Perspektivwechsel

Riga – Warschau – Breslau – Dobkow – Breslau -Warschau – Riga

Zwei Nächte im Hostel erwarten uns in Warschau, bevor wir von dort mit dem Zug weiter nach Breslau und Richtung Zwischenseminar fahren wollen.

Von oben denken wir, dass Warschau doch wirklich grau und hässlich ist. Unten fällt uns dann aber erstmal auf, dass alles super modern erscheint. Irgendwie drängt sich der Gedanke auf „Zurück im Westen“ – eine Sache der Perspektive also. Wir haben das Glück, dass uns unsere couchsurfing-Bekanntschaft abholen will und direkt auch zum Hostel bringen will – wie nett ist das denn! Wojziech hat uns gleich auch schon ein 3-Tagesbusticket besorgt (etwa tausend potentielle Verwirrungsquellen werden uns aus dem Weg geräumt! 🙂 ). Er zeigt uns den Weg zum Hostel, als wir allerdings die Hausnummern abklappern, ist die gesuchte Nummer eine weiße Villa in einem schicken Viertel. Unser Begleiter geht voraus, öffnet die Tür und geht hinein. Ich bin bis zum Schluss überzeugt, dass er gerade in ein Privathaus hinein gelaufen ist; kein Schild nichts(das mit dem Schild passiert uns allerdings auch in unserem Hostel in Breslau). Ich bin auch noch nicht restlich überzeugt, als Wojziech uns in den Gang hinein winkt. Wir stehen mitten in einem Wohnzimmer. Eine Frau mit einem Baby auf dem Schoss reicht uns einen karierten Block und wir sollen unseren Namen drauf schreiben. Oke, das Hostel ist also ziemlich familiär. Als wir um 16Uhr uns auf den Weg in die Innenstadt machen, ist es schon dunkel. Es fühlt sich an, als würde uns Wojziech alles zeigen. Und mir fängt Warschau an zu gefallen. Auch wenn es nicht wirklich in die Kategorie „ästhetisch“ hinein fällt. Freaky sind die vielen „Demos“ zum Gedenken an den Flugzeugabsturz bei dem der polnische Präsident Kaczynski ums Leben kam. Viele Menschen sind überzeugt, dass es sich nicht um einen Unfall handelte und nun finden am jeden 10. jedes Monats Demonstrationen dazu statt. Woyzech verheimlicht nicht, dass er nicht viel davon hält. Er erklärt sarkastisch, dass es in Polen ja keine Armut, keine Obdachlosigkeit, an sich keine anderen Probleme gäbe, gegen die man sich stattdessen stark machen könne. Nachdem wir die Stadt bereits etwas auf uns haben wirken lassen, gehen wir in ein Restaurant mit polnischer Küche. Die anderen drei essen Piroggi. Ich bin aber so erkältet, dass ich es für eine ziemlich geniale Idee halte, nur eine Hühnersuppe(nach polnischen Rezept) zu essen. Danach zeigt uns Wojziech weiterhin gefühlt Alles. Um Mitternacht sind wir dann schließlich im ersehnten Bett.

Am nächsten Tag sind wir wieder mit Wojziech verabredet (es ist einfach nur genial, dass es uns alles zeigt). Obwohl er selbst noch nie da war, hat er uns versprochen mit uns gemeinsam zum offiziellen Paradeteil des polnischen Nationalfeiertages(11.11) zu gehen. Davor genießen wir aber noch einen Panoramablick über Warschau vom Kulturpalast aus.

Wojziech hat uns bereits vorgewarnt. Letztes Jahr gab es am Nationalfeiertag viele Ausschreitungen. Er erzählt uns, dass aus dem ganzen Land Straßenkämpfer zu diesem Zweck angereist sind. Wir sind froh, dass wir ihn bei uns haben, als wir uns dem Stadtkern nähern. Ziemlich bald halten wir es für klug, überhaupt kein Wort Deutsch mehr zu verlieren. Die Stimmung ist seltsam und schließlich wird am Unabhängigkeitstag die Entwaffnung der deutschen Truppen gefeiert. Wir und tausende andere Menschen(so ziemlich jeder mit einer Polenflagge in der Hand) schauen der offiziellen Militärparade zu. Auch historische Soldaten aus dem 1. und 2. Weltkrieg sind immer wieder zu sehen. Parolen werden gerufen, Kanonenschüsse abgefeuert. Ich finde es extrem seltsam. Und freue mich, dass man sich „sowas“(~Patriotismus) in Deutschland nicht „traut“. Der Präsident spricht. Wir verschwinden Richtung Nationalmuseum(das ist heute kostenlos). Wieder Militär, diesmal eine Militärausstellung. Uns ist das zuwider. Wir präferieren die Gemäldegalerie.  Als wir später in einer Bäckerei(sooo wie Bäckereien sein sollten!) sitzen, läuft auch noch ein Demozug an uns vorbei. Wojziech erklärt, dass die Demos am 11. alle keine wirklichen Forderungen haben. Solch Ausschreitungen wie im Jahr davor gibt es dieses Jahr nicht, aber auf den Fernsehern in den Straßencafes werden die einen oder anderen „leuchtenden“ Bilder gezeigt.

Am nächsten Tag geht es mit dem „Schnellzug“ nach Breslau – 7h und der Zug fährt nicht selten um die 30km/h. Ich vermisse deutsche ICEs(obwohl die DB böse ist!!). In Breslau wollen wir nach einer weiteren erschwerten Hostelsuche nur noch schlafen. Das Hostel allerdings ist super süß und wir sind die ersten Gäste überhaupt je.

Nach einem Vormittag in Breslau geht es zur Bussammelstelle von kulturweit. Nach 1,5h Busfahrt sind wir in  Dobkow(das zum schönsten Dorf Unterschlesiens gewählten Dorf) und auch mitten in der polnischen Provinz. Ich finde es toll, nicht zuletzte, weil ich seit einem viertel Jahr zum ersten Mal wieder etwas wie Berge um mich herum habe. 😀

Das Zwischenseminar ist dann irgendwie ziemlich cool. Vor allem gemütlich(unser Seminarraum ist ein Kaminzimmer), mit gutem Essen und auch so ganz konstruktiv. Besonders war auch noch unser Ausflug zur Begegnungsstätte in Kreisau, wo wir eine Führung über das Gelände und zu dem historischen Hintergrund der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ erhielten.

Mit Zwischenstopp in Warschau waren wir dann 8 Tage später also wieder im fast 1000km entfernten Riga. So nah an Deutschland war ich schon länger nicht mehr. Breslau ist ja mal so viel näher bei Berlin als bei Riga. Aber mir hat die Reise in den Westen getaugt und vor allem habe ich auch mein persönlich gestecktes Ziel erreicht: weiter an meinem zuvor sehr sehr einseitigen Polenbild malen. Bei der Einreise noch mit der Hoffnung, dass mir danach Polen etwas lieber wird, habe ich das Land (wie ich es irgendwie dann doch erwartet hatte) jetzt in mein Herz geschlossen. 😉

 

„Sowjetische Geschenke“:

in Warschau:

in Riga:

(sehen sich bei gleichen Lichtverhältnissen zum Verwechseln ähnlich)

 

(Bal)lettland

Juhuu! Jule, Claudia und ich haben heute Karten für´s Ballett in der Nationaloper gekauft – der Nussknacker. 🙂 Ich bin gespannt. Jetzt erstmal morgen auf das Zwischenseminar nach Polen und am Wochenende drauf dann in die Oper.

Eine Busfahrt durch Riga

Busfahren ist ja so stressig, aber eben leider auch viel zu spannend um es vermeiden zu wollen.

Wenn ich unsere schwere Eingangstür aufgedrückt habe, einen Blick links die Straße entlang werfe und die 40 sehe, heißt es rennen. Ich lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Es sind vielleicht 40m bis zur Bushaltestelle und der Bus hat seine Türen schon/noch offen. Ich gebe mir jede Mühe schnell zu sein. Denn es gibt nichts ärgerliches als den Wunschbus gerade noch so verschwinden zu sehen. Und verpasse ich die 40 muss ich entweder 8-15min warten oder 50sentime(~70cent) für einen anderen Bus zahlen, da ich das Monatsticket nur für diesen einen Bus habe. Der Bus steht schon ungewöhnlich lange an der Haltestelle. Er wartet auf mich. Lässt die Türen noch offen oder schließt sie und öffnet sie noch einmal, wenn ich dann keuchend davor stehe. Ich könnte dem Busfahrer tausend rote Rosen schenken, wenn er – mal wieder- für mich gewartet hat.

Also quetsche ich mich in den Bus. Manchmal kann man froh sein, wenn man sich schmal genug machen kann, dass die Türen noch zu gehen. Manchmal bekommt man einen bequemen Stehplatz. Und manchmal hat niemand die Absicht sich hinzusetzen. Alle stehen und viele Sitzplätze sind frei.

Bustickets sind irgendwie auch überall verschieden. In Lettland werden die Monats- und Streifentickets elektronisch abgelesen an dafür im Bus verteilten Geräten. Wenn man es gut anstellt, muss man noch nicht mal das Ticket herausnehmen, sondern nur seine Tasche an das Lesegerät halten und es piept grün auf. Wenn die Karte abgelaufen ist, leuchtet es rot auf und macht ein lautes Geräusch. Dann drehen sich nicht selten viele Köpfe zu einem hin. Unangenehm unangenehm!

Ich schaukel also im Bus durch die 5/4-spurige Straße(Achtung immer wieder akute Umfallgefahr!). Stop Tallinas iela: Hier ist ein Viertel namens „Mieriela“, wo es viele Secondhandläden, die große Laima-Schokoladenfabrik und vor allem eins meiner Lieblingscafés gibt, in dem man super lecker vegetarisch essen kann.

Um mich herum wird mal kollektiv geschwiegen, Telefonatgespräche geführt und beendet („давай давай!“), mit dem Busfahrer laut diskutiert oder einfach nur so gequatscht. Und der Bus ist eigentlich immer bilingual, selten hört man zudem auch mal ein englisches(/deutsches) Wort. Stattdessen hier lettisch, dort russisch. Diese sprachliche Zweigleisigkeit ist kompliziert, nicht konfliktfrei, mit (komplexen)Problemen verbunden, aber auch etwas ganz besonderes. Es macht Riga besonders.

„Nākamā pietura Matīsa iela“: Hier ist mein Fitnessstudio, hier steige ich oft aus.

Dann kommt die Ģertrūdes iela. Hier steige ich noch viel öfter aus. Das ist die nächste Haltestelle zu meiner lettisch Sprachschule und von hier hat man auch schon einen bezaubernden Blick auf die goldene orthodoxe Kirche.

Wenn ich nicht zum Bahnhof will(was auch nicht all zu selten vorkommt), dann steige ich an der Inženieru iela aus. Direkt vor der lettischen Universität und der deutschen Botschaft. Durch den grünen Gürtel und schon ist man in der Altstadt. Das ganze in vielleicht 15min. Aber da Fahrradfahren durch begrenzt eine Alternative ist, ist diese kleine Fahrt stetiger Bestandteil meines Alltages. Wenn ich zu meiner Schule fahre, dann allerdings mit dem gleichen Bus direkt in die gegengesetzte Richtung mit doppelt so langer Fahrzeit. Allerdings gibt es hier kein „Ich renne zum Bus“, denn leider ist das überqueren der fünfspurigen Straßen dann doch ein etwas aufwendigerer Act.

Ich vermisse es nicht wie in meiner Heimatstadt in Deutschland alles mit dem Rad machen zu können, aber da ich nur so semilebensmüde bin, bleibt mein umständlich erstandenes Fahrrad leider viel zu oft im Treppenhaus. Aber nach einer kurzen Annährungszeit sind die 40 und ich ganz gute Bekannte geworden – denn sie erzählt mir nicht selten spannende Geschichten.

Heimweh

Ich glaube, ich habe die letzten Tage zum ersten Mal so konkret festgestellt, dass Riga zu meinem neuen Zuhause geworden ist. Wie? Ich hatte Heimweh – und zwar nach Riga. Die letzten Tage haben meine Mitbewohnerin Jule und ich die Schulferien genützt um ein paar Tage nach Schweden zu gehen(als wir in Ventspils waren, standen wir sozusagen genau gegenüber von Schweden. Nur durch die Ostsee voneinander getrennt). Und Stockholm ist wirklich super und doch fielen uns immer tausend Gründe ein, warum wir uns freuen, bald wieder in Riga zurück zu sein. Es ist auch eine lustige Sache, wenn man gefragt wird, woher man kommt. Mal habe ich geantwortet: „I am from Latvia but I`m German“ und irgendwie hat es das ganz gut getroffen. Was ich die Tage über also herausgefunden habe? Stockholm ist eine wunderschöne Stadt, aber Riga mag ich lieber – weil es zu meinem Zuhause geworden ist. 😉

5.10. Lehrertag

Auch in Lettland wurde am 5.Oktober der internationale Lehrertag gefeiert. An meiner Schule wird der Lehrertag immer von den 12.Klässlern geplant. Um mir das Ganze anzuschauen, bin ich extra eine Stunde früher aufgestanden, um vor meinem Sprachkurs noch zu meiner Schule nach Jugla zu flitzen. Gleich am Eingang hing ein großes Banner, das die Lehrer willkommen hieß. An den Türen standen auch schon zwei Schüler in Anzug, die die Türen aufhielten und einen begrüßten. Im Eingangsbereich konnte man vor der Kulisse eines Spielsalons Fotos machen, während man mit „Geld“ um sich warf. Vor dem großen Saal wurden schließlich alle Lehrerinnen und Lehrer(und auch ich) in Gruppen eingeteilt und in diesen Gruppen saß man dann zusammen. Erst haben Schülerinnen und Schüler der 12. etwas gesungen, dann wurde „Unterricht“ in Form eines Quizes und mit Schülern als Lehrer abgehalten. Auch ein Film von dem „typischen Tag“ eines Lehrer wurde gezeigt und die Anwesenden haben viel gelacht. Bevor es dann Kaffee und Kuchen gab, wurde noch einmal ein Dankeschönlied an die Lehrer gesungen. Überhaupt haben die Lehrer den ganzen Tag über Blumen und Geschenke von den Schülern erhalten.

Wärmflaschenkauf auf Kauderwelsch

Zu den elementaren Dingen, die nicht in mein 30kg Gepäck gepasst habe, gehört definitiv auch die überlebenswichtige Wärmflasche. Folglich war es unausweichlich, dass ich in Riga eine besorgen musste. Während ich noch kaum einen Gedanken an diesen Akt verschwendet hatte, hatte meine Mitbewohnerin Jule zum Glück schon die erste Recherche übernommen. Man muss wissen, es gibt DOCH Wärmflaschen in Lettland, aber kaufen muss man sie extra in der Apotheke. Nachdem Jule dann mit ihrer knallgelben Kükenwärmflasche nachhause kam, sah auch in ein, dass es Zeit war, auf Flaschenjagd zu gehen. Vorsorglich hatte ich mir den Begriff sowohl auf Lettisch als auch auf Russisch notiert, doch im entscheidenden Moment, als ich dann zufällig vor einer Apotheke stand, hatte ich meine Notizen natürlich nicht dabei. Nach kaum erwähnenswertem Zögern – bisher hatte es fast immer mit Händen-Füßen-Englisch-Deutsch-Russischwortfetzen geklappt – entschied ich mich, es trotzdem zu probieren. Als ich an der Reihe bin, erst mal die Frage meinerseits: „Do you speak English?“ Ihre Antwort :“Besser Deutsch!“  – Autsch! Vier englische Wörter und ich hatte mich als Deutsche zu erkennen gegeben? Na gut, dann eben auf Deutsch. Ich sage der Frau, dass ich eine Wärmflasche kaufen will; sie schaut mich irritiert an, ich schicke die englische Vokabel noch hinterher; sie schaut kein bisschen weniger irritiert. Logische Konsequenz daraus ist, dass ich anfange mit meinen Händen das gesuchte Ding zu formen; lege es auf meinen Bauch und untermale das gezeigte mit deutscher Erläuterung. Sie scheint daraufhin zu wissen, was ich will und geht zu einem Schrank, um mir lächelnd irgendwelche Tabletten(wahrscheinlich gegen Bauchschmerzen) entgegen zu strecken. Ich schüttle daraufhin nur den Kopf und betone bei der Wiederholung meiner Erklärung das Wort „Flasche“ ganz besonders. Vielleicht etwas zu sehr, denn plötzlich meint sie schon wieder zu wissen, was ich will. Sie greift hinter sich und hat daraufhin eine 0,5l Plastikflasche Wasser in der Hand. Jetzt lässt sie mich auch gar nicht zu Wort kommen, sondern erklärt mir stattdessen auf Lettisch(mein Einkaufsvokabular qualifiziert mich zu dieser Annahme), dass es das Wasser mit Gas und ohne gibt. Als ich sie schließlich mit einem erneuten „Nein“ enttäuschen muss und wohlgemerkt die Schlange hinter mir schon bis zur Eingangstür reicht, habe ich nur noch wenig Hoffnung, doch was muss das muss, also starte ich einen letzten Versuch, der sich von den vorherigen einzig dadurch unterscheidet, dass ich diesmal das Wort „heißes“ vor dem „Wasser“ betone. Und kaum zu glauben, aber sie hat eine weitere Idee und diesmal führt diese sie in einen Hinterraum, aus dem sie mit zwei Wärmflaschen(!) zurückkommt. Ich freue mich. Ich darf sogar noch zwischen zwei Größen auswählen. Paldies!

Deutsche Botschaft

Heute war ich zum zweiten Mal in der deutschen Botschaft und es werden wohl noch einige weitere Begegnungen folgen. Aber zuvor hatte ich heute Vormittag meinen ersten Workshop zu Deutschland im Englischunterricht im Rahmen der European Language Days. Ich habe mit einer 7.Klasse ein Quiz über Deutschland gemacht. Dass der Workshop auf englisch stattgefunden hat, hat es für mich nicht unbedingt einfacher gemacht, aber im Endeffekt hat alles geklappt und es hat sich gut angefühlt. Nicht zuletzt weil die Schüler sehr lieb waren, mir Schokolade geschenkt haben, nach der Stunde weitere Fragen gestellt haben und sogar Fotos mit mir machen wollten. Schön schön!

 

Danach waren Felix und ich dann eben noch 2h in der Botschaft, weil wir uns nochmal offiziell vorstellen sollten und wir in Zukunft auch einige Veranstaltungen/Schulbesuche mit der Botschaft zusammen machen werden. Interessant fand ich eine Aussage der Kulturzuständigen, dass es in Lettland ein ganz anderes Bild von Deutschland gibt, als das Lettlandbild in Deutschland. Für die Letten sei Deutschland ganz nah und viele waren schon mal da oder wollen später sogar mal dort leben/studieren/arbeiten, während in Deutschland die wenigsten je in Lettland gewesen wären und das Land einem sehr weit weg vorkomme. Ich nehme es auch so wahr. Oft bin ich erstaunt, wie präsent Deutschland hier ist. Sie meinte auch, dass es in der EU jedoch sehr wichtig wäre, auf selber Augenhöhe zu sein bzw zu kommen. Dem kann ich zustimmen, ich halte es für positiv, dass Deutschland hier so präsent ist, aber ich fände es noch viel viel positiver, wenn Lettland gleichermaßen präsent in Deutschland wäre.

Lebensrealität Ausland

Klingt mein Blog, als würde ich über meinen verlängerten Lettlandurlaub schreiben? Vielleicht ja; aber wenn dann bedingt dadurch, dass ich nur einen Bruchteil kommuniziere. Leben im Ausland ist kein verlängerter Urlaub, der sich aus pausenlos aufeinanderfolgenden Spannungsmomenten zusammensetzt. Leben im Ausland heißt zu allererst, dass alles im Alltag ein Tick schwerer ist, als man es gewöhnt ist. Es heißt aber natürlich auch, vieles Neues und Außergewöhnliches zu sehen, zu bestaunen und es schließlich allmählich als nicht mehr erwähnenswert zu betrachten. Ich schreibe kaum darüber, was hier anders ist, was gleich ist, wie ich es bereits kenne, weil all meine Eindrücke nur kleine Puzzleteile sind, die zu einem Gesamtbild gehören, dass ich nicht jetzt und wahrscheinlich auch nicht später ganz erfassen werden kann. In Lettland leben heißt für mich, sich ein Zuhause aufzubauen in einem Umfeld, dass ich erst kennen lernen muss und aufnehmen will. Aber in einem anderen Land zu leben heißt auch, viel vermissen, viel zweifeln und gerade deswegen fange ich an, manch Zurückgelassenem und Neuem und Altem ganz anderen Wert beizumessen; vieles neu überdenken. In einer neuen Umgebung, fern von der „Heimat“ zu sein, kann sich anfühlen als befinde man, als befinde ich mich in einem leeren Raum. Ein leerer Raum ist in erster Linie etwas kahles, kaltes, ungemütliches, einsames, aber weil das so ist, ist es zugleich die beste Voraussetzung den Raum füllen zu wollen. Ich gestalte hier jeden Tag weiter an meinem Raum. Das ist schön und macht Freude, aber es wäre eine Illusion anzunehmen, dass ich es nicht auch aus Furcht vor dem leeren Raum machen würde. Im Ausland leben ist geprägt von Extremen. Ist ein Gebirge von Emotionen. Aber keins, das man durchgleitet, sondern wie überall an jedem Ort der Welt muss man Schritt für Schritt mit schwerem Gepäck und schmerzenden Füßen hindurchwandern. Und wie an jedem anderen Ort auch wird es leichter und schöner, wenn man diesen Weg nicht alleine gehen muss. 😉