machen und wieder lesen. Mittlerweile freue ich mich richtig auf mein Studium mit allem, was dazugehört: Vorlesungen, neue Leute, neue Stadt, Stress, lernen. Wobei ich jetzt schon weiß, wie sehr ich mein entspanntes und in gewissem Sinne sorgenloses Leben hier vermissen werde.

An den Wochenenden war glücklicherweise nie etwas von der an Schultagen manchmal auftretenden Langeweile zu spüren. Ich habe viel Besuch bekommen – angefangen von meinem Papa über die Freiwilligen Mascha und Milena bis hin zu meinen beiden Schulfreundinnen Leonie und Nadine. Mittlerweile bin ich zum Profi-Reiseführer für Pécs und Budapest avanciert – die Free Walking Tour kann einpacken, und Verirrungen sind dazu da, um die Stadtführung lebendiger und abenteuerlicher zu gestalten. Besondere Features meiner Touren sind „Die Unendliche Mecsek-Geschichte“ (Milenas und meine zweistündige Odyssee zum im Mecsek-Gebirge liegenden Fernsehturm und der Weg zurück über einen Trampelpfad, der sich als Mountainbike-Strecke entpuppte und bei der wir in ständiger Gefahr schwebten, überfahren zu werden) und „The Early Bird Catches The Worm – Catch The FIRST Langos On Pécsi Sunday-Fleamarket“ (nach dem Feiern gehen darf niemand nach hause, sondern wird von mir ohne Rücksicht auf Proteste zum Langos-Essen auf den sonntäglichen Flohmarkt geschleppt. Nebenbei kann ein bisschen Second-Hand-Mode geshoppt werden, die um halb 6 Uhr morgens bereits in rauhen Mengen auf dem Marktplatz ausgebreitet ist). Lust bekommen? Ein paar Wochen bin ich noch hier!

Jetzt im Sommer ist Pécs auch noch ein Stück schöner geworden, als die Stadt ohnehin schon ist. Auf magische Weise tauchen plötzlich an jeder Ecke Eisverkaufsstände auf und Häusereingänge öffnen sich zu wunderschönen Gartenbars, in denen an lauen Sommerabenden Fröccs (ungarische Weinschorle) getrunken und der aus allen Ecken schallenden Life-Musik gelauscht wird. In den letzten Wochen rutschten wird von Weinfest zu Bierfest zum nächsten Weinfest, wobei wir bereits auf eine beträchtliche Anzahl an Schülern und Lehrerkollegen stießen. Leider bin ich schrecklich schlecht im Gesichter und Namen merken und erkenne mein Schüler immer erst, wenn es schon zu spät ist. Betrunkene Gespräche (hauptsächlich über die Lehrer unserer Schule) sowie spontane Bier-Spendier- und Tanzaktionen sind die Folge.

Richtig zufrieden mit meinen Ungarisch-Kenntnissen bin ich immer noch nicht, aber immerhin bin ich mittlerweile vertraut im Umgang mit ungarischen Flüchen. Hierbei kann man aber auch nichts falschmachen – „bazdmeg“ und „kurva“ werden einfach an beliebiger Satzstelle vor beliebige Wörter gesetzt, um dem Ganzen etwas mehr Ausdruck zu verleihen. Und während viele Ungarn, die ich kennen gelernt habe, trotz teilweise 12 Jahren Deutsch- und Englischunterricht sehr schüchtern und unsicher bei Gebrauch der Fremdsprachen sind, versuche ich, mein Viertelwissen so gut es geht anzuwenden, was mit enthusiastischen Beglückwünschungen belohnt wird.

Nachdem nächste Woche nun die Ferien anfangen, geht der Spaß (hoffentlich) erst richtig los. Aber das ist eine andere Geschichte, und soll ein andermal erzählt werden.
Fest steht, zurück komme ich erstmal noch nicht. 🙂

Geschichten aus dem Osten. Ein Jahr in Ungarn.