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Eine Ex-Jugoslavien-Reise, Teil 1: Ljubljana / Zagreb

Wir wollten nach Sarajevo und wir wollten nach Belgrad, das hatten Aliena und ich uns vorgenommen. Eine Freundin von Aliena, die auch Mascha heißt, auch ein FSJ in Ungarn macht und, jetzt kommt der Höhepunkt aller Gemeinsamkeiten, auch harte Kontaktlinsen besitzt!, schloss sich unserer Reisegemeinschaft an. Mir eine Woche freizunehmen war kein Problem, dafür gab es eine Menge andere Dinge, die versuchten, uns von unserer Reise abzuhalten. Keine vernünftigen Zugverbindungen, keine seriöse Auskunft im Internet. Schneechaos, zusammenbrechende Stromversorgung. Demonstrationen, brennende Regierungsgebäude.

Wir ließen uns von alldem nicht abhalten und machten uns auf den Weg. Wir haben unglaubliche Orte gesehen, verrückte Dinge erlebt und Menschen getroffen, wir haben viel Zeit in verrauchten Zügen und stickigen Bussen verbracht, und wir haben so viel Neues gelernt. Und jetzt von vorne:

Weil man Sarajevo irgendwie nur über einen Zug von Zagreb aus erreichen kann, beschlossen wir, diesen Riesen-Umweg halbwegs sinnvoll zu nutzen, um uns Ljubljana, die 1 1/2 Stunden von Zagreb entfernt liegende Hauptstadt von Slowenien, anzuschauen. Dort wollten wir das Wochenende verbringen, Sonntag abend nach Zagreb fahren und dort am nächsten Morgen den Zug nach Sarajevo nehmen.

Ich startete die Reise mit gemischten Gefühlen. Erst einmal war ich ziemlich aufgeregt, weil ich den ersten Teil der Fahrt ganz alleine durchstehen musste, außerdem hatten mir am Tag der Abfahrt noch 3 Lehrer davon abgeraten, jetzt nach Ljubljana zu fahren (Nachrichten vom Vortag: „Schneechaos: Ein Viertel aller slowenischen Haushalte ohne Strom, zahlreiche Straßen nicht passierbar, Bahnstrecken sind dicht“) und ich befürchtete, überhaupt nicht anzukommen. Doch überraschenderweise klappte alles reibungslos: Gegen 23.45 Uhr kamen wir am Freitag den 07.02. pünktlich im voll-elektrisierten Ljubljana an. Der Schnee war genauso schnell geschmolzen, wie er ein paar Tage vorher aufgetaucht war.

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Den nächsten Tag starteten wir mit einer Free Walking Tour durch das kleine, schnuckelige und leider ziemlich regnerisch-nasse Ljubljana. Die Altstadt erinnert mit ihren vielen historischen Bürgerhäusern und hübschen kleinen Kirchen sehr an Österreich, alles wirkt ordentlich restauriert und gepflegt. Durch die Stadt fließt der kleine Fluss Ljubljanica, über den gefühlt eine Millionen süße schmale Brücken führen. Am Ufer des Flusses stärkten wir uns nach der Tour in einem Café, danach machten uns auf den Weg zur Burg von Ljubljana, die auf einem Hügel direkt an die Altstadt angrenzt. Der Weg zur Burg war kurz, aber recht abenteuerlich: Wir mussten über ziemlich viele umgestürzte Bäume klettern, die den Schneesturm ein paar Tage vorher nicht überlebt hatten und nun den Weg blockerten. Auf dem höchsten Turm der Burg angekommen bot sich uns ein wahnsinniger Ausblick: Wir befanden uns jetzt über dem Nebel, der die Stadt in graue Matsche hüllte, und sahen auf einmal die beeindruckenden Berge, die Ljubljana umgaben.

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Abends beschlossen wir, uns das Metelkova-Viertel anzugucken, ein ehemaliger Kasernenkomplex etwas abseits der Altstadt, der über die Jahre von Künstlern bewohnt und gestaltet wurde und in dem sich mehrere Bars und Clubs befinden. Es war nicht ganz einfach, den Gebäudekomplex zu finden und wir stolperten eine Weile planlos über dunkle Innenhöfe und an graffiti-besprühten, halb zerfallenen Gebäuden vorbei, bis wir das bunt bemalte, von allerlei merkwürdigen Skulpturen umringte Metelkova-Viertel fanden. Dort tranken wir Bier in einer ziemlich abgefuckten Bar und lernten eine Menge Slowenen kennen, die sich alle untereinander zu kennen schienen, die alle unbedingt mit uns reden wollten und die alle durchgehend am Kiffen waren. Sogar die Barkeeper. Das darf man da wohl.

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Am nächsten Tag trafen wir uns mit Patricia, der Kulturweit-Freiwilligen aus Ljubljana, auf einen Kaffee, besichtigten das Museum für moderne Kunst und machten uns dann im strömenden Regen auf den Weg zum ebenfalls im strömendem Regen liegenden Zagreb. Dort wartete das nächste Problem auf uns: In Sarajevo, unserem nächsten Reiseziel, war laut Medien am Wochenende der „bosnische Frühling“ ausgebrochen, und zwar leider nicht auf das Wetter, sondern auf die politische Situation bezogen: Demonstrationen und Proteste gegen die korrupte Regierung, die Armut und die Massenarbeitslosigkeit hatten  zu brennenden Gebäuden und Polizeieinsatz geführt. imm008_7_1024Die Sarajevo-Freiwillige sahen die Lage zwar eher gelassen („Hier hat halt gestern ein bisschen was gebrannt, aber ihr müsst euch ja nicht unbedingt gleich das Regierungsgebäude angucken“), aber bei meinen Mitreisenden samt Eltern setzte aufgrund der Ereignisse eine leichte Panik ein. Ich fand das Ganze irgendwie eher aufgeregend und nach längeren Diskussionen beschlossen wir schließlich über kroatischen Ćevapčići und Pallatschinken, dass wir unsere Reise am nächsten Morgen trotz Demos fortsetzen würden.

Nach einer kurzen Tour durch das nächtliche Zagreb kuschelten wir uns, etwas nervös beim Gedanken an die nächsten Tage, in unsere Hostelbetten.

Leider sprengt das, was wir in Sarajevo und Belgrad erlebt haben, den Rahmen dieses Blogeintrags, und weil ich meine Leser nicht mit Monster-Einträgen überfordern möchte mache ich jetzt erstmal Schluss und erzähle den Rest im nächsten Eintrag. Nur so viel: Trotz Randale und Landminen sind alle Beine noch dran.

Fortsetzung folgt!

Winterreisen.

Heute scheint die Sonne und alles wirkt gleich viel frühlingshafter. Leute glitschen über die Eisschichten, die sich auf Gehwegen und Straßen durch das Antauen und Wieder-Einfrieren des Schnees gebildet haben. Schneemassen rutschen von Hausdächern und landen mit einem Rums auf der Erde. Von den Bäumen tropft glitzerndes Eiswasser. Kleine Bäche rinnen über den von der Sonne gewärmten Asphalt. Der Schnee schmilzt.

Freitag, den 24. Januar, der Tag an dem es morgens anfing zu schneien und bis abends nicht mehr aufhörte, hatten Anti, Jacqueline, meine Mitbewohnerin Conny und ich uns ziemlich spontan für einen Wochenendtrip nach Zagreb auserkoren. Internationale Zugtickets kaufen ist immer ein bisschen wie eine Wundertüte auspacken – niemand weiß, was dabei herauskommt. Man wartet am International-Ticket-Schalter und versuchet dann dem Personal in einem wüsten Chaos aus englisch, deutsch und ungarisch zu erklären, dass man gerne 4 Zugtickets hätte, für die Strecke Pécs – Zagreb und wieder zurück, von Freitag bis Sonntag. Dahinter wird noch ein „We are students! Egyetemistak vagyunk!“, geschoben und in dann heißt es hoffen. In den nächsten Minuten klickt die Frau hinterm Schalter auf ihrem Computer herum, druckt verschiedene Papiere aus, ruft eine Mitarbeiterin zu sich an den Tisch, diskutieret eine Weile mit ihr herum, wir müssen unsere Freiwilligen-Ausweise vorzeigen, die von den beiden misstrauisch beäugt und nach weiteren, für uns unverständlichen Diskussionen kommentarlos zurückgegeben werden, jetzt wird ein Formular ausgefüllt, „Pay together?“, wir kriegen ein handbeschriebenes Ticket zugeschoben, schielen auf den Preis, über dessen Höhe wir im Internet keine Informationen finden konnten, sind verwirrt (25.000 Forint! Ist das jetzt für eine Person? Eine Strecke? Wie viel Euro sind das überhaupt?) und dann erleichtert: 25.000 Forint sind 80 Euro, das Ticket gilt für die Hin- und Rückfahrt für 4 Personen – macht 10€ pro Person pro Strecke. Studentenrabatt haben wir auch bekommen. Sogar (warum auch immer) 60 statt den üblichen 50%. Dann kann es ja losgehen!

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Zunächst geht es mit einer aus 3 Waggons bestehenden, nicht ganz wasserdichten und sehr klapprigen Uralt-Bimmelbahn nach Gyékenyes direkt an der Grenze zu Kroatien. 2 1/2 Stunden soll die Fahrt dauern. Wir zuckeln durch tief in Schnee versunkene Landschaft, halten ab und zu an kleinen Orten, die kaum als solche zu erkennen sind und fahren dann, während es draußen schnell stockduster wird, sehr lange durch dichten Wald. Hier ist viel mehr liegen geblieben als in Pécs und die Bäume beugen sich durch die Last des Schnees so dicht auf die Fahrbahn, dass sie Fenster und Dach unseres kleinen Zuges streifen. Wir erschrecken uns jedes Mal aufs Neue über dieses kreischende Geräusch, wenn gefrohrene Äste und Zug miteinander in Berührung kommen.

Schließlich wird stark gebremst und wir halten an, mitten im Nirgendwo. 2 Frauen laufen durchs Abteil und suchen nach ferfi, Männern, die helfen, den auf die Gleise gefallenen Baum irgendwie abzutransportieren. Wir sind zwar keine Männer und auch sonst keine Hilfe, klettern aber begeistert über dieses Osteuropa-Abenteuer wie aus dem Bilderbuch mit hinunter, stapfen durch den knietiefen Schnee, quietschen rum und posieren für Fotos vor dem umgestürzten Baum und dem Zug. Um dem dumme-deutsche-Touristen-Verhalten die Krone aufzusetzen lassen wir dann noch ein Handy im Schnee liegen und weiter geht die Fahrt.

Dieselbe Sitation bietet sich uns noch einige Male und wir müssen auf Feuerwehrmänner mit Kettensägen warten, damit wir die Fahrt fortsetzen können. Unseren Anschlusszug haben wir aufgrund der entstandenen Verspätung leider auch um mehrere Stunden verpasst, glücklicherweise gibt es aber noch einen späteren Zug, der uns ohne weitere Probleme von Gyékenyes nach Zagreb bringt, wo Nils, ein Freiwilliger aus Kroatien schon auf uns wartet. Vervollständigt wird Reisegruppe Olga schließlich durch Daniel, einen spanischer Studenten, der mit uns im Zug saß und eigentlich Freunde in Split besuchen wollte, allerdings durch das Winterchaos seine Weiterfahrt verpasst hat.

Samstag erkundeten wir bei strahlendem Sonnenschein die kleine, hübsche Altstadt von Zagreb mit ihren vielen Cafés, dem großen Markt und der Kathedrale.

imm031_31_1024 Wir lieferten uns mit kroatischen Kindern eine wilde Schneeballschlacht, machten eine Menge Fotos und hatten viel Spaß zusammen. Abends fuhr Nils wieder nach Hause, Daniel weiter nach Split, Anti und Jacqueline gingen ins Bett und Conny und ich tanzten bis 4 Uhr nachts in einem kroatischen Club zu Hip-Hop-Musik, die mich an mein Highschool-Jahr in Texas erinnerte.

Am nächsten Morgen besuchten wir das „Museum of Broken Relationships“, in dem Gegenstände mit dazugehörigen Trennungs-Geschichten ausgestellt wurden, die von Leuten aus der ganzen Welt an das Museum gespendet wurden. Später ging es dann wieder zurück nach Hause.

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Die nächste Woche war sehr, sehr kalt. Ich musste mich mit eiskalten Wohnungen, eingefrorenen Fahrradschlössern und spiegelglatten Straßen herumschlagen, nutzte aber auch die positiven Seiten des Kälteeinbruchs zum Schlittenfahren und heißen Kakao trinken.

Donnerstag den 30. Januar machte die Ungarn-Freiwilligenfamilie schon wieder auf den Weg, diesmal nach Budapest. Hier fand am nächsten Tag die Jurorenschulung von „Jugend Debattiert International“ statt, aus der ich eine schicke Urkunde und das Wissen mitnahm, keine besonders begabte Debateurin zu sein. Gottseidank muss ich Anfang März, wenn die besten Debattier-Schüler Ungarns gegeneinander antreten, nur in der Jury sitzen und Punkte für Kategorien wie Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft vergeben, wobei ich mich dafür auch nicht sehr qualifiziert fühle.

Nach dem Seminar fuhren Julius, Kilian, Jacqueline, Anti und ich nach Bratislava (Hauptstadt von der Slowakei, nicht von Slowenien), nachdem wir wieder die oben beschriebene Internationale-Tickets-Prozedur durchliefen – ebenfalls mit guten Ergebnissen: ca. 8 € pro Strecke. Von den 2 Tassen Kaffee irgendwie ziemlich aufgekratzt verbrachten Anti, Kilian und ich die Fahrtzeit damit, Lieder auf unseren ipods laut mitzusingen, bis die anderen errieten, welches Lied wir gerade hörten und Jacqueline aus unserem Abteil flüchten musste. Gut gelaunt kamen wir in Bratislava an, stapften zu unserem Hostel, gingen Essen und bewunderten den Blick auf Burg und Altstadt von der Bratislaver „Sky Bar“ aus, für den wir jedoch auch teuer bezahlen mussten: 6 € pro Cocktail, sowas bin ich gar nicht mehr gewohnt.

Der Rest des Wochenendes wurde von den beiden miteinander konkurierenden Bedürfnissen bestimmt, möglichst viel von der Stadt zu sehen und nicht zu erfrieren. Ich glaube mir war schon lange nicht mehr so kalt wie in diesen Tagen in Bratislava. Es lag zwar weniger Schnee als in Pécs, dafür kroch uns die feuchte Kälte und der eisige Wind bis in die Knochen. Dennoch schlitterten wir tapfer durch die vereiste Altstadt und hielten die Wahrzeichen der Stadt (das alte Stadttor, die Bratislavaer Burg, die blaue Kirche, der Martinsdom usw) auf unseren Kameras fest – wobei die Technik in meiner Kamera irgendwann einfror, sodass ich den Film nicht mehr weiter drehen konnte. Naja.

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Alles in allem finde ich Bratislava sehr schön, in vielen Teilen hat mich die Stadt an Prag erinnert. Allerdings wirkte die Innenstadt tagsüber ziemlich ausgestorben, was wohl am Wetter lag. Erst abends, wenn aus den vielen Bars und Clubs Musik schallte und bunte Lichter über die Straßen tanzten, kam Leben in die kleine Stadt.

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Mit vielen neuen Eindrücken und Impressionen starte ich nun in den Februar. Für mich bedeutet das Halbzeit, für viele andere Freiwillige das Ende ihres Freiwilligendienstes. In 2 1/2 Wochen verlässt die Hälfte der derzeitigen Ungarn-Freiwilligen das Land und wir sind nur noch zu 3. in Pécs – eine Tatsache, die mich ziemlich traurig macht. Gleichzeitig freue ich mich auf meine nächsten Reise-Abenteuer. Denn für mich ist das gottseidank noch lange nicht vorbei.