¡Se inicia el cierre de puertas!

„Man sollte auf keinen Fall zur Rush Hour in Santiago mit der Metro fahren.“ Aber wieso eigentlich nicht? Klar, es kann übertrieben voll werden und ja – manchmal muss man erst ein bis zwei volle Züge an sich vorbeifahren lassen, bevor man sich dann doch entscheidet, einfach einzusteigen, um dann wie eine Sardine in der Büchse dicht gedrängt mit hunderten anderen Fahrgästen dazustehen. Ich gebe auch zu, dass der Geruch von so vielen Menschen auf so engem Raum wirklich nicht unbedingt der angenehmste ist und dass man gelegentlich Angst bekommt, seine Station zu verpassen, weil einem zu viele Menschen den Weg zum Ausgang versperren. Dennoch möchte ich an dieser Stelle ein Plädoyer für die Metro in Santiago halten.

Als mir an meinem allerersten Tag hier, kurz nach Bezug meines Zimmers, allmählich dämmerte, dass ich jetzt über 12.000 km weit entfernt von zu Hause war, beschloss ich, es sei das Beste, einfach rauszugehen und mich abzulenken, um nicht das Heimweh überhandnehmen zu lassen. Da ich ohnehin meine zukünftige Arbeitsstelle besuchen wollte, ging ich direkt los zur nächsten Metro-Station und kaufte mir eine Fahrkarte. Alles funktionierte erstaunlich unkompliziert und schon wenige Augenblicke später saß ich in der Metro und fuhr in Richtung meines Ziels. Als ich da nun saß überkam mich plötzlich eine Woge der Glückseligkeit, teils weil ich es geschafft hatte in dieser völlig fremden Stadt in die richtige Bahn zu steigen und teils, weil ich merkte, dass Santiago letzten Endes gar nicht so viel anders ist als Hamburg. Die Menschen die dort mit mir fuhren hatten genau wie zu Hause auch das typische ausdruckslose „U-Bahn-Gesicht“ – jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach und diese Vorstellung beruhigte mich ungemein. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ich mich ein wenig zu Hause fühlte.

Seit diesem ersten Mal bin ich beinahe jeden Tag mit der Metro gefahren, zu jeder erdenklichen Uhrzeit – auch während der Rush Hour. Ich habe es genossen, als ich am Freitagabend zur Rush Hour in einer vollen Bahn stand und so viele unterschiedliche Menschen doch irgendwie das gleiche Ziel hatten, nämlich nach einem Arbeitstag nach Hause zu kommen und ich habe es ebenso genossen, am Dienstagmorgen, nach dem Nationalfeiertag leicht verkatert in der Bahn zu sitzen und in andere ebenso zerknitterte Gesichter zu blicken. Ich mochte die Fliesen mit Kinderzeichnungen in meiner Station República ebenso wie die riesigen Gemälde von Guillermo Muñoz Vera von Pazifik und Anden an der Station La Moneda. Und ich muss jedes Mal aufs Neue schmunzeln, wenn die mechanische Frauenstimme auf so umständliche Weise das Schließen der Türen ankündigt. In diesem Sinne: ¡ se inicia el cierre de puertas !