Archiv der Kategorie: Mentalität

Über das Leben und Sein

Ende / Anfang.

Hallo.

Das hier wird wohl mein letzter Blogeintrag auf dieser Seite, denn mein Freiwilliges Soziales Jahr mit dem Dienst Kulturweit ist nun endgültig zuende.

Ich bin bereits seit Anfang August wieder in Deutschland und habe mich schon fast wieder eingelebt. Fast. An die hiesigen Bier- und Eintrittspreise kann ich mich noch nicht so ganz gewöhnen. Mir fehlt das Pécsi Est Café und Mitsingen zu ungarischer Musik, das Csinos und die Nappali-Bar direkt unter unserer Wohnung. Mir fehlen Fröccs und Kater-Langos. Mir fehlt der Sonntagsmarkt, auf dem man alles findet, was man gerade nicht sucht, und die 2nd-Hand-Läden, in denen man Klamotten zu Cent-Preisen kaufen kann. Mir fehlt meine idyllische Jogging-Route durch den Wald und an der Kapelle vorbei, von der aus man den schönsten Ausblick auf die Stadt hat. Mir fehlt das ständig jemanden treffen, den man kennt, und Abhängen mit Freiwilligen, denen es genauso geht wie einem selbst. Irgendwie vermisse ich auch den Sonderstatus, den ich als Deutsche so oft verliehen bekommen habe: Ein gesteigertes Interesse an meiner Person, Freude darüber, dass ich mich in ihrem Land befinde, Begeisterung bei meinen Bemühungen, mich auf Ungarisch zu verständigen, Stolz beim Vorführen der eigenen Deutschkenntnisse. Ich vermisse Ungarn, ich vermisse Pécs.

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Nachdem Anti und ich einen Monat lang durch alle möglichen Länder Europas gereist waren, blieb mir noch eine Woche in Pécs, um meine Sachen wieder neu zu packen, ein letztes Mal all die oben erwähnten Dinge zu genießen und Abschied zu nehmen. Diese letzte Woche fühlte sich komisch an. Die meisten anderen Freiwilligen waren schon wieder zuhause, meine Mitbewohnerinnen und alle anderen Studenten ebenfalls, die Schule war geschlossen – es gab nur wenig zu tun und vielleicht war das gut so, denn das hat es mir leichter gemacht, den endgültigen Rückweg anzutreten.

Der Rückweg: War total chaotisch und verrückt wie mein gesamtes Jahr in Ungarn – ich hätte mir keinen besseren Abschluss vorstellen können.Weil ich mein ganzes Gepäck unmöglich alleine hätte transportieren können (wie haben das eigentlich die aus Südamerika gemacht?), wollte ich per Mitfahrgelegenheit zurück nach Deutschland reisen. Dafür musste ich mich auf der ungarischen Mitfahrgelegenheits-Website anmelden und dort mit der Mitfahrgelegenheit auf ungarisch Kontakt aufnehmen – schon eine Challenge für sich. Als weitere Schwierigkeits-Upgrades kamen hinzu, dass ich in der letzten Woche kein Handy mehr besaß und unsere Türklingel erst noch gefunden werden muss. Außerdem ließ sich mein Mitfahrer Zeit mit der Benachrichtigung, um wie viel Uhr es denn eigentlich losgehen sollte.

Als ich am Tag der Abreise gegen halb 10 erwachte (kein Handy = kein Wecker) und meine Emails checkte, wusste ich dann Bescheid: Um 7 Uhr morgens hatte mein Fahrer geschrieben, dass er zwischen 10 und 11 bei mir vorbeikommen würde. Aufgrund plötzlich auftretenden Zeitmangels mussten Dusche und Butterbrote-Schmieren leider ausfallen. Gottseidank hatte ich sonst alles schon so weit gepackt, sodass ich fast pünktlich und in Schweiß gebadet mit meinen 2 riesigen schweren Koffern und den Taschen mit Bettzeug an unserer Eingangstür stand. Nur: Meine Mitfahrgelegenheit stand dort nicht. Und ohne Handy konnte ich ihn ja auch nicht anrufen.

Also sprintete ich wieder in den ersten Stock, schmiss den Computer meiner Mitbewohnerin an, klickte mich durch gefühlt eine Millionen ungarischer Seiten, bis ich die Handynummer fand, schrieb diese heraus, rannte wieder hinunter, an meinem Gepäck vorbei, das unbeaufsichtigt in der Eingangshalle unseres Wohnblocks herumstand, ins Nappali, unsere Hausbar, hinein, und schrie die Kellnerin an, ob sie nicht ganz schnell mit ihrem Handy diese Nummer anrufen könnte denn das ist meine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland die leider weder Deutsch oder Englisch spricht und eigentlich hätte sie schon vor 20 Minuten hier sein sollen aber sie ist nicht gekommen und ich habe kein Handy um anrufen zu können und abgesehen davon kann ich nicht gut genug ungarisch um mich mit ihr verständigen zu können!

Gottseidank kannte die Kellnerin meine organisierte und reflektiere Art schon (unter anderem  hatte ich in den letzten Tagen aus Versehen ihr unabgeschlossen im Treppenhaus stehendes Fahrrad benutzt, weil ich dachte es wäre meins, und in der Überzeugung, ich hätte meine Tasche verloren, alle Kellner in die Suche involviert, bis die Tasche wieder dort auftauchte, wo ich sie auch abgestellt hatte – verrückt!) und rettete mir ein weiteres Mal das Leben. Anscheinend hatte meine Mitfahrgelegenheit ein paar Straßen weiter gewartet, weil meine Straße eine Anliegerstraße war, in die er nicht reindurfte.

Nachdem wir uns also gefunden hatten, mein Gepäck in dem Kleinbus für 12 Personen verstaut war, ich hinter den beiden Fahrern ohne Fremdsprachenkenntnisse Platz genommen hatte und wir die letzten Straßen von Pécs langsam hinter uns ließen, hatte ich schließlich Zeit für ein bisschen Emotionalität. Mein iPod spielte melancholische Musik, ich blickte zurück in Richtung Stadtkern und meine Augen füllte sich mit Tränen. Das war’s wohl jetzt. Tschüss, Pécs, es war wunderschön mit – doch dann machten wir ein ziemlich ruckartiges Bremsmanöver, einen abenteuerlichen U-Turn und fuhren wieder zurück in Richtung Stadt. Hää?
Meine beiden Fahrer hatten wohl beinahe das Kaffeedate mit ihrem Kumpel, vergessen, einem Gebrauchtwagenhändler, der mir erklärte, dass „Auto scheiße“ sei. Hát, nem baj. Macht nichts.

Nach dem Kaffee und einem netten Plausch, von dem ich leider nur die regelmäßig auftauchenden Worte „bazdmeg“ (fick dich) und „curva“ (Hure) aufschnappen konnte, ging es dann endlich richtig los. Wir fuhren, sammelten eine weitere Mitfahrerin ein, fuhren weiter, hielten bei Mc’s, fuhren noch ein Stück, und waren auf einmal am Balaton (der größte See Mitteleuropas, oder auch: Das ungarische Meer). Merkwürdig. Der lag doch gar nicht auf unserer Route!

Noch mehr Leute wurden eingesammelt, während wir den See einmal komplett umrundeten (ganz nett, aber warum bloß?). Es war ein unglaublich heißer Tag und wir schwitzten alle. Inzwischen entstanden aber lebhafte Gespräche zwischen den Mitfahrern, in die auch ich involviert wurde, sodass die Stunden wie im Flug vergingen. Es war inzwischen Abend geworden, und dann – erreichten wir Budapest. Wir hatten gerade 7 Stunden für eine Strecke gebraucht, die man auch in 1 1/2 Stunden hätten bewältigen können. Jetzt nur nicht den Glauben an eine noch in diesem Jahr stattfindende Ankunft in Deutschland verlieren…

In Budapest füllte sich unser Minibus dann komplett. Soweit ich das richtig verstanden habe, wollten alle Mitfahrer über den Sommer in Deutschland arbeiten und freuten sich riesig auf dieses Abenteuer. Handymusik schallte aus der letzten Busreihe, alle riefen durcheinander und mir, der Deutschen, wurden im Eiltempo noch stolz die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Budapests präsentiert (Hier, Burg! Da, Parlament! Gut, oder? Schön Budapest!). Dass ich all diese Dinge schon des öfteren gesehen hatte, da ich mich während meines Ungarn-Jahres oft in Budapest aufgehalten hatte, schien meine aufgedrehten Mitfahrer nicht zu interessieren.

Dann wurde noch einmal ein Großeinkauf bei Tesco abgehalten (schließlich gibt es in Deutschland keine guten ungarischen Paprikas und kein Túró Rudi) und gegen 10 Uhr abends passierten wir tatsächlich die österreichische Grenze.

In Köln kamen wir schließlich gegen 8 Uhr am nächsten Morgen an. In der Nacht hatten wir uns alle aneinandergekuschelt, wobei mein Sitznachbar bestrebt war, dass ich es besonders bequem hatte. Ich bekam seine warme Jacke, seine Schulter zum Anlehnen, und wenn ich etwas aus Höflichkeit ablehnen wollte oder ihm anbot, dass er sich doch irgendwie auch an mich lehnen konnte, tat er dies mit einer energischen Handbewegung ab. Bei dieser Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kann man die Ungarn nur lieb haben! Ich hoffe wirklich, dass meine neuen ungarischen Freunde während ihrer Zeit in Deutschland mit dem kleinen Prozentsatz der Deutschen in Kontakt gekommen sind, die genauso nett und aufopferungsbereit sind.

Verabschiedet wurde ich mit Umarmungen und Facebook-Freundschaftsanfragen. Dann verließ der kleine schrottige Minibus mit dem Rest Ungarn, das mir noch geblieben war, den Parkplatz am Kölner Hauptbahnhof und ich war wieder in Deutschland.
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Es war ein schönes Gefühl, meine kleinen, inzwischen aber unglaublich groß gewordenen Brüder, meine Mama, meinen Papa, meinen Stiefvater, meine Katze und meine Freunde wieder in die Arme schließen zu können. Es fühlt sich gut an, wieder in Deutschland zu sein, jeden auf der Straße verstehen und mit jedem ein Gespräch anfangen zu können, jederzeit ein Familienmitglied zum Sprechen und einen vollen Kühlschrank zum Essen zu haben. Ich habe mich gleich wieder herzlich aufgenommen gefühlt und mein Leben ist ohne große seelische Krise weitergegangen. Ich hatte, seitdem ich wieder hier bin, kaum Langeweile. Ich habe alte Freunde wiedergetroffen und mich um den Start in mein neues Leben als Studentin gekümmert. Als ich Anfang August nach Hause gekommen bin, wusste ich noch nicht zu 100%, wie es jetzt weitergehen würde. Nun, einen Monat später, ist alles so gekommen, wie ich mir den Idealfall ausgemalt habe: Ich wurde zum Wintersemester für den Studiengang Druck- und Medientechnik in Berlin angenommen und habe auch schon ein WG-Zimmer in Kreuzberg, in das ich nächste Woche einziehen kann, damit ich an den Vorkursen teilnehmen kann. Ich freue mich auf diesen neuen Abschnitt, weil ich weiß, dass mit dem Ende meines Ungarn-Jahres der Anfang von etwas Neuem einhergeht.

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Trotzdem können meine Erfahrungen, die ich in den letzten 12 Monaten gemacht habe, durch nichts ersetzt oder überspielt werden.

Auch wenn ich noch so viel berichte, wird niemand außer mir selbst das verstehen können, was ich in den letzten 12 Monaten gedacht, gesehen und gelebt habe.

Meine 12 Monate in Ungarn waren mit nichts aus der Vergangenheit vergleichbar, und ich werde sie auch mit nichts in der Zukunft Liegendem vergleichen können.

Auch wenn bald so viel Neues auf mich zukommen wird, werden meine Erfahrungen und Erlebnisse aus den letzten 12 Monaten so bleiben, wie sie waren: unbeschreiblich. Und nichts kann mir sie wieder nehmen.

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Zum Schluss möchte ich nochmal einer Menge Menschen meinen Dank aussprechen, auch wenn die meisten das hier wahrscheinlich nicht lesen werden. Ich danke allen Voran der Organisation Kulturweit und allen dort Beteiligten, für alles, was sie getan haben, um mir ein tolles und lehrreiches Jahr im Ausland zu ermöglichen. Ich danke den anderen Freiwilligen für den Spaß, den ich auf den Seminaren hatte, für Schlafpätze, Besuche und gemeinsame Ausflüge, für die tollsten Gespräche und die verrücktesten Erlebnisse – ganz ehrlich, wir müssen uns alle unbedingt wiedersehen! Insbesondere danke an meine liebsten Pécsis für die harmonische Zeit, die wir miteinander erleben konnten. 😛 Ich danke allen Lehrern an meiner Schule, insbesondere meiner Ansprechpartnerin Erzsi, für die herzliche Aufnahme am Koch-Valéria-Schulzentrum, und meinen Schülern fürs manchmal still sein, manchmal sich beteiligen und immer mich zum lachen bringen. Ich danke meinen Mitbewohnerinnen für Tipps, Gespräche, Nachsicht beim Putzplan-Einhalten und das mich-zu-coolen-Partys-mitnehmen-und-mich-anderen-Studenten-vorstellen. Ich danke allen Menschen, mit denen ich Nächte durchgetanzt und Abenteuer erlebt habe. Ich danke Erika, unserer Ungarisch-Lehrerin! Ich danke allen Busfahrern und Leute, die mir den Weg gezeigt haben. Ich danke meiner Mama und Carla fürs sich immer geduldig meine Geschichten anhören, und ich danke allen Leuten, die meine Blogeinträge gelesen haben.

Und jetzt danke ich noch allen anderen Menschen auf dieser Welt, weil ich Angst habe, jemanden vergessen zu haben und weil das Sich-Bedanken echt total Spaß macht! Ihr könnt es ja selber ausprobieren.

„… Natürlich verändert es mein Leben.“

Es wird nicht besser in Mazedonien.

Die Busfahrt nach Ohrid in Mazedonien verbrachten Anti und ich etwas zusammengequetscht auf dem Beifahrersitz eines Minibusses, dessen Faher uns gut gelaunt auf die Features des bulgarischen Hinterlandes aufmerksam machte (Regenbögen, Berglandschaften, Esel am Straßenrand), während aus dem Radio kaum nervige Balkanmusik dudelte.
Als am Grenzübergang die erste Businsassin nicht nach Mazedonien eingelassen wurde (ein bisschen Verlust ist immer) und ein Großteil der anderen Mitfahrer in der Hauptstadt Skopje ausstiegen, konnten wir den lieblichen Klängen gottseidank entfliehen und uns für die restlichen Stunden auf der Rückbank ausstrecken.
Die Leute, die noch nie etwas von dem See und der gleichnamigen Stadt Ohrid gehört haben, kann ich beruhigen: Ich kannte es vorher auch nicht. Tatsächlich ist Ohrid aber wunderschön und ich empfehle jedem einen Besuch!

Der See wird bis zu 300m tief und ist einer der ältesten Seen der Welt. Umgeben ist er von hohen mazedonischen und albanischen Bergen. Das türkis-blaue, kühle Wasser ist unglaublich klar – es macht so viel Spaß, darin zu schwimmen, zu tauchen und auf den viele Meter unter einem liegenden Grund zu blicken.
Auch die Stadt Ohrid hat mir sehr gefallen. An jeder Ecke befinden sich kleine Kirchen, die Schönste steht auf einer Klippe direkt über dem See. Die alten schnuckeligen Häuser sind direkt ans Wasser gebaut, außerdem gibt es in der Altstadt noch ein altes Amphitheater und eine Festung. Und: In Ohrid wachsen Kiwis!
Dies alles bekamen wir dank Connections zu den Locals aus erster Hand gezeigt. Die Mutter von Anti hat nämlich eine Arbeitskollegin, die ursprünglich aus Mazedonien kommt und noch eine Menge Familienangehörige dort hat. Aufgrund der daraus resultierenden quasi geschwisterlichen Beziehung zwischen uns und irgendwelchen Cousins dieser Arbeitskollegin war natürlich klar, dass wir rund um die Uhr (ungefragt) von diesen betreut wurden.

Wir bekamen also eine Stadtführung, eine Menge Getränke ausgegeben, Tipps zu den besten Badeplätzen und eine Einführung in das Ohrider Nachtleben, bevor wir überhaupt nach irgendwas dergleichen fragen konnten. Ich glaube ich habe noch nie so hilfbereite, gastfreundliche und übereifrige Menschen kennengelernt wie die Jungs in Ohrid.
Wie überall im Balkan scheint man in Mazedonien ein bisschen lascher mit Gesetzen umzugehen als im regelliebenden Deutschland. Anschnallen ist grundsätzlich Quatsch und der Fahrer trinkt beim feiern gehen fleißig mit, woran sich sein Beifahrer, ein Polizist, nicht stört. Dank unserer mazedonischen Kumpels mussten wir dafür in den Clubs weder anstehen noch Eintritt bezahlen, und falls es einen Dresscode gab (wie die abenteuerlich kurzen Kleider, tiefen Ausschnitte, hohen Schuhe und die Menge an Schminke pro Quadratzentimeter Haut suggerierten), wurde bei uns auch ein Auge zugedrückt.
Da man in hohen Schuhen bekanntlich nicht gut tanzen kann (das aufgestylte Partyvolk stand lieber in der Gegend rum und schlürfte seine Cocktails) und uns Tanzen zu Balkanmusik ein bisschen schwer fiel (ich habe es aber versucht!) wurde es kein allzu langer Abend.
Dafür erwartete uns einen Tag später ein anderes, mehr oder weniger spannendes Ereignis: Das Finale der Fußball-WM! Wir schauten es in einer halbleeren Kneipe in Begleitung von 2 Amerikanern, die während des Spiels einschliefen. Das war der einzige Moment auf unserer Reise (und wahrscheinlich sogar der einzige Moment während meines Jahres im Ausland), an dem ich mich plötzlich ganz doll nach Deutschland zurückwünschte. Ich bin zwar wirklich kein Fußballfan, aber der euphorischen, gemeinschaftlichen Stimmung und den ganzen Straßenpartys habe ich sehr hinterhergetrauert.
Ansonsten machten wir noch einen Bootsausflug zum Kloster auf der anderen Seite des Sees und hingen mit Freunden, die wir noch aus dem Hostel in Sofia kannten, rum.

Hostelbekanntschaften und -unterhaltungen sind ein merkwürdiges Phänomen: Man betritt einen Raum voller fremder Menschen, die von überall her kommen, und eine Viertelstunde später hat man das Gefühl, unter Freunden zu sein. Die Gespräche sind einfach: Wo warst du schon? Wo gehts als nächstes hin? Wie fandest du das-und-das? Man freut sich, Menschen getroffen zu haben, die in derselben Situation sind wie man selbst, die dieselben Orte bereist haben, ähnlich denken und ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Lustiger, oberflächlicher Smalltalk, der immer und überall gleich ist, egal, ob man sich in Istanbul, Bukarest, Ohrid oder Sofia befindet. Ich bin froh, in Ohrid nicht nur in der kleinen isolierten Welt der Backpacker gelebt zu haben, sondern dank unserer mazedonischen Bekannten auch etwas vom Leben der Einheimischen mitgekriegt zu haben – selbst wenn es nur die Beobachtung war, dass Mazedonier ständig am Handy hängen und irgendwie alle mit allen verwandt sind.

Mit diesen Gedanken endet mein Kalendereintrag für den letzten Tag in Ohrid, den ich verfasste, bevor ich, abermals im Bus, auf den holperigen Straßen Albaniens, in einen unbequemen Schlaf fiel. Und genauso endet auch dieser Bericht. Nächste Station: Montenegro.

Eins noch: Die Überschrift ist eine Art Insider. Natürlich fand ich Mazedonien super. Auf seine mazedonische Art hätte unser Aufenthalt nicht besser werden können. Danke an alle, die dazu beigetragen haben!

Sommerreisen.

Nach langen Abenden vor dem Laptop, frustriertem Herumgesuche und Preisvergleichen steht Antis und meine Sommerreise jetzt – so halbwegs. An vielen Stellen fehlen noch Unterkünfte, und die Kosten bereiten uns bereits einiges an Bauchschmerzen, aber ich freue mich auch schon sehr.
Am Montag, den 30. Juni werden wir den von Budapest aus nach Istanbul fliegen. Von dort aus geht es über Sozopol (Bulgarien), Sofia (Bulgarien), Ohrid (Mazedonien), Budva (Montenegro), Mostar (Bosnien Herzegowina), Zadar (Kroatien) und Osijek (Kroatien) zurück nach Pécs, für ein letztes Mal.

Schon in den letzten Wochen habe ich Pécs einige Male für kürzere Ausflüge den Rücken zugekehrt.

Ende Mai statteten Anti und ich zum Beispiel der österreichischen Hauptstadt Wien einen Wochenendbesuch ab. Eine Reise zurück zu geschlossenen Läden an Sonntagen, Preisen, die einen traurig machen, und zurück zur deutschen Sprache – mehr oder weniger zumindest.

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In vielen Aspekten hat mich Wien an Budapest erinnert, schließlich gehörte beides mal demselben Kaiserreich an und die Häuser stammen aus derselben Zeit. Wien kam jedoch um einiges gepflegter, sauberer, ordentlicher restauriert und schicker hergerichtet vor. Mit den vielen prächtigen Gebäuden, gestutzten Buchsbäumen und symmetrisch angelegten blühenden Rosengärten war alles fast schon gruselig perfekt – die Rasenfläche bitte nicht betreten! imm032_31A_1024Ein paar Wochen später entstand in einem Gespräch ein lustiger Vergleich, der es meiner Meinung nach ziemlich auf den Punkt trifft: Wenn Wien und Budapest Schwestern wären, dann wäre Wien die ältere, vernünftige und ehrgeizige Schwester, die schon mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht: Ein guter Job, ein reicher Mann, hohes Ansehen unter den ebenfalls wohlhabenden und einflussreichen Freunden. Budapest dagegen ist rebellischer und ausgeflippter: Sie färbt sich die Haare türkis, sticht sich selber Nasenpiercings und kommt erst morgens vom feiern wieder.

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Trotz der Spießigkeit, die sich nicht leugnen lässt, herrschte in Wien eine entspannte Stimmung, die wir bei super Wetter und 4 € teurem Bier (Preissteigerung um 400%) in den Bars am Donaukanal und am Museumsquartier genossen. Ansonsten klapperten wir in den 3 Tagen alle Sehenswürdigkeiten ab, die uns so in den Sinn kamen: Schloss Schönbrunn, Karlskirche, Schloss Belverde, Hundertwasser-Häuser, Wiener Prater, blablablablabla. Schmerzende Füße und verknipste Filme waren das Ergebnis.

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Direkt im Anschluss ans Wien-Wochenende war abermals unser Einsatz bei ‚Jugend Debattiert International‘ in Budapest gefragt. Dabei wurde der ungarische Landessieger des Debattierwettbewerbs ermittelt. Weil ich diesmal im Bereich Organisation tätig war und meine Hauptaufgabe darin bestand, die Gäste vom Eingang zum Debattensaal zu lotsen, waren es entspannte, lustige und aufgrund der Debatten auch wirklich interessante Tage.

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Mitte Juni, direkt nach meinem letzten Schultag, besuchten die andere Mascha (Freiwillige aus Budapest, mit der ich im Februar schon 9 Tage durch Ex-Jugoslavien gereist bin) und ich die Kulturweitfreiwillige Milena in Eger, die mich kurz zuvor auch schon in Pécs besucht hat.
Eger ist eine hübsche kleine Stadt im Nordosten Ungarns, die vor allem durch ihren Weinanbau bekannt ist. Nachdem wir von Milena durch die Stadt geführt wurden und uns die Burg, das Minarett und ein paar Kirchen anguckten, begaben wir uns am frühen Abend ins ‚Tal der schönen Frauen‘, in dem sich zu allen Seiten kleine Weinkeller angesiedelt hatten, um ebendiesen zu testen. Faszit: Sehr süß, sehr billig, sehr lecker.
Und dann landeten wir ziemlich spontan und überraschend auf einer sehr wilden Party, die überhaupt nicht zum kleinen, verschlafenen Eger passt. Nachdem wir der lauten Musik gefolgt waren und den für ungarische Verhältnisse unverschämt hohen Eintrittspreis bezahlt hatten, befanden wir uns, umgeben von ca. 16 – 20-jährigen Schülern, auf einer Schaumparty, und konnten uns im Selbstexperiment von den Tücken dieses Konzepts überzeugen: nasse Klamotten, kurzfristige Erstickungsängste, verschmierte Schminke, riesige Schürfwunden und blaue Flecken vom äh, Ausrutschen, und der Verlust von sämtlichem Schmuck und einem Pullover (wobei ich dabei vielleicht nicht nur dem Schaum die Schuld geben kann). Insgesamt also ein lustiger Abend, der mir noch eine Weile in Erinnerung bleiben wird.

Und dann war da noch ‚Fishing on Orfű‘.
Orfü ist ein See in der Nähe von Pécs und ‚Fishing on Orfű‘ heißt das alljährig dort stattfindende kleine Festival, bei dem nur ungarische Bands auftreten, von denen ich aber mittlerweile ein paar kenne.
Zusammen mit einer Horde anderer Freiwilliger fuhren wir also an einem Nachmittag nach Orfű, setzten uns an den Steg, genossen das wunderbare Wetter, badeten, und gingen abends auf das Festival. Dort verhielt ich mich mal wieder nicht so, wie sich eine Quasi-Lehrerin verhalten sollte, deren Schüler zu dutzenden in unmittelbarer Reichweite vorhanden sind. Zusammen mit den anderen drängelte ich mich in die erste Reihe, tanzte wie wild herum, trat anderen auf die Füße, sang lauthals mit, ohne die Texte zu kennen und saß auf Schultern unbekannter Mitmenschen. Insgesamt war es ein ziemlich verrückter, witziger und langer Abend.
2 Tage später kletterte ich mich mit Besuch von mir, einer Praktikantin aus Budapest, unter einem Zaun durch und wir befanden uns abermals auf dem Festival, wobei wir uns ziemlich wild und verwegen vorkamen, weil wir eigentlich keine Karte hatten. Auch der Abend war ziemlich gut. Das Festival strahlt durch seine Lage (zwischen waldigen Hügeln, aber auch in unmittelbarer Nähe zum See) eine entspannte, verwunschene und aufgrund der geringen Größe auch eine sehr familiäre Athmosphäre aus. Ich bin wirklich froh, es miterlebt zu haben.

Jetzt geht wirklich alles dem Ende zu. Meine Fotos habe ich schon von der Wand abgehängt, meine Winterklamotten in den einen Koffer gepackt und mein Sommerzeug in den Rucksack, der mit nach Istanbul kommt. Ich hadere noch ziemlich mit dem Gepäck: Inzwischen ist es auf 2 große Koffer, einen Rucksack, einen Karton und 2 Taschen mit Bettzeug angewachsen – hoffentlich finde eine Mitfahrgelegenheit, die das alles mitnimmt.
Außerdem sind pünktlich vor der großen Reise meine beiden Kameras kaputt gegangen. Aber nachdem ich einer Lehrerin mein Dilemma geschildert habe, wurde sofort eine Kollegin angerufen, deren Mann einen Kameraladen besitzt, und falls die Kameras nicht repariert werden können, darf ich mir für die Reise eine Kamera von ihnen ausleihen – die enorme Hilfsbereitschaft der Ungarn ist mir nicht umsonst schon in der ersten Woche aufgefallen.

Der nächste Blogeintrag kommt nun erst nach meiner großen Sommerreise und wird wahrscheinlich sogar schon in Deutschland verfasst. Bis dahin wünsche ich allen Lesern alles alles Gute und – das muss ich wirklich mal öfter sagen – danke fürs Lesen! Ich freue mich total über die mittlerweile über 10.000 Aufrufe auf meinem Blog!

Eine Ex-Jugoslavien-Reise, Teil 1: Ljubljana / Zagreb

Wir wollten nach Sarajevo und wir wollten nach Belgrad, das hatten Aliena und ich uns vorgenommen. Eine Freundin von Aliena, die auch Mascha heißt, auch ein FSJ in Ungarn macht und, jetzt kommt der Höhepunkt aller Gemeinsamkeiten, auch harte Kontaktlinsen besitzt!, schloss sich unserer Reisegemeinschaft an. Mir eine Woche freizunehmen war kein Problem, dafür gab es eine Menge andere Dinge, die versuchten, uns von unserer Reise abzuhalten. Keine vernünftigen Zugverbindungen, keine seriöse Auskunft im Internet. Schneechaos, zusammenbrechende Stromversorgung. Demonstrationen, brennende Regierungsgebäude.

Wir ließen uns von alldem nicht abhalten und machten uns auf den Weg. Wir haben unglaubliche Orte gesehen, verrückte Dinge erlebt und Menschen getroffen, wir haben viel Zeit in verrauchten Zügen und stickigen Bussen verbracht, und wir haben so viel Neues gelernt. Und jetzt von vorne:

Weil man Sarajevo irgendwie nur über einen Zug von Zagreb aus erreichen kann, beschlossen wir, diesen Riesen-Umweg halbwegs sinnvoll zu nutzen, um uns Ljubljana, die 1 1/2 Stunden von Zagreb entfernt liegende Hauptstadt von Slowenien, anzuschauen. Dort wollten wir das Wochenende verbringen, Sonntag abend nach Zagreb fahren und dort am nächsten Morgen den Zug nach Sarajevo nehmen.

Ich startete die Reise mit gemischten Gefühlen. Erst einmal war ich ziemlich aufgeregt, weil ich den ersten Teil der Fahrt ganz alleine durchstehen musste, außerdem hatten mir am Tag der Abfahrt noch 3 Lehrer davon abgeraten, jetzt nach Ljubljana zu fahren (Nachrichten vom Vortag: „Schneechaos: Ein Viertel aller slowenischen Haushalte ohne Strom, zahlreiche Straßen nicht passierbar, Bahnstrecken sind dicht“) und ich befürchtete, überhaupt nicht anzukommen. Doch überraschenderweise klappte alles reibungslos: Gegen 23.45 Uhr kamen wir am Freitag den 07.02. pünktlich im voll-elektrisierten Ljubljana an. Der Schnee war genauso schnell geschmolzen, wie er ein paar Tage vorher aufgetaucht war.

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Den nächsten Tag starteten wir mit einer Free Walking Tour durch das kleine, schnuckelige und leider ziemlich regnerisch-nasse Ljubljana. Die Altstadt erinnert mit ihren vielen historischen Bürgerhäusern und hübschen kleinen Kirchen sehr an Österreich, alles wirkt ordentlich restauriert und gepflegt. Durch die Stadt fließt der kleine Fluss Ljubljanica, über den gefühlt eine Millionen süße schmale Brücken führen. Am Ufer des Flusses stärkten wir uns nach der Tour in einem Café, danach machten uns auf den Weg zur Burg von Ljubljana, die auf einem Hügel direkt an die Altstadt angrenzt. Der Weg zur Burg war kurz, aber recht abenteuerlich: Wir mussten über ziemlich viele umgestürzte Bäume klettern, die den Schneesturm ein paar Tage vorher nicht überlebt hatten und nun den Weg blockerten. Auf dem höchsten Turm der Burg angekommen bot sich uns ein wahnsinniger Ausblick: Wir befanden uns jetzt über dem Nebel, der die Stadt in graue Matsche hüllte, und sahen auf einmal die beeindruckenden Berge, die Ljubljana umgaben.

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Abends beschlossen wir, uns das Metelkova-Viertel anzugucken, ein ehemaliger Kasernenkomplex etwas abseits der Altstadt, der über die Jahre von Künstlern bewohnt und gestaltet wurde und in dem sich mehrere Bars und Clubs befinden. Es war nicht ganz einfach, den Gebäudekomplex zu finden und wir stolperten eine Weile planlos über dunkle Innenhöfe und an graffiti-besprühten, halb zerfallenen Gebäuden vorbei, bis wir das bunt bemalte, von allerlei merkwürdigen Skulpturen umringte Metelkova-Viertel fanden. Dort tranken wir Bier in einer ziemlich abgefuckten Bar und lernten eine Menge Slowenen kennen, die sich alle untereinander zu kennen schienen, die alle unbedingt mit uns reden wollten und die alle durchgehend am Kiffen waren. Sogar die Barkeeper. Das darf man da wohl.

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Am nächsten Tag trafen wir uns mit Patricia, der Kulturweit-Freiwilligen aus Ljubljana, auf einen Kaffee, besichtigten das Museum für moderne Kunst und machten uns dann im strömenden Regen auf den Weg zum ebenfalls im strömendem Regen liegenden Zagreb. Dort wartete das nächste Problem auf uns: In Sarajevo, unserem nächsten Reiseziel, war laut Medien am Wochenende der „bosnische Frühling“ ausgebrochen, und zwar leider nicht auf das Wetter, sondern auf die politische Situation bezogen: Demonstrationen und Proteste gegen die korrupte Regierung, die Armut und die Massenarbeitslosigkeit hatten  zu brennenden Gebäuden und Polizeieinsatz geführt. imm008_7_1024Die Sarajevo-Freiwillige sahen die Lage zwar eher gelassen („Hier hat halt gestern ein bisschen was gebrannt, aber ihr müsst euch ja nicht unbedingt gleich das Regierungsgebäude angucken“), aber bei meinen Mitreisenden samt Eltern setzte aufgrund der Ereignisse eine leichte Panik ein. Ich fand das Ganze irgendwie eher aufgeregend und nach längeren Diskussionen beschlossen wir schließlich über kroatischen Ćevapčići und Pallatschinken, dass wir unsere Reise am nächsten Morgen trotz Demos fortsetzen würden.

Nach einer kurzen Tour durch das nächtliche Zagreb kuschelten wir uns, etwas nervös beim Gedanken an die nächsten Tage, in unsere Hostelbetten.

Leider sprengt das, was wir in Sarajevo und Belgrad erlebt haben, den Rahmen dieses Blogeintrags, und weil ich meine Leser nicht mit Monster-Einträgen überfordern möchte mache ich jetzt erstmal Schluss und erzähle den Rest im nächsten Eintrag. Nur so viel: Trotz Randale und Landminen sind alle Beine noch dran.

Fortsetzung folgt!

Dezember.

„Boldog karácsonyt és új évet“ kommt es quasi fließend über meine Lippen und ich bin ein bisschen stolz auf mich, während ich meine Lehrerkollegen mit den zwei puszi (Küsschen) auf beide Wangen verabschiede. Es ist Freitag, der 20. Dezember, der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien ist überstanden und nach dem traditionellen Fischsuppe-Essen gehen auch die Lehrer auseinander. Für mich steht in den Weihnachtsferien ein kurzer Zuhause-Urlaub auf dem Programm: Pünktlich zum Abglühen auf dem Weihnachtsmarkt werde ich wieder in Bonn sein und all die Menschen wiedertreffen, die ich vor ziemlich genau 3 Monaten dort verabschiedet habe. Die erste Etappe meines Freiwilligendienstes ist um.

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Meine Arbeit in der Schule macht mir immer noch Spaß und ist auch ziemlich abwechslungsreich. Besonders lieb habe ich ‚meine‘ Erstklässler, die inzwischen alle schon richtig gut Deutsch sprechen können. Jeden Tag werde ich von ihnen mit stürmischen Umarmungen und einem enthusiastischen „Guten Taaag, Mascha!“ begrüßt, bei Bastelarbeiten bin ich die Hifskraft ihres Vertrauens und wenn ich neue Ungarisch-Vokabeln an den Kindern ausprobieren, wird die frohe Botschaft innerhalb weniger Sekunden bis in die hintersten Winkel der Klasse verbreitet („Mascha beszel magyarul! Mascha beszel magyarul!“). Beim Weihnachtswichteln wurde ich nicht nur von meinem Wichtelkind sondern gefühlt von der halben Klasse mit selbstgebackenen Keksen versorgt, was ich sehr süß fand.

Auch die Lehrer verschenken in der Weihnachtszeit sehr gerne Süßigkeiten. In den letzten Wochen habe ich auf meinem Tisch im Lehrerzimmer so oft Kekse, Kuchen oder Schokolade gefunden, dass ich den fehlenden Adventkalender kaum vermisst habe. Und wenn ein Lehrer Namenstag oder Geburtstag oder die Schulleiterin ein Schwein geschlachtet hat (was letzten Mittwoch der Fall war) gibt es noch mehr Essen für umsonst.

Das kulinarische Highlight der letzen Zeit war jedoch eindeutig die schon am Anfang erwähnte Fischsuppe, die traditionell zu Weihnachten gegessen wird. Hierbei werden  Fische und scharfe Paprikas zusammen mit Knoblauch, Zwiebeln, Tomatensoße, Rotwein und jede Menge Paprikapulver in einem Kessel von der Größe einer Babybadewanne erhitzt. Mit der Zerkleinerung von Fisch und Paprika müht man sich dabei gar nicht erst ab: Gräten, Fischköpfe und anderes ungenießbares Zeug werden einfach beim Essen herausgefischt. Dazu gab es Wein und selbstgebrannten Palinka – mein Widerwillen gegen letzteres aufgrund der Uhrzeit (mittags!) stieß bei den ungarischen Hausmeistern leider auf kein Verständnis.

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Ansonsten stand bei den Zwölftklässlern die DSD-Prüfungen an: Schriftliche Arbeiten, Hörverstehensübungen und eine mündliche Prüfung mussten überstanden werden, um das Deutsche Sprachdiplom zu erhalten – ich erhielt die anspruchsvolle Aufgabe, Blätter zu sortieren, zu tackern und einzuscannen. Außerdem hielt ich in der 10. Klasse eine Unterrichtsreihe zum Thema Jugendsprache in Deutschland, versuchte die Schüler für Musik von Peter Fox zu begeistern und verbrannte mir die Finger beim Adventskranz-Basteln auf der Weihnachtsfeier. In meinen Freistunden versuche ich im Lehrerzimmer Gespräche zwischen meinen Kollegen zu verstehen – dabei schnappe ich immer mehr bekannte Wörter auf und wenn mir genug Zeit zum Nachdenken gelassen wird, kann man sich auch schon richtig gut mit mir unterhalten („Wir sind in der Schule. Das ist ein Stuhl. Dort sind die Fenster. Du bist ein Lehrer. Ich esse eine Orange.“)

An den Wochenenden haben Anti, Jacqueline und ich den Pécser Weihnachtsmarkt samt Nachtleben unsicher gemacht (wobei ich beim Tanzen mit einem Lehrer unserer Schule von meinen Schülern beobachtet wurde. Diese interessieren sich jetzt brennend für die ganze Sache und erfinden jede Menge Gerüchte – na toll) und wir waren für einen Tag in Szeget, einer sehr schönen Universitätsstadt knapp 200 östlich von Pécs.

Zum Abschluss vielleicht noch etwas zum Wetter, denn das Wetter ist ja immer eine interessante Sache.

Hier ist es inzwischen relativ kalt geworden (um die 0° C), dafür ist das Wetter meistens richtig gut. Es hat schon seit Wochen nicht mehr geregnet und es scheint fast jeden Tag die Sonne – so lässt sich der ungarische Winter gut überstehen! Wenn mir zu kalt wird, brauche ich nur ein bisschen mit meiner riesigen Heizung zu kuscheln, die ursprünglich mal ein Kachelofen war. Je weiter man sich jedoch von der Heizung weg in Richtung Fenster bewegt, desto mehr gleicht sich die Zimmertemperatur der Temperatur draußen an – der Schreibtisch am Fenster ist daher als Arbeitsfläche im Moment nicht wirklich nutzbar, aber im Bett lässt es sich auch super Unterricht vorbereiten.

Jetzt heißt es jedoch erstmal „Viszontlátasra, Magyaroszag“ und „Szia, Bonn“. Ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu fahren, wo ich mich doch hier auch so zuhause fühle.

Schule / Ferien.

Vertretungsstunde in einer 10. Klasse, Aufgabe: Arbeitsblatt mit Übungen zur Passivbildung besprechen. Schüler, die morgen eine Arbeit in genau diesem Thema schreiben. Kein Problem für die Muttersprachlerin, sollte man meinen. „Im Krankenhaus darf man nicht rauchen“ wird zu „Im Krankenhaus darf nicht geraucht werden“ und aus „Das Konsulat hat mir das Reisevisum ausgestellt“ wird „Mir ist vom Konsulat ein Reisevisum ausgestellt worden“. Soweit kein Problem. Bei „Der Arzt hat dem Patienten nicht mehr helfen können“ wird es jedoch kompliziert. Nachdem ich den Satz „Dem Patienten hat vom Arzt nicht mehr geholfen werden können“ mit Überzeugung für falsch befunden habe, regen sich in der Klasse Proteste. Das hätten sie aber so gelernt. Ich bin verwirrt. Was ist mit „Dem Patienten konnte nicht mehr geholfen werden“? Klingt doch viel richtiger. Die Lehrerin meint, das ist „Küchendeutsch“, wird mein Vorschlag von den Schülern runtergemacht, der Satz steht dann nämlich in der falsche Zeit. Jetzt fangen sie an, mich über Perfekt und Präteritum zu belehren. Gottseidank ist die Stunde bald zuende und die Küchendeutsch sprechende Muttersprachlerin verlässt den Raum etwas durcheinander im Kopf. Und sowas auch noch am ersten Schultag.

Hier waren nämlich letzte Woche Herbstferien, und diese wurden mir mit einem Besuch meiner Familie versüßt. Stolz konnte ich ihnen mein neues Zuhause zeigen, das meine Mutter als „schön, aber ein bisschen schmuddelig“ befand, „und die Fenster solltest du auch mal putzen!“, wir bestiegen einen kleinen Berg am Stadtrand, auf dem sich eine süße kleine Kapelle und eine gruselige Jesusfigur am Kreuz befindet, und wir gingen essen, ohne dass ich irgendetwas bezahlen musste – Familienbesuche sind super!

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Da meine Familie mit dem Auto gekommen war, konnten wir auch die Umgebung um Pécs herum erkunden. Im Vergleich zu den kleinen verschlafenen Dörfern im Umland kommt mir Pécs jetzt wie eine richtige Metropole vor.

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Schließlich waren wir noch ein paar Tage am Balaton auf der Halbinsel Tihany. Weil Nebensaison war, schienen die Dörfer und Städte um den Balaton herum total ausgestorben – um 7 Uhr abends waren die liebevoll sanierten, von kleinen Restaurants und Geschäft gesäumten Straßen und Plätze, die im Sommer von unzähligen Touristen bevölkert werden, wie ausgestorben. Einmal waren wir um 5 Uhr nachmittags essen (eine ungewöhnliche Zeit, ich weiß), und als wir um kurz nach 6 wieder aus dem Restaurant traten, wurden hinter uns Türen geschlossen und Fensterläden runtergeklappt – es wurden wohl keine Gäste mehr erwartet.

Trotzdem (oder gerade deswegen?) fand ich es am Balaton total schön. Wir haben eine lange Wanderung auf der unter Naturschutz stehenden Halbinsel gemacht (kleine Seen, Schilf, Berge, Klippen, Bäume und Boden voller bunter Blätter) und schwammen in einem Nebensee des Balatons, der aufgrund einer heißen Quelle durchgehend Temperaturen von 25 bis über 30°C aufweist.

Und dann waren die Ferien auch schon wieder zuende.

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Am 23. Oktober, in der Woche vor den Herbstferien, war ungarischer Nationalfeiertag aufgrund eines Volksaufstandes im Jahre 1956. An diesem Tag protestierten viele Ungarn gegen das kommunistische System und die Unterdrückung durch die sowjetischen Besatzungsmacht. Der Protest endete jedoch blutig und der Freiheitskampf der Ungarn wurde durch den Einsatz der sowjetischen Armee unterdrückt und beendet.

Am Tag vor dem Nationalfeiertag fand daher eine kleine Feier in meiner Schule statt, in der das Geschehene schauspielerisch nachgestellt wurde. Auch die traurig und schwergängig klingende Nationalhymne wurde gesungen. An diesem Tag habe ich das erste Mal etwas von der Melancholie und Depression gespürt, die dem ungarischen Volk aufgrund seiner vielen verlorenen Kriege, der Unterdrückung und Dezimierung durch andere, und nicht zuletzt aufgrund seiner Armut- und Wirtschaftsprobleme nachgesagt wird.

Oder auch aufgrund der Dunkelheit. Diese bricht mittlerweile immer schon gegen halb 5 Uhr nachmittags ein, und Lehrerkollegen haben mich vorgewarnt, dass es hier im Dezember schon um 4 Uhr stockduster ist. Na super.

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Jetzt noch einige völlig unzusammenhängende Beobachtungen, die ich in den letzten Wochen machen konnte. Diese Beobachtungen sind subjektiv und können daher nicht verallgemeinert werden.

  1. In Ungarn knutscht man in der Öffentlichkeit. Immer und überall. Entweder die Leute finden das cool oder sie haben keinen Ort, an dem sie ungestört rumknutschen können, das habe ich noch nicht herausgefunden.
  2. Überall gibt es Sauerrahm, aber nirgendwo gibt es Sahne.
  3. Es ist super, jeden Tag in einer 1. Klasse im Unterricht mitzuhelfen: Ständig hat jemand Geburtstag und es gibt Muffins, Kuchen und Torte. 
  4. Wenn Ungarn etwas megacool finden sagen sie nicht megacool sondern kürbiscool.
  5. Ungarns geringe Größe lässt sich super durch möglichst umständliche Wegstreckenführung im öffentlichen Personenverkehr kompensieren – dachten sich die Chefs von Bus und Bahn und lassen eine Strecke von 130 km 4 1/2 Stunden dauern.
  6. Ich besitze jetzt eine Paprikapflanze, und das finde ich kürbiscool! Ich habe sogar schon eine kleine Paprika geerntet und sie in mein Essen gemischt – und die kleinen Stückchen beim Essen wieder herausgefischt, weil sie einfach VIEL ZU SCHARF waren!
  7. Langos schmeckt leckerer als es aussieht, der ungarische Palinka ist dagegen schwer aushaltbar. Ich bleibe wohl doch lieber beim stadteigenen Pécsi-Bier.
  8. Ungarische Busfahrer scheinen sich der Länge ihrer Fahrzeuge nicht immer bewusst zu sein, oder es macht ihnen Spaß, unschuldige Fahrradfahrer weg vom befahrbaren Teil der Straße in die Schlaglöcher des Straßenrandes zu drängen. Ich als Amos-Absolventin lasse mich davon natürlich nicht abschrecken.

Das war es erstmal wieder an Berichtenswertem. Ich hoffe es geht allen Menschen gut, die das hier lesen. Ich hoffe natürlich auch, dass es allen anderen Menschen gut geht. Jetzt noch ein paar Sankt-Martins-Lieder für den morgigen Unterricht in der 1. Klasse einstudieren, yeah!