Wir kommen nach fast vierundzwanzig Stunden an und teilen uns auf, zwei müssen nach Puebla, eine Stadt weiter. Ich muss in die Stadt rein, zu dem AirBnB das ich gebucht habe, Stella muss in eine ähnliche Richtung. Wir teilen uns einen Uber, ich steige als erstes aus. Ich kenne die Adresse, jedoch weiß ich nicht, woran ich das Gebäude erkennen soll. Emma kommt runter um mir den Weg zu zeigen, sie ist kleiner als ich und wirkt sehr fit für ihr Alter. Ich schätze sie auf 70. Ich steige erst aus als sie am Auto ist, verabschiede mich kurz von Stella und mache mich daran, meine Koffer auf dem unebenen Fußgängerweg zu schleppen. Emma hilft mir obwohl ich sie nichts tragen lassen möchte, beim Gebäude angekommen bin ich sehr froh um den Aufzug der mich fast schon anlächelt. Seit dem Flughafen und die ganze Fahrt über war ich nervös und angespannt, erst als wir in der Wohnung ankommen, kann ich mich endlich ausstrecken und entspannen. Ich lerne Camila kennen, eine Cubanerin die in Spanien wohnt und gerade Ferien hat. Sie zeigt mir am nächsten Tag wo der nächste Supermarkt ist und erklärt mir ein bisschen wie die Metro funktioniert. Dankbar für den sanften Einstieg kämpfe ich die ersten paar Nächte dennoch mit Jetlag.
Man könnte meinen, meine Vorerfahrungen mit „gefährlichen“ lateinamerikanischen Städten hätte mich darauf vorbereitet nach Mexiko-Stadt zu ziehen. Ich mein, Caracas ist wirklich nicht der netteste Fleck auf erden und dort habe ich mich ja auch in die Metro, und die Busse, und sogar die gruseligen Gegenden getraut.
Naja, es ist nunmal doch ein großer Unterschied ob ich mit meiner Verwandschaft und lokalen Freunden die Welt erkunde, oder auf eigene Faust in die fünftgrößte metropolitanische Gegend ziehe. Vielleicht habe ich mir aber auch einfach nur ein bisschen zu viel Angst einreden lassen. In vielerlei Hinsicht ist es ja auch begründet, die Warnungen meiner Ma haben schon ihre daseinsberechtigung, sie ist in Caracas aufgewachsen und hat sich unter anderem für ein Leben in Deutschland entschieden, weil sie sich sicherer als in ihrer Heimat gefühlt hat. Ich muss zugeben, es ist auch einfach alles sehr Aufregend. Schon am zweiten Tag nachdem ich angekommen bin, freunde ich mich mit google-maps an und fahre mit der Metro zu meiner Arbeitsstelle. Ich kann mich wirklich nicht beschweren, nicht nur funktionieren die öffis einwandfrei, nein sie haben auch noch die wundervolle Charakteristik eines exklusiven Bereiches nur für Frauen und Kinder. Vor allem am Anfang beruhigt mich das mehr als ich zugeben möchte.
Es gibt in meiner ersten Woche hier ein großes Thema das ich klären muss. Das Visum. Dafür muss ich nach Polanco, ein Stadtteil der als reiche Gegend gilt. Ich weiß zu dem Zeitpunkt noch nichts von diesem Ruhm und da bis diesem Zeitpunkt alles einwandfrei läuft, zweifel ich mit keiner Faser meines Wesens daran, dass ich ohne Probleme in der Behörde für Migration ankommen werde. Schön wärs. Ich verbringe insgesamt drei Sunden damit, in der Stadt rumzufahren und zu versuchen den schnellsten Weg zu finden. Im nachhinein hätte ich mich einfach von Anfang an nur auf die Metro verlassen sollen, die lilanen Busse sind nämlich an diesem Tag zu meinem Erzfeind geworden. Die „Haltestellen“ die angefahren werden, sind in aller Regel nicht ausgezeichnet, man muss einfach wissen wo sie halten. Ehrlicherweise macht das jedoch auch keinen grossen Unterschied, selbst mit meiner originalen Zeitplanung um neun Uhr morgens anzukommen (die offizielle öffnungszeit, steht überall) wäre ich immer noch hoffnungslos zu spät gewesen um einen Termin am gleichen Tag zu ergattern. Was das bedeutet? Nach stundenlangen warten und in-der-Schlange-stehen, darf ich am nächsten Tag nochmal antanzen. Wie lustig. Der Matcha Latte, den ich mir wärend der längsten Wartezeit in einem süßen Café gekauft habe, war im Endeffekt das einzige, was mich vor dem endlosen Frustrationsabgrund bewahrt hat.
Nun gibt es aber doch ein paar Dinge, die alles etwas leichter gemacht haben. Auf der einen Seite habe ich mir in meiner unendlichen weisheit den digitalen Plan vom Schienennetzwerk früh runtergeladen, zum anderen hatte ich schnell zugang zu mobilen Daten da mir meine Vorgängerin Theresa vor meiner Abfahrt erklärt hat, wie ich am besten eine Mexikanische Nummer kaufe. Es war natürlich auch nicht hinderlich, dass die Landessprache auch meine Muttersprache ist.
Insgesamt habe ich die Erfahrung gemacht, dass im Zweifel kurz bei Personen in der Nähe nachzufragen nicht schadet und zu meiner Überraschung leiten diese einen oft an die Polizisten oder „Guardias“ weiter, die für gewöhnlich an allen Stationen sind. Nach mittlerweile zwei Wochen hier kann ich sagen dass ich noch in keine schwierigen Situationen geraten bin. Gestern bin ich zum ersten Mal kurz nach Dämmerung alleine nach hause gelaufen und ich hab mich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt. Natürlich war das ein kalkuliertes Risiko, aber ich glaube man kann sich gut an solche Dinge rantasten und es hilft immer, Freunde zu haben die einem Mut machen. (danke an der stelle an Jojo, manchmal braucht man nur ein bisschen gutes zureden hehe)
Ich kann zugeben, ich bin diejenige die Angst vor Mexiko-Stadt hat. Die Stadt ist nunmal riesig und auch nicht ganz ungefährlich, aber ich glaube solange ich nicht den gesunden Respekt vor ihr verliere, ist die Situation halb so schlimm. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die ganzen schönen Details aus meinem nächsten Beitrag nur eine Kostprobe davon sind, wie viele verborgene Wunder in dieser Grossstadt stecken.
Wie meine gute Freundin Enora sagen würde: If it scares you, do it scared.