Was so los ist

Was gerade so los ist bei mir in Riga? Hier ein paar willkürliche Eindrücke aus den letzten Wochen:

An dem Wochenende als Hanna aus Tartu zu Besuch war, waren wir in Saulkrasti zum ersten Mal in diesem Jahr in der Ostsee schwimmen. Am fast menschenleeren, endlos scheinenden, weißen Sandstrand haben wir in der Sonne gelegen und uns schließlich auch ins eiskalte Wasser gewagt (wenige Wochen zuvor, was die Ostsee an dieser Stelle schließlich noch zugefroren gewesen) . Am selben Wochenende war auch bei glühender Hitze der Riga Marathon, bei dem auch drei befreundete EFD-Freiwillige mitgelaufen sind. Am selben Wochenende war auch Museumsnacht in Riga und wir haben die einmalige Chance ergriffen, zu diesem Anlass in das lettische Parlament zu gehen. Im Vergleich zum Deutschen Bundestag wirkte es jedoch eher wie ein Museum.

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Beim Riga-City-Marathon, jedoch als bereits der Letzten durch das Ziel gelaufen war. Im Hintergrund Hafen.

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Lettische Saeima

 

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Das einzige Deutschlandfähnchen im Zelt

 

 

 

 

Irgendwann davor oder danach hab ich dann noch mit Freunden beim public viewing zugeschaut, wie Deutschland Lettland beim Eishockey (WM-Gruppenspiel) geschlagen hat.

 

 

 

 

 

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Nach dem Gewitter vor dem Schwimmen

Dann hatte ich eine Woche lang Besuch von meinem Vater und seiner Freundin. Nach einer Fahrradtour nach Jurmala folgte in diesem Zusammenhang das zweite Ostseebaden (Wasser diesmal viel wärmer!).

 

 

 

 

 

 

 

Dann muss ich gestehen, dass ich in Lettland extrem zum Sportguckerfan geworden bin. Irgendwie kann man sich über diesen Weg leicht mit einem Land identifizieren. Nur, dass ich nahezu nie Fussball mehr schaue (daher war das Championsleague-Finale Schauen auch trotz schlechtem Stream ein echtes Highlight für mich 😀 ) , sondern meist Eishockey. Letztes Wochenende war es dann aber Basketball und zwar die Frauenmannschaft Lettlands gegen Litauen im Rahmen einer Brustkrebsvorsorge-Kampagne, von der mir meiner Mitbewohnerin erzählt hat, deren Schwester in der Nationalmannschaft spielt und die gemeinsam mit ihrer Mutter das Gesicht der Kampagne war. Bild vom Spiel mit uns im Hintergrund

Heute war ich auch noch mit einem Freund in dem schönsten Kino, in dem ich je war. Gleicht eher einer Oper. Wobei wir sonst immer in ein gewöhnliches in einem Einkaufzentrum gehen.

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Alles Sonstige bleibt erstmal unerwähnt 😉

Wie die Uhren ticken

In Riga habe ich ein neues Zeitgefühl entwickelt. Vielleicht liegt es daran, dass das Reisen viel Zeit braucht. Es gibt keine schnellen Schnellzüge und es gibt auch keine Autobahnen. Wer sich um seine Zeit sorgt, der muss das mit dem Reisen gar nicht erst anfangen. Amüsant ist auch, dass man von Riga aus in fast jede andere große Stadt im Baltikum ziemlich genau 4h (zumeist mit dem Bus) braucht. Nach Ventspils (6. größte Stadt Lettlands), nach Liepaja (3.größte Stadt Lettlands), nach Vilnius (Hauptstadt Litauens), nach Daugavpils (2.größte Stadt Lettlands), nach Tartu (2. größte Stadt Estlands), nach Tallinn (Hauptstadt Estlands) immer fast 4h. Da kommen einem diese vier Stunden in die nächste größere Stadt so alltagstauglich vor, ganz anders wie die vier Stunden, die ich von Bamberg nach Berlin mit dem ICE gebraucht habe. Man reist langsam, aber dafür auch billiger und weil es auch keine teurere, jedoch schnellere Alternative gibt, nimmt man es, wie es ist und zwar mit viel Geduld ohne es überhaupt noch als solche wahrzunehmen, denn den Anspruch schnell und pünktlich zu sein, der bei nicht Eintreffen Geduld verlangt, der ist irgendwann auf der Strecke geblieben, jedoch ohne dass es weh getan hätte. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob in Lettland die Leute wirklich alles mit mehr Ruhe angehen als in Deutschland. Irgendwann war ich mir klar, dass es entweder keinen Unterschied gibt oder dass ich die Einstellung übernommen hatte, denn ich fühlte mich nicht mehr in der Lage, es beurteilen zu können. Dass ich, als ich über Weihnachten in Deutschland war, dann zu aller erst meinen ICE verpasste, kam dann aber doch nicht so überraschend und der Verdacht, ich sei ein noch zeitweilenderer Mensch geworden, verhärtete sich. Ich glaube nicht, dass ich prinzipiell unpünktlicher geworden bin, sondern Zeit liebender, Zeit akzeptierender. Wenn ich in Lettland in einen kleineren Ort fahre, wo alle drei/vier Stunden ein Zug/Bus zurück nach Riga fährt, dann ist das kein Grund, den Tag noch genauer zu planen, sondern wenn ich den Tag frei habe, dann spielt die einzelne Stunde nicht mehr diese Rolle. Ich denke nicht viel über Zeit bzw einen Zeitplan nach. Vielleicht ist das aber auch durch die wenig feste Struktur in meinem Alltag beeinflusst. Aber spätestens als mir Besucher aus Deutschland sagten, dass die Uhren hier irgendwie langsamer tickten, da wusste ich, dass ich es mir nicht nur eingebildet hatte. Wobei, dass sie langsamer ticken, das stimmt nicht, sie ticken einfach unbemerkter.

Endlich flüssiges Meer

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Im Freien vor der Schule haben wir verschiedene Stationen zu Deutsch(land) für die Schüler gemacht

Heute war ich zum ersten Mal in diesem Jahr mit den Füßen im Meer. Das letzte Mal als ich dort war, reichte noch Eis und Schnee die ganze Sichtweite. Doch heute nachdem wir einer befreundeten Freiwilligen in ihrer Schule in Jurmala (wunderschön mitten im Wald gelegen und 1min vom Meer entfernt) beim Deutschtag geholfen haben, ging es bei echten 28Grad PLUS an den weißen Sandstrand.

 

Laufen Laufen

Wenn ich Laufen gehe, fühle ich mich gut. Dann geraten meine Gedanken in den Hintergrund und ich nehme nur noch meine Umwelt und meinen Körper wahr. Manchmal halte ich Sport für überwertet, aber viel häufiger noch, halte ich es für das Beste, was man machen kann. Vor ein paar Wochen habe ich beschlossen, nicht mehr ins Fitnessstudio zu gehen, sondern mit meinen Laufschuhen wieder die Außenwelt zu bezwingen. Als ich diesen Beschluss fällte, war jeder Lauf noch eine Herausforderung, die mit konzentrierten Blick auf den verschneiten und vereisten Boden gemeistert werden musste, um nicht böse zu fallen. Vor drei Wochen lag in der einen oder anderen Ecke in Riga noch Schnee, doch seit gestern ist nach über 6 Monaten Winter der Sommer eingekehrt. Von einem Tag auf den anderen, war es plötzlich grün, plötzlich sonnig und seit gestern plötzlich auch noch heiß (ja, 25 Grad PLUS sind heiß!). Der Wetterbericht verrät zwar, dass es nicht lange so bleiben wird, aber der Beweis, dass es in Lettland auch warm sein kann, ist gemacht. So bin ich heute zum ersten Mal auch in kurzer Hose gelaufen und das hat sich so endlos gut angefühlt. Diese tollen Gefühle, die man jedes Jahr beim Jahreszeitenwechsel erneut erleben darf – wunderbar! Ich amüsiere mich ein bisschen darüber, dass ich den Schatten aufsuche, weil ich einfach keine Wärme mehr gewöhnt bin und laufe und laufe so Richtung Mežaparks, mit dem Ziel  Ķīšezers (auf deutsch: Kirschsee). Bereits am 1.Mai war ich dort und habe mich sehr in den Wald und den See dort verliebt. Weil ich aber gerne neue Wege ausprobiere, habe ich mich irgendwann verlaufen, was mich aber nicht stört. Ich habe nämlich irgendwann den „Brüderfriedhof“ vor Augen, das Nationaldenkmal, der gefallenen Soldaten im 1.Weltkrieg und des lettischen Unabhängigkeitskampfes. Das Monument ist riesig, bestehend aus symmetrisch angelegten Alleen und Grünflächen, endend in einem Hain, der sich hinter einem „ewig brennenden“ Feuer erstreckt. Bisher hatte ich die Anlage nur auf Fotos gesehen, jetzt laufe(nicht mehr joggend) ich verschwitzt unter der strahlenden Sonne über das Monument.

Um das Monument herum beginnt auch schon der Wald des Mežaparks, allerdings erstmal nur Friedhöfe. Weil ich nicht zurück will, hoffe ich, dass ich irgendwann in der Parkanlage herauskommen werde. Also laufe (wirklich wieder nur laufen) ich in den schattigen Friedhof hinein. Der Kiefernwald duftet nach Sommer. Er ist unheimlich schön. Die Gräber sind vom Wald um- und verwachsen, uneben, weiß man nie, was hinter dem nächsten kleinen Hügel kommt. Es ist angenehm ruhig und doch nicht verlassen und vor allem duften die Kiefernzapfen so wunderbar süßlich. Irgendwann habe ich das Gefühl, der Friedhof nimmt kein Ende und ich will gerne wieder laufen, daher bin ich froh als ich schließlich einen Ausgang finde. Bis ich dann in dem Erholungsgebiet angekommen bin, laufe ich noch ein ganzes Stück. Der Ķīšezers entlohnt mich dann jedoch für alles. Blau und sanfte Wellen schlagend liegt er vor mir, wenige Minuten von der Großstadt entfernt, lässt er jedes Verkehrsgeräusch vergessen. Ich gehe mit den Füßen ins Wasser und will zuhause herausfinden, ob die Wasserqualität zum Schwimmen taugt. Wenn der Sommer nach der erwarteten Abkühlungsperiode wieder kommt, weiß ich, wo ich meine freien Stunden verbringen werde.

Nationalfeiertag in Lettland und nochmal Frohe Ostern

Gestern, am 4.Mai, war der Tag der Erneuerung der Unabhängigkeit der Republik Lettland. An diesem Tag im Jahr 1990 wurde Lettland unabhängig von der Sowjetunion. Zwar nicht ganz so groß wie der Nationalfeiertag am 18.November, aber dennoch omnipräsent wird in Riga mit unterschiedlichen Konzerten und Veranstaltungen der Unabhängigkeitstag gefeiert.

Ich hatte mich mit einer bekannten Freiwilligen aus Jurmala verabredet um gemeinsam das Konzert der berühmten lettischen Band Instrumenti anzuhören. Die Stadt lässt sich an wichtigen Feiertagen nämlich nicht lumpen und es gibt (wie zum Beispiel auch an Silvester) Livekonzerte von den bekanntesten lettischen Bands. Davor sind meine Mitbewohnerin Kathrin und ich jedoch bei schönstem Sonnenschein noch zum public viewing Eishockes Lettland vs. Russland gegangen. Denn wer in einer Eishockeynation lebt, der weiß, dass momentan die WM in Schweden/Finnland stattfindet. Noch dazu ist Deutschland mit Lettland und Russland in einer Gruppe und somit könnte es kaum interessanter sein.

Peaceful?

Im Vergleich zur deutschen Fussball public viewing Kultur war alles relativ klein gehalten, aber für mich eine ganz neue Erfahrung, es gab von beiden Ländern fast gleich viele Fans. Dort standen die Fans mit Lettlandtrikot neben denen mit Russlandflagge und bei jedem erzielten Tor jubelten die einen, während sich die anderen ärgerten. Kathrin und ich waren fast etwas erstaunt, dass es so friedlich war und wir auch erstmal keine Sicherheitsleute sehen konnten. Doch nicht lange nachdem wir uns erfreut darüber ausgetauscht hatten, bewegte sich plötzlich was in der Menge. Hektisch entfernten sich einige Leute von dem Zelt, wo die Bildschirme waren und wenige Sekunden später sahen wir auch warum. Wir wurden tatsächlich Zeugen einer Schlägerei. Allerdings wurden die bereits blutigen Akteure nach kürzester Zeit voneinander getrennt. Lettland verlor übrigens 6:0 gegen Russland.

Peaceful!

An der Freiheitsstatur und dem Blumenmeer davor(auch die Botschaften hatten jeweils Sträuße dazu gelegt) in Form von Lettland vorbei, gingen wir schließlich zum Ufer der Daugava um mit Inga das Konzert anzuhören. Kurz nach 22Uhr als es bereits dunkel war, sahen wir dann noch dem Heißluftballonleuchten mit extra dafür komponierter Musik zu, welches, sich spiegelnd im Fluss, ein sehr schönes Bild ergab.

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Blumebild unter der Brivibas(=Freiheits)Statue

 

Heißluftballon trägt lettische Flagge

Heißluftballon trägt lettische Flagge

Sonnenuntergang über der Daugava

Sonnenuntergang über der Daugava

 

Nicht so cool dagegen fand ich die Information des lettischen Freundes von Kathrins Arbeitskollegin, dass die Hausbewohner dazu verpflichtet sind, Flagge zu hissen und bei nicht Erfolgen Strafen bis zu 200Lats (~300€) auferlegt werden können.

Einmal Türe öffnen, bitte!

Nach einer kurzen Nacht wurde ich dann heute zu einer unmenschlichen Zeit aus dem Bett geklingelt. Vor der Tür stand eine mir unbekannte Frau, die irgendwas auf irgendwas zu mir sagte. Ich bin nicht mal sicher, ob ich meine Augen offen hatte. Als ich dann „English“ sagte, sprach sie glaub ich Englisch mit mir und meinte, sie bekäme die Haustür nicht auf. Das ganze war mir sehr suspekt. Zum einen, weil es unheimlich früh war und weil wir im obersten Stockwerk wohnen. Nachdem ich aber auch keinen Grund sah, der Frau meine Hilfe zu verweigern, bin ich halb schlafend mit ihr runtergelaufen um wie gewohnt mit etwas mehr Körperkraft die Haustür für sie zu öffnen. Zurück im Bett war ich mir über die etwas verstörende Situation immer noch nicht ganz schlüssig, aber was soll´s.

Христос Воскресе!

Irgendwann am richtigen Morgen, nach 11Uhr, wollte ich mir in der Küche einen Tee machen, als ich meine Mitbewohnerin beim Eierfärben mit Zwiebelschalen beobachtete. Wir redeten ein bisschen darüber, dass natürlich Färben statt mit künstlichen Farben besser sei und schließlich überwund ich mich, sie zu fragen, warum sie das aber heute macht. Darauf sagte sie, russisch orthodoxe Usbekin, dass heute Ostern sei. Ui, also gleich mal sich gegenseitig frohe Ostern gewünscht und sich einiges über ihre Traditionen erzählen lassen. Spannend.

österliches Frühlingswetter ;)

österliches Frühlingswetter 😉

Inspirierendes Riga

Was könnte Kreativität weckender sein, als in einem neuen Land, in einer neuen Stadt, umgeben von neuen Menschen und endlos vielen neuen Eindrücken, Zeit zu haben – zum Nachdenken, zum Schreiben zum Fotografieren?

Daher mache ich jetzt ein bisschen Eigenwerbung; ich habe einen ergänzenden Blog eingerichtet für ein bisschen Kreativität je nach Lust und Laune, bisher alles direkt aus Riga. Freue mich über Kommentar, Kritik und jeden Besucher: http://wahrwahrnehmung.wordpress.com/

Darba svētki oder critical mass

Auf dem Fahrrad im Wind, mit der Sonne im Gesicht, umgeben von Hunderten anderen Radfahrer – so hat sich die Critical Mass heute Raum für Radfahrer in Riga erkämpft.

Nachdem meine Mitbewohnerin meine lettische Mitbewohnerin befragt hatte, was man am 1.Mai in Riga so macht, hat sie uns Fahrrad-besitzenden Menschen zu dem

KRITISKĀ MASA 2013

Event gelotst.

Nachdem wir uns vor am Theaterplatz versammelt hatten, ging es auf die von Autos dominierte Straße. Auch fünfspurige Straßen haben wir eingenommen, die eine oder andere rote Ampel überwältigt, aber manchmal auch den Weg durch Autos, Bussen und LKWs hindurch gesucht. Polizeischutz? Nee, das ist wohl nicht üblich. Egal, wo wir entlang fuhren, die Passanten haben ihre Fotoapparate gezückt und waren offensichtlich beeindruckt. In der Innenstadt habe ich die zitierungswürdige Aussage eines deutschen Touristen beim Vorbeifahren aufgeschanppt: „Däs hörd ja ga nimma auf“(meine bayrische Schreibkompetenz ist verbesserungsfähig, also bitte nicht wundern, falls „Rechtschreibung“ falsch). Als wir uns um die ehemalige sowjetische Statur auf der anderen Seite der Daugava versammelt haben, haben dann alle ihre Fahrräder kopfüber in die Luft gestreckt und es wurde die Macht der Fahrradfahrer demonstriert. Laut einer lettischen Zeitung waren es etwa 1000 Radfahrer. IMG01998-20130501-1407IMG_20130501_140749Und was da für Räder dabei waren, alle Farben und Formen. Und gerade auch wenn man auf der Suche nach dem lettischen „Hipster“ ist, hier ist man auf seine Kosten gekommen. Sowieso in erster Linie junge Menschen um die 20 haben die Masse ausgemacht. Auf jeden Fall war es die perfekte Weise um den Schönwetter-1.Mai zu verbringen. Und danach hatte ich sogar noch Zeit mit einem Freund mit dem Fahrrad endlich mal in den Mezapark zu fahren und dort am blau-goldenen See zu relaxen. Guter Tag.

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Frühling

Heute ist die Stadt aus ihrem Winterschlaf erwacht, wie die Menschen, die mit geschlossenen Augen reglos auf den Parkbänken sitzen und sich geduldig von der Sonnenstrahlen auftauen lassen. Im kurzen T-Shirt bin ich heute durch ein bisher unbekanntes Viertel gejoggt und habe auf einem kleinen Hügel in einem der viel Stadtparks kurz verweilt, um den leichten Windhauch und die warmen Sonnenstrahlen auf den nackten Armen zu spüren. Wenige Stunden zuvor in Jugla, wo meine Schule ist, hatte ich noch den Zentimeter-hohen Schnee um mich gehabt.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Jahreszeiten je so intensiv wahrgenommen hätte, wie hier. Und umso mehr freue ich mich jetzt auf warme Tage, wobei ich auch schon fast den harten Winter ein bisschen vermisse, der mich vor wenigen Wochen noch in jeder Minute draußen nahe dem Erfrieren gebracht hat, was besonderes war es trotzdem für mich. 😀

Touristenvisum

Mit 54 Lats(~75€) und dem vorübergehenden Verlust meines Reisepasses habe ich mir heute ein Stück Freiheit gekauft. Im Juni will ich mein Nachbarland, das große Russland bereisen und dafür muss ein Touristenvisum her. Allein weil es umständlich und teuer ist hinterfrage ich immer wieder die Tatsache, dass ich ein Visum brauche um mich weiter Richtung Osten zu bewegen. Manchmal kommt mir die Grenzen nach Belarus und Russland wie eine Wand vor, die mich einengt. Ich wäre wohl schon längst für einen kurzen Trip rüber, wenn es anders wäre. Wahrscheinlich sollte ich statt zu klagen, die Reisefreiheit innerhalb der EU als Luxus ansehen und Luxus ja, das ist es auf jeden Fall!

Nachdem ich einen Reisebürotipp von einer Bekannten bekommen habe, bin ich vorhin also mit etwas Geld, Reisepass und einem Passbild los zu der Büroadresse. Ich hatte gehofft, dass es wirklich so simpel ist (ich fürchte, dass Belarus-Visum wird eine größere Herausforderung), wie man mir erzählt hatte, dass man nämlich über Reisebüros das 30-Tage-Visum „kauft“ und in dem Zeitraum dann frei in der Reiseroute, Unterkunft etc ist und ja tatsächlich so verstand ich auch die Erläuterungen des Mitarbeiters, der mir in einem Kämmerchen mit nicht sehr sicherem Englisch versuchte, meine Fragen zu beantworten. Den Visaantrag habe ich auf Russisch bekommen, durfte ihn aber auf Englisch ausfüllen. Zum Glück habe ich „zufällig“ letzte Woche in meinem Russischbuch das Kapitel zum Visaantrag bearbeitet, also konnte ich problemlos ohne erneutes Nachfragen das Formular ausfüllen. Das ist mal praktische Anwendung wie man sie sich beim Lernen wünscht. 😀 Und meine Vorfreunde auf meine Sommerreisepläne wird immer größer!

Jõvā ȭdõg!

… heißt „Guten Abend“ und sieht dabei so gar nicht Lettisch aus. Denn das ist es auch nicht und doch hatte diese Sprache ihre Heimat in Lettland. Es ist Livisch und somit die Sprache einer kleinen Minderheit im Baltikum, den Liven. Nur noch etwa 230 Menschen zählen zu dieser fast ausgestorbenen Volksgruppe. Sie leben in erster Linie in Fischerdörfern in Kurzeme, im Nordwesten Lettlands. Doch vor allem während der sowjetischen Okkupation wurde das Volk unterdrückt. So wurde ihr Gebiet zum militärisches Sperrgebiet erklärt und die Menschen mussten ihre Dörfer verlassen.

Nur noch um die 10 Menschen haben heute noch Livisch als Muttersprache. Kaum mehr beherrschen es gut genug, um sich damit zu verständigen.

Livisch selbst gehört zu den finno-ugrischen Sprachen und ist am ehesten mit dem Estnischen verwandt. Livisch impliziert aber auch ca 200 Lehnwörter aus dem Deutschen, wie zum Beispiel „Dišler“ (Anm: š wird wie sch gesprochen) zu Deutsch Tischler, aber mit ca 2000 vor allem Lehnwörter aus dem Lettischen.

 

Ich hatte soeben spontan das Bedürfnis über diese kleine Kulturgruppe etwas zu schreiben. Deren Flagge übrigens einen besonders schönen Hintergrund hat.  Unten blau, dann weiß, dann grün steht sie für den Blick des auf dem Meer treibenden Fischers, der vor sich das blaue Meer sieht und umso weiter sein Auge wandert den weißen Strand und schließlich den grünen Wald.

Zum Schluss noch ein paar livische Ausdrücke:

Tēriņtš! – Hallo

nä – ja

äb – nein

Kui sinnõn (täddõn) lǟb? – Wie geht es dir?

Tienū, minnõn lǟb jõvist. – Danke, mir geht es gut.

Minnõn um rīem tēći nǟdõ. – Ich bin froh, dich zu sehen!