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29. Apr. / Kay Schneider

Auf Achse

„Wie hässlich Port Elizabeth doch ist“, meint der neben mir im Bus sitzende Typ aus Kapstadt, kurz nachdem ich eingestiegen bin und wir am Zentrum vorbeifahren. Es sind meine ersten freien Tage und es geht die Wildcoast entlang, etwas entspannen, ein bisschen was erleben vom Südafrika außerhalb der Stadt. „Schau in den Spiegel“ denke ich mir, erzähle ihm dann aber doch, dass dieser Teil der Innenstadt bei weitem nicht das schönste ist, was die Stadt zu bieten hat und es sich hier ansonsten gut leben lässt. Dass ich nach etwas mehr als einem Monat hier P.E. schon ein bisschen verteidige, überrascht mich zwar selbst etwas, aber ich werte es als überaus gutes Zeichen.

Es geht durch atemberaubenden Landschaften und vorbei an kleinen Dörfern mit interessanten und auch verwirrenden Namen, so halte ich in „Hamburg“ vergeblich nach einem Hafen Ausschau und fünf Buchstaben in „Stutterheim“ vermitteln mir einen Hauch von Heimat. Als ich darüber nachdenke, ob ich jemals so viele verschiedene Landschaften in einem so kurzen Zeitraum gesehen habe, hält der Bus mitten im Nichts an. Aus dem Fenster sehen wir, wie der Busfahrer eine große Tüte voller Brötchen aus dem Kofferraum holt, die er den an der Straße stehenden Kindern in die Hand drückt, die dort schon seit einiger Zeit zu warten scheinen. Weitere zwei Stunden den Mund vor unfassbar vielfältiger Natur nicht zubekommen, dann sind wir da.

Cintsa

Ein kleiner paradiesischer Ort mit einem laut Reiseführer „legendären“ Backpackers, der definitiv hält, was es verspricht – uneingeschränkte Entspannung. Nach zwei Tagen bin ich dann so entspannt, dass es mich weiterzieht in Richtung Transkei.

Cintsa

Cintsa

Cintsa

Bulungula

Ein Buch zu lesen und gleichzeitig einige der dort beschriebenen Orte mit meinen eigenen Augen sehen zu können, ist ein Glück, das mir bisher selten zu Teil wurde.                      Doch genau das machte die Fahrt durch die Transkei umso spannender, da das was ich sah, mit dem in Nelson Mandelas „Der lange Weg zur Freiheit“ beschriebenen übereinstimmte. So sah ich Mtata, einen der Orte in dem er aufwuchs, und auch an seinem aktuellen Wohnsitz in der Transkei fuhr ich schließlich mit großen Augen vorbei.

Allgemein hatte ich auf diesem Teil der Fahrt nun das erste Mal voll und ganz das Gefühl, in Afrika zu sein oder besser gesagt einem Ort, der wirklich „weit weg“ vom Gewohnten zu sein scheint. Bunte Lehmhütten ergeben kleine Dörfer inmitten von einer scheinbar endlosen Hügellandschaft in sattem Grün. Und dann, wie aus dem nichts heraus, doch wieder eine kleine, laute Stadt, deren lebhaftes Treiben unsereins als Chaos bezeichnen würde. An einer Tankstelle am Rande Mtatas sollten wir schließlich in einen Geländewagen umsteigen, da unser Ziel, das kleine Xhosa-Dorf Bulungula, nur mit einem solchen zu erreichen sei.

Dass dieser bereits bei unserer Ankunft voll von Leuten und Gepäck ist, machte mir in diesem Moment wenig aus, schließlich bin ich es ja gewohnt, meinen Platz in meinen mittlerweile lieb gewonnenen Minibussen mit drei andern Leuten zu teilen.                        Als der scheinbar überforderte Fahrer aber nun meinte, unsere Namen würden gar nicht erst auf seiner Liste stehen und zum gefühlt 14. Mal begann, die wartenden Leute durchzuzählen da ihn bis dahin jedes Mal ein anderes Ergebnis überraschte, begannen meine Augen bereits verzweifelt, nach dem gemütlichsten Platz zum Übernachten an dieser Tankstelle zu suchen. „Pennen an ´ner Tanke in Mtata – willkommen im Abenteuer, Kay“, sagte ich mir, bis uns schließlich unser eigentlicher Fahrer ansprach und uns, scheinbar auch etwas erleichtert, zu seinem bisher leeren Geländewagen brachte. Gekonnt ordnete er unser Gepäck Tetris-like in eine Wand voller Taschen, die den Innenraum in zwei Bereiche aufteilte. Im hinteren saßen wir nun, und saßen, und saßen… „Tut mir leid, ich musste noch was Essen“, meinte ein anscheinend Einheimischer, als er endlich einstieg, die Türe des Wagens schloss und wir losfuhren konnten. Dass es eine gute Idee war, vor der Fahrt nichts mehr zu essen, wurde mir hingegen nach etwa einer halben Stunde klar, als wir von der befestigten Straße auf einen hügeligen Weg wechselten, den wir so schnell nicht mehr verlassen sollten. So ging es vorbei an vereinzelten Hütten, einigen winkenden Kindern und Vierbeinern aller Art (Kühe, Pferde, Esel, Hunde…) wenn sie einen denn vorbeiließen. Doch während der Fahrer stets mit dem Verscheuchen von Tieren beschäftigt war, machten wir uns vielmehr wegen des Gepäckstapels sorgen, der jeden Moment drohte umzustürzen und uns unter sich zu begraben. So spielten wir unfreiwillig eine Variante von „Twister“ (rechte Hand auf roten Koffer unten links, linker Fuß auf braune Tasche…), stets Bedacht mit Ratschlägen von den anderen vier Insassen, die dafür auch gerne ihr Dauergespräch auf Xhosa unterbrachen. Müde von zwei Stunden Gepäck-Auffangen und Tieren ausweichen zog sich die vom Fahrer angekündigte „halbe Stunde“ Restzeit, bis sie zu mehr als einer weiteren ganzen wurde. Eine afrikanische halbe Stunde eben, hätte man auch gleich drauf kommen können. Spätestens jetzt verstand ich auch den Satz über Bulungula, über den ich kurz zuvor im Reiseführer gestolpert war – „something very special, but getting there is a mission” So war es stockdunkel als wir ankamen und mehr als das gemeinsame Essen auf den noch immer durch die Gegend hüpfenden Magen war nicht mehr drin und so verzog ich mich schnell in die Lehmhütte, die für die nächsten 3 Tage mein Bett beherbergte.

Transkei

Bulungula

Die Tage in Bulungula waren voller Überraschungen und vor allem neuer Erfahrungen. Neben der grandiosen Natur in welcher und vor allem mit welcher man hier lebt, war vor allem der überraschend intensive Kontakt mit den Menschen der Dorf-Community etwas ganz besonderes. Das Backpackers, welches man eigentlich nicht als solches bezeichnen kann (da es viel zu besonders ist), wird zu einem großen Teil von den Xhosa des Dorfes betrieben, wodurch man in einem gewissen Sinne für die Zeit seines Aufenthaltes zu einem Teil der Community wird. Sei es die Kommunikation oder die Aktivitäten mit den verschiedenen Menschen des Dorfes, schnell wurde mir klar, dass dies der vielleicht interessanteste Ort ist, an dem ich je gewesen war. So kam es das eine oder andere Mal zu Situationen, in denen niemand meine Sprache sprach, wobei im Falle der Dorfjugend ein Ball genügte, um fürs erste miteinander zu kommunizieren.

Fußball am Strand von Bulungula

Auch der Nachmittag, den wir zusammen mit den Alten des Dorfes verbrachten, war auf eine schwer zu beschreibende Weise etwas besonderes. So stutzte ich doch im ersten Moment, als mich ein älterer Herr beim gemeinsamen Trinken des selbstgebrauten Bieres fragte, wie viele Kühe wir in Deutschland denn für eine Frau bezahlen würden. In der Transkei sind es übrigens aktuell etwa 10 Kühe, wobei eine Kuh umgerechnet R500, also etwa 50€ wert ist. Doch egal mit wem und über was man sprach, man stand immer unvorstellbar herzlichen und interessierten Menschen gegenüber, die trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer einfachen Lebensweise so fern von unserer Gesellschaft eine gewisse Glücklichkeit ausstrahlen, nach der man in unserer westlichen Welt lange suchen muss.

Statt weiter zu erzählen, ein paar Eindrücke in Bildern:

"Backpackers"

 

Typen

Tradition trifft Moderne

Bau einer Lehmhütte

Herbalist

Mein Lieblingsbild

2 Kommentare

  1. Anna Hujber / Mai 10 2011
    Profilbild

    Haha, das ist definitiv auch mein Lieblingsbild! Ich hoffe ich komme bald mal dazu, meinen Reisebericht fertig zu schreiben…

  2. Manfred Schneider / Apr. 29 2011

    Sehr schöner Reisebericht mit tollen Eindrücken. Gefällt mir gut, lieber Kay !
    Dein Vater

Kommentare sind geschlossen.

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