Zwischen Ankommen und Auskommen
„Heute hier morgen dort, bin kaum da muss ich fort“
Sicherlich ist das momentan eines der Lieder meines persönlichen Soundtracks. Zumindest wenn es um meine neue Lieblingsbeschäftigung, das Umziehen, geht. Denn so spontan ich in meine Wohnung eingezogen war, zieht es mich auch wieder in die nächste.
Ein Zufall war es, wie sollte es anders sein, der mich über Umwege auf einen netten Professor der hiesigen Universität aufmerksam machte, der noch einen Mitbewohner suchte. Als dieser auch von mir erfuhr und trotz des Wissens, dass ich bereits eine Wohnung gefunden habe, darauf bestand, dass ich mal vorbeikomme, nutzte ich die Gelegenheit und durfte kurze Zeit später feststellen, dass seine Wohnung nicht nur mindestens genauso schön wie meine jetzige ist, sondern auch den Vorteil eines überaus sympathischen Mitbewohners hätte. Da sich meine Suche nach einem Mitbewohner für meine Wohnung als schwieriger als erwartet gestaltete und die Miete alleine auf Dauer nicht zu stemmen ist, erkundigte ich mich vorsichtig bei meiner Vermieterin nach der Möglichkeit, den kürzlich unterschriebenen Vertrag wieder aufzulösen. Sie könne meine Lage verstehen und es sei kein Problem, wenn ich denn selbst einen Nachmieter finden würde, meinte sie und reagierte damit deutlich gelassener als ich befürchtet hatte.
So machte ich mich also daran, einen Ersatz für mich zu finden und mein zukünftiger Mitbewohner unterstützte mich darin, indem er Plakate in der Uni aufhängte. Dass dies zwei Tage lang etwa drei Anrufe pro Minute zur Folge hatte, brachte mir neben heißen Ohren auch die Möglichkeit, Telefongespräche auf englisch zur Genüge zu üben. Den Telefonaten folgten Besichtigungsmarathons, bei welchen ich Studenten durch eine Wohnung führte, die mir selbst noch etwas fremd war. Auch vor Zusagen mangelte es schließlich nicht und so hatte ich auch kein Problem jemanden… Ich hatte etwas vergessen! Ein kleiner aber entscheidender Satz meiner Vermieterin kam mir ausgerechnet in dem Moment in den Sinn, als ich mir vermeintlich sicher war, jemanden gefunden zu haben. „Es ist nicht einfach, weiße Mieter für diese Wohnung zu finden“, hatte sie gesagt, als ich selbst noch in der Rolle des Interessenten war, und mir anschließend von den Problemen erzählt, die man doch meistens nur mit Schwarzen hätte. Dieser Satz in Kombination mit der Tatsache, dass ausschließlich schwarze Studenten die Wohnung besichtigt hatten, brachte mich aus meinem sicher geglaubten Konzept, so bald wie möglich umziehen zu können.
Was also tun? Um noch weiter nach neuen Nachmietern zu suchen fehlte mir die Zeit da, ich schließlich bereits dem hilfsbereiten Prof zugesagt hatte, und ob ich die Einstellung meiner Vermieterin besser unterstützen sollte, wusste ich so plötzlich auch nicht einzuschätzen. Ich entschied mich, so zu tun, als hätte sie etwas derartiges nie zu mir gesagt, entschloss mich aber auch, mich mit der von mir favorisierten Nachmieterin abzusprechen. So entschieden wir, die nette Studentin aus Ghana und ich, im Zweifel unabhängig voneinander zu erzählen, dass wir uns schon länger kennen würden und ich kündigte zusätzlich noch vor dem Treffen zwischen ihr und meiner Vermieterin an, eine vertrauenswürdige Freundin gefunden zu haben, die gerne einziehen würde, ohne dabei ihre Hautfarbe oder Herkunft zu erwähnen. Und siehe da, am Abend darauf schrieb mir meine Vermieterin, wie sympathisch meine Freundin aus Ghana doch sei und dass sie ihre Zusage hätte, einziehen zu dürfen.
Ob es letztendlich daran gelegen hatte, dass wir uns „schon lange kennen“ oder meine Vermieterin spontan feststellte, „trotz“ der Hautfarbe einen vertrauenswürdigen Menschen vor sich zu haben, kann ich nicht sicher beurteilen. Die Studentin und ich entschlossen uns dazu, zu behaupten, unsere organisatorischen Fähigkeiten hätten das möglich gemacht und können im Nachhinein auch darüber lachen.
Und so kann ich in dieser Woche dann doch wie gewünscht ein letztes mal umziehen und meine neue Wohnung vielleicht bald „Zuhause“ nennen.
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Wer nun annimmt, meine Vermieterin ist ebenfalls weißer Hautfarbe, liegt falsch. Sie selbst ist „coloured“, was man zwar mit unserem Wort „farbig“ übersetzen würde, jedoch sollte man dabei etwas ganz entscheidendes beachten: Farbige Südafrikaner würden sich nicht gerade darüber freuen, „schwarz“ genannt zu werden. Sie sehen sich nicht als schwarze und haben eine sehr unterschiedliche Sprache und Kultur. Darüber hinaus zanken sich Farbige und Schwarze mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe in Südafrika. Die typische farbige Frustration lautet: „Früher waren wir nicht weiß genug, und heute sind wir nicht schwarz genug.“ Südafrikaner haben allgemein mit den Worten schwarz, weiß und farbig keine Berührungsängste, im Gegenteil, man ist stolz darauf, ein Coloured, Zulu oder weißer Afrikaner zu sein. Menschen anhand ihrer Hautfarbe zu beschreiben oder einzuteilen ist hier nicht notgedrungen rassistisch. Vielmehr hilft die Hautfarbe oftmals, den kulturellen Hintergrund des Gegenübers einzukreisen, da diese hier meist auch Auskunft über Herkunft, Sprache, Religion und Tradition der Menschen gibt.
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2 Kommentare
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Haha ich bin stolz auf dich 🙂 Ich hab auch endlich eine Gastfamilie gefunden!
Wow, gleich mal den Rassismus besiegt! Nach einem Monat kann das nicht jeder von sich behaupten …