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4. Sep. / Kay Schneider

Im Osten was Neues (Fortsetzung)

Skyline

Mein Kissen im Backpackers war fast noch warm, als ich das zweite Mal innerhalb weniger Tage dort aufkreuzte. Den Rucksack abgeladen, konnte ich mich nun endlich daran machen Durban zu erkunden. Da ich die Stadt und ihre Leute an dem mir verbleibenden Tag von möglichst vielen Seiten kennenlernen wollte, entschloss ich mich unter anderem dazu, viele verschiedene Verkehrsmittel auf meinen Wegen zu nutzen. So lernte ich bereits auf dem Weg zum Backpackers erstmals eine Taxifahrerin kennen, welche mir auch gleich einiges über die Stadt erzählen und mir Tipps für die Gestaltung meines Tages geben konnte was gut passte, da ich Reiseführer sowieso für gänzlich überbewertet halte.

Mein erster Weg führte mich zu einem der schönsten weißen Elefanten des Landes. Dass ich nicht in den Zoo fahren musste, um diesen zu bewundern, liegt ausnahmsweise nicht an der Artenvielfalt des Landes, sondern viel mehr an der Bedeutung der Bezeichnung „White Elefant“ *, die für große und ungenutzte Sportstätten gebraucht wird. Mit diesem Schicksal steht das Moses-Mabhida-Stadium nicht alleine da. Die meisten, zu WM 2010 errichteten und umgebauten, Stadien Südafrikas sind bei weitem nicht ausgelastet und die wenigen Veranstaltungen können die immensen Haltungskosten nicht decken. Da die Mehrzahl der großen Rugby- und Fußballvereine des Landes in eigenen, ausreichenden Stadien ihre Spiele austragen und sie die enormen Mietkosten gar nicht erst tragen könnten, verzichtetetn die meisten auf einen Umzug nach der WM. In Durban etwa steht das über 50.000 Mann fassende Stadion der Sharks, einem der bekanntesten Rugbyteams Südafrikas sogar nur etwa 200 Meter entfernt vom neu errichteten Stadion. Auch die angedachte Bewerbung für Olympia 2020 wurde mittlerweile aus finanziellen Gründen auf Eis gelegt. So stehen die zehn wunderschönen weißen Elefanten im ganzen Land verteilt und fressen Unmengen von Geld, das an vielen anderen Stellen bitter benötigt wird. Alles in allem aber ein Problem, das alles andere als überraschend kam. Durban versucht diesem durch bestmögliche Vermarktung etwas entgegenzuwirken und man versucht, das Stadion selbst zum Wahrzeichen und Anziehungspunkt zu machen. So kann man neben den üblichen Rundgängen den 104 Meter langen Bogen über dem Stadion mit einer Seilbahn hochfahren, mit Begleitung hochklettern oder gar eine Art Bungee-Sprung von diesem Machen.

Moses-Mabhida-Stadium

Moses-Mabhida-Stadium

Kings Park Stadium

 

Auf WM-Rasen

Auf WM-Rasen

Stadion Einsicht

Stadion Einsicht

Stadion Sprung

Stadion Sprung

Um meine nächste Station zu erreichen, testete ich das Busnetz der Stadt, das seit der WM nahezu alle wichtigen Orte in Durban verbindet. Da kaum eine Stadt in Südafrika ein Liniennetz wie dieses mit Bussen im Minutentakt besitzt, müssen sich die Minibus und Taxi erfahrenen Leute erst langsam daran gewöhnen, wie mir einige Fahrgäste erzählten, aber mittlerweile werde es immer besser angenommen. Durch die breiten und belebten Straßen Durbans fahrend, zwischen Hochhäusern und Straßenverkäufern, überkam mich nochmal ein ganz anderes Großstadtgefühl als ich es bisher kannte, immer wieder versüßt durch die kurzen Gespräche mit den verscheidensten Menschen um micht herum, deren Kontakfreudigkeit und Offenheit mich von Anfang an begeisterte.

Der nächste Halt war Howard Carpendales Geburtshaus der Victorian Street Market, ein Markt in einem viktorianischen Gebäude, auf welchem hauptsächlich indische Verkäufer um die Gunst der Touristen buhlen. Allgemein prägen Menschen mit indischer Abstammung das Stadtbild. Das kommt daher, dass Durban durch seinen Kolonialstatus zum wichtigen Handelsplatz aufstieg und die Briten Mitte des 19. Jahrhunderts tausende indische Landarbeiter in die Region brachten, deren Nachkommen heute einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung ausmachen**. Durban soll sogar die größte indische Stadt außerhalb Indiens sein und somit das, was Berlin für die Türkei ist (oder so ähnlich). Mit dem Duft der vielen Gewürze in meiner Nase gepaart mit dem Bild der unüberschaubar vielen afrikanischen Schnitzereien und Kuriositäten vor meinen Augen musste ich bereits nach wenigen Minuten mein Vorhaben, nichts zu kaufen, über den Haufen werfen. Am meisten punktete ein indischer Verkäufer bei mir, der nach einigen Minuten anfing, in nahezu akzentrfreiem Deutsch mit mir zu Handeln und mir nach dem überraschenden Moment erklärte, sein Wissen ausschließlich von den Touristen zu beziehen, die ihn seit Jahrzehnten bei seiner Arbeit umgeben und Deutsch nur eine der Sprachen sei, auf denen er mittlerweile zumindest feilschen könne. Nachdem ich mich nach einigen Stunden dazu zwingen musste, meinen Tag woanders fortzusetzen um nicht endgültig pleite zu gehen, machte ich mich mit gefüllten Taschen auf zum Backpackers um meine Sachen dort abzuladen und meine letzte Station in Angriff zu nehmen. Das durbansche Auqarium direkt neben dem Strand, seines Zeichens das größte in der südlichen Hemisphäre, hielt auch, was es versprach ***.

Aquarium

Aquarium

Den Sonnenuntergang genoss ich zusammen mit dem Blick auf die Skyline der Stadt, während ich das Erlebte Revue passieren ließ.

Und ich musste feststellen, dass trotz der aufregenden und schönen Stadt selbst etwas anderes den größten Eindruck auf mich hinterlassen hatte: Die unglaublich angenehme Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Durbanesen, die mich durch den ganzen Tag begleitete. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, mit wie vielen Menschen ich mich auf der Straße, im Bus oder Taxi unterhalten habe, wer mir im Vorbeilaufen einen schönen Tag gewünscht oder mich einfach nur angelächelt hat, während man gemeinsam darauf wartete, dass die Ampel grün wird. Und obwohl Port Elizabeth als die „friendly city“ bekannt ist, machte Durban in dieser Hinsicht nochmal einen ganz anderen Eindruck auf mich und verstärkt die Frage, warum einem eine solche Freundlichkeit als Deutscher sofort auffällt oder teilweise sogar verwundert. Bestimmt spielt das Wetter dabei keine kleine Rolle und das subtropische Klima Durbans würde diese These auch unterstützen, aber als einzige Erklärung für die deutsche Miesepetrigkeit kann ich das nicht stehen lassen.

Aber was auch immer es ist, wir sollten uns mal darüber unterhalten, Deutschland.

 

Durban Strand

Durban Strand

 

Skyline

Skyline

 

Skyline Nacht

Skyline Nacht

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* Ursprünglich wurden diese einmal von asiatischen Königen zum Zeichen ihrer gerechten und friedlichen Herrschaft gehalten – natürlich ungeachtet der immensen Kosten ihrer Haltung, die das Volk tragen musste. Und so hat die Bezeichnung die meisten Monarchien bis in die Neuzeit überlebt, als Beschreibung für ausgediente, aus Imagegründen errichtete Sportarenen.

 

** Selbst Mahatma Gandhi arbeitete während seines Aufenthalts in Südafrika von 1893 bis 1915 als Anwalt in Durban. Aus dieser Zeit ist unter anderem die Anekdote bekannt, wie Gandhi einmal zwischen Pietermaritzburg und Durban aus dem fahrenden Zug geworfen wurde, nachdem sich ein weißer Fahrgast beschwert hatte, dass „so einer“ in der ersten Klasse sitzen dürfe und Gandhi sich weigerte sich woanders hinzusetzen, war er doch im Besitz einer passenden Fahrkarte.

 

*** Die wichtigste Information, die ich aus dem Aquarium mitnahm: Im letzten Jahr kamen 791 Menschen durch defekte Toaster ums Leben. – 4 wurden von Haien getötet.

 

… Wieder was gelernt!

 

 

Ein Kommentar

  1. Lara / Sep. 5 2011

    KAAAY, ich liebe deine EInträge. So wunderbar zu lesen und so schön nachzuvollziehen, wenn man es selbst (fast) genauso erlebt hat… Oh Mann, ich bin so schrecklich neidisch, dass du Südafrika noch ein weiteres halbes Jahr genießen kannst… Viel Spaß noch! 😉

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