Resfriarse

Kurz vor meiner Abreise betete meine Mutter mir am Telefon einen ganzen Katalog an Medikamenten herunter, die ich unbedingt einpacken sollte. Abgesehen davon, dass mein Gepäck ohnehin schon zu schwer war und ich wenig Lust hatte, am Tag meiner Abreise noch eine Apotheke leer zu kaufen, war ich der Überzeugung, alles was ich im Fall einer wie auch immer gearteten Erkrankung brauchen würde, würde ich genauso gut auch hier in Chile finden. Immerhin würde ich in der Landeshauptstadt sein, deren medizinische Versorgung größtenteils der europäischen entsprechen sollte. In einem Anflug von Reaktanz gepaart mit einer Prise jugendlichen Leichtsinns packte ich sogar einige der Medikamente, die ich zunächst eingepackt hatte, sogar wieder aus – und überhaupt, wann hatte ich eigentlich zum letzten Mal Nasenspray gebraucht?

Die erste Woche in Santiago verging, ohne jegliches Symptom einer Krankheit. Den Flug hatte ich also unbeschadet überstanden und auch die unglaubliche nächtliche Kälte in meiner ersten Wohnung – sogar den bisher kältesten und einzigen Regentag, der mich zum Kauf extradicker Alpacawollsocken zwang. Ich wähnte mich in Sicherheit, die Temperaturen stiegen, ich wurde leichtsinnig. Doch bekanntlich kommt Hochmut vor dem Fall. Am Montagmorgen meiner zweiten Woche wachte ich mit einer fetten Erkältung auf. Natürlich ausgerechnet in dieser Woche, in der bei der Arbeit ohnehin schon die Hölle los sein würde. Ich quälte mich also aus dem Bett und zur Arbeit. Dort angekommen bekam ich von meinen Kollegen sofort nützliche Tipps über Medikamente, die mir helfen könnten. Ich war wirklich mehr als froh, als mein Kollege mir von seinem Gang zum Bäcker eine Packung eben dieser Medikamente mitbrachte. Am liebsten hätte ich meine Mutter angerufen, um ihr zu sagen „guck mal, was es hier gibt!“. Spätestens aber als ich in meiner Mittagspause im Supermarkt stand und händeringend nach Taschentüchern (die 3 Pakete, die ich mitgebracht hatte, sowie eine Rolle Küchentücher waren bereits aufgebraucht) suchte, keine fand und stattdessen Servietten kaufte, hatte sich dieser Drang wieder in Luft aufgelöst.

Tag 2 der Erkältung kam, der Taschentuch-/Serviettenverbrauch hatte sich erfreulicherweise drastisch reduziert – jedoch hätte ich nun gern das verfluchte Nasenspray gehabt, das ich damals so blauäugig ausgepackt hatte, um wieder atmen zu können. Na ja, macht ja nichts, sagte ich mir, gehst du halt in die Farmacia um die Ecke und besorgst dir da welches. Gesagt, getan: nachdem ich kurz gegooglet hatte, was Nasenspray auf Spanisch heißt (espray nasal), ging ich rüber und teilte dem Apotheker mit, was ich wollte und oh, da waren ja auch plötzlich die Taschentücher (richtig echte!!). Ich entschied mich für eine Variante auf Meerwasserbasis und Taschentücher mit maximaler Weichheit und war für einen Augenblick ziemlich zufrieden mit mir selbst. Dieses Gefühl hielt aber nur an, bis der Apotheker mir den Preis nannte, den ich zu bezahlen hatte: 21.180 CLP (ca. 27,50€). Meine Blase der Selbstzufriedenheit zerplatzte jäh und ich verließ die Farmacia um einige Pesos leichter, dafür mit einer gigantischen Packung Nasenspray…

Dem Leser sei an dieser Stelle selbst überlassen, ein Fazit zu ziehen – ich tue mich damit noch reichlich schwer.