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Eine Ex-Jugoslavien-Reise, Teil 3: Belgrad / Subotica

Am Freitag den 13. Februar um 6.00 Uhr morgens kehrten Aliena, Mascha und ich der Stadt Sarajevo den Rücken zu, bestiegen einen Bus und düsten unserem nächsten Ziel entgegen: Belgrad.

Die Busfahrt durch Bosnien-Herzegovina verschlief ich größtenteils, doch immer, wenn ich meine Augen zwischen zwei Nickerchen öffnete, bot sich ihnen eine andere spektakuläre Landschaft: Wir fuhren in Serpentinen über schneebedeckte Berge, überquerten reißende Flüsse und passierten türkis-glitzernde Seen. Es heißt, wer Wasser aus dem Sebilj-Brunnen in Sarajevo trinkt, wird die Stadt noch einmal besuchen. Ich, die die kostenlose Wasserspende gleich als Auffüllmöglichkeit für die eigene Trinkflasche missbraucht hatte, beschloss, es beim nächsten Bosnien-Besuch nicht bei der Stadt zu belassen.

Dann zeigten wir unseren Pass bei der serbischen Grenze und schlagartig befanden wir uns auf dem platten Land. Jetzt gab es keine beeindruckenden Berge und Gewässer mehr zu bestaunen und die einzige Attraktion blieb das Spanferkel, das auf dem menschenleeren Rastplatz mitten in der serbischen Pampa einsam vor sich hingrillte.

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In Belgrad angekommen suchten wir erstmal eine Weile nach Wlan – wir hatten nämlich vergessen, die Adresse und den Weg zum Hostel aufzuschreiben. Dieses befand sich dann nur wenige Meter entfernt von unserem Standort und man empfing uns mit einem Begrüßungs-Rakia-Shot, den wir jedoch aufgrund der Uhrzeit auf den Abend verlegten. Rakia wird der serbische Schnaps genannt, der hier ständig konsumiert und einem auch ständig von allen angedreht wird.

Nachdem wir unseren Kram gleichmäßig auf dem Boden des Hostelzimmers verteilt hatten, machten wir uns auf zur Festung von Belgrad. Unterwegs aßen wir einen Burek (ein für den Balkan typisches Gebäckstück bestehend aus Blätterteig, Hackfleischfüllung und gefühlt einem Liter Öl), das mein Hungergefühl für die nächsten 2 Tage aussetzen ließ und meinen Bedarf an frittiertem Gebäck für die nächsten 2 Jahre deckte. War aber trotzdem lecker.

Das herrlich sonnige Wetter nutzten wir für ein von den anwesenden Serben spöttisch beäugtes Mini-Fotoshooting auf den Mauern der Festung, von denen aus man einen super Blick auf die Mündung des Flusses Save in die Donau und auf den Rest der Stadt hat. Dann suchten wir eine Weile erfolglos nach der Kafana-Straße, die der Hostelmensch uns aufgrund der vielen Bars und Cafés empfohlen hatte, blieben in einem anderen Café hängen und machten uns schließlich auf den Rückweg zum Hostel.

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Die Sarajevo-Freiwilligen hatten uns gesagt, dass wir abends unbedingt ins BIGZ gehen sollten, ein riesiger unbewohnter Plattenbau, der früher als Druckerei genutzt wurde und in dem sich jetzt eine Jazzbar und ein Club befindet. Nachdem wir das Free-Rakia-Shot- und das 2-Bier-zum-Preis-von-Einem-Angebot unserer Hostelkneipe ausreichend ausgenutzt hatten, machten wir uns also auf den Weg – und liefen erstmal am BIGZ vorbei, das von außen einfach aussieht wie ein großes, hässliches, leerstehendes Gebäude. Ist es ja im Endeffekt auch.

Glücklicherweise trafen wir einen Serben, der auch auf dem Weg ins BIGZ war. Er führte uns durch das dunkle, graffiti-besprühte Gebäude zu einem klapprigen Aufzug, mit dem wir in den 12. Stock fuhren. Dort war ebenfalls alles dunkel und voller Graffiti, und hätten wir nicht schon ein wenig Rakia intus wäre uns das Ganze bestimmt ziemlich gruselig und suspekt vorgekommen. Nachdem wir durch ein paar menschenleere Flure gelaufen waren, kamen wir jedoch zu einem Raum, aus dem laute Live-Musik und das Stimmengewirr vieler Menschen drang – wir hatten die Jazz-Bar gefunden.

Die nächsten Stunden verliefen irgendwie ziemlich verrückt und sind schwer zu beschreiben. Ich probiere es trotzdem mal:

Ich habe mich im BIGZ ein bisschen wie Alice im Wunderland gefühlt. Das riesige Gebäude besteht aus gefühlt einer Millionen identisch aussehender Flure: Graffitibesprüht, spärlich mit Neonlicht beleuchtet und voller Türen, die in regelmäßigen Abständen von den Fluren in einzelne Räume abzweigen. Wir verbrachten Ewigkeiten damit, alleine oder zusammen durch diese Flure zu laufen, um Toiletten, die Jazzbar, unsere Freunde oder andere Räume zu suchen, die wir zwischenzeitlich entdeckt hatten. Dabei lernten wir jede Menge Serben kennen, die uns ihre privaten Band-Proberäume zeigten und uns dort zu mehr Bier einluden. Anscheinend verbirgt sich hinter fast jeder geschlossenen Tür im BIGZ so ein Proberaum, und wir verbrachten stundenlang damit, diese auszukundschaften und mit unseren neuen Freunden auf deren Instrumenten herumzuspielen. Später kletterten wir auf der Suche nach der Dachterasse, die sich irgendwo im Gebäude befinden sollte, noch ein bisschen im halb zerfallenen Treppenhaus des BIGZ‘ rum. Die Dachterasse fanden wir nicht, lustig war es trotzdem.

Insgesamt war der Abend ziemlich chaotisch, ziemlich abgedreht und ziemlich wiederholungsbedürftig! Nach Belgrad muss ich also auch nochmal.

Am nächsten Tag fanden wir dank der Belgrader Free Walking Tour doch noch die Kafana-Straße, den Free-Rakia-Shot, den uns die Touristenführerin dort anbot, lehnten wir jedoch dankend ab. Nach der Tour aßen wir mit einigen Franzosen und einem Italiener, ebenfalls Teilnehmer der Tour, in einem serbischen Restaurant. Dabei versuchte ich, meine Französischkenntnisse unter Beweis zu stellen, sagte jedoch ständig „Igen“ statt „oui“ und musste schließlich, verwirrt durch den von mir fabrizierten ungarisch-französischen Kauderwelsch, resigniert abbrechen.

Nach dem Essen irrten wir noch eine Weile auf der Suche nach dem Bahnhof durch die Stadt. Die ganze Verirrerei in Belgrad hat übrigens nicht nur mit mangelndem Orientierungssinn zu tun, die Stadt ist einfach merkwürdig und seltsam planlos aufgebaut. Dazu kommt noch, dass die Straßen auf dem Stadtplan in „normaler“, auf den Straßenschildern aber in kyrillischer Schrift geschrieben sind.

Schlimm fanden wir das Ganze nicht, denn durch unseren Umweg bekamen wir noch die Möglichkeit, eine große orthodoxe Kirche zu besichtigen, in der gerade eine Art Gottesdienst stattfand: Die gesamte Kirche war in einen intensiven Räucherstäbchen-Duft gehüllt und am Altar standen 3 Priester, die den Raum mit eigentümlichen Singsang füllten. Die Leute, die in die Kirche kamen, küssten zuerst die am Eingang aufgestellten Heiligenbilder und stellten sich dann irgendwo in den leeren Raum, um zu beten – Sitzbänke gab es nicht. Wer genug gebetet hatte, verließ die Kirche wieder. Es war also ein ständiges Kommen und Gehen, das aber nicht Unruhiges an sich hatte. Insgesamt entstand so eine sehr eindrückliche Stimmung, die nicht mit der Atmosphäre in katholischen Kirchen vergleichbar ist.

Außerdem sahen wir einige ehemaligen Regierungsgebäude, die im Jugoslavienkrieg zerbombt wurden und so immer noch mitten in der Stadt zwischen modernen, voll funktionstüchtigen Häusern stehen: Beeindruckende Plattenbauten, die aussehen, als hätte ein Riese Gebäudeteile herausgerissen und andere Teile mit der Faust eingedrückt.

Am Bahnhof kauften wir Tickets für die Weiterfahrt nach Subotica, wobei wir von den beiden vielleicht 25-jährigen Verkäuferinnen mit langen Fingernägeln, dicker Make-Up-Schicht und blondierten Haaren erstmal voll ignoriert wurden. Die beiden waren in eine angeregte Diskussion vertieft und ließen sich von uns, die wartend vor dem Verkaufshäuschen standen, nicht beeindrucken. Als die eine Angestellte schließlich ihr Handy herausholte und ihrer Freundin wild gestikulierend Fotos von Tangas zeigte mussten wir lachen. Das führte wiederum bei den beiden Verkäuferin zu solchen Kicheranfällen, dass es noch gut 5 Minuten dauerte, bis sie sich wieder so weit beruhigt hatten, uns ein Ticket auszustellen. Irgendwie eine schöne Situation. Zumindest solange man es nicht eilig hat.

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In Subotica wohnten die beiden sehr lieben Freiwilligen Lisa und Johanna, die zum Ende ihres 6-monatigen Freiwilligendienstes eine Abschiedsparty schmissen und uns dazu eingeladen hatten. Subotica ist ein schöner kleiner Ort, der sowohl von der Größe als auch von der Architektur her mit Pécs vergleichbar ist. Wir besichtigten die Stadt, halfen bei den Party-Vorbereitungen und erlebten eine sehr schöne Abschiedsparty, die mit wildem Rumgetanze zu Balkanmusik endete. Mir ist an dem Abend aufgefallen, dass Serben gerne mal eine Runde ausgeben – und dass ich, typisch deutsch, ganz schön geizig und auf den eigenen Vorteil fokussiert bin: Anstatt die nächste Runde zu schmeißen krallte ich mir das einzig übrig gebliebene Bier. Shame on me.

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Dann war es auch schon Sonntag und somit Ende meiner 9-tägigen Rundreise. Mit Anti, Jacqueline und Julius fuhren wir per Auto und Bus ziemlich komfortabel zurück nach Pécs.

Auf der Fahrt hörte ich Musik und lies die letzten Tage noch einmal in Gedanken an mir vorbeiziehen. Es war eine krasse Zeit und ich bin so froh, diese Reise gemacht zu haben. Mit einer Menge neuem Wissen und neuen Erfahrungen kehrte ich nach hause zurück, und wieder einmal habe ich gemerkt: Reisen ist die beste Art, Geld, Zeit und Energie loszuwerden. Danke an Aliena und Mascha für die tolle Reisebegleitung, danke an die Freiwilligen, die uns bei sich aufgenommen haben, und danke an alle Leute, die diesen Artikel lesen und damit ihr Interesse an meinen Abenteuern bekunden!

Eine Ex-Jugoslavien-Reise, Teil 1: Ljubljana / Zagreb

Wir wollten nach Sarajevo und wir wollten nach Belgrad, das hatten Aliena und ich uns vorgenommen. Eine Freundin von Aliena, die auch Mascha heißt, auch ein FSJ in Ungarn macht und, jetzt kommt der Höhepunkt aller Gemeinsamkeiten, auch harte Kontaktlinsen besitzt!, schloss sich unserer Reisegemeinschaft an. Mir eine Woche freizunehmen war kein Problem, dafür gab es eine Menge andere Dinge, die versuchten, uns von unserer Reise abzuhalten. Keine vernünftigen Zugverbindungen, keine seriöse Auskunft im Internet. Schneechaos, zusammenbrechende Stromversorgung. Demonstrationen, brennende Regierungsgebäude.

Wir ließen uns von alldem nicht abhalten und machten uns auf den Weg. Wir haben unglaubliche Orte gesehen, verrückte Dinge erlebt und Menschen getroffen, wir haben viel Zeit in verrauchten Zügen und stickigen Bussen verbracht, und wir haben so viel Neues gelernt. Und jetzt von vorne:

Weil man Sarajevo irgendwie nur über einen Zug von Zagreb aus erreichen kann, beschlossen wir, diesen Riesen-Umweg halbwegs sinnvoll zu nutzen, um uns Ljubljana, die 1 1/2 Stunden von Zagreb entfernt liegende Hauptstadt von Slowenien, anzuschauen. Dort wollten wir das Wochenende verbringen, Sonntag abend nach Zagreb fahren und dort am nächsten Morgen den Zug nach Sarajevo nehmen.

Ich startete die Reise mit gemischten Gefühlen. Erst einmal war ich ziemlich aufgeregt, weil ich den ersten Teil der Fahrt ganz alleine durchstehen musste, außerdem hatten mir am Tag der Abfahrt noch 3 Lehrer davon abgeraten, jetzt nach Ljubljana zu fahren (Nachrichten vom Vortag: „Schneechaos: Ein Viertel aller slowenischen Haushalte ohne Strom, zahlreiche Straßen nicht passierbar, Bahnstrecken sind dicht“) und ich befürchtete, überhaupt nicht anzukommen. Doch überraschenderweise klappte alles reibungslos: Gegen 23.45 Uhr kamen wir am Freitag den 07.02. pünktlich im voll-elektrisierten Ljubljana an. Der Schnee war genauso schnell geschmolzen, wie er ein paar Tage vorher aufgetaucht war.

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Den nächsten Tag starteten wir mit einer Free Walking Tour durch das kleine, schnuckelige und leider ziemlich regnerisch-nasse Ljubljana. Die Altstadt erinnert mit ihren vielen historischen Bürgerhäusern und hübschen kleinen Kirchen sehr an Österreich, alles wirkt ordentlich restauriert und gepflegt. Durch die Stadt fließt der kleine Fluss Ljubljanica, über den gefühlt eine Millionen süße schmale Brücken führen. Am Ufer des Flusses stärkten wir uns nach der Tour in einem Café, danach machten uns auf den Weg zur Burg von Ljubljana, die auf einem Hügel direkt an die Altstadt angrenzt. Der Weg zur Burg war kurz, aber recht abenteuerlich: Wir mussten über ziemlich viele umgestürzte Bäume klettern, die den Schneesturm ein paar Tage vorher nicht überlebt hatten und nun den Weg blockerten. Auf dem höchsten Turm der Burg angekommen bot sich uns ein wahnsinniger Ausblick: Wir befanden uns jetzt über dem Nebel, der die Stadt in graue Matsche hüllte, und sahen auf einmal die beeindruckenden Berge, die Ljubljana umgaben.

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Abends beschlossen wir, uns das Metelkova-Viertel anzugucken, ein ehemaliger Kasernenkomplex etwas abseits der Altstadt, der über die Jahre von Künstlern bewohnt und gestaltet wurde und in dem sich mehrere Bars und Clubs befinden. Es war nicht ganz einfach, den Gebäudekomplex zu finden und wir stolperten eine Weile planlos über dunkle Innenhöfe und an graffiti-besprühten, halb zerfallenen Gebäuden vorbei, bis wir das bunt bemalte, von allerlei merkwürdigen Skulpturen umringte Metelkova-Viertel fanden. Dort tranken wir Bier in einer ziemlich abgefuckten Bar und lernten eine Menge Slowenen kennen, die sich alle untereinander zu kennen schienen, die alle unbedingt mit uns reden wollten und die alle durchgehend am Kiffen waren. Sogar die Barkeeper. Das darf man da wohl.

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Am nächsten Tag trafen wir uns mit Patricia, der Kulturweit-Freiwilligen aus Ljubljana, auf einen Kaffee, besichtigten das Museum für moderne Kunst und machten uns dann im strömenden Regen auf den Weg zum ebenfalls im strömendem Regen liegenden Zagreb. Dort wartete das nächste Problem auf uns: In Sarajevo, unserem nächsten Reiseziel, war laut Medien am Wochenende der „bosnische Frühling“ ausgebrochen, und zwar leider nicht auf das Wetter, sondern auf die politische Situation bezogen: Demonstrationen und Proteste gegen die korrupte Regierung, die Armut und die Massenarbeitslosigkeit hatten  zu brennenden Gebäuden und Polizeieinsatz geführt. imm008_7_1024Die Sarajevo-Freiwillige sahen die Lage zwar eher gelassen („Hier hat halt gestern ein bisschen was gebrannt, aber ihr müsst euch ja nicht unbedingt gleich das Regierungsgebäude angucken“), aber bei meinen Mitreisenden samt Eltern setzte aufgrund der Ereignisse eine leichte Panik ein. Ich fand das Ganze irgendwie eher aufgeregend und nach längeren Diskussionen beschlossen wir schließlich über kroatischen Ćevapčići und Pallatschinken, dass wir unsere Reise am nächsten Morgen trotz Demos fortsetzen würden.

Nach einer kurzen Tour durch das nächtliche Zagreb kuschelten wir uns, etwas nervös beim Gedanken an die nächsten Tage, in unsere Hostelbetten.

Leider sprengt das, was wir in Sarajevo und Belgrad erlebt haben, den Rahmen dieses Blogeintrags, und weil ich meine Leser nicht mit Monster-Einträgen überfordern möchte mache ich jetzt erstmal Schluss und erzähle den Rest im nächsten Eintrag. Nur so viel: Trotz Randale und Landminen sind alle Beine noch dran.

Fortsetzung folgt!