Archiv der Kategorie: Gastland

Hier lebe ich

Ende / Anfang.

Hallo.

Das hier wird wohl mein letzter Blogeintrag auf dieser Seite, denn mein Freiwilliges Soziales Jahr mit dem Dienst Kulturweit ist nun endgültig zuende.

Ich bin bereits seit Anfang August wieder in Deutschland und habe mich schon fast wieder eingelebt. Fast. An die hiesigen Bier- und Eintrittspreise kann ich mich noch nicht so ganz gewöhnen. Mir fehlt das Pécsi Est Café und Mitsingen zu ungarischer Musik, das Csinos und die Nappali-Bar direkt unter unserer Wohnung. Mir fehlen Fröccs und Kater-Langos. Mir fehlt der Sonntagsmarkt, auf dem man alles findet, was man gerade nicht sucht, und die 2nd-Hand-Läden, in denen man Klamotten zu Cent-Preisen kaufen kann. Mir fehlt meine idyllische Jogging-Route durch den Wald und an der Kapelle vorbei, von der aus man den schönsten Ausblick auf die Stadt hat. Mir fehlt das ständig jemanden treffen, den man kennt, und Abhängen mit Freiwilligen, denen es genauso geht wie einem selbst. Irgendwie vermisse ich auch den Sonderstatus, den ich als Deutsche so oft verliehen bekommen habe: Ein gesteigertes Interesse an meiner Person, Freude darüber, dass ich mich in ihrem Land befinde, Begeisterung bei meinen Bemühungen, mich auf Ungarisch zu verständigen, Stolz beim Vorführen der eigenen Deutschkenntnisse. Ich vermisse Ungarn, ich vermisse Pécs.

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Nachdem Anti und ich einen Monat lang durch alle möglichen Länder Europas gereist waren, blieb mir noch eine Woche in Pécs, um meine Sachen wieder neu zu packen, ein letztes Mal all die oben erwähnten Dinge zu genießen und Abschied zu nehmen. Diese letzte Woche fühlte sich komisch an. Die meisten anderen Freiwilligen waren schon wieder zuhause, meine Mitbewohnerinnen und alle anderen Studenten ebenfalls, die Schule war geschlossen – es gab nur wenig zu tun und vielleicht war das gut so, denn das hat es mir leichter gemacht, den endgültigen Rückweg anzutreten.

Der Rückweg: War total chaotisch und verrückt wie mein gesamtes Jahr in Ungarn – ich hätte mir keinen besseren Abschluss vorstellen können.Weil ich mein ganzes Gepäck unmöglich alleine hätte transportieren können (wie haben das eigentlich die aus Südamerika gemacht?), wollte ich per Mitfahrgelegenheit zurück nach Deutschland reisen. Dafür musste ich mich auf der ungarischen Mitfahrgelegenheits-Website anmelden und dort mit der Mitfahrgelegenheit auf ungarisch Kontakt aufnehmen – schon eine Challenge für sich. Als weitere Schwierigkeits-Upgrades kamen hinzu, dass ich in der letzten Woche kein Handy mehr besaß und unsere Türklingel erst noch gefunden werden muss. Außerdem ließ sich mein Mitfahrer Zeit mit der Benachrichtigung, um wie viel Uhr es denn eigentlich losgehen sollte.

Als ich am Tag der Abreise gegen halb 10 erwachte (kein Handy = kein Wecker) und meine Emails checkte, wusste ich dann Bescheid: Um 7 Uhr morgens hatte mein Fahrer geschrieben, dass er zwischen 10 und 11 bei mir vorbeikommen würde. Aufgrund plötzlich auftretenden Zeitmangels mussten Dusche und Butterbrote-Schmieren leider ausfallen. Gottseidank hatte ich sonst alles schon so weit gepackt, sodass ich fast pünktlich und in Schweiß gebadet mit meinen 2 riesigen schweren Koffern und den Taschen mit Bettzeug an unserer Eingangstür stand. Nur: Meine Mitfahrgelegenheit stand dort nicht. Und ohne Handy konnte ich ihn ja auch nicht anrufen.

Also sprintete ich wieder in den ersten Stock, schmiss den Computer meiner Mitbewohnerin an, klickte mich durch gefühlt eine Millionen ungarischer Seiten, bis ich die Handynummer fand, schrieb diese heraus, rannte wieder hinunter, an meinem Gepäck vorbei, das unbeaufsichtigt in der Eingangshalle unseres Wohnblocks herumstand, ins Nappali, unsere Hausbar, hinein, und schrie die Kellnerin an, ob sie nicht ganz schnell mit ihrem Handy diese Nummer anrufen könnte denn das ist meine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland die leider weder Deutsch oder Englisch spricht und eigentlich hätte sie schon vor 20 Minuten hier sein sollen aber sie ist nicht gekommen und ich habe kein Handy um anrufen zu können und abgesehen davon kann ich nicht gut genug ungarisch um mich mit ihr verständigen zu können!

Gottseidank kannte die Kellnerin meine organisierte und reflektiere Art schon (unter anderem  hatte ich in den letzten Tagen aus Versehen ihr unabgeschlossen im Treppenhaus stehendes Fahrrad benutzt, weil ich dachte es wäre meins, und in der Überzeugung, ich hätte meine Tasche verloren, alle Kellner in die Suche involviert, bis die Tasche wieder dort auftauchte, wo ich sie auch abgestellt hatte – verrückt!) und rettete mir ein weiteres Mal das Leben. Anscheinend hatte meine Mitfahrgelegenheit ein paar Straßen weiter gewartet, weil meine Straße eine Anliegerstraße war, in die er nicht reindurfte.

Nachdem wir uns also gefunden hatten, mein Gepäck in dem Kleinbus für 12 Personen verstaut war, ich hinter den beiden Fahrern ohne Fremdsprachenkenntnisse Platz genommen hatte und wir die letzten Straßen von Pécs langsam hinter uns ließen, hatte ich schließlich Zeit für ein bisschen Emotionalität. Mein iPod spielte melancholische Musik, ich blickte zurück in Richtung Stadtkern und meine Augen füllte sich mit Tränen. Das war’s wohl jetzt. Tschüss, Pécs, es war wunderschön mit – doch dann machten wir ein ziemlich ruckartiges Bremsmanöver, einen abenteuerlichen U-Turn und fuhren wieder zurück in Richtung Stadt. Hää?
Meine beiden Fahrer hatten wohl beinahe das Kaffeedate mit ihrem Kumpel, vergessen, einem Gebrauchtwagenhändler, der mir erklärte, dass „Auto scheiße“ sei. Hát, nem baj. Macht nichts.

Nach dem Kaffee und einem netten Plausch, von dem ich leider nur die regelmäßig auftauchenden Worte „bazdmeg“ (fick dich) und „curva“ (Hure) aufschnappen konnte, ging es dann endlich richtig los. Wir fuhren, sammelten eine weitere Mitfahrerin ein, fuhren weiter, hielten bei Mc’s, fuhren noch ein Stück, und waren auf einmal am Balaton (der größte See Mitteleuropas, oder auch: Das ungarische Meer). Merkwürdig. Der lag doch gar nicht auf unserer Route!

Noch mehr Leute wurden eingesammelt, während wir den See einmal komplett umrundeten (ganz nett, aber warum bloß?). Es war ein unglaublich heißer Tag und wir schwitzten alle. Inzwischen entstanden aber lebhafte Gespräche zwischen den Mitfahrern, in die auch ich involviert wurde, sodass die Stunden wie im Flug vergingen. Es war inzwischen Abend geworden, und dann – erreichten wir Budapest. Wir hatten gerade 7 Stunden für eine Strecke gebraucht, die man auch in 1 1/2 Stunden hätten bewältigen können. Jetzt nur nicht den Glauben an eine noch in diesem Jahr stattfindende Ankunft in Deutschland verlieren…

In Budapest füllte sich unser Minibus dann komplett. Soweit ich das richtig verstanden habe, wollten alle Mitfahrer über den Sommer in Deutschland arbeiten und freuten sich riesig auf dieses Abenteuer. Handymusik schallte aus der letzten Busreihe, alle riefen durcheinander und mir, der Deutschen, wurden im Eiltempo noch stolz die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Budapests präsentiert (Hier, Burg! Da, Parlament! Gut, oder? Schön Budapest!). Dass ich all diese Dinge schon des öfteren gesehen hatte, da ich mich während meines Ungarn-Jahres oft in Budapest aufgehalten hatte, schien meine aufgedrehten Mitfahrer nicht zu interessieren.

Dann wurde noch einmal ein Großeinkauf bei Tesco abgehalten (schließlich gibt es in Deutschland keine guten ungarischen Paprikas und kein Túró Rudi) und gegen 10 Uhr abends passierten wir tatsächlich die österreichische Grenze.

In Köln kamen wir schließlich gegen 8 Uhr am nächsten Morgen an. In der Nacht hatten wir uns alle aneinandergekuschelt, wobei mein Sitznachbar bestrebt war, dass ich es besonders bequem hatte. Ich bekam seine warme Jacke, seine Schulter zum Anlehnen, und wenn ich etwas aus Höflichkeit ablehnen wollte oder ihm anbot, dass er sich doch irgendwie auch an mich lehnen konnte, tat er dies mit einer energischen Handbewegung ab. Bei dieser Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kann man die Ungarn nur lieb haben! Ich hoffe wirklich, dass meine neuen ungarischen Freunde während ihrer Zeit in Deutschland mit dem kleinen Prozentsatz der Deutschen in Kontakt gekommen sind, die genauso nett und aufopferungsbereit sind.

Verabschiedet wurde ich mit Umarmungen und Facebook-Freundschaftsanfragen. Dann verließ der kleine schrottige Minibus mit dem Rest Ungarn, das mir noch geblieben war, den Parkplatz am Kölner Hauptbahnhof und ich war wieder in Deutschland.
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Es war ein schönes Gefühl, meine kleinen, inzwischen aber unglaublich groß gewordenen Brüder, meine Mama, meinen Papa, meinen Stiefvater, meine Katze und meine Freunde wieder in die Arme schließen zu können. Es fühlt sich gut an, wieder in Deutschland zu sein, jeden auf der Straße verstehen und mit jedem ein Gespräch anfangen zu können, jederzeit ein Familienmitglied zum Sprechen und einen vollen Kühlschrank zum Essen zu haben. Ich habe mich gleich wieder herzlich aufgenommen gefühlt und mein Leben ist ohne große seelische Krise weitergegangen. Ich hatte, seitdem ich wieder hier bin, kaum Langeweile. Ich habe alte Freunde wiedergetroffen und mich um den Start in mein neues Leben als Studentin gekümmert. Als ich Anfang August nach Hause gekommen bin, wusste ich noch nicht zu 100%, wie es jetzt weitergehen würde. Nun, einen Monat später, ist alles so gekommen, wie ich mir den Idealfall ausgemalt habe: Ich wurde zum Wintersemester für den Studiengang Druck- und Medientechnik in Berlin angenommen und habe auch schon ein WG-Zimmer in Kreuzberg, in das ich nächste Woche einziehen kann, damit ich an den Vorkursen teilnehmen kann. Ich freue mich auf diesen neuen Abschnitt, weil ich weiß, dass mit dem Ende meines Ungarn-Jahres der Anfang von etwas Neuem einhergeht.

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Trotzdem können meine Erfahrungen, die ich in den letzten 12 Monaten gemacht habe, durch nichts ersetzt oder überspielt werden.

Auch wenn ich noch so viel berichte, wird niemand außer mir selbst das verstehen können, was ich in den letzten 12 Monaten gedacht, gesehen und gelebt habe.

Meine 12 Monate in Ungarn waren mit nichts aus der Vergangenheit vergleichbar, und ich werde sie auch mit nichts in der Zukunft Liegendem vergleichen können.

Auch wenn bald so viel Neues auf mich zukommen wird, werden meine Erfahrungen und Erlebnisse aus den letzten 12 Monaten so bleiben, wie sie waren: unbeschreiblich. Und nichts kann mir sie wieder nehmen.

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Zum Schluss möchte ich nochmal einer Menge Menschen meinen Dank aussprechen, auch wenn die meisten das hier wahrscheinlich nicht lesen werden. Ich danke allen Voran der Organisation Kulturweit und allen dort Beteiligten, für alles, was sie getan haben, um mir ein tolles und lehrreiches Jahr im Ausland zu ermöglichen. Ich danke den anderen Freiwilligen für den Spaß, den ich auf den Seminaren hatte, für Schlafpätze, Besuche und gemeinsame Ausflüge, für die tollsten Gespräche und die verrücktesten Erlebnisse – ganz ehrlich, wir müssen uns alle unbedingt wiedersehen! Insbesondere danke an meine liebsten Pécsis für die harmonische Zeit, die wir miteinander erleben konnten. 😛 Ich danke allen Lehrern an meiner Schule, insbesondere meiner Ansprechpartnerin Erzsi, für die herzliche Aufnahme am Koch-Valéria-Schulzentrum, und meinen Schülern fürs manchmal still sein, manchmal sich beteiligen und immer mich zum lachen bringen. Ich danke meinen Mitbewohnerinnen für Tipps, Gespräche, Nachsicht beim Putzplan-Einhalten und das mich-zu-coolen-Partys-mitnehmen-und-mich-anderen-Studenten-vorstellen. Ich danke allen Menschen, mit denen ich Nächte durchgetanzt und Abenteuer erlebt habe. Ich danke Erika, unserer Ungarisch-Lehrerin! Ich danke allen Busfahrern und Leute, die mir den Weg gezeigt haben. Ich danke meiner Mama und Carla fürs sich immer geduldig meine Geschichten anhören, und ich danke allen Leuten, die meine Blogeinträge gelesen haben.

Und jetzt danke ich noch allen anderen Menschen auf dieser Welt, weil ich Angst habe, jemanden vergessen zu haben und weil das Sich-Bedanken echt total Spaß macht! Ihr könnt es ja selber ausprobieren.

„… Natürlich verändert es mein Leben.“

Sommerreisen.

Nach langen Abenden vor dem Laptop, frustriertem Herumgesuche und Preisvergleichen steht Antis und meine Sommerreise jetzt – so halbwegs. An vielen Stellen fehlen noch Unterkünfte, und die Kosten bereiten uns bereits einiges an Bauchschmerzen, aber ich freue mich auch schon sehr.
Am Montag, den 30. Juni werden wir den von Budapest aus nach Istanbul fliegen. Von dort aus geht es über Sozopol (Bulgarien), Sofia (Bulgarien), Ohrid (Mazedonien), Budva (Montenegro), Mostar (Bosnien Herzegowina), Zadar (Kroatien) und Osijek (Kroatien) zurück nach Pécs, für ein letztes Mal.

Schon in den letzten Wochen habe ich Pécs einige Male für kürzere Ausflüge den Rücken zugekehrt.

Ende Mai statteten Anti und ich zum Beispiel der österreichischen Hauptstadt Wien einen Wochenendbesuch ab. Eine Reise zurück zu geschlossenen Läden an Sonntagen, Preisen, die einen traurig machen, und zurück zur deutschen Sprache – mehr oder weniger zumindest.

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In vielen Aspekten hat mich Wien an Budapest erinnert, schließlich gehörte beides mal demselben Kaiserreich an und die Häuser stammen aus derselben Zeit. Wien kam jedoch um einiges gepflegter, sauberer, ordentlicher restauriert und schicker hergerichtet vor. Mit den vielen prächtigen Gebäuden, gestutzten Buchsbäumen und symmetrisch angelegten blühenden Rosengärten war alles fast schon gruselig perfekt – die Rasenfläche bitte nicht betreten! imm032_31A_1024Ein paar Wochen später entstand in einem Gespräch ein lustiger Vergleich, der es meiner Meinung nach ziemlich auf den Punkt trifft: Wenn Wien und Budapest Schwestern wären, dann wäre Wien die ältere, vernünftige und ehrgeizige Schwester, die schon mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht: Ein guter Job, ein reicher Mann, hohes Ansehen unter den ebenfalls wohlhabenden und einflussreichen Freunden. Budapest dagegen ist rebellischer und ausgeflippter: Sie färbt sich die Haare türkis, sticht sich selber Nasenpiercings und kommt erst morgens vom feiern wieder.

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Trotz der Spießigkeit, die sich nicht leugnen lässt, herrschte in Wien eine entspannte Stimmung, die wir bei super Wetter und 4 € teurem Bier (Preissteigerung um 400%) in den Bars am Donaukanal und am Museumsquartier genossen. Ansonsten klapperten wir in den 3 Tagen alle Sehenswürdigkeiten ab, die uns so in den Sinn kamen: Schloss Schönbrunn, Karlskirche, Schloss Belverde, Hundertwasser-Häuser, Wiener Prater, blablablablabla. Schmerzende Füße und verknipste Filme waren das Ergebnis.

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Direkt im Anschluss ans Wien-Wochenende war abermals unser Einsatz bei ‚Jugend Debattiert International‘ in Budapest gefragt. Dabei wurde der ungarische Landessieger des Debattierwettbewerbs ermittelt. Weil ich diesmal im Bereich Organisation tätig war und meine Hauptaufgabe darin bestand, die Gäste vom Eingang zum Debattensaal zu lotsen, waren es entspannte, lustige und aufgrund der Debatten auch wirklich interessante Tage.

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Mitte Juni, direkt nach meinem letzten Schultag, besuchten die andere Mascha (Freiwillige aus Budapest, mit der ich im Februar schon 9 Tage durch Ex-Jugoslavien gereist bin) und ich die Kulturweitfreiwillige Milena in Eger, die mich kurz zuvor auch schon in Pécs besucht hat.
Eger ist eine hübsche kleine Stadt im Nordosten Ungarns, die vor allem durch ihren Weinanbau bekannt ist. Nachdem wir von Milena durch die Stadt geführt wurden und uns die Burg, das Minarett und ein paar Kirchen anguckten, begaben wir uns am frühen Abend ins ‚Tal der schönen Frauen‘, in dem sich zu allen Seiten kleine Weinkeller angesiedelt hatten, um ebendiesen zu testen. Faszit: Sehr süß, sehr billig, sehr lecker.
Und dann landeten wir ziemlich spontan und überraschend auf einer sehr wilden Party, die überhaupt nicht zum kleinen, verschlafenen Eger passt. Nachdem wir der lauten Musik gefolgt waren und den für ungarische Verhältnisse unverschämt hohen Eintrittspreis bezahlt hatten, befanden wir uns, umgeben von ca. 16 – 20-jährigen Schülern, auf einer Schaumparty, und konnten uns im Selbstexperiment von den Tücken dieses Konzepts überzeugen: nasse Klamotten, kurzfristige Erstickungsängste, verschmierte Schminke, riesige Schürfwunden und blaue Flecken vom äh, Ausrutschen, und der Verlust von sämtlichem Schmuck und einem Pullover (wobei ich dabei vielleicht nicht nur dem Schaum die Schuld geben kann). Insgesamt also ein lustiger Abend, der mir noch eine Weile in Erinnerung bleiben wird.

Und dann war da noch ‚Fishing on Orfű‘.
Orfü ist ein See in der Nähe von Pécs und ‚Fishing on Orfű‘ heißt das alljährig dort stattfindende kleine Festival, bei dem nur ungarische Bands auftreten, von denen ich aber mittlerweile ein paar kenne.
Zusammen mit einer Horde anderer Freiwilliger fuhren wir also an einem Nachmittag nach Orfű, setzten uns an den Steg, genossen das wunderbare Wetter, badeten, und gingen abends auf das Festival. Dort verhielt ich mich mal wieder nicht so, wie sich eine Quasi-Lehrerin verhalten sollte, deren Schüler zu dutzenden in unmittelbarer Reichweite vorhanden sind. Zusammen mit den anderen drängelte ich mich in die erste Reihe, tanzte wie wild herum, trat anderen auf die Füße, sang lauthals mit, ohne die Texte zu kennen und saß auf Schultern unbekannter Mitmenschen. Insgesamt war es ein ziemlich verrückter, witziger und langer Abend.
2 Tage später kletterte ich mich mit Besuch von mir, einer Praktikantin aus Budapest, unter einem Zaun durch und wir befanden uns abermals auf dem Festival, wobei wir uns ziemlich wild und verwegen vorkamen, weil wir eigentlich keine Karte hatten. Auch der Abend war ziemlich gut. Das Festival strahlt durch seine Lage (zwischen waldigen Hügeln, aber auch in unmittelbarer Nähe zum See) eine entspannte, verwunschene und aufgrund der geringen Größe auch eine sehr familiäre Athmosphäre aus. Ich bin wirklich froh, es miterlebt zu haben.

Jetzt geht wirklich alles dem Ende zu. Meine Fotos habe ich schon von der Wand abgehängt, meine Winterklamotten in den einen Koffer gepackt und mein Sommerzeug in den Rucksack, der mit nach Istanbul kommt. Ich hadere noch ziemlich mit dem Gepäck: Inzwischen ist es auf 2 große Koffer, einen Rucksack, einen Karton und 2 Taschen mit Bettzeug angewachsen – hoffentlich finde eine Mitfahrgelegenheit, die das alles mitnimmt.
Außerdem sind pünktlich vor der großen Reise meine beiden Kameras kaputt gegangen. Aber nachdem ich einer Lehrerin mein Dilemma geschildert habe, wurde sofort eine Kollegin angerufen, deren Mann einen Kameraladen besitzt, und falls die Kameras nicht repariert werden können, darf ich mir für die Reise eine Kamera von ihnen ausleihen – die enorme Hilfsbereitschaft der Ungarn ist mir nicht umsonst schon in der ersten Woche aufgefallen.

Der nächste Blogeintrag kommt nun erst nach meiner großen Sommerreise und wird wahrscheinlich sogar schon in Deutschland verfasst. Bis dahin wünsche ich allen Lesern alles alles Gute und – das muss ich wirklich mal öfter sagen – danke fürs Lesen! Ich freue mich total über die mittlerweile über 10.000 Aufrufe auf meinem Blog!

Mai / Juni.

Nie wieder Schule!
Diesen Jubelruf darf ich, nachdem ich ihn letztes Jahr zu meinem eigenen Abitur schon des öfteren verwendet habe, dank Kulturweit und dem Koch-Valéria-Gymnasium in Pécs, nun noch einmal ausstoßen. Das Schuljahr und damit meine Arbeit an meiner Einsatzstelle, ist vorüber.
Wenn man ein Jahr im Ausland plant, fragt man sich unzählige Male, wie leicht oder schwer einem der Abschied von zuhause wohl fallen wird, wie die erste Zeit im Gastland und an der Einsatzstelle sein werden und wie sich der neue Alltag anfühlen wird, aber zumindest ich habe kein Stück darüber nachgedacht, wie es sein wird, nach dem Jahr wieder zurück nach hause zu fahren. Entsprechend unvorbereitet sehe ich nun dem Ende meines FSJs entgegen und treffe die Entscheidung: Solange es noch nicht ganz vorbei ist, am besten weiter verdrängen.
Denn eigentlich will ich gar nicht gehen. In den letzten Wochen (die Wochen, in denen nichts neues von mir zu lesen war, weil ich zu faul war, neue Blogeinträge zu verfassen) habe ich noch einmal eine ganz neue Beziehung zu dem Land aufgebaut, in dem ich seit September lebe. Noch nie habe ich so lange an einem Ort gewohnt, der nicht mein eigentliches Zuhause ist, und mir gefällt diese neue Erfahrung. Ich habe mittlerweile das Gefühl, das Leben hier nicht nur oberflächlich kennengelernt zu haben, sondern tief eingedrungen zu sein und eine feste, unzerstörbare Bindung zu Ungarn, Pécs, den Menschen und dem Leben hier aufgebaut zu haben. Und jetzt höre ich aber auf, bevor es zu albern und patriotisch wird – ob das der Einfluss Orbáns ist?

Die Zwölftklässler beendeten ihre Schullaufbahn durch den traditionellen letzten Marsch durch die Schule. Das sieht folgendermaßen aus: Alle tragen dieses komische Hemd, das die Schüler bei festlichen Anlässen tragen sollen. Die Schüler bilden eine Art Karawane und laufen im Gänsemarsch vom Erdgeschoss in den 3. Stock, machen eine 180°-Wende und laufen wieder zurück ins Erdgeschoss. Dabei tragen die Karawanen-Anführer riesige Ungarn-Fahnen vor sich her und die ganze Gruppe guckt stolz und ernst und singt wichtige Lieder (die Nationalhymne? Die Hymne der Ungarndeutschen? Die Zwölftklässler-Hymne?), wobei die ersten Schüler in einem schnelleren Tempo singen als die Nachhut. Das wird dann problematisch, wenn der Beginn des Umzugs aus dem 3. Stock wieder herunterkommt, das Ende des Zuges sich jedoch noch auf dem Weg in den 3. Stock befindet und sich die beiden Liedteile zu einem unharmonischen Mix vermischen. Die restlichen Schüler und Lehrer stehen erfürchtig an der Seite und verfolgen das Spektakel, während ich an unsere Letzter-Schultag-Traditionen denken muss, die man in zwei Wörtern zusammenfassen kann: Viel Bier.
Meine letzten Schulwochen verliefen weniger dramatisch – mit den Sechst- und Siebtklässlern habe ich spannende Unterrichtsstunden zum Thema „Gesundheit und Krankheit“ veranstaltet, die Achtklässler haben mir auf viele verschiedene Weisen vermittelt, wie unzufrieden sie mit der Deutschlektüre „Emil und die Detektive“ sind und mit den Neuntklässler habe ich über die Vorzüge und Schwachstellen der Serie „Berlin Tag und Nacht“ geredet. Lustigerweise gibt es hier eine Serie mit identischem Drehbuch, die – welch Einfallsreichtum – „Budapest Tag und Nacht“ genant wird. In letzter Zeit gab es dann, wie es nunmal kurz vor den Sommerferien üblich ist, sowieso nur noch Personenraten, Kuchen und Galgenmännchen.
Meine Erstklässler, ihre Klassenlehrerin und ich sind dagegen ziemlich kreativ geworden – zum Klassenfest am Ende des Schuljahres haben wir eine Performance zu dem Lied „Die kleine Raupe Nimmersatt“ einstudiert und dazu Requisiten gebastelt. Tagelang anhaltende Ohrwürmer gab es gratis dazu. Ich glaube, es ist ganz gut geworden.
Insgesamt hatte ich in der Schule nicht viel zu tun. Das habe ich teilweise sehr genossen, teilweise führte es aber auch zu Problemen, die ich bald wahrscheinlich nicht mehr kennen werde: Zu viel Freizeit, bei der ich nicht wusste, wie ich sie füllen soll, ohne nachher das Gefühl zu haben, den Tag verplempert zu haben. Lange Tage, an denen ich schon um 12 Uhr fertig war mit der Schule und absolut nichts mehr zu tun hatte. Tage, die ich mit nichts anderem zu füllen wusste als mit lesen, Serien gucken, Sport machen und wieder lesen. Mittlerweile freue ich mich richtig auf mein Studium mit allem, was dazugehört: Vorlesungen, neue Leute, neue Stadt, Stress, lernen. Wobei ich jetzt schon weiß, wie sehr ich mein entspanntes und in gewissem Sinne sorgenloses Leben hier vermissen werde.

An den Wochenenden war glücklicherweise nie etwas von der an Schultagen manchmal auftretenden Langeweile zu spüren. Ich habe viel Besuch bekommen – angefangen von meinem Papa über die Freiwilligen Mascha und Milena bis hin zu meinen beiden Schulfreundinnen Leonie und Nadine. Mittlerweile bin ich zum Profi-Reiseführer für Pécs und Budapest avanciert – die Free Walking Tour kann einpacken, und Verirrungen sind dazu da, um die Stadtführung lebendiger und abenteuerlicher zu gestalten. Besondere Features meiner Touren sind „Die Unendliche Mecsek-Geschichte“ (Milenas und meine zweistündige Odyssee zum im Mecsek-Gebirge liegenden Fernsehturm und der Weg zurück über einen Trampelpfad, der sich als Mountainbike-Strecke entpuppte und bei der wir in ständiger Gefahr schwebten, überfahren zu werden) und „The Early Bird Catches The Worm – Catch The FIRST Langos On Pécsi Sunday-Fleamarket“ (nach dem Feiern gehen darf niemand nach hause, sondern wird von mir ohne Rücksicht auf Proteste zum Langos-Essen auf den sonntäglichen Flohmarkt geschleppt. Nebenbei kann ein bisschen Second-Hand-Mode geshoppt werden, die um halb 6 Uhr morgens bereits in rauhen Mengen auf dem Marktplatz ausgebreitet ist). Lust bekommen? Ein paar Wochen bin ich noch hier!

Jetzt im Sommer ist Pécs auch noch ein Stück schöner geworden, als die Stadt ohnehin schon ist. Auf magische Weise tauchen plötzlich an jeder Ecke Eisverkaufsstände auf und Häusereingänge öffnen sich zu wunderschönen Gartenbars, in denen an lauen Sommerabenden Fröccs (ungarische Weinschorle) getrunken und der aus allen Ecken schallenden Life-Musik gelauscht wird. In den letzten Wochen rutschten wird von Weinfest zu Bierfest zum nächsten Weinfest, wobei wir bereits auf eine beträchtliche Anzahl an Schülern und Lehrerkollegen stießen. Leider bin ich schrecklich schlecht im Gesichter und Namen merken und erkenne mein Schüler immer erst, wenn es schon zu spät ist. Betrunkene Gespräche (hauptsächlich über die Lehrer unserer Schule) sowie spontane Bier-Spendier- und Tanzaktionen sind die Folge.

Richtig zufrieden mit meinen Ungarisch-Kenntnissen bin ich immer noch nicht, aber immerhin bin ich mittlerweile vertraut im Umgang mit ungarischen Flüchen. Hierbei kann man aber auch nichts falschmachen – „bazdmeg“ und „kurva“ werden einfach an beliebiger Satzstelle vor beliebige Wörter gesetzt, um dem Ganzen etwas mehr Ausdruck zu verleihen. Und während viele Ungarn, die ich kennen gelernt habe, trotz teilweise 12 Jahren Deutsch- und Englischunterricht sehr schüchtern und unsicher bei Gebrauch der Fremdsprachen sind, versuche ich, mein Viertelwissen so gut es geht anzuwenden, was mit enthusiastischen Beglückwünschungen belohnt wird.

Nachdem nächste Woche nun die Ferien anfangen, geht der Spaß (hoffentlich) erst richtig los. Aber das ist eine andere Geschichte, und soll ein andermal erzählt werden.
Fest steht, zurück komme ich erstmal noch nicht. 🙂

Februar / März.

Was im letzten Monat so passiert ist:

Es wurde verabschiedet:

Jacqueline, deren Freiwilligendienst nur ein halbes Jahr andauert, kehrte zurück nach Deutschland. Der Pécser Freiwilligenclan wurde also um eine Person dezimiert und wir mussten uns schweren Herzens verabschieden. Auch für die Ungarn-Freiwilligen Aliena und Julius ist die Kulturweit-Zeit jetzt leider vorbei. Eine gute Seite hatte das Ganze aber auch: Anti und ich wurden mit diveren Nahrungsmitteln und Haushaltsgegenständen beglückt.

Es wurde rumgetanzt:

Auf der Straße wurden zwei Freiwillige und ich angeprochen, ob wir nicht für das Happy-Video in Pécs tanzen wollen, in dem wir jetzt für ungefähr 2 Sekunden zu sehen sind. Antis Hochhausdach wurde als Location für das „Kulturweit bewegt“-Tanzvideo genutzt, das hoffentlich bald im Internet auftaucht. Und ansonsten wurden die Wochenenden dazu verwendet, sämtliche Clubs in Pécs zu erkunden, in denen wir noch nicht waren.

Es wurde Bekanntschaft mit aufdringlichen Fellmonstern geschlossen:

Jedes Jahr findet in Mohács, einer kleinen Stadt in der Nähe, das Busójárás-Fest statt. Das ist eine Art Karneval, bei dem sich Männer mit aus sehr viel Schaffell und selbstgeschnitzten Holzmasken bestehenden Kostümen als Monster verkleiden. Angeblich wurden den Türken zur Zeit der osmanischen Okkupation Ungarns durch diese Kostümierung ein solcher Schreck eingejagt, dass sie aus der Stadt flüchteten. Eine andere Theorie führt das Busójárás-Fest auf ein altes Fruchtbarkeits-Ritual zurück, das von den Germanen zelebriert wurde, um den Winter zu vertreiben. Das erklärt den etwas gewöhnungsbedürftigen Umgang der Fellmonster mit dem weiblichen Teil der Zuschauer: Während dem Umzug wurden wir unfreiwilligen Monster-Gruppenumarmungen ausgesetzt, mit Mistgabeln und zum Kostüm gehörenden Ruten in den Po gepiekt, mit Hühnerfedern und Mehl beworfen und mit Ruß beschmiert. Naja, warum auch nicht. Ansonsten gab es auf dem Fest jede Menge Essen, Glühwein und ein bisschen Musik und ungarischen Volkstanz.

Ganz lustig war auch die Hinfahrt nach Mohács. Mit einem sehr alten, klapprigen und überfüllten Bus brausten Anti und ich durch die ungarische Landschaft, und Anti erzählte, wie letztens auf ihrem Weg zur Schule so ein Bus den Geist aufgegeben hatte und alles aussteigen und auf den nächsten Bus warten mussten. Pünktlich zum Ende dieser Geschichte fing es merkwürdig an zu stinken, dann gab es ein sehr lautes Knackgeräusch, das so klang, als wäre etwas direkt unter unseren Füßen durchgebrochen, und dann sehr viel Qualm. Glücklicherweise hielt nach nur wenigen Minuten Wartezeit auf der grünen Wiese ein anderer Bus und nahm uns Gestrandete auf.

Es wurde debattiert:

16 Schulen in Ungarn hatten sich mit jeweils 2 Schülern für die Schulverbunds-Qualifikation von ‚Jugend Debattiert International‘ (JDI) qualifiziert. Diese fand an 2 Tagen in Budapest statt und wir Freiwilligen saßen dabei mit in der Jury und hörten uns auf deutsch geführte Debatten an. Die Fragestellungen: ‚Soll das Wahlalter bei den ungarischen Parlamentswahlen auf 16 herabgesetzt werden?‘ und ‚Soll der ungarische Staat gleiche Preise für Männer und Frauen in Vergnügungslokalen gesetzlich verordnen?‘  Das war eine wirklich interessante Erfahrung und ich fand es ziemlich beeindruckend, dass sich so viele Schüler trauen, in einer fremden Sprache vor Publikum über die teilweise komplexen Pro- und Contraseiten der Themen zu diskutieren.

Die Debatten fanden an verschiedenen Schulen in Budapest und auf dem Weg zu diesen Schulen (plus jeweils eine Extrarunde Verlaufen) sahen wir noch einmal ganz andere Ecken von Budapest.

Insgesamt verbrachten wir 5 Tage in Budapest, die wir neben unserem JDI-Einsatz nutzten, um uns das Sisi-Schloss im Vorort Gödölö anzugucken und auf den Gellert-Berg zu klettern, von wo aus man den schönsten und weitesten Ausblick auf Budapest hat. Außerdem trafen wir uns mit Ayla, der neuen Kulturweit-Freiwilligen in Budapest, und hingen mit den JDI-Alumni rum, die es in den letzten Jahren in die Endrunden des Wettbewerbs geschafft hatten und jetzt mit uns in der Jury saßen. Auch die andere Mascha, mit der ich in Slowenien, Bosnien und Serbien unterwegs war, habe ich wiedergetroffen, bei ihr durften wir nämlich netterweise übernachten.

Es wurde (und wird) gefastet:

Meine Mitbewohnerin Conny und ich haben beschlossen, uns in der Fastenzeit vegan zu ernähren. Bis jetzt sind wir sehr motiviert dabei und starten des öfteren spontane Experimentier-Aktionen in der Küche. Mir fällt das vegan essen viel leichter als gedacht, was aber auch daran liegen kann, dass wir erst seit 2 Wochen dabei sind. Nur in der Schule, wenn mal wieder jemand Geburtstag oder Namenstag feiert oder wenn in der Stadt an sonnigen Tagen 90% der Leute mit einem riesigen Eis in der Hand herumlaufen (denn die Ungarn lieben Eis!) ist es ein bisschen fies.

Es wurde (und wird) die Sonne genossen:

Denn wir haben hier die ganze Zeit super Wetter! Ich kann wieder stundenlang in kurzer Hose und T-Shirt auf meiner Fensterbank in der Sonne sitzen und lesen, schlafen, Musik hören, essen oder Aufsätze für die Schule korrigieren. Und ich war letztens das erste Mal im Mecsek joggen, einem kleinen waldigen und sehr schönen Gebirge, das direkt an die Stadt grenzt.

Es wurde (und wird) gearbeitet:

Jaa. Ich gehe jeden Tag zur Schule, höre mir auswendig gelernte Vorträge von Schülern über ihre Haustiere oder Lieblings-Computerspiele an, lerne mit meinen Erstklässlern Obst- und Gemüsesorten und halte Unterrichtsstunden zu Themen wie ‚Der deutsche Karneval‘ oder ‚Deutsches Essen‘. Außerdem wird weiter fleißig Ungarisch gelernt und wir haben Hörverstehenstexte für Deutschlerner aufgenommen.

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Und das wars.

Eine Ex-Jugoslavien-Reise, Teil 3: Belgrad / Subotica

Am Freitag den 13. Februar um 6.00 Uhr morgens kehrten Aliena, Mascha und ich der Stadt Sarajevo den Rücken zu, bestiegen einen Bus und düsten unserem nächsten Ziel entgegen: Belgrad.

Die Busfahrt durch Bosnien-Herzegovina verschlief ich größtenteils, doch immer, wenn ich meine Augen zwischen zwei Nickerchen öffnete, bot sich ihnen eine andere spektakuläre Landschaft: Wir fuhren in Serpentinen über schneebedeckte Berge, überquerten reißende Flüsse und passierten türkis-glitzernde Seen. Es heißt, wer Wasser aus dem Sebilj-Brunnen in Sarajevo trinkt, wird die Stadt noch einmal besuchen. Ich, die die kostenlose Wasserspende gleich als Auffüllmöglichkeit für die eigene Trinkflasche missbraucht hatte, beschloss, es beim nächsten Bosnien-Besuch nicht bei der Stadt zu belassen.

Dann zeigten wir unseren Pass bei der serbischen Grenze und schlagartig befanden wir uns auf dem platten Land. Jetzt gab es keine beeindruckenden Berge und Gewässer mehr zu bestaunen und die einzige Attraktion blieb das Spanferkel, das auf dem menschenleeren Rastplatz mitten in der serbischen Pampa einsam vor sich hingrillte.

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In Belgrad angekommen suchten wir erstmal eine Weile nach Wlan – wir hatten nämlich vergessen, die Adresse und den Weg zum Hostel aufzuschreiben. Dieses befand sich dann nur wenige Meter entfernt von unserem Standort und man empfing uns mit einem Begrüßungs-Rakia-Shot, den wir jedoch aufgrund der Uhrzeit auf den Abend verlegten. Rakia wird der serbische Schnaps genannt, der hier ständig konsumiert und einem auch ständig von allen angedreht wird.

Nachdem wir unseren Kram gleichmäßig auf dem Boden des Hostelzimmers verteilt hatten, machten wir uns auf zur Festung von Belgrad. Unterwegs aßen wir einen Burek (ein für den Balkan typisches Gebäckstück bestehend aus Blätterteig, Hackfleischfüllung und gefühlt einem Liter Öl), das mein Hungergefühl für die nächsten 2 Tage aussetzen ließ und meinen Bedarf an frittiertem Gebäck für die nächsten 2 Jahre deckte. War aber trotzdem lecker.

Das herrlich sonnige Wetter nutzten wir für ein von den anwesenden Serben spöttisch beäugtes Mini-Fotoshooting auf den Mauern der Festung, von denen aus man einen super Blick auf die Mündung des Flusses Save in die Donau und auf den Rest der Stadt hat. Dann suchten wir eine Weile erfolglos nach der Kafana-Straße, die der Hostelmensch uns aufgrund der vielen Bars und Cafés empfohlen hatte, blieben in einem anderen Café hängen und machten uns schließlich auf den Rückweg zum Hostel.

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Die Sarajevo-Freiwilligen hatten uns gesagt, dass wir abends unbedingt ins BIGZ gehen sollten, ein riesiger unbewohnter Plattenbau, der früher als Druckerei genutzt wurde und in dem sich jetzt eine Jazzbar und ein Club befindet. Nachdem wir das Free-Rakia-Shot- und das 2-Bier-zum-Preis-von-Einem-Angebot unserer Hostelkneipe ausreichend ausgenutzt hatten, machten wir uns also auf den Weg – und liefen erstmal am BIGZ vorbei, das von außen einfach aussieht wie ein großes, hässliches, leerstehendes Gebäude. Ist es ja im Endeffekt auch.

Glücklicherweise trafen wir einen Serben, der auch auf dem Weg ins BIGZ war. Er führte uns durch das dunkle, graffiti-besprühte Gebäude zu einem klapprigen Aufzug, mit dem wir in den 12. Stock fuhren. Dort war ebenfalls alles dunkel und voller Graffiti, und hätten wir nicht schon ein wenig Rakia intus wäre uns das Ganze bestimmt ziemlich gruselig und suspekt vorgekommen. Nachdem wir durch ein paar menschenleere Flure gelaufen waren, kamen wir jedoch zu einem Raum, aus dem laute Live-Musik und das Stimmengewirr vieler Menschen drang – wir hatten die Jazz-Bar gefunden.

Die nächsten Stunden verliefen irgendwie ziemlich verrückt und sind schwer zu beschreiben. Ich probiere es trotzdem mal:

Ich habe mich im BIGZ ein bisschen wie Alice im Wunderland gefühlt. Das riesige Gebäude besteht aus gefühlt einer Millionen identisch aussehender Flure: Graffitibesprüht, spärlich mit Neonlicht beleuchtet und voller Türen, die in regelmäßigen Abständen von den Fluren in einzelne Räume abzweigen. Wir verbrachten Ewigkeiten damit, alleine oder zusammen durch diese Flure zu laufen, um Toiletten, die Jazzbar, unsere Freunde oder andere Räume zu suchen, die wir zwischenzeitlich entdeckt hatten. Dabei lernten wir jede Menge Serben kennen, die uns ihre privaten Band-Proberäume zeigten und uns dort zu mehr Bier einluden. Anscheinend verbirgt sich hinter fast jeder geschlossenen Tür im BIGZ so ein Proberaum, und wir verbrachten stundenlang damit, diese auszukundschaften und mit unseren neuen Freunden auf deren Instrumenten herumzuspielen. Später kletterten wir auf der Suche nach der Dachterasse, die sich irgendwo im Gebäude befinden sollte, noch ein bisschen im halb zerfallenen Treppenhaus des BIGZ‘ rum. Die Dachterasse fanden wir nicht, lustig war es trotzdem.

Insgesamt war der Abend ziemlich chaotisch, ziemlich abgedreht und ziemlich wiederholungsbedürftig! Nach Belgrad muss ich also auch nochmal.

Am nächsten Tag fanden wir dank der Belgrader Free Walking Tour doch noch die Kafana-Straße, den Free-Rakia-Shot, den uns die Touristenführerin dort anbot, lehnten wir jedoch dankend ab. Nach der Tour aßen wir mit einigen Franzosen und einem Italiener, ebenfalls Teilnehmer der Tour, in einem serbischen Restaurant. Dabei versuchte ich, meine Französischkenntnisse unter Beweis zu stellen, sagte jedoch ständig „Igen“ statt „oui“ und musste schließlich, verwirrt durch den von mir fabrizierten ungarisch-französischen Kauderwelsch, resigniert abbrechen.

Nach dem Essen irrten wir noch eine Weile auf der Suche nach dem Bahnhof durch die Stadt. Die ganze Verirrerei in Belgrad hat übrigens nicht nur mit mangelndem Orientierungssinn zu tun, die Stadt ist einfach merkwürdig und seltsam planlos aufgebaut. Dazu kommt noch, dass die Straßen auf dem Stadtplan in „normaler“, auf den Straßenschildern aber in kyrillischer Schrift geschrieben sind.

Schlimm fanden wir das Ganze nicht, denn durch unseren Umweg bekamen wir noch die Möglichkeit, eine große orthodoxe Kirche zu besichtigen, in der gerade eine Art Gottesdienst stattfand: Die gesamte Kirche war in einen intensiven Räucherstäbchen-Duft gehüllt und am Altar standen 3 Priester, die den Raum mit eigentümlichen Singsang füllten. Die Leute, die in die Kirche kamen, küssten zuerst die am Eingang aufgestellten Heiligenbilder und stellten sich dann irgendwo in den leeren Raum, um zu beten – Sitzbänke gab es nicht. Wer genug gebetet hatte, verließ die Kirche wieder. Es war also ein ständiges Kommen und Gehen, das aber nicht Unruhiges an sich hatte. Insgesamt entstand so eine sehr eindrückliche Stimmung, die nicht mit der Atmosphäre in katholischen Kirchen vergleichbar ist.

Außerdem sahen wir einige ehemaligen Regierungsgebäude, die im Jugoslavienkrieg zerbombt wurden und so immer noch mitten in der Stadt zwischen modernen, voll funktionstüchtigen Häusern stehen: Beeindruckende Plattenbauten, die aussehen, als hätte ein Riese Gebäudeteile herausgerissen und andere Teile mit der Faust eingedrückt.

Am Bahnhof kauften wir Tickets für die Weiterfahrt nach Subotica, wobei wir von den beiden vielleicht 25-jährigen Verkäuferinnen mit langen Fingernägeln, dicker Make-Up-Schicht und blondierten Haaren erstmal voll ignoriert wurden. Die beiden waren in eine angeregte Diskussion vertieft und ließen sich von uns, die wartend vor dem Verkaufshäuschen standen, nicht beeindrucken. Als die eine Angestellte schließlich ihr Handy herausholte und ihrer Freundin wild gestikulierend Fotos von Tangas zeigte mussten wir lachen. Das führte wiederum bei den beiden Verkäuferin zu solchen Kicheranfällen, dass es noch gut 5 Minuten dauerte, bis sie sich wieder so weit beruhigt hatten, uns ein Ticket auszustellen. Irgendwie eine schöne Situation. Zumindest solange man es nicht eilig hat.

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In Subotica wohnten die beiden sehr lieben Freiwilligen Lisa und Johanna, die zum Ende ihres 6-monatigen Freiwilligendienstes eine Abschiedsparty schmissen und uns dazu eingeladen hatten. Subotica ist ein schöner kleiner Ort, der sowohl von der Größe als auch von der Architektur her mit Pécs vergleichbar ist. Wir besichtigten die Stadt, halfen bei den Party-Vorbereitungen und erlebten eine sehr schöne Abschiedsparty, die mit wildem Rumgetanze zu Balkanmusik endete. Mir ist an dem Abend aufgefallen, dass Serben gerne mal eine Runde ausgeben – und dass ich, typisch deutsch, ganz schön geizig und auf den eigenen Vorteil fokussiert bin: Anstatt die nächste Runde zu schmeißen krallte ich mir das einzig übrig gebliebene Bier. Shame on me.

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Dann war es auch schon Sonntag und somit Ende meiner 9-tägigen Rundreise. Mit Anti, Jacqueline und Julius fuhren wir per Auto und Bus ziemlich komfortabel zurück nach Pécs.

Auf der Fahrt hörte ich Musik und lies die letzten Tage noch einmal in Gedanken an mir vorbeiziehen. Es war eine krasse Zeit und ich bin so froh, diese Reise gemacht zu haben. Mit einer Menge neuem Wissen und neuen Erfahrungen kehrte ich nach hause zurück, und wieder einmal habe ich gemerkt: Reisen ist die beste Art, Geld, Zeit und Energie loszuwerden. Danke an Aliena und Mascha für die tolle Reisebegleitung, danke an die Freiwilligen, die uns bei sich aufgenommen haben, und danke an alle Leute, die diesen Artikel lesen und damit ihr Interesse an meinen Abenteuern bekunden!

Winterreisen.

Heute scheint die Sonne und alles wirkt gleich viel frühlingshafter. Leute glitschen über die Eisschichten, die sich auf Gehwegen und Straßen durch das Antauen und Wieder-Einfrieren des Schnees gebildet haben. Schneemassen rutschen von Hausdächern und landen mit einem Rums auf der Erde. Von den Bäumen tropft glitzerndes Eiswasser. Kleine Bäche rinnen über den von der Sonne gewärmten Asphalt. Der Schnee schmilzt.

Freitag, den 24. Januar, der Tag an dem es morgens anfing zu schneien und bis abends nicht mehr aufhörte, hatten Anti, Jacqueline, meine Mitbewohnerin Conny und ich uns ziemlich spontan für einen Wochenendtrip nach Zagreb auserkoren. Internationale Zugtickets kaufen ist immer ein bisschen wie eine Wundertüte auspacken – niemand weiß, was dabei herauskommt. Man wartet am International-Ticket-Schalter und versuchet dann dem Personal in einem wüsten Chaos aus englisch, deutsch und ungarisch zu erklären, dass man gerne 4 Zugtickets hätte, für die Strecke Pécs – Zagreb und wieder zurück, von Freitag bis Sonntag. Dahinter wird noch ein „We are students! Egyetemistak vagyunk!“, geschoben und in dann heißt es hoffen. In den nächsten Minuten klickt die Frau hinterm Schalter auf ihrem Computer herum, druckt verschiedene Papiere aus, ruft eine Mitarbeiterin zu sich an den Tisch, diskutieret eine Weile mit ihr herum, wir müssen unsere Freiwilligen-Ausweise vorzeigen, die von den beiden misstrauisch beäugt und nach weiteren, für uns unverständlichen Diskussionen kommentarlos zurückgegeben werden, jetzt wird ein Formular ausgefüllt, „Pay together?“, wir kriegen ein handbeschriebenes Ticket zugeschoben, schielen auf den Preis, über dessen Höhe wir im Internet keine Informationen finden konnten, sind verwirrt (25.000 Forint! Ist das jetzt für eine Person? Eine Strecke? Wie viel Euro sind das überhaupt?) und dann erleichtert: 25.000 Forint sind 80 Euro, das Ticket gilt für die Hin- und Rückfahrt für 4 Personen – macht 10€ pro Person pro Strecke. Studentenrabatt haben wir auch bekommen. Sogar (warum auch immer) 60 statt den üblichen 50%. Dann kann es ja losgehen!

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Zunächst geht es mit einer aus 3 Waggons bestehenden, nicht ganz wasserdichten und sehr klapprigen Uralt-Bimmelbahn nach Gyékenyes direkt an der Grenze zu Kroatien. 2 1/2 Stunden soll die Fahrt dauern. Wir zuckeln durch tief in Schnee versunkene Landschaft, halten ab und zu an kleinen Orten, die kaum als solche zu erkennen sind und fahren dann, während es draußen schnell stockduster wird, sehr lange durch dichten Wald. Hier ist viel mehr liegen geblieben als in Pécs und die Bäume beugen sich durch die Last des Schnees so dicht auf die Fahrbahn, dass sie Fenster und Dach unseres kleinen Zuges streifen. Wir erschrecken uns jedes Mal aufs Neue über dieses kreischende Geräusch, wenn gefrohrene Äste und Zug miteinander in Berührung kommen.

Schließlich wird stark gebremst und wir halten an, mitten im Nirgendwo. 2 Frauen laufen durchs Abteil und suchen nach ferfi, Männern, die helfen, den auf die Gleise gefallenen Baum irgendwie abzutransportieren. Wir sind zwar keine Männer und auch sonst keine Hilfe, klettern aber begeistert über dieses Osteuropa-Abenteuer wie aus dem Bilderbuch mit hinunter, stapfen durch den knietiefen Schnee, quietschen rum und posieren für Fotos vor dem umgestürzten Baum und dem Zug. Um dem dumme-deutsche-Touristen-Verhalten die Krone aufzusetzen lassen wir dann noch ein Handy im Schnee liegen und weiter geht die Fahrt.

Dieselbe Sitation bietet sich uns noch einige Male und wir müssen auf Feuerwehrmänner mit Kettensägen warten, damit wir die Fahrt fortsetzen können. Unseren Anschlusszug haben wir aufgrund der entstandenen Verspätung leider auch um mehrere Stunden verpasst, glücklicherweise gibt es aber noch einen späteren Zug, der uns ohne weitere Probleme von Gyékenyes nach Zagreb bringt, wo Nils, ein Freiwilliger aus Kroatien schon auf uns wartet. Vervollständigt wird Reisegruppe Olga schließlich durch Daniel, einen spanischer Studenten, der mit uns im Zug saß und eigentlich Freunde in Split besuchen wollte, allerdings durch das Winterchaos seine Weiterfahrt verpasst hat.

Samstag erkundeten wir bei strahlendem Sonnenschein die kleine, hübsche Altstadt von Zagreb mit ihren vielen Cafés, dem großen Markt und der Kathedrale.

imm031_31_1024 Wir lieferten uns mit kroatischen Kindern eine wilde Schneeballschlacht, machten eine Menge Fotos und hatten viel Spaß zusammen. Abends fuhr Nils wieder nach Hause, Daniel weiter nach Split, Anti und Jacqueline gingen ins Bett und Conny und ich tanzten bis 4 Uhr nachts in einem kroatischen Club zu Hip-Hop-Musik, die mich an mein Highschool-Jahr in Texas erinnerte.

Am nächsten Morgen besuchten wir das „Museum of Broken Relationships“, in dem Gegenstände mit dazugehörigen Trennungs-Geschichten ausgestellt wurden, die von Leuten aus der ganzen Welt an das Museum gespendet wurden. Später ging es dann wieder zurück nach Hause.

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Die nächste Woche war sehr, sehr kalt. Ich musste mich mit eiskalten Wohnungen, eingefrorenen Fahrradschlössern und spiegelglatten Straßen herumschlagen, nutzte aber auch die positiven Seiten des Kälteeinbruchs zum Schlittenfahren und heißen Kakao trinken.

Donnerstag den 30. Januar machte die Ungarn-Freiwilligenfamilie schon wieder auf den Weg, diesmal nach Budapest. Hier fand am nächsten Tag die Jurorenschulung von „Jugend Debattiert International“ statt, aus der ich eine schicke Urkunde und das Wissen mitnahm, keine besonders begabte Debateurin zu sein. Gottseidank muss ich Anfang März, wenn die besten Debattier-Schüler Ungarns gegeneinander antreten, nur in der Jury sitzen und Punkte für Kategorien wie Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft vergeben, wobei ich mich dafür auch nicht sehr qualifiziert fühle.

Nach dem Seminar fuhren Julius, Kilian, Jacqueline, Anti und ich nach Bratislava (Hauptstadt von der Slowakei, nicht von Slowenien), nachdem wir wieder die oben beschriebene Internationale-Tickets-Prozedur durchliefen – ebenfalls mit guten Ergebnissen: ca. 8 € pro Strecke. Von den 2 Tassen Kaffee irgendwie ziemlich aufgekratzt verbrachten Anti, Kilian und ich die Fahrtzeit damit, Lieder auf unseren ipods laut mitzusingen, bis die anderen errieten, welches Lied wir gerade hörten und Jacqueline aus unserem Abteil flüchten musste. Gut gelaunt kamen wir in Bratislava an, stapften zu unserem Hostel, gingen Essen und bewunderten den Blick auf Burg und Altstadt von der Bratislaver „Sky Bar“ aus, für den wir jedoch auch teuer bezahlen mussten: 6 € pro Cocktail, sowas bin ich gar nicht mehr gewohnt.

Der Rest des Wochenendes wurde von den beiden miteinander konkurierenden Bedürfnissen bestimmt, möglichst viel von der Stadt zu sehen und nicht zu erfrieren. Ich glaube mir war schon lange nicht mehr so kalt wie in diesen Tagen in Bratislava. Es lag zwar weniger Schnee als in Pécs, dafür kroch uns die feuchte Kälte und der eisige Wind bis in die Knochen. Dennoch schlitterten wir tapfer durch die vereiste Altstadt und hielten die Wahrzeichen der Stadt (das alte Stadttor, die Bratislavaer Burg, die blaue Kirche, der Martinsdom usw) auf unseren Kameras fest – wobei die Technik in meiner Kamera irgendwann einfror, sodass ich den Film nicht mehr weiter drehen konnte. Naja.

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Alles in allem finde ich Bratislava sehr schön, in vielen Teilen hat mich die Stadt an Prag erinnert. Allerdings wirkte die Innenstadt tagsüber ziemlich ausgestorben, was wohl am Wetter lag. Erst abends, wenn aus den vielen Bars und Clubs Musik schallte und bunte Lichter über die Straßen tanzten, kam Leben in die kleine Stadt.

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Mit vielen neuen Eindrücken und Impressionen starte ich nun in den Februar. Für mich bedeutet das Halbzeit, für viele andere Freiwillige das Ende ihres Freiwilligendienstes. In 2 1/2 Wochen verlässt die Hälfte der derzeitigen Ungarn-Freiwilligen das Land und wir sind nur noch zu 3. in Pécs – eine Tatsache, die mich ziemlich traurig macht. Gleichzeitig freue ich mich auf meine nächsten Reise-Abenteuer. Denn für mich ist das gottseidank noch lange nicht vorbei.

Jahreswechsel.

Wir schreiben jetzt das Jahr 2014. Ein Jahr, von dem ich später vielleicht mal zu meinen Kindern oder zu sonst irgendwem sagen werde „Mensch, 2014, das war ein super Jahr. Mein Freiwilligendienst in Ungarn ist genauso toll weitergegangen wie es angefangen hat, nein, sogar besser! In der Schule war ich nun nicht mehr die neue, unerfahrene Freiwillige, sondern komplett integriert und von Schülern und Lehrern sehr geschätzt. Mit den anderen Freiwilligen und neuen Freunden habe ich jede Menge spannende Reisen durch den gesamten Balkan unternommen und beeindruckende neue Erfahrungen gemacht. Dann das Studium. Ich habe mich für genau das richtige Fach entschieden: Etwas, was mir Spaß macht, mich interessiert und für das ich gerne tagelang in der Unibib sitze und lerne. Eine neue Stadt, in der ich mich sofort wohlgefühlt habe. Und jede Menge nette Kommilitonen, mit denen ich viel Spaß hatte. Ja, 2014, da ist echt alles richtig gelaufen!“ Vielleicht kommt es aber auch anders. Vielleicht wird 2014 mein Jahr des großen Scheiterns. „2014 Kinder, das war der Anfang allen Übels. Pécs hatte ich bald satt. Die Stadt, die Arbeit an der Schule, meine Freunde hier, das alles hat mich irgendwann nur noch angeödet. Ich war froh als mein FSJ endlich vorbei war. Mit dem Studium ist auch nichts so gelaufen, wie es sollte. An der Traumuni nicht angenommen, Studieninhalt, der mich nicht interessiert hat, nicht bestandene Prüfung, unfreundliche Professoren und langweilige Studienkollegen. Monatelang quälte ich mich, dann gab ich schließlich auf und brach das Studium ab. Ich zog entmutigt wieder zurück zu meiner Familie und seitdem arbeite ich an der Kasse bei Lidl. Dann noch die ungewollte Schwangerschaft, die gescheiterte Beziehung und die chronische Krankheit. Dabei begann ich das Jahr 2014 noch so optimistisch und voller Ziele…“

Naja, wie auch immer es dieses Jahr für mich laufen wird, mir ist bewusst, dass ich selbst dafür verantwortlich bin. Ich kann selber entscheiden, welchen Weg ich einschlage, wofür ich mich einsetze, wie ich mit den Situationen umgehe, die mir wiederfahren.

Ich weiß noch wie ich Silvester 2013 auf das neue Jahr anstieß und dachte „wow, keine Ahnung, wo ich mich in einem Jahr befinde und wie und mit wem ich dann ins neue Jahr reinfeiere.“ Ein irgendwie beunruhigender, aber vor allem aufregender Gedanke.

Irgendwas scheine ich im Verlauf der letzten 12 Monate auf jeden Fall richtig gemacht zu haben (und eine große Portion Glück war auch dabei), denn das Jahr 2014 hat so angefangen, wie es sein sollte – chaotisch, lustig und aufregend.

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Nachdem ich etwa eine Woche zuhause war, viele Freunde wiedersehen und endlich wieder die Nervigkeit (und einige positive Eigenschaften) meiner Familie erleben konnte, ging es am 31. Dezember mit meinen besten Freundinnen Hannah und Rosa zurück nach Ungarn zum „Silvesterfest in Budapest“, wie Aliena das Ganze liebevoll titulierte. Zusammen mit ca. 20 anderen Freiwilligen und Freunden wurde in ihrer Wohnung mit Blick auf Donau, Margaretenbrücke und Parlament mit Luftschlagen, Vuvuzelas, Speis und Trank in das neue Jahr hineingefeiert. Später ging es ins Corvintetö, einen Club, den ich schon von unserem letzten Budapest-Besuch kannte, und in dem wir bis zum Morgen rumtanzten. Die Rückfahrt zum Hostel gehört nicht zu einen meiner Meisterleistungen: Am nächsten Morgen fand ich heraus, dass wir mit dem Bus, in den wir einfach mal eingestiegen war, genau eine Runde im Kreis gefahren sind, bis ich irgendwann ausstieg, weil mir der Name der Haltestelle so bekannt vorkam – komisch, es war ja schließlich dieselbe Haltestelle wie die, bei der wir eingestiegen sind. Danach fand ich mein Hostel glücklicherweise ohne Probleme und war nur mit dem Klingel- und Tür-aufdrück-System minimal überfordert. Das ist aber auch schwierig bei den alten Häusern in Budapest mit ihren komischen Freisprechanlagen!

Die nächsten Tage verbrachte ein Großteil der anderen Freiwilligen, meine beiden Freundinnen und ich noch in Budapest. Wir fuhren Schlittschuh auf einer riesigen Eislaufbahn direkt vor dem Vajdahunyad-Schloss, entspannten uns in den riesigen heißen Außenbecken des Széchenyi-Bads, gingen shoppen und, nachdem wir uns von der Silvesternacht halbwegs erholt hatten, noch einmal in einem sehr coolen Club namens „Instant“ feiern, hingen in tollen Cafés und Bars rum, die Aliena uns zeigte, und besuchten die Budapester Oper. Obwohl wir von der Oper nicht so richtig viel verstanden (Gesang auf italienisch, Untertitel auf ungarisch) war das ein beeindruckendes Erlebnis. Von unseren Plätzen aus hatten wir zwar nicht die beste Bühnensicht (bei Kartenpreisen von 300 Ft, also einem Euro, ist das aber verzeihbar), aber die pompöse Innenausstattung der Oper bot schon genug zu sehen. Ich habe mich gefühlt wie eine Adlige in einer Szene aus „Krieg und Frieden“ oder irgendeinem anderen der alten russischen Romane, die mein Papa so gerne liest. Nur Ballkleid und Fernglas zum Beobachten der anderen Operngäste haben gefehlt.

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Sonntag den 5. Januar ging es dann wieder zurück nach Pécs, denn Montag sollte die Schule wieder anfangen. Nach vollgepackten Tagen in Deutschland und der ereignisreichen Zeit in Budapest musste das entstandene Schlafdefizit erstmal wieder durch riesige Mittagsschläfe kompensiert werden. Ansonsten nervte ich meine Schüler, indem ich sie über ihr Weihnachten und Silvester ausfragte und sie gute Vorsätze fürs neue Jahr formulieren ließ. Ich habe da natürlich mitgemacht. Dabei ist meine Vorsatz-Top-3 entstanden:

  1. Weniger essen, mehr Sport treiben -> noch nicht so richtig geglückt…

  2. Weniger unproduktiv rumgammeln, mehr reisen und neue Dinge erleben -> da gibt es immerhin schon jede Menge Pläne für die nächsten Wochenenden!

  3. Aufhören, wichtige Dinge (z.B. Unterrichtsplanung, Wohnung putzen oder mein Freiwilligenprojekt) vor mir herzuschieben -> kein Kommentar.

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Außerdem besuchten wir den Freiwilligen Julius in der verschlafenen aber schönen Kleinstadt Baja und ich sah bei der Bandweihe-Zeremonie unserer Schule zu. Hierbei kriegen die Zwölftklässler von ihren Klassenlehrern feierlich ein Band an ihre Pullis geheftet, das aussieht wie eine AIDS-Schleife, aber zeigen soll, dass die Schüler jetzt zum Abitur zugelassen sind. Außerdem werden Reden gehalten und die Klassen führen einen eigenen Tanz auf. Ich habe zwar nicht ganz verstanden, was die Schüler eigentlich feiern (ihr Abitur haben sie ja schließlich noch nicht), aber es war trotzdem eine ganz witzige Veranstaltung, die mich irgendwie an unsere Abiturzeugnisvergabe erinnert hat. Ich bin sogar ein bisschen wehmütig geworden. Die Abizeit war schon cool. Und obwohl das alles noch gar nicht so lange her ist habe ich das Gefühl, hier unendlich weit weg davon zu sein. Mein Besuch zuhause und die vielen vertrauten Menschen haben alles wieder ein bisschen aufleben lassen.

Trotzdem ist es mir leicht gefallen, zurück in den Flieger nach Ungarn zu steigen. Ein gutes Zeichen, denke ich, das zeigt, dass ich hier noch lange nicht fertig bin. Es gibt noch viel zu erleben in den nächsten 7 Monaten. Und darauf freue ich mich.

Dezember.

„Boldog karácsonyt és új évet“ kommt es quasi fließend über meine Lippen und ich bin ein bisschen stolz auf mich, während ich meine Lehrerkollegen mit den zwei puszi (Küsschen) auf beide Wangen verabschiede. Es ist Freitag, der 20. Dezember, der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien ist überstanden und nach dem traditionellen Fischsuppe-Essen gehen auch die Lehrer auseinander. Für mich steht in den Weihnachtsferien ein kurzer Zuhause-Urlaub auf dem Programm: Pünktlich zum Abglühen auf dem Weihnachtsmarkt werde ich wieder in Bonn sein und all die Menschen wiedertreffen, die ich vor ziemlich genau 3 Monaten dort verabschiedet habe. Die erste Etappe meines Freiwilligendienstes ist um.

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Meine Arbeit in der Schule macht mir immer noch Spaß und ist auch ziemlich abwechslungsreich. Besonders lieb habe ich ‚meine‘ Erstklässler, die inzwischen alle schon richtig gut Deutsch sprechen können. Jeden Tag werde ich von ihnen mit stürmischen Umarmungen und einem enthusiastischen „Guten Taaag, Mascha!“ begrüßt, bei Bastelarbeiten bin ich die Hifskraft ihres Vertrauens und wenn ich neue Ungarisch-Vokabeln an den Kindern ausprobieren, wird die frohe Botschaft innerhalb weniger Sekunden bis in die hintersten Winkel der Klasse verbreitet („Mascha beszel magyarul! Mascha beszel magyarul!“). Beim Weihnachtswichteln wurde ich nicht nur von meinem Wichtelkind sondern gefühlt von der halben Klasse mit selbstgebackenen Keksen versorgt, was ich sehr süß fand.

Auch die Lehrer verschenken in der Weihnachtszeit sehr gerne Süßigkeiten. In den letzten Wochen habe ich auf meinem Tisch im Lehrerzimmer so oft Kekse, Kuchen oder Schokolade gefunden, dass ich den fehlenden Adventkalender kaum vermisst habe. Und wenn ein Lehrer Namenstag oder Geburtstag oder die Schulleiterin ein Schwein geschlachtet hat (was letzten Mittwoch der Fall war) gibt es noch mehr Essen für umsonst.

Das kulinarische Highlight der letzen Zeit war jedoch eindeutig die schon am Anfang erwähnte Fischsuppe, die traditionell zu Weihnachten gegessen wird. Hierbei werden  Fische und scharfe Paprikas zusammen mit Knoblauch, Zwiebeln, Tomatensoße, Rotwein und jede Menge Paprikapulver in einem Kessel von der Größe einer Babybadewanne erhitzt. Mit der Zerkleinerung von Fisch und Paprika müht man sich dabei gar nicht erst ab: Gräten, Fischköpfe und anderes ungenießbares Zeug werden einfach beim Essen herausgefischt. Dazu gab es Wein und selbstgebrannten Palinka – mein Widerwillen gegen letzteres aufgrund der Uhrzeit (mittags!) stieß bei den ungarischen Hausmeistern leider auf kein Verständnis.

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Ansonsten stand bei den Zwölftklässlern die DSD-Prüfungen an: Schriftliche Arbeiten, Hörverstehensübungen und eine mündliche Prüfung mussten überstanden werden, um das Deutsche Sprachdiplom zu erhalten – ich erhielt die anspruchsvolle Aufgabe, Blätter zu sortieren, zu tackern und einzuscannen. Außerdem hielt ich in der 10. Klasse eine Unterrichtsreihe zum Thema Jugendsprache in Deutschland, versuchte die Schüler für Musik von Peter Fox zu begeistern und verbrannte mir die Finger beim Adventskranz-Basteln auf der Weihnachtsfeier. In meinen Freistunden versuche ich im Lehrerzimmer Gespräche zwischen meinen Kollegen zu verstehen – dabei schnappe ich immer mehr bekannte Wörter auf und wenn mir genug Zeit zum Nachdenken gelassen wird, kann man sich auch schon richtig gut mit mir unterhalten („Wir sind in der Schule. Das ist ein Stuhl. Dort sind die Fenster. Du bist ein Lehrer. Ich esse eine Orange.“)

An den Wochenenden haben Anti, Jacqueline und ich den Pécser Weihnachtsmarkt samt Nachtleben unsicher gemacht (wobei ich beim Tanzen mit einem Lehrer unserer Schule von meinen Schülern beobachtet wurde. Diese interessieren sich jetzt brennend für die ganze Sache und erfinden jede Menge Gerüchte – na toll) und wir waren für einen Tag in Szeget, einer sehr schönen Universitätsstadt knapp 200 östlich von Pécs.

Zum Abschluss vielleicht noch etwas zum Wetter, denn das Wetter ist ja immer eine interessante Sache.

Hier ist es inzwischen relativ kalt geworden (um die 0° C), dafür ist das Wetter meistens richtig gut. Es hat schon seit Wochen nicht mehr geregnet und es scheint fast jeden Tag die Sonne – so lässt sich der ungarische Winter gut überstehen! Wenn mir zu kalt wird, brauche ich nur ein bisschen mit meiner riesigen Heizung zu kuscheln, die ursprünglich mal ein Kachelofen war. Je weiter man sich jedoch von der Heizung weg in Richtung Fenster bewegt, desto mehr gleicht sich die Zimmertemperatur der Temperatur draußen an – der Schreibtisch am Fenster ist daher als Arbeitsfläche im Moment nicht wirklich nutzbar, aber im Bett lässt es sich auch super Unterricht vorbereiten.

Jetzt heißt es jedoch erstmal „Viszontlátasra, Magyaroszag“ und „Szia, Bonn“. Ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu fahren, wo ich mich doch hier auch so zuhause fühle.

Schule / Ferien.

Vertretungsstunde in einer 10. Klasse, Aufgabe: Arbeitsblatt mit Übungen zur Passivbildung besprechen. Schüler, die morgen eine Arbeit in genau diesem Thema schreiben. Kein Problem für die Muttersprachlerin, sollte man meinen. „Im Krankenhaus darf man nicht rauchen“ wird zu „Im Krankenhaus darf nicht geraucht werden“ und aus „Das Konsulat hat mir das Reisevisum ausgestellt“ wird „Mir ist vom Konsulat ein Reisevisum ausgestellt worden“. Soweit kein Problem. Bei „Der Arzt hat dem Patienten nicht mehr helfen können“ wird es jedoch kompliziert. Nachdem ich den Satz „Dem Patienten hat vom Arzt nicht mehr geholfen werden können“ mit Überzeugung für falsch befunden habe, regen sich in der Klasse Proteste. Das hätten sie aber so gelernt. Ich bin verwirrt. Was ist mit „Dem Patienten konnte nicht mehr geholfen werden“? Klingt doch viel richtiger. Die Lehrerin meint, das ist „Küchendeutsch“, wird mein Vorschlag von den Schülern runtergemacht, der Satz steht dann nämlich in der falsche Zeit. Jetzt fangen sie an, mich über Perfekt und Präteritum zu belehren. Gottseidank ist die Stunde bald zuende und die Küchendeutsch sprechende Muttersprachlerin verlässt den Raum etwas durcheinander im Kopf. Und sowas auch noch am ersten Schultag.

Hier waren nämlich letzte Woche Herbstferien, und diese wurden mir mit einem Besuch meiner Familie versüßt. Stolz konnte ich ihnen mein neues Zuhause zeigen, das meine Mutter als „schön, aber ein bisschen schmuddelig“ befand, „und die Fenster solltest du auch mal putzen!“, wir bestiegen einen kleinen Berg am Stadtrand, auf dem sich eine süße kleine Kapelle und eine gruselige Jesusfigur am Kreuz befindet, und wir gingen essen, ohne dass ich irgendetwas bezahlen musste – Familienbesuche sind super!

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Da meine Familie mit dem Auto gekommen war, konnten wir auch die Umgebung um Pécs herum erkunden. Im Vergleich zu den kleinen verschlafenen Dörfern im Umland kommt mir Pécs jetzt wie eine richtige Metropole vor.

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Schließlich waren wir noch ein paar Tage am Balaton auf der Halbinsel Tihany. Weil Nebensaison war, schienen die Dörfer und Städte um den Balaton herum total ausgestorben – um 7 Uhr abends waren die liebevoll sanierten, von kleinen Restaurants und Geschäft gesäumten Straßen und Plätze, die im Sommer von unzähligen Touristen bevölkert werden, wie ausgestorben. Einmal waren wir um 5 Uhr nachmittags essen (eine ungewöhnliche Zeit, ich weiß), und als wir um kurz nach 6 wieder aus dem Restaurant traten, wurden hinter uns Türen geschlossen und Fensterläden runtergeklappt – es wurden wohl keine Gäste mehr erwartet.

Trotzdem (oder gerade deswegen?) fand ich es am Balaton total schön. Wir haben eine lange Wanderung auf der unter Naturschutz stehenden Halbinsel gemacht (kleine Seen, Schilf, Berge, Klippen, Bäume und Boden voller bunter Blätter) und schwammen in einem Nebensee des Balatons, der aufgrund einer heißen Quelle durchgehend Temperaturen von 25 bis über 30°C aufweist.

Und dann waren die Ferien auch schon wieder zuende.

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Am 23. Oktober, in der Woche vor den Herbstferien, war ungarischer Nationalfeiertag aufgrund eines Volksaufstandes im Jahre 1956. An diesem Tag protestierten viele Ungarn gegen das kommunistische System und die Unterdrückung durch die sowjetischen Besatzungsmacht. Der Protest endete jedoch blutig und der Freiheitskampf der Ungarn wurde durch den Einsatz der sowjetischen Armee unterdrückt und beendet.

Am Tag vor dem Nationalfeiertag fand daher eine kleine Feier in meiner Schule statt, in der das Geschehene schauspielerisch nachgestellt wurde. Auch die traurig und schwergängig klingende Nationalhymne wurde gesungen. An diesem Tag habe ich das erste Mal etwas von der Melancholie und Depression gespürt, die dem ungarischen Volk aufgrund seiner vielen verlorenen Kriege, der Unterdrückung und Dezimierung durch andere, und nicht zuletzt aufgrund seiner Armut- und Wirtschaftsprobleme nachgesagt wird.

Oder auch aufgrund der Dunkelheit. Diese bricht mittlerweile immer schon gegen halb 5 Uhr nachmittags ein, und Lehrerkollegen haben mich vorgewarnt, dass es hier im Dezember schon um 4 Uhr stockduster ist. Na super.

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Jetzt noch einige völlig unzusammenhängende Beobachtungen, die ich in den letzten Wochen machen konnte. Diese Beobachtungen sind subjektiv und können daher nicht verallgemeinert werden.

  1. In Ungarn knutscht man in der Öffentlichkeit. Immer und überall. Entweder die Leute finden das cool oder sie haben keinen Ort, an dem sie ungestört rumknutschen können, das habe ich noch nicht herausgefunden.
  2. Überall gibt es Sauerrahm, aber nirgendwo gibt es Sahne.
  3. Es ist super, jeden Tag in einer 1. Klasse im Unterricht mitzuhelfen: Ständig hat jemand Geburtstag und es gibt Muffins, Kuchen und Torte. 
  4. Wenn Ungarn etwas megacool finden sagen sie nicht megacool sondern kürbiscool.
  5. Ungarns geringe Größe lässt sich super durch möglichst umständliche Wegstreckenführung im öffentlichen Personenverkehr kompensieren – dachten sich die Chefs von Bus und Bahn und lassen eine Strecke von 130 km 4 1/2 Stunden dauern.
  6. Ich besitze jetzt eine Paprikapflanze, und das finde ich kürbiscool! Ich habe sogar schon eine kleine Paprika geerntet und sie in mein Essen gemischt – und die kleinen Stückchen beim Essen wieder herausgefischt, weil sie einfach VIEL ZU SCHARF waren!
  7. Langos schmeckt leckerer als es aussieht, der ungarische Palinka ist dagegen schwer aushaltbar. Ich bleibe wohl doch lieber beim stadteigenen Pécsi-Bier.
  8. Ungarische Busfahrer scheinen sich der Länge ihrer Fahrzeuge nicht immer bewusst zu sein, oder es macht ihnen Spaß, unschuldige Fahrradfahrer weg vom befahrbaren Teil der Straße in die Schlaglöcher des Straßenrandes zu drängen. Ich als Amos-Absolventin lasse mich davon natürlich nicht abschrecken.

Das war es erstmal wieder an Berichtenswertem. Ich hoffe es geht allen Menschen gut, die das hier lesen. Ich hoffe natürlich auch, dass es allen anderen Menschen gut geht. Jetzt noch ein paar Sankt-Martins-Lieder für den morgigen Unterricht in der 1. Klasse einstudieren, yeah!

Eindrücke / Alltag.

 Es ist Mittwoch, ich lebe schon seit 1 1/2 Wochen im ungarischen Städtchen Pécs, und ich kann es nicht weiter aufschieben: WÄSCHEWASCHEN steht an. Nach E-Mail-Austausch mit meiner Mama, langen Gesprächen mit meinen Mitfreiwilligen und der Hilfe von zwei ungarischen Schülerinnen, die mir den Knopf für „viele Farben“ zeigten, sitze ich jetzt in meinem Zimmer im Schülerwohnheim und warte gespannt auf das Ergebnis meiner ersten selbst-in-die-Waschmaschine-gesteckten Wäsche – fast ein bisschen peinlich, das zuzugeben, aber dafür habe ich bestimmt andere weit entwickelte haushältnerische Qualitäten!

Auch Einkaufen, Kochen und Aufessen, ohne dass irgendetwas fehlt oder schlecht wird, entpuppt sich als logistische Herausforderung des Alltags. Aber ich komm schon klar.

Die Umstellung vom Gar-nichts-tun der letzten Monate zurück zum Schulalltag fällt mir zugegebenermaßen nicht ganz leicht. Ich weiß jetzt wieder wie es ist, sich morgens um halb 7 aus dem Bett zu quälen, und ich habe dieses Gefühl nicht vermisst. Auch ‚Hausaufgaben‘ gehören insofern wieder zu meinem Tagesablauf, als dass ich Unterricht vorbereiten und Aufätze korrigieren muss. Ich weiß gar nicht wie ich das 13 Jahre lang ohne den mehrstündigen Mittagsschlaf, den ich mir hier angewöhnt habe, geschafft habe.

Insgesamt kann ich mich aber nicht beklagen: Ich habe auf meinem Stundenplan pro Tag durchschnittlich nur 3 Stunden Unterricht, von denen ich die meisten in der 1. Klasse verbringe. Die Kinder werden ganz auf Deutsch unterrichtet, was teilweise sehr gut klappt, weil sie die Sprache schon von zuhause oder aus dem Kindergarten kennen. Es gibt aber auch Kinder, die noch gar kein Deutsch können und entsprechend überfordert sind, und denen soll ich im Unterricht ein bisschen unter die Arme greifen – nicht ganz einfach, wenn sie mich nicht verstehen und ich sie ebensowenig, aber es macht auch jede Menge Spaß. Die Erstklässler scheinen mich wirklich zu mögen, zumindest werde ich mit jede Menge Oberschenkelumarmungen beglückt, aber vielleicht sind alle auch nur hinter meiner Einhornkette her.

Außerdem kriege ich jeden Tag 7.- und 8.-Klässler zugeteilt, mit denen ich in Kleingruppen für ihre DSD-Püfung (Deutsches SprachDiplom) lernen soll. Hier besteht die Schwierigkeit darin, die Jugendlichen zum Reden zu bringen, da Partner- und Gruppenarbeit in ungarischen Schulen wohl nicht besonders verbreitet ist und nicht alle Schüler zu verstehen scheinen, dass man dabei miteinander kommunizieren muss. Ich habe mir aber jetzt ein MEGA kreatives Spiel ausgedacht, bei dem die Schüler Kärchen ziehen und die darauf stehenden Aufgaben bewältigen müssen (z.B. ‚Beschreibe einen Mitschüler, die anderen müssen erraten wen du meinst‘), damit klappt alles gleich viel besser.

Abgesehen von den festgelegten Stunden übernehme ich ab und zu mal Vertretungsunterricht oder Aufsicht und korrigiere Aufsätze, außerdem helfe ich ab nächster Woche bei der deutsch-sprachigen TheaterAG mit.

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Auch außerhalb der Schule ist hier immer was los: Neben den eben schon erwähnten Haushaltsabenteuern treffe ich mich unter der Woche oft mit meinen Mitfreiwilligen hier in Pécs, und wir kochen zusammen (oder auch: Kilian kocht, die anderen sitzen in der Küche rum). Am Wochenende waren wir mit anderen Freiwilligen vom Euopäischen Freiwilligendienst auf dem nächsten Weinfest hier in Pécs, es gab einen von Studenten organisierten Karnevalsumzug mit jeder Menge lauter Musik und alkoholisieren, auf der Straße tanzenden Menschen, und drei Studentinnen haben mir den jeden Sonntag stattfindenden Flohmarkt gezeigt. Dort habe ich mir ein klappriges, aber wunderschönes Fahrrad gekauft – es sieht so aus wie mein Punktefahrrad, nur ohne Punkte, falls sich da noch jemand dran erinnern kann. Bei jedem Schlagloch habe ich ein bisschen Angst, dass es einfach auseinanderfällt (betrachtet man die Anzahl der Schlaglöcher hier befinde ich mich also in permanenter Gefahr), aber bis jetzt ist alles gut gegangen.

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Was ich sonst noch so gelernt habe:

  1. Ungarisch ist eine schwierige Sprache mit langen Wörtern: ‚Prost‘ heißt zum Beispiel ‚egészségére‘ – ich frag mich wer das nach mehreren Gläsern Palinka noch ausprechen kann. Vielleicht um solche Worte zu kompensieren scheinen die Ungarn eine Vorliebe für Spitznamen zu haben, die ähnlich klingen wie die Zwergennamen aus ‚Der kleine Hobbit‘. Meine Lehrerkollegen heißen unter anderem Ricci, Erzsi, Joszi und Audri, die Schüler werden Tibi, Jombi, Buggi, Gobbi usw genannt.

  2. Ungarn haben eine Vorliebe für sehr laute, nervige Klingeltöne (zumindest kommt mir das so vor): Anstatt eines Schulgongs wird jeden Tag in gehörbelastendem Pieps-Sound „Freude schöner Götterfunken” abgespielt, die Türklingel in Kilians und Jacquelines Wohnung erfreut einen mit „Für Elise”, ebenfalls in schrillen Pieps-Tönen, und im Lehrerzimmer erschrickt niemand, wenn auf einmal ein Handy in höchster Lautstärke das „Fluch der Karibik”-Theme bimmelt.

  3. In Ungarn sind alle Menschen so nett und hilfsbereit! Gut, das ist vielleicht ein bisschen verallgemeinert. Aber zumindest auf meine Schule trifft es zu. Am Wochenende habe ich mir eine Erkältung eingefangen und als ich Montag morgen die anderen Lehrer mit ziemlich heiserer Stimme begrüßte, wurde ich sofort mit Angeboten wie „Soll ich mit dir zum Arzt fahren?” oder „Ich kann dir Medikamente besorgen!” überhäuft. Am selben Tag habe ich den Hausmeister des Schülerwohnheims gefragt ob er Werkzeuge hat, mit denen ich den Sattel meines Fahrrads verstellen kann. Er mobilisierte sogleich einen Werkzeugkasten mit dazu passendem Typ, der mir meinen Sattel auf die richtige Höhe schraubte. Einen Tag später kam der Physik- und Chemielehrer in der Schule mit dem Satz „Ich habe meinen Werkzeugkasten dabei, soll ich mir nachher mal dein Fahrrad ansehen?” auf mich zu.

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Tja, ich denke das wars erstmal an spannenden neuen Geschichten ausm Osten. Mal schauen, was aus meiner Wäsche geworden ist.