Vom Hunger, Hähnchen und der Hoffnung

Part 2 des Shosholoza-Zweiteilers
Abenteuerlich würden sie werden, die nächsten Tage. Soviel wusste ich, als ich voller Vorfreude in den Tag startete, an dem ich Johannesburg schon wieder den Rücken kehrte. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, was es mit dem Wort Abenteuer eigentlich auf sich hat. Aber manchmal lernt man Dinge früher, als man glaubt.
Etwas Essbares für die 27 Stunden Fahrt wollte ich noch besorgen, bevor der Taxifahrer kommen und mich zum Bahnhof bringen sollte. Der Geldautomat im Backpackers hatte was dagegen und zwang mich, seinen Kollegen in Chinatown aufzusuchen. Eigentlich keine schlechte Idee, sich noch ein bisschen zu bewegen, bevor ich meinen Hintern im Zug platt sitzen werde, dachte ich, und joggte in den nächstgelegenen Stadtteil. Es rennt sich leichter ohne Kreditkarte im Schuh und Regen macht auch nur manchmal Spaß, aber Zeit sich aufzuregen war nicht und meine Vorfreude auf die anstehende Weiterreise hätte das auch gar nicht erst gestattet. Dennoch unternahm dieser Morgen kurz darauf den nächsten Versuch, meine Laune zu kippen. „No funds available“, sagte der Geldautomat und könnten solche Maschinen fies grinsen, hätte dieser es wohl getan. Aber was war dran, an dem was er mir mitteilte? Viel Geld hatte ich nicht mehr, als ich zwei Tage zuvor aufgebrochen war, aber spätestens heute müsste ich doch Gehalt auf meinem Konto haben, dachte ich mir und beschloss, dass es nicht an mir liegen könne. „Ach ja, das zeigt der manchmal an. Da muss man einfach kurz warten“, antwortete der, rein gar nicht chinesisch aussehende, Kerl an der Kasse nebenan auf meine Frage. Ob er damit meinte, dass man so lange warten müsse, bis man wieder Geld auf seinem Konto habe oder bis der Automat sich zusammengerissen hat, ließ er allerdings offen. Ich war trotzdem etwas erleichtert, auch wenn das Wörtchen „warten“ mir gerade gar nicht passte, müsste doch der Taxifahrer in 10 Minuten vor dem Backpackers stehen, zu dem ich auch erst noch zurück joggen musste. Ich zögerte solange ich konnte, bevor ich die Karte ein finales Mal in den Automaten schob. Dass er in bereits gewohnter Weise reagierte, fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Vielleicht stimmte es ja doch, dass ich schlichtweg kein Geld mehr hatte. Aber was dann?
Viele Möglichkeiten und Zeit zum Nachdenken blieben mir nicht, also hieß es, Beine in die Hand nehmen und zurück zum Backpackers. Vielleicht hatte der dortige Automat ja doch noch Erbarmen mit mir und würde mir zumindest ermöglichen, den Taxifahrer zu bezahlen. Außer Atem und bis aufs letzte durchnässt stand ich nun vor der hauseigenen Maschine, die mir mit ihrer Antwort nichts anderes übrig ließ, als sie aufs heftigste zu beleidigen. Manchmal tut es einfach gut, Dinge zu beleidigen um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Aber war diese wirklich die Ursache des Ganzen und ich hatte mich bei meiner Reiseplanung schlichtweg verrechnet? Die Antwort darauf könnte mir nur die Bank meines Vertrauens geben. Nachdem ich den, mittlerweile freundlich genervten, Taxifahrer ermutigen konnte, noch ein paar weitere Minuten auf mich zu warten, investierte ich mein letztes Handy-Guthaben, um der Sache auf den Grund zu gehen. Doch anstatt die ganze Geschichte aufzudecken, erklärte mir die unpassend sanfte Stimme auf der anderen Seite der Leitung, dass ihr die vielen verschiedenen Nummern, die ich ihr anbot, nicht helfen, solange die eine bestimmte nicht dabei sei, die sie bräuchte, um ein Blick auf mein Konto werfen zu können. „Schönen Tag trotzdem“, sagte sie noch, kurz bevor mein Guthaben komplett verflogen war. „Den hab ich!“, antwortete ich mit vergleichsweise nicht ganz so sanfter Stimme.
Der Taxifahrer war in der Zwischenzeit fluchend von dannen gezogen aber die Hoffnung, doch noch Geld aufzutreiben, um die Fahrt zum Bahnhof bezahlen zu können, war inzwischen ohnehin verflogen. Es gibt Momente, in welchen ich nicht nur darauf warte, dass jemand die erlösenden Worte „versteckte Kamera“ schreit, sondern inständig darauf hoffe. Eine halbe Stunde Zeit blieb noch, um an das andere Ende der Stadt zu kommen und in den Zug zu steigen, der mich ans andere Ende des Landes bringen sollte. Ich teilte meine Geschichte mit der Besitzerin des Backpackers, die anhand der Szenen vor ihrer Rezeption aber zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon bestens Bescheid wusste. Kurzerhand erklärte sie sich bereit, mich zum Bahnhof zu fahren, würde ich irgendwann einmal ein gutes Wort für sie einlegen. Das werde ich auch bestimmt machen, wenn ich auch nicht weiß wo, denn schließlich hat sie das zu diesem Zeitpunkt größte Problem gelöst. So fuhr sie mich einmal quer durch die Johannesburger Innenstadt und erzählte dabei auch noch Geschichten von damals, als man dort noch unbeschwert im Park sitzen konnte. Das war aber auch das einzige, was ich mitbekam, während sich meine Gedanken weiterhin um meine Finanzen drehten.
Jetzt ging es aber erst einmal darum, in den richtigen Zug zu steigen, wenn auch ohne einen Cent, geschweige denn etwas zu Essen meinen Taschen. In einer der Bahnhofshallen sollte ich mich in eine nicht enden wollende Schlange stellen, wie mir eine Dame in Warnweste erklärte. Ich reihte mich ein und vergaß für einen Moment meine Geldsorgen, als ich damit beschäftigt war, die Kraft und das Geschick schwarzer, korpulenter Mütter zu bewundern, von denen vor mir nicht wenige warteten. Das schreiende Kind auf dem einen Arm, den Koffer unter dem anderen, eine zu platzen drohende Reisetasche auf dem Kopf balancierend und mit dem Fuß einen Karton vor sich herschiebend. Muss wohl am Pap* liegen. Ich stellte über die gesamte Wartezeit das weiße Ende der unüberschaubaren Schlange dar, was von außen betrachtet mehr als komisch ausgesehen haben muss. In etwa so komisch muss auch mein Gesichtsausdruck gewesen sein, als mir die Platzanweiserin vor dem stehenden Zug zu erklären versuchte, dass mein Name nicht auf ihrer Liste stehe. Sie hätte aber einen Platz für eine „Miss K. Schmeider“ anzubieten. „t.i.a.“**, dachte ich mir und versprach ihr, mich im Frauenabteil auch zu benehmen. Das quittierte sie jedoch nur mit einem breiten Grinsen und verfrachtete mich notgedrungen ins wahrscheinlich kleinste Abteil des Zuges.
Pünktlich nach afrikanischer Zeit (halbe Stunde später als Fahrplan) machte der Zug einen ungemütlichen Ruck und rollte los. Zwei Stunden lang versuchte ich, mit meinem Platz für die nächsten eineinhalb Tage warm zu werden, im übertragenen und wörtlichen Sinne, da der Regen nicht daran dachte nachzugeben. Ein weiterer Ruck und der Zug stand. Aber nicht etwa im ersten Bahnhof auf der Strecke, sondern im tristen Niemandsland. Ungewissheit machte sich breit bei den Fahrgästen, die nach und nach fragend ihre Köpfe aus den Abteilen streckten. Auf eine Ansage des Zugführers wartete ich vergeblich, bis ich nach einer guten Stunde schließlich feststellte, dass es gar keine Lautsprecher für eine solche gibt. Die Wartezeit bot genug Raum für Vermutungen und von kaputtem Zug bis Hindernisse auf der Strecke war alles dabei. Meine Theorie der vor dem Zug stehenden Okapi-Herde wurde vom Rentnerpaar im Abteil nebenan als „eher unwahrscheinlich“ eingestuft. Schließlich erbarmte sich die Managerin des Zuges, die Lösung des Rätsels zu verbreiten. Das Anhaltende Gewitter hätte für einen Stromausfall auf der Strecke gesorgt und wann es weiter gehen könne, wisse niemand. Mein Magen knurrte in der Zwischenzeit so laut, dass die anderen Fahrgäste problemlos hätten denken können, dass der Zug wieder fährt. Fast zehn Stunden hatte ich schon nichts mehr gegessen und die Aussicht auf zwanzig weitere brachte mich langsam aber sicher zum Verzweifeln.
Als die Dämmerung einsetzte, bewegte sich der Zug zur Erleichterung aller wieder. Nachdem er im ersten Bahnhof auf der Strecke in einem kleinen Dorf irgendwo im Nirgendwo gehalten hatte, klopfte es plötzlich an meiner Tür. Ein junger, weißer Kerl steckte seinen Kopf in das Abteil und fragte mich, mit einem sehr starken Afrikaans-Akzent, ob hier noch Platz sei. Theoretisch war das der Fall, da die winzige Kabine mit einem Hochbett ausgestattet war und ein bisschen Unterhaltung auf den verbleibenden zwanzig Stunden könnte auch nicht schaden. So saß er dann neben mir, ein etwas bleicher, schlaksiger Typ im Bauarbeiter-Style, der sichtlich darum bemüht war, freundlich auszusehen. Ich tat ihm gleich und versuchte, ein Gespräch zu beginnen. „Wohin fährst du?“ „Worcester“ „Wie weit ist das?“ „Keine Ahnung“. Als das Gespräch ins Stocken geriet, wandte ich mich wieder meinem Buch zu und als ich einige Zeit später wieder aufschaute, war er verschwunden und würde auch nicht wieder auftauchen. Vielleicht war ich auch mittlerweile durch meinen Hunger und die Kälte schon so durch den Wind, dass ich mir diesen mysteriösen Besuch nur eingebildet hatte.
Irgendwie musste ich mich bei Laune halten, was immer schwieriger wurde da es inzwischen dunkel war und die abwechslungsreichen Landschaften vor meinem Fenster keine Ablenkung mehr boten. Nach einiger Zeit klopfte es wieder an meiner Tür. Die Bordmanagerin, die mich konsequent auf Afrikaans ansprach, stand vor der Tür. Inzwischen hatte ich es aufgegeben, sie darum zu bitten, Englisch mit mir zu sprechen und versuchte, mir anhand einzelner deutsch-ähnlicher Worte den Sinn zu erschließen. Sie war dabei, Bettzeug für die Nacht zu verteilen aber die Tatsache, für diese extra bezahlen zu müssen, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich erklärte ihr meine Situation und sie hörte gespannt zu, um am Ende meiner Erzählung mit einem nicht allzu glaubwürdigen „Shame!“ zum nächsten Abteil zu gehen. „Dankie!“, rief ich durch die geschlossene Tür und freute mich auf eine Nacht ohne Bett.
Die Ankündigung der Schaffnerin, dass es nachts sehr kalt werden würde, bewahrheitete sich zu meiner Freude, denn inzwischen konnte ich meinen eigenen Atem sehen. So fror ich auf meiner Bank sitzend vor mich und das schwarze Loch in meinem Bauch machte die Sache nicht besser. Meine Konzentration ließ immer weiter nach und an Lesen war irgendwann nicht mehr zu denken. Die Hoffnung, einigermaßen die Nacht zu überstehen, beruhte auf meinem mp3-Spieler. Die Zufällige Wiedergabe schlug die Kaiser Chiefs vor. „Oh my god I can´t believe it, I´ve never been this far away from home“. Die sollten sich aufs Fußballspielen*** konzentrieren, dachte ich mir und hoffte auf den nächsten Titel. Nun sang mir Thees Uhlmann ins Ohr. „Hinter den Bergen, den Städten, den Flüssen und Strömen, den Fotos und dem letzten Geld. Mit deinen Narben, den Platten, deiner Hoffnung, diesem T-Shirt, am anderen Ende der Welt.“ Es sollte meine persönliche Hymne dieser Reise werden.
Wenn man nicht schlafen kann, keine Ablenkung und viel Zeit hat, fängt man an, über die verschiedensten Dinge nachzudenken. Wenn man dazu seit etwa 15 Stunden nichts gegessen hat und nur mit größter Mühe einen klaren Gedanken fassen kann, entwickelt sich das auch mal in die komischsten Richtungen. So saß ich da also, in einem Zug im tiefsten Südafrika und verbachte die Nacht damit, über mein Leben nachzudenken, alles infrage zu stellen und auf Erkenntnis zu warten.
Der nächste Morgen begann, wie die Nacht aufgehört hatte, nur dass das Spektakel auf der anderen Seite des Fensters nun wieder für etwas Ablenkung sorgte. Zum Hunger hatte sich inzwischen ein Gefühl der Schwäche gesellt was, noch verstärkt durch meine Schlaflosigkeit, eine grandiose Kombination darstellte. Während der Zug an einem weiteren Township vorbeifuhr, war ich mir sicher, in meinem bisherigen Leben bis zu diesem Zeitpunkt noch nie wirklich Hunger gehabt zu haben. Ich schleppte ich mich in den Speisewagen, um die Kellnerin ein weiteres Mal mit meiner Bitte nach Wasser zu nerven. Doch diesmal war ihre Reaktion eine andere. „Bist du der Kerl ohne Geld?“, fragte sie und ich nickte. Die Managerin musste von mir erzählt haben. Als ich mit meinem gewünschten Wasser in der Hand wieder in mein Abteil wollte, stoppte mich einer der Köche, der gerade selbst am Essen war. „Setz dich!“, befahl er mir und ich nahm an einem der Tische platz. Wenige Minuten später stand ein Teller mit einem Hähnchenschlägel und etwas Reis vor mir und manchmal muss man auch die tiefste Überzeugung für einen kurzen Moment vergessen können. Ich wusste nicht, wann ich wieder die Gelegenheit bekommen würde, etwas zu Essen, denn ich hatte zwar inzwischen eine Vermutung, weshalb ich kein Geld mehr hatte, aber Sicherheit darüber würde ich so schnell nicht haben. Jeder Bissen brachte spürbar etwas mehr Kraft und der Rückweg zu meinem Abteil fiel deutlich leichter.
Es war Mittagszeit, zwei Stunden vor geplanter Ankunft, als die Managerin Bescheid gab, dass wir inzwischen fünf Stunden Verspätung hätten. So hieß es weiter warten, nachdenken, lesen und versuchen, die atemberaubenden Landschaften festzuhalten. Vor den Augen die wunderschönen Winelands im Südwesten des Landes, in den Gedanken die Hoffnung, in Kapstadt wieder an Geld zu kommen. Noch eine Stunde bis Cape Town, sagte meine Uhr und ich schien einer der letzten Leute im Zug zu sein, was zu einer leicht gespenstischen Atmosphäre führte, denn es war mittlerweile wieder dunkel. Draußen zogen immer mehr Lichter vorbei und endlich sah ich den vertrauten Kapstadter Bahnhof.
Die Anspannung war groß, als ich mit meinem Rucksack auf dem Rücken durch die leeren Bahnhofshallen in Richtung Geldautomat lief. Ich erschrak, als mir jemand auf die Schulter tippte. Einen kurzen Moment brauchte ich, um das Gesicht zuzuordnen. Es war der Koch des Zuges der mir die Hand schüttelte und mir alles Gute wünschte, nachdem ich mich noch mal bei ihm bedankt hatte. Meine Hand zitterte etwas, als ich meine Kreditkarte in den Automaten schob, denn ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte, würde es immer noch nicht funktionieren. Es ging nicht mehr „nur“ um etwas zu essen. Jetzt ging es auch um ein Dach über dem Kopf. Das erste Mal auf meiner Reise fühlte ich mich komplett verloren, als die Maschine zwar meine Karte, nicht jedoch einen einzigen Rand ausspuckte. Mit meinen Taschen durchs nächtliche Kapstadt zu irren war keine Möglichkeit und mit dem letzten bisschen Akku meines Handys rief ich im Backpackers an, um ein weiteres Mal meine Geschichte zu erzählen. „Wenn du jetzt kein Geld hast um den Taxifahrer zu bezahlen, wirst du morgen doch auch keines haben, um uns zu bezahlen“, war die logische Schlussfolgerung des dortigen Mitarbeiters. Es folgte ein langes Gespräch zwischen Mitarbeiter und Chef des Backpackers und auf mein Versprechen hin, am nächsten Tag alles bezahlen zu können, schickten sie mir ein Taxi. Dankbar dafür, die Nacht nicht im Bahnhof verbringen zu müssen, aber des Risikos bewusst, was ich durch mein Versprechen einging, stieg ich ein. Im Hostel angekommen, fiel ich ohne Umwege kraftlos und völlig übermüdet ins Bett, und hoffte, dass der nächste Tag ein besserer werden würde.
Die Sonne über Kapstadt war es, die mich am nächsten Morgen weckte und ich war überzeugt davon, dass dies ein gutes Zeichen war. Um die Schönheit der Stadt ein weiteres Mal zu bewundern, sollte ich hoffentlich noch Gelegenheit haben, denn bevor ich auch nur an irgendetwas anderes denken konnte, machte ich mich auf den alles entscheidenden Weg zur nächsten Bank. Und siehe da, ich konnte das unangenehme Gefühl, komplett auf andere angewiesen sein, endlich hinter mir lassen. Ich kam wieder an Geld, was sowohl eine mehr als große Erleichterung, als auch der entscheidende Hinweis auf die vermutete Lösung des Problems war. Wie sehr ich es vermisste hatte, entspannt zu sein.
Die Schulden zu begleichen sollte meine erste Tat sein. Kaum hatte ich das Gebäude verlassen, sprach mich jemand von der Seite an. Ein Kerl in meinem Alter, der mir vielleicht sogar etwas ähnlich sah, bat mich um ein paar Rand. Als ich zu ihm meinte, grundsätzlich niemandem auf der Straße Geld zu geben, begann er, mir seine Geschichte zu erzählen. Er sei aus Pretoria, auf seiner Reise nach Kapstadt sei ihm das Geld ausgegangen und er hätte keinen Schimmer, wie das passieren konnte. Falls der Herr (/die Dame/der Rosa Elefant) dort oben wirklich Prüfungen für uns bereit hält, ist dieser Moment mit Sicherheit eine gewesen. Ich drückte ihm ein paar Rand in die Hand und wünschte ihm nur das Beste. Ich wisse, wie sich das anfühlt, versicherte ich ihm, vielleicht sogar etwas zu gut.
Einen großen Teil des restlichen Tages verbrachte ich im ersten All-you-can-eat-Restaurant, das ich finden konnte und fühlte mich sehr gut dabei. Zwei ruhige, aber wunderschöne Tage verbachte ich noch in Kapstadt. Zwar war mir nicht danach, Geld für Dinge auszugeben, die nicht unmittelbar zur Erhaltung meiner Existenz beitrugen, aber ich machte das beste aus der verbleibenden Zeit in dieser bildschönen Stadt (über die noch ein eigener Artikel folgt). Am Abschlussabend besuchte ich noch ein Konzert der britischen Nachwuchsband „Coldplay“ in gemütlicher Atmosphäre. Die Stimmung war bestens, auch wenn die Jungs noch etwas an ihrer Bühnenpräsenz arbeiten müssen. Am morgen darauf musste ich die „Mother City“ **** leider schon wieder verlassen und machte mich mit dem günstigsten Busunternehmen, das ich finden konnte, auf den Rückweg nach P.E. Nun war ich in bester Verfassung, die Landschaften auf dem Weg zu bestaunen und ich genoss die Freiheit, wenn auch nicht die Beinfreiheit.
In meiner persönlichen Rangliste „Geschichten, die ich mal meinen Kindern erzählen werde“, steht diese fürs erste ganz oben. Ich bin mir sehr sicher, in keiner Woche meines bisherigen Lebens so viel gelernt zu haben, wie in dieser. Über mich selbst, die Menschen um mich herum und vor allem darüber, dass es immer anders kommt. Es wäre vermessen zu behaupten, ich wisse aufgrund dieser Woche, wie es sich anfühlt, arm und auf das Mitgefühl anderer angewiesen zu sein. Aber vielleicht werde ich diesem Gefühl nie mehr in meinem Leben so nah sein.
Ach ja, und fast hätte ich es vergessen: Ich habe gelernt, in Zukunft darauf zu achten, ob der Zahltag auf einen Sonntag fällt.
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* traditioneller Getreidebrei aus Maismehl
** „this is africa“ – üblicher, selbstironischer Spruch, falls etwas nicht klappt, länger dauert als normal oder irgendetwas anderes auf typisch afrikanische Weise schief geht.
*** Der Name der Band „Kaiser Chiefs“ lehnt sich an den früheren Verein des Leeds United Spielers Lucas Radebe an, die „Kaizer Chiefs“ aus Soweto.
**** Da Kapstadt die erste Stadtgründung der südafrikanischen Kolonialzeit war, wird sie von den Südafrikanern gerne als „Mother City“ bezeichnet. Nicht zu verwechseln mit der deutschen Version der Mutterstadt