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Mein Heimatland

Ende / Anfang.

Hallo.

Das hier wird wohl mein letzter Blogeintrag auf dieser Seite, denn mein Freiwilliges Soziales Jahr mit dem Dienst Kulturweit ist nun endgültig zuende.

Ich bin bereits seit Anfang August wieder in Deutschland und habe mich schon fast wieder eingelebt. Fast. An die hiesigen Bier- und Eintrittspreise kann ich mich noch nicht so ganz gewöhnen. Mir fehlt das Pécsi Est Café und Mitsingen zu ungarischer Musik, das Csinos und die Nappali-Bar direkt unter unserer Wohnung. Mir fehlen Fröccs und Kater-Langos. Mir fehlt der Sonntagsmarkt, auf dem man alles findet, was man gerade nicht sucht, und die 2nd-Hand-Läden, in denen man Klamotten zu Cent-Preisen kaufen kann. Mir fehlt meine idyllische Jogging-Route durch den Wald und an der Kapelle vorbei, von der aus man den schönsten Ausblick auf die Stadt hat. Mir fehlt das ständig jemanden treffen, den man kennt, und Abhängen mit Freiwilligen, denen es genauso geht wie einem selbst. Irgendwie vermisse ich auch den Sonderstatus, den ich als Deutsche so oft verliehen bekommen habe: Ein gesteigertes Interesse an meiner Person, Freude darüber, dass ich mich in ihrem Land befinde, Begeisterung bei meinen Bemühungen, mich auf Ungarisch zu verständigen, Stolz beim Vorführen der eigenen Deutschkenntnisse. Ich vermisse Ungarn, ich vermisse Pécs.

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Nachdem Anti und ich einen Monat lang durch alle möglichen Länder Europas gereist waren, blieb mir noch eine Woche in Pécs, um meine Sachen wieder neu zu packen, ein letztes Mal all die oben erwähnten Dinge zu genießen und Abschied zu nehmen. Diese letzte Woche fühlte sich komisch an. Die meisten anderen Freiwilligen waren schon wieder zuhause, meine Mitbewohnerinnen und alle anderen Studenten ebenfalls, die Schule war geschlossen – es gab nur wenig zu tun und vielleicht war das gut so, denn das hat es mir leichter gemacht, den endgültigen Rückweg anzutreten.

Der Rückweg: War total chaotisch und verrückt wie mein gesamtes Jahr in Ungarn – ich hätte mir keinen besseren Abschluss vorstellen können.Weil ich mein ganzes Gepäck unmöglich alleine hätte transportieren können (wie haben das eigentlich die aus Südamerika gemacht?), wollte ich per Mitfahrgelegenheit zurück nach Deutschland reisen. Dafür musste ich mich auf der ungarischen Mitfahrgelegenheits-Website anmelden und dort mit der Mitfahrgelegenheit auf ungarisch Kontakt aufnehmen – schon eine Challenge für sich. Als weitere Schwierigkeits-Upgrades kamen hinzu, dass ich in der letzten Woche kein Handy mehr besaß und unsere Türklingel erst noch gefunden werden muss. Außerdem ließ sich mein Mitfahrer Zeit mit der Benachrichtigung, um wie viel Uhr es denn eigentlich losgehen sollte.

Als ich am Tag der Abreise gegen halb 10 erwachte (kein Handy = kein Wecker) und meine Emails checkte, wusste ich dann Bescheid: Um 7 Uhr morgens hatte mein Fahrer geschrieben, dass er zwischen 10 und 11 bei mir vorbeikommen würde. Aufgrund plötzlich auftretenden Zeitmangels mussten Dusche und Butterbrote-Schmieren leider ausfallen. Gottseidank hatte ich sonst alles schon so weit gepackt, sodass ich fast pünktlich und in Schweiß gebadet mit meinen 2 riesigen schweren Koffern und den Taschen mit Bettzeug an unserer Eingangstür stand. Nur: Meine Mitfahrgelegenheit stand dort nicht. Und ohne Handy konnte ich ihn ja auch nicht anrufen.

Also sprintete ich wieder in den ersten Stock, schmiss den Computer meiner Mitbewohnerin an, klickte mich durch gefühlt eine Millionen ungarischer Seiten, bis ich die Handynummer fand, schrieb diese heraus, rannte wieder hinunter, an meinem Gepäck vorbei, das unbeaufsichtigt in der Eingangshalle unseres Wohnblocks herumstand, ins Nappali, unsere Hausbar, hinein, und schrie die Kellnerin an, ob sie nicht ganz schnell mit ihrem Handy diese Nummer anrufen könnte denn das ist meine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland die leider weder Deutsch oder Englisch spricht und eigentlich hätte sie schon vor 20 Minuten hier sein sollen aber sie ist nicht gekommen und ich habe kein Handy um anrufen zu können und abgesehen davon kann ich nicht gut genug ungarisch um mich mit ihr verständigen zu können!

Gottseidank kannte die Kellnerin meine organisierte und reflektiere Art schon (unter anderem  hatte ich in den letzten Tagen aus Versehen ihr unabgeschlossen im Treppenhaus stehendes Fahrrad benutzt, weil ich dachte es wäre meins, und in der Überzeugung, ich hätte meine Tasche verloren, alle Kellner in die Suche involviert, bis die Tasche wieder dort auftauchte, wo ich sie auch abgestellt hatte – verrückt!) und rettete mir ein weiteres Mal das Leben. Anscheinend hatte meine Mitfahrgelegenheit ein paar Straßen weiter gewartet, weil meine Straße eine Anliegerstraße war, in die er nicht reindurfte.

Nachdem wir uns also gefunden hatten, mein Gepäck in dem Kleinbus für 12 Personen verstaut war, ich hinter den beiden Fahrern ohne Fremdsprachenkenntnisse Platz genommen hatte und wir die letzten Straßen von Pécs langsam hinter uns ließen, hatte ich schließlich Zeit für ein bisschen Emotionalität. Mein iPod spielte melancholische Musik, ich blickte zurück in Richtung Stadtkern und meine Augen füllte sich mit Tränen. Das war’s wohl jetzt. Tschüss, Pécs, es war wunderschön mit – doch dann machten wir ein ziemlich ruckartiges Bremsmanöver, einen abenteuerlichen U-Turn und fuhren wieder zurück in Richtung Stadt. Hää?
Meine beiden Fahrer hatten wohl beinahe das Kaffeedate mit ihrem Kumpel, vergessen, einem Gebrauchtwagenhändler, der mir erklärte, dass „Auto scheiße“ sei. Hát, nem baj. Macht nichts.

Nach dem Kaffee und einem netten Plausch, von dem ich leider nur die regelmäßig auftauchenden Worte „bazdmeg“ (fick dich) und „curva“ (Hure) aufschnappen konnte, ging es dann endlich richtig los. Wir fuhren, sammelten eine weitere Mitfahrerin ein, fuhren weiter, hielten bei Mc’s, fuhren noch ein Stück, und waren auf einmal am Balaton (der größte See Mitteleuropas, oder auch: Das ungarische Meer). Merkwürdig. Der lag doch gar nicht auf unserer Route!

Noch mehr Leute wurden eingesammelt, während wir den See einmal komplett umrundeten (ganz nett, aber warum bloß?). Es war ein unglaublich heißer Tag und wir schwitzten alle. Inzwischen entstanden aber lebhafte Gespräche zwischen den Mitfahrern, in die auch ich involviert wurde, sodass die Stunden wie im Flug vergingen. Es war inzwischen Abend geworden, und dann – erreichten wir Budapest. Wir hatten gerade 7 Stunden für eine Strecke gebraucht, die man auch in 1 1/2 Stunden hätten bewältigen können. Jetzt nur nicht den Glauben an eine noch in diesem Jahr stattfindende Ankunft in Deutschland verlieren…

In Budapest füllte sich unser Minibus dann komplett. Soweit ich das richtig verstanden habe, wollten alle Mitfahrer über den Sommer in Deutschland arbeiten und freuten sich riesig auf dieses Abenteuer. Handymusik schallte aus der letzten Busreihe, alle riefen durcheinander und mir, der Deutschen, wurden im Eiltempo noch stolz die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Budapests präsentiert (Hier, Burg! Da, Parlament! Gut, oder? Schön Budapest!). Dass ich all diese Dinge schon des öfteren gesehen hatte, da ich mich während meines Ungarn-Jahres oft in Budapest aufgehalten hatte, schien meine aufgedrehten Mitfahrer nicht zu interessieren.

Dann wurde noch einmal ein Großeinkauf bei Tesco abgehalten (schließlich gibt es in Deutschland keine guten ungarischen Paprikas und kein Túró Rudi) und gegen 10 Uhr abends passierten wir tatsächlich die österreichische Grenze.

In Köln kamen wir schließlich gegen 8 Uhr am nächsten Morgen an. In der Nacht hatten wir uns alle aneinandergekuschelt, wobei mein Sitznachbar bestrebt war, dass ich es besonders bequem hatte. Ich bekam seine warme Jacke, seine Schulter zum Anlehnen, und wenn ich etwas aus Höflichkeit ablehnen wollte oder ihm anbot, dass er sich doch irgendwie auch an mich lehnen konnte, tat er dies mit einer energischen Handbewegung ab. Bei dieser Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kann man die Ungarn nur lieb haben! Ich hoffe wirklich, dass meine neuen ungarischen Freunde während ihrer Zeit in Deutschland mit dem kleinen Prozentsatz der Deutschen in Kontakt gekommen sind, die genauso nett und aufopferungsbereit sind.

Verabschiedet wurde ich mit Umarmungen und Facebook-Freundschaftsanfragen. Dann verließ der kleine schrottige Minibus mit dem Rest Ungarn, das mir noch geblieben war, den Parkplatz am Kölner Hauptbahnhof und ich war wieder in Deutschland.
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Es war ein schönes Gefühl, meine kleinen, inzwischen aber unglaublich groß gewordenen Brüder, meine Mama, meinen Papa, meinen Stiefvater, meine Katze und meine Freunde wieder in die Arme schließen zu können. Es fühlt sich gut an, wieder in Deutschland zu sein, jeden auf der Straße verstehen und mit jedem ein Gespräch anfangen zu können, jederzeit ein Familienmitglied zum Sprechen und einen vollen Kühlschrank zum Essen zu haben. Ich habe mich gleich wieder herzlich aufgenommen gefühlt und mein Leben ist ohne große seelische Krise weitergegangen. Ich hatte, seitdem ich wieder hier bin, kaum Langeweile. Ich habe alte Freunde wiedergetroffen und mich um den Start in mein neues Leben als Studentin gekümmert. Als ich Anfang August nach Hause gekommen bin, wusste ich noch nicht zu 100%, wie es jetzt weitergehen würde. Nun, einen Monat später, ist alles so gekommen, wie ich mir den Idealfall ausgemalt habe: Ich wurde zum Wintersemester für den Studiengang Druck- und Medientechnik in Berlin angenommen und habe auch schon ein WG-Zimmer in Kreuzberg, in das ich nächste Woche einziehen kann, damit ich an den Vorkursen teilnehmen kann. Ich freue mich auf diesen neuen Abschnitt, weil ich weiß, dass mit dem Ende meines Ungarn-Jahres der Anfang von etwas Neuem einhergeht.

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Trotzdem können meine Erfahrungen, die ich in den letzten 12 Monaten gemacht habe, durch nichts ersetzt oder überspielt werden.

Auch wenn ich noch so viel berichte, wird niemand außer mir selbst das verstehen können, was ich in den letzten 12 Monaten gedacht, gesehen und gelebt habe.

Meine 12 Monate in Ungarn waren mit nichts aus der Vergangenheit vergleichbar, und ich werde sie auch mit nichts in der Zukunft Liegendem vergleichen können.

Auch wenn bald so viel Neues auf mich zukommen wird, werden meine Erfahrungen und Erlebnisse aus den letzten 12 Monaten so bleiben, wie sie waren: unbeschreiblich. Und nichts kann mir sie wieder nehmen.

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Zum Schluss möchte ich nochmal einer Menge Menschen meinen Dank aussprechen, auch wenn die meisten das hier wahrscheinlich nicht lesen werden. Ich danke allen Voran der Organisation Kulturweit und allen dort Beteiligten, für alles, was sie getan haben, um mir ein tolles und lehrreiches Jahr im Ausland zu ermöglichen. Ich danke den anderen Freiwilligen für den Spaß, den ich auf den Seminaren hatte, für Schlafpätze, Besuche und gemeinsame Ausflüge, für die tollsten Gespräche und die verrücktesten Erlebnisse – ganz ehrlich, wir müssen uns alle unbedingt wiedersehen! Insbesondere danke an meine liebsten Pécsis für die harmonische Zeit, die wir miteinander erleben konnten. 😛 Ich danke allen Lehrern an meiner Schule, insbesondere meiner Ansprechpartnerin Erzsi, für die herzliche Aufnahme am Koch-Valéria-Schulzentrum, und meinen Schülern fürs manchmal still sein, manchmal sich beteiligen und immer mich zum lachen bringen. Ich danke meinen Mitbewohnerinnen für Tipps, Gespräche, Nachsicht beim Putzplan-Einhalten und das mich-zu-coolen-Partys-mitnehmen-und-mich-anderen-Studenten-vorstellen. Ich danke allen Menschen, mit denen ich Nächte durchgetanzt und Abenteuer erlebt habe. Ich danke Erika, unserer Ungarisch-Lehrerin! Ich danke allen Busfahrern und Leute, die mir den Weg gezeigt haben. Ich danke meiner Mama und Carla fürs sich immer geduldig meine Geschichten anhören, und ich danke allen Leuten, die meine Blogeinträge gelesen haben.

Und jetzt danke ich noch allen anderen Menschen auf dieser Welt, weil ich Angst habe, jemanden vergessen zu haben und weil das Sich-Bedanken echt total Spaß macht! Ihr könnt es ja selber ausprobieren.

„… Natürlich verändert es mein Leben.“

Jahreswechsel.

Wir schreiben jetzt das Jahr 2014. Ein Jahr, von dem ich später vielleicht mal zu meinen Kindern oder zu sonst irgendwem sagen werde „Mensch, 2014, das war ein super Jahr. Mein Freiwilligendienst in Ungarn ist genauso toll weitergegangen wie es angefangen hat, nein, sogar besser! In der Schule war ich nun nicht mehr die neue, unerfahrene Freiwillige, sondern komplett integriert und von Schülern und Lehrern sehr geschätzt. Mit den anderen Freiwilligen und neuen Freunden habe ich jede Menge spannende Reisen durch den gesamten Balkan unternommen und beeindruckende neue Erfahrungen gemacht. Dann das Studium. Ich habe mich für genau das richtige Fach entschieden: Etwas, was mir Spaß macht, mich interessiert und für das ich gerne tagelang in der Unibib sitze und lerne. Eine neue Stadt, in der ich mich sofort wohlgefühlt habe. Und jede Menge nette Kommilitonen, mit denen ich viel Spaß hatte. Ja, 2014, da ist echt alles richtig gelaufen!“ Vielleicht kommt es aber auch anders. Vielleicht wird 2014 mein Jahr des großen Scheiterns. „2014 Kinder, das war der Anfang allen Übels. Pécs hatte ich bald satt. Die Stadt, die Arbeit an der Schule, meine Freunde hier, das alles hat mich irgendwann nur noch angeödet. Ich war froh als mein FSJ endlich vorbei war. Mit dem Studium ist auch nichts so gelaufen, wie es sollte. An der Traumuni nicht angenommen, Studieninhalt, der mich nicht interessiert hat, nicht bestandene Prüfung, unfreundliche Professoren und langweilige Studienkollegen. Monatelang quälte ich mich, dann gab ich schließlich auf und brach das Studium ab. Ich zog entmutigt wieder zurück zu meiner Familie und seitdem arbeite ich an der Kasse bei Lidl. Dann noch die ungewollte Schwangerschaft, die gescheiterte Beziehung und die chronische Krankheit. Dabei begann ich das Jahr 2014 noch so optimistisch und voller Ziele…“

Naja, wie auch immer es dieses Jahr für mich laufen wird, mir ist bewusst, dass ich selbst dafür verantwortlich bin. Ich kann selber entscheiden, welchen Weg ich einschlage, wofür ich mich einsetze, wie ich mit den Situationen umgehe, die mir wiederfahren.

Ich weiß noch wie ich Silvester 2013 auf das neue Jahr anstieß und dachte „wow, keine Ahnung, wo ich mich in einem Jahr befinde und wie und mit wem ich dann ins neue Jahr reinfeiere.“ Ein irgendwie beunruhigender, aber vor allem aufregender Gedanke.

Irgendwas scheine ich im Verlauf der letzten 12 Monate auf jeden Fall richtig gemacht zu haben (und eine große Portion Glück war auch dabei), denn das Jahr 2014 hat so angefangen, wie es sein sollte – chaotisch, lustig und aufregend.

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Nachdem ich etwa eine Woche zuhause war, viele Freunde wiedersehen und endlich wieder die Nervigkeit (und einige positive Eigenschaften) meiner Familie erleben konnte, ging es am 31. Dezember mit meinen besten Freundinnen Hannah und Rosa zurück nach Ungarn zum „Silvesterfest in Budapest“, wie Aliena das Ganze liebevoll titulierte. Zusammen mit ca. 20 anderen Freiwilligen und Freunden wurde in ihrer Wohnung mit Blick auf Donau, Margaretenbrücke und Parlament mit Luftschlagen, Vuvuzelas, Speis und Trank in das neue Jahr hineingefeiert. Später ging es ins Corvintetö, einen Club, den ich schon von unserem letzten Budapest-Besuch kannte, und in dem wir bis zum Morgen rumtanzten. Die Rückfahrt zum Hostel gehört nicht zu einen meiner Meisterleistungen: Am nächsten Morgen fand ich heraus, dass wir mit dem Bus, in den wir einfach mal eingestiegen war, genau eine Runde im Kreis gefahren sind, bis ich irgendwann ausstieg, weil mir der Name der Haltestelle so bekannt vorkam – komisch, es war ja schließlich dieselbe Haltestelle wie die, bei der wir eingestiegen sind. Danach fand ich mein Hostel glücklicherweise ohne Probleme und war nur mit dem Klingel- und Tür-aufdrück-System minimal überfordert. Das ist aber auch schwierig bei den alten Häusern in Budapest mit ihren komischen Freisprechanlagen!

Die nächsten Tage verbrachte ein Großteil der anderen Freiwilligen, meine beiden Freundinnen und ich noch in Budapest. Wir fuhren Schlittschuh auf einer riesigen Eislaufbahn direkt vor dem Vajdahunyad-Schloss, entspannten uns in den riesigen heißen Außenbecken des Széchenyi-Bads, gingen shoppen und, nachdem wir uns von der Silvesternacht halbwegs erholt hatten, noch einmal in einem sehr coolen Club namens „Instant“ feiern, hingen in tollen Cafés und Bars rum, die Aliena uns zeigte, und besuchten die Budapester Oper. Obwohl wir von der Oper nicht so richtig viel verstanden (Gesang auf italienisch, Untertitel auf ungarisch) war das ein beeindruckendes Erlebnis. Von unseren Plätzen aus hatten wir zwar nicht die beste Bühnensicht (bei Kartenpreisen von 300 Ft, also einem Euro, ist das aber verzeihbar), aber die pompöse Innenausstattung der Oper bot schon genug zu sehen. Ich habe mich gefühlt wie eine Adlige in einer Szene aus „Krieg und Frieden“ oder irgendeinem anderen der alten russischen Romane, die mein Papa so gerne liest. Nur Ballkleid und Fernglas zum Beobachten der anderen Operngäste haben gefehlt.

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Sonntag den 5. Januar ging es dann wieder zurück nach Pécs, denn Montag sollte die Schule wieder anfangen. Nach vollgepackten Tagen in Deutschland und der ereignisreichen Zeit in Budapest musste das entstandene Schlafdefizit erstmal wieder durch riesige Mittagsschläfe kompensiert werden. Ansonsten nervte ich meine Schüler, indem ich sie über ihr Weihnachten und Silvester ausfragte und sie gute Vorsätze fürs neue Jahr formulieren ließ. Ich habe da natürlich mitgemacht. Dabei ist meine Vorsatz-Top-3 entstanden:

  1. Weniger essen, mehr Sport treiben -> noch nicht so richtig geglückt…

  2. Weniger unproduktiv rumgammeln, mehr reisen und neue Dinge erleben -> da gibt es immerhin schon jede Menge Pläne für die nächsten Wochenenden!

  3. Aufhören, wichtige Dinge (z.B. Unterrichtsplanung, Wohnung putzen oder mein Freiwilligenprojekt) vor mir herzuschieben -> kein Kommentar.

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Außerdem besuchten wir den Freiwilligen Julius in der verschlafenen aber schönen Kleinstadt Baja und ich sah bei der Bandweihe-Zeremonie unserer Schule zu. Hierbei kriegen die Zwölftklässler von ihren Klassenlehrern feierlich ein Band an ihre Pullis geheftet, das aussieht wie eine AIDS-Schleife, aber zeigen soll, dass die Schüler jetzt zum Abitur zugelassen sind. Außerdem werden Reden gehalten und die Klassen führen einen eigenen Tanz auf. Ich habe zwar nicht ganz verstanden, was die Schüler eigentlich feiern (ihr Abitur haben sie ja schließlich noch nicht), aber es war trotzdem eine ganz witzige Veranstaltung, die mich irgendwie an unsere Abiturzeugnisvergabe erinnert hat. Ich bin sogar ein bisschen wehmütig geworden. Die Abizeit war schon cool. Und obwohl das alles noch gar nicht so lange her ist habe ich das Gefühl, hier unendlich weit weg davon zu sein. Mein Besuch zuhause und die vielen vertrauten Menschen haben alles wieder ein bisschen aufleben lassen.

Trotzdem ist es mir leicht gefallen, zurück in den Flieger nach Ungarn zu steigen. Ein gutes Zeichen, denke ich, das zeigt, dass ich hier noch lange nicht fertig bin. Es gibt noch viel zu erleben in den nächsten 7 Monaten. Und darauf freue ich mich.

Dezember.

„Boldog karácsonyt és új évet“ kommt es quasi fließend über meine Lippen und ich bin ein bisschen stolz auf mich, während ich meine Lehrerkollegen mit den zwei puszi (Küsschen) auf beide Wangen verabschiede. Es ist Freitag, der 20. Dezember, der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien ist überstanden und nach dem traditionellen Fischsuppe-Essen gehen auch die Lehrer auseinander. Für mich steht in den Weihnachtsferien ein kurzer Zuhause-Urlaub auf dem Programm: Pünktlich zum Abglühen auf dem Weihnachtsmarkt werde ich wieder in Bonn sein und all die Menschen wiedertreffen, die ich vor ziemlich genau 3 Monaten dort verabschiedet habe. Die erste Etappe meines Freiwilligendienstes ist um.

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Meine Arbeit in der Schule macht mir immer noch Spaß und ist auch ziemlich abwechslungsreich. Besonders lieb habe ich ‚meine‘ Erstklässler, die inzwischen alle schon richtig gut Deutsch sprechen können. Jeden Tag werde ich von ihnen mit stürmischen Umarmungen und einem enthusiastischen „Guten Taaag, Mascha!“ begrüßt, bei Bastelarbeiten bin ich die Hifskraft ihres Vertrauens und wenn ich neue Ungarisch-Vokabeln an den Kindern ausprobieren, wird die frohe Botschaft innerhalb weniger Sekunden bis in die hintersten Winkel der Klasse verbreitet („Mascha beszel magyarul! Mascha beszel magyarul!“). Beim Weihnachtswichteln wurde ich nicht nur von meinem Wichtelkind sondern gefühlt von der halben Klasse mit selbstgebackenen Keksen versorgt, was ich sehr süß fand.

Auch die Lehrer verschenken in der Weihnachtszeit sehr gerne Süßigkeiten. In den letzten Wochen habe ich auf meinem Tisch im Lehrerzimmer so oft Kekse, Kuchen oder Schokolade gefunden, dass ich den fehlenden Adventkalender kaum vermisst habe. Und wenn ein Lehrer Namenstag oder Geburtstag oder die Schulleiterin ein Schwein geschlachtet hat (was letzten Mittwoch der Fall war) gibt es noch mehr Essen für umsonst.

Das kulinarische Highlight der letzen Zeit war jedoch eindeutig die schon am Anfang erwähnte Fischsuppe, die traditionell zu Weihnachten gegessen wird. Hierbei werden  Fische und scharfe Paprikas zusammen mit Knoblauch, Zwiebeln, Tomatensoße, Rotwein und jede Menge Paprikapulver in einem Kessel von der Größe einer Babybadewanne erhitzt. Mit der Zerkleinerung von Fisch und Paprika müht man sich dabei gar nicht erst ab: Gräten, Fischköpfe und anderes ungenießbares Zeug werden einfach beim Essen herausgefischt. Dazu gab es Wein und selbstgebrannten Palinka – mein Widerwillen gegen letzteres aufgrund der Uhrzeit (mittags!) stieß bei den ungarischen Hausmeistern leider auf kein Verständnis.

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Ansonsten stand bei den Zwölftklässlern die DSD-Prüfungen an: Schriftliche Arbeiten, Hörverstehensübungen und eine mündliche Prüfung mussten überstanden werden, um das Deutsche Sprachdiplom zu erhalten – ich erhielt die anspruchsvolle Aufgabe, Blätter zu sortieren, zu tackern und einzuscannen. Außerdem hielt ich in der 10. Klasse eine Unterrichtsreihe zum Thema Jugendsprache in Deutschland, versuchte die Schüler für Musik von Peter Fox zu begeistern und verbrannte mir die Finger beim Adventskranz-Basteln auf der Weihnachtsfeier. In meinen Freistunden versuche ich im Lehrerzimmer Gespräche zwischen meinen Kollegen zu verstehen – dabei schnappe ich immer mehr bekannte Wörter auf und wenn mir genug Zeit zum Nachdenken gelassen wird, kann man sich auch schon richtig gut mit mir unterhalten („Wir sind in der Schule. Das ist ein Stuhl. Dort sind die Fenster. Du bist ein Lehrer. Ich esse eine Orange.“)

An den Wochenenden haben Anti, Jacqueline und ich den Pécser Weihnachtsmarkt samt Nachtleben unsicher gemacht (wobei ich beim Tanzen mit einem Lehrer unserer Schule von meinen Schülern beobachtet wurde. Diese interessieren sich jetzt brennend für die ganze Sache und erfinden jede Menge Gerüchte – na toll) und wir waren für einen Tag in Szeget, einer sehr schönen Universitätsstadt knapp 200 östlich von Pécs.

Zum Abschluss vielleicht noch etwas zum Wetter, denn das Wetter ist ja immer eine interessante Sache.

Hier ist es inzwischen relativ kalt geworden (um die 0° C), dafür ist das Wetter meistens richtig gut. Es hat schon seit Wochen nicht mehr geregnet und es scheint fast jeden Tag die Sonne – so lässt sich der ungarische Winter gut überstehen! Wenn mir zu kalt wird, brauche ich nur ein bisschen mit meiner riesigen Heizung zu kuscheln, die ursprünglich mal ein Kachelofen war. Je weiter man sich jedoch von der Heizung weg in Richtung Fenster bewegt, desto mehr gleicht sich die Zimmertemperatur der Temperatur draußen an – der Schreibtisch am Fenster ist daher als Arbeitsfläche im Moment nicht wirklich nutzbar, aber im Bett lässt es sich auch super Unterricht vorbereiten.

Jetzt heißt es jedoch erstmal „Viszontlátasra, Magyaroszag“ und „Szia, Bonn“. Ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu fahren, wo ich mich doch hier auch so zuhause fühle.

Budapest / ein neues Zuhause / fremde Tradition.

Heute mittag habe ich bei strahlendem Sonnenschein meinen neuen Lieblingsplatz eingeweiht: Die breite Fensterbank meines neuen WG-Zimmers bei geöffneten Fenstern. Seit Montag wohne ich jetzt mit den deutschen Medizin- bzw. Zahnmedizin-Studentinnen Conny, Isa und Julia im ersten Stock des wirklich schönen Altbaus mit 4m hohen Wänden und altem Fischgrätenparkett. Im Erdgeschoss des mitten in der Innenstadt liegenden Hauses befindet sich eine Bar namens ‚Nappali‘ und gegenüber unserer Wohnung gibt es ein kleines Hostel. Ich fühle mich hier total wohl und bin froh, endlich aus dem Zimmer im Schülerwohnheim ausgezogen zu sein – daran gab es zwar nichts auszusetzen, aber es hat sich nicht wirklich nach einem Zuhause angefühlt. Jetzt dagegen bin ich endlich richtig angekommen und ich merke, wie viel schöner ein WG-Leben im Vergleich zum Alleine-Leben ist. Auch über die Existenz einer vollständig eingerichteten Küche freue ich mich sehr – ab jetzt wird gesund gekocht und Fertigsoße aus der täglichen Nahrungszufuhr verbannt!

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Fortschritte sind auch beim Erlernen der ungarischen Sprache zu vermelden: Montags und Donnerstags besuchen die anderen Freiwilligen und ich jetzt immer einen Sprachkurs an der Uni, ich gebe fleißig Vokabeln in mein ‚Phase 6‘-Programm ein und konjugiere in meiner Freizeit Verben – dabei fühle ich mich nur minimal in den Französischunterricht der 7. Klasse zurückversetzt. 😉 Wenn ich dann bei den Gesprächen im Lehrerzimmer einzelne Wörter aufschnappe oder meine Kollegen mit „Jó napot kívanok! Hogy vagy?“ (= Guten Tag! Wie geht’s?) begrüße, bin ich immer unglaublich stolz auf mich. Das Ganze hat aber auch Nachteile – beim Unterrichten höre ich mittlerweile ständig ein gemurmeltes „nem tudom“ (= versteh ich nicht) aus den Schülerreihen. Das kann nach dem 10. Versuch, den Arbeitsauftrag zu erklären, schon ein bisschen frustrierend sein.

In den letzten Wochen habe ich einiges von einer faszinierenden, mir aber auch irgendwie suspekten Gruppe Menschen mitgekriegt: Diese Leute wirken sehr nett, interessiert und sprechen ziemlich gut deutsch. Sie scheinen ganz normal – und auf einmal schmeißen sie sich in eine unglaublich unvorteilhafte, vor-dreihundert-Jahren-vielleicht-mal-coole Trachtenmode und hüpfen zu Blaskapellen-Musik, die selbst Omma und Oppa altbacken finden würden, im Kreis herum. Ich spreche von den Donauschwaben.

Die Vorfahren dieser Minderheit sind vor einigen hundert Jahren aus Deutschland nach Ungarn emmigriert, und legen seitdem sehr viel Wert auf den Erhalt von Traditionen und der deutschen Sprache. Oft wird in ungarndeutschen Familien noch Deutsch gesprochen, es gibt eine deutsche Lokalzeitung und es gehört zum guten Ton, wenn man sich in kulturellen Vereinen wie traditionellen Tanzgruppen, Blaskapellen oder Chören engagiert.

Am 27. September feierte die Tanzgruppe des Löwey-Gymnasiums hier in Pécs 40-jähriges Bestehen. Aus diesem Grund gab es eine große Aufführung, die ich mit meiner Ansprechperson Erszi und einer 10. Klasse besuchte. Sowohl an der Anzahl der Besucher (der Saal mit insgesamt 1.000 Plätzen war voll belegt) als auch an der Art, wie sich die Zuschauer teilweise für den Abend aufgebrezelt haben (so wie man es sich in Osteuropa vorstellt: Zu viel Makeup, zu wenig Stoff, zu hohe Schuhe, zu tiefer Ausschnitt) merkte ich, um was für ein wichtiges gesellschaftliches Event es sich hier handelte.

Ja, und dann kam 3 Stunden lang das, was ich etwas platt im ersten Abschnitt geschildert habe: Deutscher Volkstanz, Volkslieder, Trachtenmode, Blaskapellenmusik. Das Ganze wirkte auf mich so merkwürdig, weil ich mich ÜBERHAUPT NICHT mit irgendetwas von dem auf der Bühne Vorgeführtem identifizieren konnte. Gut, die Trachten erinnerten etwas an die Dirndl- und Lederhosenmode aus Bayern, und Blaskapellenmusik hört man auch ab- und zu mal an Karneval oder auf irgendwelchen Dorffesten, aber mich persönlich hat solcher Traditionskram immer abgeschreckt und ist daher auch nicht in meinem Deutschlandbild verankert.

Verwirrend fand ich auch den Kontrast zwischen den eine-Millionen-Jahre-alten Volkstänzen, -liedern und -trachten auf der Bühne und dem überwiegend jungen und überhaupt nicht traditionsorientiert aussehenden Publikum – beeindruckend, wie die Ungarndeutschen es schaffen, auch ihre jungen Generationen für solche alten Traditionen zu begeistern.

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Zum Schluss noch ein ganz anderes Thema: Vom 9. bis zum 13. Oktober waren wir Freiwilligen aus Pécs und Baja (Ann-Kathrin, Jacqueline, Kilian, Julius und ich) in BUDAPEST. Grund war eine Einladung der Deutschen Botschaft zum sogenannten Mittlertreffen, welches jährlich für die „neu in Ungarn eingetroffenen Mitarbeitern der deutschen Sprach- und Kulturförderung“ stattfindet – ich kam mir ganz schön elitär vor, als ich die Einladung in meinem E-Mail-Posteingang gefunden habe.

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Das Treffen bestand aus ca. 20 Anzugträgern, die ihre Institutionen und deren Arbeitsfelder vorgestellt haben (was teilweise in 45-minütige Vorträge ausuferte) – und uns. Obwohl wir mit Abstand die Jüngsten und Unqualifiziertesten in der Runde waren, wurden wir mit Interesse und Freundlichkeit aufgenommen und beim Essen (sehr lecker!!) entstanden viele nette Gespräche. Außerdem wurde uns eine Ausbildung zum Juror bei „Jugend debattiert“ angeboten – wir können also bald öfter nach Budapest fahren, Kindern beim sich streiten zuhören und sie danach mit Punkten bewerten, voll cool!

In den restlichen Tagen haben wir uns den ganzen Touri-Kram angeguckt (Fischerbastei, Matthiaskirche, Schloss, Parlament, jüdisches Viertel und Synagoge, Markthalle und Margaretheninsel), wir waren in coolen Bars (besonders empfehlenswert: Szimpla und Macska Miau), einem Thermalbad und Aliena und ich haben einmal bis 6 Uhr morgens im Corvintetö rumgetanzt, einem Club, der in einem ehemaligen Kaufhaus liegt und von dessen Dachterasse aus man einen tollen Ausblick auf die Stadt hat. Nichts kann jedoch den Ausblick auf Budapest bei Nacht von einer der Donaubrücken aus toppen – so schön!

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Außerdem haben wir Kürtös Kalacs und Pallatschinken gegessen, zwei typisch ungarische Süßspeisen. Jetzt steht nur noch Langos (ein rundes, fettiges Teigstück mit Schmandt, geschmolzenem Käse und Zwiebeln oben drauf – nicht an die Kalorienzahl denken!) und Palinka (ungarischer Schnaps) auf meiner To-Do-Liste. Oh, und Gullasch, die ungarische Nationalspeise, habe ich auch noch immer nicht probiert – shame on me.

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Faszit: Budapest ist super und ich bin etwas neidisch auf Aliena. Allerdings werde ich für die schlappen 6€ Fahrtkosten bestimmt öfter mal nach Budapest fahren, und in Pécs fühle ich mich auch total wohl. Außerdem ist die Markthalle in Pécs cooler als die in Budapest: Hier verkaufen noch süße Omis aus den umliegenden Dörfern ihre Riesenkürbisse und man wird weder auf englisch noch auf deutsch verstanden – das hat zwar dazu geführt, dass ich 250 statt 25 Forint für meine Möhren bezahlen wollte, ich habe aber auch einen super Dialog auf Ungarisch geführt: „Bocsánat, nem beszelek magyar.“ – „Honnan jöttél?“ – „Némétorszagbol jöttem. Beszelek németül.“ Viel Spaß beim google-translaten. 🙂

Zweiundsiebzigstunden.

 Es ist so viel passiert seit Samstag Nacht um 4, als mein Wecker geklingelt hat und ich zum ersten Mal realisiert habe „Scheiße, jetzt gehts los!“ Das wichtigste zuerst: Mir geht’s gut, Pécs ist total schön, die Lehrer sind freundlich, gefühlt alle Menschen sprechen hier deutsch und mein provisorisches Zimmer im Schülerwohnheim besitzt sogar eigenes Bad und Kühlschrank. Also alles tipi topi.

Jetzt die detailliertere Fassung.

Wir starten mit dem langen Samstag, der wie gesagt um 4 Uhr morgens begann. Ich habe es tatsächlich geschafft, mit 23,9kg im Koffer (von denen die 0,9kg Übergepäck gottseidank in den Toleranzbereich von germanwings fielen) und 8kg im Handgepäck halbwegs auszukommen. Es ging dann auch schnell, bis alles inclusive mir im Flugzeug verstaut war und wir in Richtung Budapest aufbrachen.

Außer mir flogen noch 2 andere Kulturweit-Freiwillige nach Budapest, und dort angekommen konnten wir gemeinsam die Koffer vom Band hiefen und unsere Euro in erste Forint umtauschen (1€ = ca. 300 Forint). Vom Flughafen aus fuhr ich mit Bus und Bahn zum Keleti-Bahnhof, von wo aus mein Zug nach Pécs fahren sollte, während die anderen ein Taxi zu anderen Bahnhöfen nahmen. Trotz fremder Sprache, zwei mal Umsteigen und nicht vorhandenen Rolltreppen habe ich meinen Weg gut gefunden und auch ohne Probleme ein Zugicket gekauft. Beim Warten auf den Zug traf ich Julius, einen der Kulturweit-Freiwilligen, wieder. Sein Zug nach Baja (ebenfalls in Ungarn) sollte laut Deutsche Bahn an einem anderen Bahnhof abfahren, dort wurde er aber zum Keleti-Bahnhof geschickt. Wir stellten fest, dass wir zunächst mit demselben Zug fahren würden. Also warteten wir zusammen. Und warteten. Und warteten.

Da es an diesem Tag beinahe zu einem Zugunfall in Budapest gekommen wäre, hatten alle Züge jede Menge Verspätung. Wir nahmen schließlich einen Zug, der eigentlich um 10.15 Uhr abgefahren wäre, so aber erst um 12.45 Uhr losfuhr.

Die dreistündige Fahrt verlief recht ereignislos, bis auf die Tatsache dass Julius beinahe seinen Bahnhof verpasst hätte, diese wurden nämlich nicht angesagt. Gegen 16.00 Uhr bin ich dann in Pécs angekommen und wurde von der Deutsch-Lehrerin Adrienn empfangen. Im Gegensatz zu Bonn und Budapest regnete es hier nicht, es war sogar richtig schönes, warmes Wetter. Gleich ein dicker Pluspunkt für Pécs.

Adrienn brachte mich zunächst zum Schülerwohnheim, in dem ich fürs erste leben werde, bis ich eine richtige Wohnung finde. Dann machten wir eine kleine Rundtour mit dem Auto, wechselten nochmals Geld im Einkaufszentrum (habe einen H&M gesichtet – juhu!) und kauften ein paar Lebensmittel bei Aldi (fühle mich so heimisch!).

Gegen 19.00 Uhr wurde ich von Adrienn wieder aus dem Schülerwohnheim abgeholt, da sie und ihr Mann mir das Weinfest zeigen wollten, das im Moment in Pécs stattfindet. Vor der riesigen Pécser Kathedrale waren zu dem Zweck kleine Stände aufgebaut, an denen man verschiedene Weinsorten und jede Menge Essen kaufen konnte. Auf dem Weinfest trafen wir noch mehr von meinen zukünftigen Kollegen, die mich alle sehr herzlich in perfektem Deutsch begrüßten.

4 Stunden und 7 Flaschen Wein später (es waren aber auch mindestens 9 Kollegen beteiligt) war ich dann wieder in meinem neuen Zuhause, todmüde, aber auch sehr zufrieden.

Der nächste Tag verlief im Vergleich zum Samstag sehr entspannt: Ich schlief bis 11 Uhr, räumte meinen Koffer aus, richtete mich ein und traf mich nachmittags mit Ann-Kathrin, eine der anderen 3 Freiwilligen aus Pécs. Wir schlenderten ein bisschen durch das wirklich schöne alte Stadtzentrum und aßen später an einer der kleinen Buden vom Weinfest – sehr lecker.

 

Montag begann für mich der Ernst des Lebens: Mein erster Schultag im Valeria-Koch-Schulzentrum, bestehend aus Kindergarten, Grundschule (1. – 8. Klasse) und Gymnasium (9. – 12. Klasse). Ich lernte meine Ansprechpartnerin Erszi kennen, und sie zeigte mir die Schule und stellte mich allen möglichen Menschen vor, bei denen ich mir leider von keinem den Namen merken konnte – na toll. Außerdem wurde ich insgesamt 3 Schulklassen vorgestellt. Die Jugendlichen sollten mir Fragen stellen, waren jedoch ein bisschen schüchtern. Ich glaube ich habe mich trotzdem ganz gut geschlagen in meinen ersten „Unterrichtsstunden“. Gegen 1, nachdem ich in der Deutsch-Fachschafts-Konferenz Haribo verteilt habe, durfte ich erstmal nach hause gehen.

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Später bin ich zur Universität von Pécs aufgebrochen, weil es da eine Wohnungs- und WG-Vermittlung gibt. Ich habe mir einige potentielle WGs aufgeschrieben und später eine davon besichtigt. Sie ist WUNDERSCHÖN aber es ist alles noch nicht ganz sicher, weitere Informationen folgen (hoffentlich) demnächst.

Außerdem habe ich einen spontanen Spaziergang in die Ausläufe des kleinen Mecsec-Gebirges gemacht, an das die Stadt grenzt. Je weiter ich die schmale Straße hinaufstieg, desto dörflicher und verlassener wurde es um mich herum: Die Häuser wirkten kleiner und heruntergekommen, während die Gärten an Größe zunahmen. Überall wuchsen Obstbäume und Weinreben, teilweise standen verrostete alte Autos am Wegrand, und ich wurde von aufgeregten Hunden empfangen, die bellend am Zaun entlangliefen – Menschen sah ich kaum. Ein bisschen beänstigend, aber auch irgendwie idyllisch.

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Mein erster Eindruck von Pécs steckt zwar teilweise schon in diesem Bericht, aber ich möchte trotzdem nochmal gesondert darauf eingehen: Die Stadt ist mit ca. 150 000 Einwohnern zwar nicht groß, aber umso gemütlicher. Insbesondere das Stadtzentrum mit einem großen Platz, historischen Bauten, kleinen Gässchen und jede Menge gemütlichen Bars und Cafés besitzt viel Charme. Durch die vielen internationalen Studenten und die Tatsache, dass es hier noch schön warm ist, ist auf den Straßen immer etwas los. Insgesamt herrscht eine mediterrane, freundliche Athmosphäre.

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In den rändlicheren Bezirken gibt es einige Hochhaussiedlungen, außerdem sind Häuser und Straßen außerhalb des Zentrums teilweise etwas heruntergekommen. Aber auch das gehört meiner Meinung zum „Flair“ der Stadt dazu und ist nicht negativ zu sehen.

Dieser persönlichen Bewertung sollte allerdings nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn schließlich bin ich erst seit ein paar Tagen hier und habe noch lange nicht alles von der Stadt gesehen.

Ankommen / Aufbrechen.

 Auf den ersten Blick sieht mein Zimmer aus wie immer. Klamotten, Bücher und Taschen gleichmäßig verteilt auf Schreibtisch, Bett und Fußboden sind hier ein alltäglicher Anblick. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch auch die Indikatoren für meine morgige Abreise nach Pécs, Ungarn erkennen: Der große, halb gepackte Koffer steht geöffnet auf dem Boden, die Fotowand über meinem Bett weist merkwürdige leere Flecken auf und die in der Mitte des Zimmers plazierte Waage warnt davor, bloß nicht mehr als 23kg Gepäck einzupacken – eine mikrige Zahl, wie ich finde, denn schließlich muss das Ganze für ein Jahr reichen.

Morgen geht es also los. Ich gehe über die Organisation Kulturweit für ein Jahr nach Pécs, Südungarn, und arbeite dort in einer deutsch-ungarischen Schule. Als mir mein Einsatzland mitgeteilt wurde, war ich erstmal ziemlich perplex, hatte ich mich doch schon in Thailand auf dem Rücken eines Elefanten durch mein Auslandsjahr traben sehen. Trotzdem habe ich zugesagt und obwohl es noch gar nicht richtig losgegangen ist, bin ich davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Vom 2. bis zum 11. September fand unser Vorbereitungsseminar am Werbellinsee in der Nähe von Berlin statt. 212 Freiwillige, 27 Trainerinnen und Trainer und ein Orga-Team lebten in der Zeit auf dem Jugendherbergs-Gelände, und meine Befürchtung, dass es anstrengende 10 Tage werden würden, haben sich voll und ganz bestätigt: Hunderte fremde Menschen um einen herum, ein prall gefülltes Programm, jeden Tag früh aufstehen (das habe ich in den letzten Monaten ganz verlernt), eine Fahrt nach Berlin, Bier und daraus resultierende Spontanpartys, Schwimmen im See usw. hatten auf mich den Effekt, dass ich jetzt erstmal eine Woche durchschlafen könnte. Was leider aus Zeitmangel nicht möglich ist.

Dennoch war das Vorbereitungsseminar eine unglaublich tolle und spannende Erfahrung. Ich habe noch nie so viele nette, interessante und aufgeschlossene Menschen auf so engem Raum zusammen gesehen. Obwohl sich alle vorher fremd waren, ist in den 10 Tagen ein Gemeinschaftsgefühl zwischen uns gewachsen, das mir viel Kraft und Sicherheit für mein Auslandsjahr gegeben hat.

Jeden Tag wurde sich in kleinen Arbeitsgruppen namens „Homezones“ getroffen und verschiedene Themen wie der Kulturbegriff, Rassismus und Nachhaltigkeit erarbeitet. Außerdem hat jede Homezone ein eigenes Projekt durchgeführt. Des weiteren standen Vorträge von den Partnerorganisationen, ein Workshop-Tag, Regionsgruppen-Treffen, ein Besuch im Auswärtigen Amt und eine Fragestunde mit unserem Versicherungstypi auf dem Programm.

Durch das Seminar habe ich eine Menge gelernt, aber vor allem habe ich viele neue Freunde gefunden, die in derselben Situation sind wie ich. Ich fühle mich jetzt nicht mehr so auf mich alleine gestellt und ich weiß, bei wem ich mich einschleimen muss um ein paar Nächte kostenlos in z.B. Budapest zu übernachten. 😉

Das richtige Abenteuer startet dann also morgen. Ich war noch nie im Land der Paprika und des Gulaschs und ich bin gespannt, was mich erwartet!