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28. Aug. / Kay Schneider

Im Osten was Neues (Teil 1)

Geschenk seines Paten, da kann man nichts machen...

Auf der Hitliste der ungünstigsten Zeitpunkte krank zu werden, ist der erste Ferientag mit Sicherheit in den Top 10 vertreten. Dennoch vollbrachte ich dieses Kunststück zu Beginn meiner drei freien Wochen, auch wenn es nur eine stärkere Erkältung war, die etwas auf die Stimmung drückte. Wer an dieser Stelle glaubt, die Wörter Afrika und Erkältung passen in etwa so gut zusammen wie Deutschland und Sommer sei eines Besseren belehrt. Während es in den Wintermonaten hier tagsüber meist mindestens frühlingshaft warm ist, fallen die Temperaturen, sobald die Sonne weg ist, auch gerne mal unter die 10-Grad-Marke. Wer als verwöhnter Europäer an Heizungen gewöhnt ist, erfährt hier also sehr schnell, was es mit der Bezeichnung „gefühlte Temperatur“ auf sich hat.
Wie passend es doch war, dass ein Freund von mir kurz vor den Ferien für die gemeinsam geplante Reise absagen musste und es mir der, für diese Jahreszeit ungewöhnliche, Dauerregen nicht allzu schwer machte, einfach im Bett liegen zu bleiben. Nachdem ich mir einen Überblick über die Südafrikanische Kinderserien-Landschaft* verschaffen und mich zu alter Stärke zurückgammeln konnte, wurde es nach anderthalb verkorksten Wochen höchste Zeit, den Rucksack auf den Rücken zu schwingen und in den Bus zu steigen.
Die Möglichkeit, einen alten Schulfreund zu treffen und die Aussicht auf besseres Wetter zogen mich schließlich in Richtung Durban. Da mir mit der sogenannten Wildcoast und der Transkei Teile der Strecke dorthin bereits durch meinen ersten Trip („Auf Achse“) bekannt waren und die Zeit durch meine unvorhersehbare Ruhepause etwas drängte, entschloss ich mich, bis Durban durchzufahren. Und obwohl über 14 Stunden Busfahrt in etwa so spaßig klingen wie eine Morddrohung, genoss ich gerade diese. So bekam ich auch diesmal vor lauter atemberaubend abwechslungsreichen Landschaften in der dafür verhältnismäßig kurzen Zeit meinen Mund kaum zu und auch das vermeintlich bekannte Panorama der Transkei zeigte sich durch die trockene Jahreszeit nicht mehr von seiner grünen, aber durch das nun vorherrschende goldgelb dennoch schönen Seite.

Blick aus dem BusfensterDoch nicht nur der Blick aus dem Fenster machte die Fahrt ein weiteres Mal zum interessanten Erlebnis. Da das Bus-Unternehmen alle günstigen Hostels des Landes verbindet, erfreut es sich vor allem bei jungen Rucksack-Touris reger Beliebtheit. So lernt man vom Weltreisenden bis zum Einheimischen stets interessante Leute kennen, bis die Gespräche mit diesen durch Aus- oder Umsteigen beendet werden, was manchmal mehr und manchmal weniger stört, jedoch stets zu neuen lustigen Kombinationen in den zwanzig Mann fassenden Bussen führt. Zu den Highlights der Hinfahrt gehörten dabei der nach jeder Pause vermisst gemeldete, 40-jährige, japanische Surfer und zwei schottische Studenten, mit welchen ich ein stundenlanges und angenehmes Gespräch über Gott und die Welt führte, bis schließlich, beim Thema Fußball angekommen, eine entscheidende Frage der beiden über die Fortsetzung der Unterhaltung entscheiden sollte. „Celtic oder Rangers?“ „Celtic.“                            Ein erleichtertes Lachen der beiden, High-Five und es durfte weiter geredet werden. Und das wurde es dann auch, bis schließlich, am finalen Hostel angekommen, auch die letzten Verbliebenen aus den Bus geschmissen wurden. Was für ein Glück, direkt bis vor die Haustüre gefahren zu werden wenn es wie aus Kübeln regnet. Moooment. Regen hatte ich nicht bestellt. Und Schon gar nicht in Strömen und hier in Durban, der Stadt in der man doch das ganze Jahr kurze Hosen tragen könne.               Als mir dann auch noch der Busfahrer versicherte, dass er solchen Regen um diese Zeit noch nie erlebt hätte war ich mir fast sicher, die Verantwortung dafür zu tragen. “Why does it always rain on me?”, Titel 1 des Ferien-Mixtapes.                            Aber genug gemeckert, auch wenn ich das darf. Ich habe ja schließlich einen kulturellen Auftrag zu erledigen und Sich-übers-Wetter-aufregen ist bekanntlich deutscher Volkssport Nummer eins.                                                                                    Der nächste Tag machte dann zum Glück auch eher den Eindruck, dass der Regen der Nacht das finale Zeichen dafür gewesen sei, nach 14 Stunden Fahrt endgültig verrückt geworden zu sein. Doch anstatt bei Sonnenschein die Stadt zu erkunden, machte ich mich auf den Weg zum Durbanschen Minibusbahnhof, um von dort aus weiterzufahren in das Dorf, in dem Tilman, ein guter Freund aus der Heimat, für einige Monate in einem Waisenhaus arbeitet. Für Durban selbst sollte später noch Zeit sein. Einen kleinen Vorgeschmack bekam ich jedoch schon auf der Suche nach dem Taxirank** der Stadt, der erst mal gefunden werden musste im bunten Treiben der zweitgrößten Stadt Südafrikas.

Minibus (Taxi) in Durban

Minibus (Taxi) in Durban

Drei Infos hatte Tilman mir gegeben: Wo ich einsteigen, umsteigen, und aussteigen müsse auf dem abenteuerlichen Weg zu ihm. Nach sechs Monaten Übung war ich bereit, mein geliebtes Fortbewegungsmittel nicht mehr nur innerhalb einer Stadt zu benutzen (Minibus 2.0 sozusagen). Nachdem ich von 3 Fahrern belächelt wurde als ich ihnen erklärte, wohin ich fahren wolle, bekam ich schließlich die finale Information, welcher der vielen Busse der richtige sei. Nun galt es noch eine halbe Stunde zu warten, bis das Taxi voll (= mind. 2 Leute pro Sitz) war und die Fahrt nach Cato Ridge losgehen konnte. Nachdem mir Whitney Houston eine gute Stunde ins Ohr gebrüllt hatte, dass sie mich immer lieben wird (Notiz an mich selbst: Nie mehr den Platz neben dem Lautsprecher wählen), hielt der Fahrer an einer Ansammlung kleiner Geschäfte Mitten in der Pampa KwaZulu-Natals*** an und teilte mir mit, hier umsteigen zu können. Kaum ausgestiegen, war es nach langer Zeit plötzlich wieder da, dieses ungewohnte Gefühl, garantiert aufzufallen aufgrund meines Aussehens. Muss aber auch komisch ausgesehen haben, wie ein weißer Typ mit großem Kissen an den Rucksack geschnallt aus einem der vielen Taxen steigt und erst einmal versucht, sich wieder zu berappeln. Überraschend problemlos ortete ich den nächsten passenden Minibus, der mich nach ein paar Minuten Fahrt schließlich an den, zum Treffpunkt auserkorenen, Supermarkt bringen sollte. Wie klein und abgelegen ein Dorf auch sein mag, man findet zumindest immer einen Spar-Markt in seiner Nähe. Einen Anruf später fand ich mich auch schon mit Tilman und zwei weiteren Freiwilligen des Waisenhauses auf der Ladefläche eines Transporters wieder, der uns zu deren Arbeitsstelle und Unterkunft brachte. „God´s Golden Acre“ ist ein von Spendengeldern finanziertes Waisenhaus für Kinder aller Altersstufen aus dem Umland, das auf die Freiwilligen, die zum Großteil aus Deutschland kommen, angewiesen ist. Und da Tilman auch nahezu durchgehend arbeiten musste, hatte ich zumindest die Möglichkeit, den Volontär-Alltag weitab von meiner bonzigen Privatschule kennen zu lernen. So genoss ich die drei Tage mit den vielen herzlichen Kindern bei interessanten Gesprächen und Fußballspielen, lernte die Kollektivstrafen der filmreif cholerischen Heimleiterin kennen und fand letztendlich doch genügend Zeit, mich mit Tilman über die aktuellsten Bundesliga-Transfers, Gott, die Welt und die bisher gesammelten Erfahrungen auszutauschen (in der Reihenfolge versteht sich). Alles in allem verbrachte ich dort drei wirklich schöne und interessante Tage mit der grandiosen Möglichkeiten, einen guten Freund aus der Heimat am anderen Ende der Welt zu treffen und die Vorteile und Schattenseiten einer solchen Einrichtung kennen zu lernen.

 Geschenk seines Paten, da kann man nichts machen...Die Rückfahrt nach Durban begann ich in aller Herrgottsfrühe mit dem Wunsch, das beste aus dem mir noch bleibenden Tag in der Stadt zu machen, bevor mich mein Busticket am nächsten morgen bereits zur endgültigen Heimreise zwingen würde.
Doch da dieser Tag und vor allem diese Stadt einen eigenen Artikel verdient haben, erfahrt ihr alles weitere im grandiosen zweiten Teil, auf den man sich gefälligst zu freuen hat.

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*  In der südafrikanischen Version der Sesamtraße gibt es seit ein paar Jahren das HIV-positive Monster Kami, das ein Zeichen gegen die hier herrschende Diskriminierung von AIDS-Erkrankten setzen soll. Es ist rosa und hat grüne Punkte im Gesicht.

** „Taxi“ = Minibus, „Cab“=Taxi

*** Eine der 9 Provinzen des Landes und zugleich die einzige, die den Namen einer ethnischen Gruppe in ihrem Namen trägt.

 

3 Kommentare

  1. Tobi / Aug. 28 2011

    Heeersch du wohl uff, imm’r die schwarzen Kinner zom foddografiera. Nur weil sie… Nein Spaß beiseite, schön, wieder Neuigkeiten dieser Form zu hören! Lass es dir weiterhin gut gehen.

  2. Tim / Aug. 28 2011

    Groß und artig!

  3. Caro / Aug. 28 2011

    Ohjee, ich les das gerade erst mit den Kommentaren und den Kindern, ich fühl mich ja schon richtig schlecht…
    Aber eines muss ich ganz klar festhalten, deine Berichte zu lesen macht richtig viel Spaß und selbstverstänlich freue ich mich schon auf Teil 2! 😉 (..und die Fortsetzung von dem einen Text, aber da wir das schon bisschen besprochen haben, geh ich da jetzt nicht noch weiter drauf ein… 😛 )

Kommentare sind geschlossen.

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