die zeit ist eine physikalische größenart.

die zeit ist eine physikalische größenart.

eine kurze geschichte der zeit.

gibts ni. ich erklär dir auch gerne warum. pass auf, stell dir vor. schon im oktober hast du im grunde angefangen, die wochen zu zählen, bis du das nächste mal nach hause kommst. also, in das zu hause, das zuerst da war, nicht das andere. da bist du ja die ganze zeit. wenn es dir nun gut ging hast du dich einfach in vorfreude gesuhlt. wenn es dir nun aber weniger gut ging, dann zogen sich die tage dahin, die tage zu wochen, vier davon und es stand dem ganzen ein monat weniger im weg. jede seite, die du im kalender umblättern konntest, war gold wert. denn die tage werden trist und kalt, nur erleuchtet von der weihnachtsdeko, die über den großen straßen des vom wind fauchenden biests einer stadt baumelt. es wärmt sich daran den bauch und gähnt ab und an gelangweilt, denn die zeit, sie schleppt sich schier dahin. nur du hastest durch die gegend, um auch jedem, wenn es dann so weit ist, etwas in papier einwickeln zu können, das er dann auswickeln kann. du freust dich auf die gesichter. und auch weihnachten fern der heimat kann mit den richtigen menschen fern der heimat ein bisschen weniger fern der heimat sein.

danach kommt jener tag, welcher. am istanbuler flughafen weißt du vor lauter zeitzonenzauber nicht mal wirklich wie spät es ist, feierst ein paar stunden weihnachten mit den anderen zwischen den zeiten gestrandeten menschen und noch ein wenig später, geflogene und gefahrene und gewartete und gezählte zeit später, bist du schließlich da. was dann passiert ist ein bunter schmierfilm, die tonspur hinkt wahrscheinlich auch dem bild hinterher, denn die zeit dachte sich, nun ist es zeit (ha!) loszuflitzen als gäbs kein morgen mehr. man denkt ja immer, wenn man woanders ist verändere sich schlagartig alles gewohnte zum ungewohnten. dem ist nicht so. du veränderst dich, das ist auch schon alles.

„krieg‘ dich mal wieder ein!“ brüllst du, doch dieser garstige unhold hat seinen eigenen willen, wie du langsam zu bergeifen beginnst.

und schon heißt es wieder „ich packe meinen koffer und packe ein:“ ein bisschen ruhe, ein bisschen pfefferkuchen und ein bisschen wärme, die sich dann eines nachts aus deinem rucksack wieder auf den boden des kalten wg-zimmers ergießt. ein paar tage steht die zeit nun überraschend still. woher das nun auf einmal kommt, weißt du nicht. dafür ist diese unerwartete stille wie ein schlag in die magengrube. du willst nichts machen, du willst nicht denken und denkst doch zu viel nach, und essen, nee, willst du eigentlich auch nicht.

alternativ gehst du deswegen ins ballett. zum nussknacker. wie damals mit sechs jahren.

und dann kommen neue ideen über nacht durchs küchenfenster gesaust und nisten sich in den köpfen der dreimannfamilie namens „vielleicht-wg-georgien“ ein.

deswegen sitzt das moosgrüne, dick in schals und mützen eingewickelte kind schon bald im taxi nach gori, einem gewissen herren Dschughaschwili auf der spur. zumeist kennt man ihn allerdings unter einem anderen namen, der von ihm getragen wurde. die übersetzung ist stets stählern. windgepeitschte steintreppen hinauf zu den überbleibseln einer festung geht es noch, wie vorher schon so oft begleitet von einem hund, der sich auf wirklich jedes foto stehlen möchte.

mit eiskalten oberschenkeln zurück in die marschrutka. du nickst ein. nur wenig zeit vergeht. wäre sie doch nur eine physikalische größenart. dann könnte man versuchen, sie zu messen. oder sich an ihr zu messen?

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