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18. März / Kay Schneider

Lost! (in translation)

Hätte mir vor wenigen Monaten jemand erzählt, meine erste eigene Wohnung würde ich in Südafrika beziehen, hätte ich ihm wahrscheinlich von weiteren Voraussagungen abgeraten. Inzwischen ist aber genau das eingetreten und während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf dem Balkon meiner neuen Bleibe und schaue aufs Meer. Ein beruhigendes Gefühl war es eben, als ich die letzten Sachen endlich in den Kleiderschrank packen konnte.

Dass es während der, am Ende auch nervenaufreibenden, Suche dann plötzlich doch ganz schnell und spontan klappte, ist in einer gewissen Weise auch bezeichnend für den Alltag im allgemeinen, den ich bisher erlebt habe.

Nach einem weiteren Tag der erfolglosen Suche drückte mir eine Mitarbeiterin der Lodge eine Nummer in die Hand, dort könne ich es noch wegen einer Wohnung versuchen. Doch ich kam nicht einmal dazu, dort anzurufen denn kurze Zeit später stand die Besitzerin der Telefonnummer in meiner Hand schon neben mir in der Lodge und sprach mich an. So machten wir uns gleich auf den Weg, sie zeigte mir die Wohnung und nach einer Nacht Bedenkzeit sagte ich dann auch zu. Auch da ich bevor ich den Vertrag unterschreibe noch ein Wochenende zum „Testwohnen“ hätte, bis meine zukünftige Vermieterin wieder in der Stadt sei. Mittlerweile ist eine Woche ohne Unterschrift und Vertrag vergangen aber dafür hatte ich auch genügend Zeit, die Mängel ausfindig zu machen, die bisher aber auch alle zu verkraften sind. Das hätte ich jetzt nicht schreiben sollen, denn in diesem Moment gibt das Licht in der Küche hinter mir den Geist auf… Ansonsten ist es natürlich ein merkwürdiges Gefühl, eine Wohnung so zu übernehmen, wie sie hinterlassen wurde. Der VfB-Schal an der Wand muss da aber fürs erste helfen.

Apropos Fußball: Die Bundesliga wird hier im Bezahlfernsehen übertragen. So pilgere ich,  wenn sich die Gelegenheit bietet, in die Restaurants und Bars im Umkreis, in welchen ununterbrochen Sport gezeigt wird, wenn auch nicht immer der richtige. So machte ich mich gleich bei den Einheimischen beliebt, als ich während der Übertragung eines Spiels der Cricket-WM (welche momentan in SA stattfindet) einen schwarzen Kellner freundlich fragte, ob er nicht auf Fußball umschalten könne. Dieser schien nur auf diesen Moment gewartet zu haben und wir vergnügten uns zu zweit mit dem VfB-Spiel, während die Cricket Fans murrend eine Bar weiter zogen. Der Sport spielt im allgemeinen eine große Rolle in Südafrika. Nicht nur durch die Dauerpräsenz im Fernsehen, sondern auch durch Cricket, Rugby und Fußball als einen ständig verfolgende Gesprächsthemen.

Als ich neulich einem Jungen meiner Schule erzählte, dass in Deutschland kaum einer Cricket oder Rugby spiele, schaute der mich verwirrt an und meinte nur trocken „seems to be a weird place where you come from“.

Am letzten Wochenende ging es dann raus aus PE, um das erste mal etwas außerhalb der Stadt zu sehen. So machten wir uns auf in Richtung Jeffreys Bay, einem der angesagtesten Surfspots der Welt, um welchen sich in den letzten 30 Jahren ein kleines Städtchen gebildet hat. Anschließend ging es in einen kleinen Nationalpark, den Lions Park, in dem ich zum ersten Mal das sah, was der Europäer als erstes mit Afrika verbindet.

Mein erstes kleines Abenteuer erlebte ich dann aber doch an einem ganz anderen Ort: Im Straßenverkehr von Port Elizabeth. Als ich am gestrigen Nachmittag etwas früher in der Schule fertig war als die Deutschlehrerin, die mich normalerweise immer in ihrem alten VW-Käfer mit zur Schule nimmt, dachte ich mir, diesmal doch einfach eines der Minitaxen zu nehmen, welche das wichtigste Fortbewegungsmittel der schwarzen Bevölkerung in Südafrika darstellen. Dabei ist der Name aber etwas irreführend. Die sogenannten Minitaxis sind alte Toyota-Minibusse, die zwar feste Routen fahren, auf welchen man jedoch aus- und zusteigen kann wann man möchte. Man sieht diese weißen Busse in etwa so häufig wie gelbe Taxis in New York und dazu genießen sie eine Art Narrenfreiheit, heißt Verkehrsregeln sind eher zweitrangig. Für eine Fahrt bezahlt man dabei immer 7Rand (etwa 70cent), ganz egal wo man zu- oder wieder aussteigt. Weiße benutzen diese Busse in der Regel nicht, raten teilweise auch von deren Nutzung ab.

Ich für meinen Teil wollte an besagtem Nachmittag jedoch auf eigene Faust nach Hause kommen und da ich mir vorgenommen habe, den Alltag hier von möglichst vielen Seiten kennenzulernen, wollte ich hier einen Anfang machen. So machte ich mich auf zum zentralen Minibusbahnhof, der etwa 10 Minuten entfernt von der Schule im Zentrum zu finden ist. Als ich mich schließlich mitten im bunten und, aus der Sicht eines Außenstehenden, chaotischen Treiben dieses kleinen Platzes wiederfand, überkam mich ein absolut neues Gefühl. Das erste Mal in meinem Leben fiel ich durch meine Hautfarbe auf, da weit und breit kein Weißer mehr zu finden war. Kein unbedingt bedrückendes Gefühl, aber dann doch sehr fremd für jemanden, der bisher in keinem Moment seines Lebens aufgrund seiner Hautfarbe ein Außenseiter war.

Entschlossen fragte ich einen Mann in Warnweste, in welchen Bus ich denn steigen müsse um in meinen Ort zu kommen. Dieser erklärte mir in gebrochenem Englisch, dass keiner direkt dorthin fahre und ich zwischendurch umsteigen müsse. Schließlich zeigte er mir einen der unüberschaubar vielen Busse und ich setzte mich auf den letzten freien Platz in dem mit über 20 Leuten (aus deutscher Sicht) völlig überfüllten Wagen, bei einer gefühlten Temperatur von 50 Grad. An der „Firestation“ müsse ich umsteigen, so hatte ich es zumindest verstanden. Nach 10 Minuten wagte ich es dann den Beifahrer anzusprechen, der eifrig mit dem Zählen des Geldes der vielen Mitfahrer beschäftigt war. Dieser ignorierte mich jedoch gekonnt und ich wollte ihn natürlich nicht davon ablenken, jedem der Leute im Nachhinein das passende Rückgeld auszuhändigen. Als ich dann aber feststellte, dass keiner meiner Sitznachbarn Englisch verstand und sich der Bus immer weiter der gefühlt richtigen Richtung entfernte, beschloss ich, es noch mal zu versuchen. Statt mit Schweigen wurde ich nun jedoch mit Beschimpfungen bestraft, da der Beifahrer immer noch damit beschäftigt war, die Scheine und Münzen in seinen Händen zu ordnen.

So saß ich da also.

In einem vollgestopften Minibus mit Menschen die meine Sprache nicht sprechen und ohne jegliche Ahnung wo ich bin oder hinfahre. Wie sollte ich beschreiben wo ich bin wenn ich aussteige und jemanden anrufe? So fuhr ich weiter und weiter in der Hoffnung irgendwann einen Ort wiederzuerkennen und machte mir Gedanken über mein neues Leben irgendwo in Afrika während nach und nach alle Fahrgäste ausstiegen. Nun startete ich den letzten Versuch und sprach ein weiteres Mal den Beifahrer an, der mittlerweile kein Geld mehr zu zählen hatte, da auch niemand mehr außer mir hinten im Bus saß. Als er diesmal kein Wort von dem verstand, was ich von mir gab, versuchte ich meinen Wohnort mit allen möglichen Betonungen auszusprechen, wobei mir bei „Humewood“ bald keine Varianten mehr einfielen. Beim etwa 8 Versuch grinste er schließlich und meinte, (so glaube ich) er gebe Bescheid, wann ich aussteigen solle. Beruhigend dabei war, dass der Bus mittlerweile den gleichen Weg zurückfuhr. So hielt er schließlich an einer Ampel an, machte die Tür auf und zeigte nach draußen. Ich sprang raus, konnte seit über einer Stunde mal wieder durchatmen und, siehe da, ich erkannte die Straße wieder, die direkt auf den Hafen zuführt. Ich war also über eine Stunde durch die Gegend gefahren, 15 Minuten von der Schule entfernt wieder auszusteigen. Ich beschloss, den Weg nun zu Fuß zu gehen, immer am Meer entlang, da könne nichts schief gehen. So war es dann auch und ich kam erleichtert und einige Liter Schweiß ärmer dort an, wo ich vor mittlerweile 2 Stunden schon hinwollte.

Wer mich für bescheuert hält, wenn ich erzähle, dass ich heute um zum nächsten Supermarkt zu kommen wieder in einen solchen Bus stieg, darf dies gerne tun. Ich konnte diese Erfahrung so nicht stehen lassen. Ich musste mir beweisen, dass ich einfach nur Pech hatte. Und siehe da: Es funktionierte problemlos. Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

Bis demnächst!

5 Kommentare

  1. poo-esel (afrikaans) / Nov. 7 2011

    „seems to be a weird place where you come from“ 😀

  2. Anna Hujber / März 26 2011
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    Genau richtig gemacht!
    Ich schlag auch immer alle Ratschläge in den Wind, die mir von irgendwas abraten^^
    Aber ein bisschen neidisch auf deinen Meerblick bin ich schon…

  3. Tim Jakob / März 22 2011
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    Wie schön mal wieder sowas wohlformuliertes zu lesen!
    Also ich mein‘ des hier:
    Verlier meinen Verstand, ja, das muss ich gestehn
    Mein Feuer, das brennt lichterloh
    Von Karlsruhe bis nach Itzehoe
    Du treibst es auf die Spitze, ho (Gib’s mir richtig, ganz egal wo)

    Dein Blog ist auch ganz ok. Schade, dass wir uns beim Nachbereitungsseminar nicht sehen.

  4. Max "Separated Brother" Schneider / März 21 2011

    erstaunlich dass sich das crickethungrige Kneipenpublikum scheinbar ohne weiteres vertreiben ließ… hierzulande hättest du mit einer solchen Aktion auf jeden Fall nen riesigen Aufruhr verursacht 😉

  5. Arne Bonhage / März 18 2011

    und wunder dich nicht, wenn sie einfach anhalten und du umsteigen musst!
    im neuen taxi muss du auch nicht nochmal zahlen, man wie ich das vermisse^^

Kommentare sind geschlossen.

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