Frühling

Heute ist die Stadt aus ihrem Winterschlaf erwacht, wie die Menschen, die mit geschlossenen Augen reglos auf den Parkbänken sitzen und sich geduldig von der Sonnenstrahlen auftauen lassen. Im kurzen T-Shirt bin ich heute durch ein bisher unbekanntes Viertel gejoggt und habe auf einem kleinen Hügel in einem der viel Stadtparks kurz verweilt, um den leichten Windhauch und die warmen Sonnenstrahlen auf den nackten Armen zu spüren. Wenige Stunden zuvor in Jugla, wo meine Schule ist, hatte ich noch den Zentimeter-hohen Schnee um mich gehabt.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Jahreszeiten je so intensiv wahrgenommen hätte, wie hier. Und umso mehr freue ich mich jetzt auf warme Tage, wobei ich auch schon fast den harten Winter ein bisschen vermisse, der mich vor wenigen Wochen noch in jeder Minute draußen nahe dem Erfrieren gebracht hat, was besonderes war es trotzdem für mich. 😀

Touristenvisum

Mit 54 Lats(~75€) und dem vorübergehenden Verlust meines Reisepasses habe ich mir heute ein Stück Freiheit gekauft. Im Juni will ich mein Nachbarland, das große Russland bereisen und dafür muss ein Touristenvisum her. Allein weil es umständlich und teuer ist hinterfrage ich immer wieder die Tatsache, dass ich ein Visum brauche um mich weiter Richtung Osten zu bewegen. Manchmal kommt mir die Grenzen nach Belarus und Russland wie eine Wand vor, die mich einengt. Ich wäre wohl schon längst für einen kurzen Trip rüber, wenn es anders wäre. Wahrscheinlich sollte ich statt zu klagen, die Reisefreiheit innerhalb der EU als Luxus ansehen und Luxus ja, das ist es auf jeden Fall!

Nachdem ich einen Reisebürotipp von einer Bekannten bekommen habe, bin ich vorhin also mit etwas Geld, Reisepass und einem Passbild los zu der Büroadresse. Ich hatte gehofft, dass es wirklich so simpel ist (ich fürchte, dass Belarus-Visum wird eine größere Herausforderung), wie man mir erzählt hatte, dass man nämlich über Reisebüros das 30-Tage-Visum „kauft“ und in dem Zeitraum dann frei in der Reiseroute, Unterkunft etc ist und ja tatsächlich so verstand ich auch die Erläuterungen des Mitarbeiters, der mir in einem Kämmerchen mit nicht sehr sicherem Englisch versuchte, meine Fragen zu beantworten. Den Visaantrag habe ich auf Russisch bekommen, durfte ihn aber auf Englisch ausfüllen. Zum Glück habe ich „zufällig“ letzte Woche in meinem Russischbuch das Kapitel zum Visaantrag bearbeitet, also konnte ich problemlos ohne erneutes Nachfragen das Formular ausfüllen. Das ist mal praktische Anwendung wie man sie sich beim Lernen wünscht. 😀 Und meine Vorfreunde auf meine Sommerreisepläne wird immer größer!

Jõvā ȭdõg!

… heißt „Guten Abend“ und sieht dabei so gar nicht Lettisch aus. Denn das ist es auch nicht und doch hatte diese Sprache ihre Heimat in Lettland. Es ist Livisch und somit die Sprache einer kleinen Minderheit im Baltikum, den Liven. Nur noch etwa 230 Menschen zählen zu dieser fast ausgestorbenen Volksgruppe. Sie leben in erster Linie in Fischerdörfern in Kurzeme, im Nordwesten Lettlands. Doch vor allem während der sowjetischen Okkupation wurde das Volk unterdrückt. So wurde ihr Gebiet zum militärisches Sperrgebiet erklärt und die Menschen mussten ihre Dörfer verlassen.

Nur noch um die 10 Menschen haben heute noch Livisch als Muttersprache. Kaum mehr beherrschen es gut genug, um sich damit zu verständigen.

Livisch selbst gehört zu den finno-ugrischen Sprachen und ist am ehesten mit dem Estnischen verwandt. Livisch impliziert aber auch ca 200 Lehnwörter aus dem Deutschen, wie zum Beispiel „Dišler“ (Anm: š wird wie sch gesprochen) zu Deutsch Tischler, aber mit ca 2000 vor allem Lehnwörter aus dem Lettischen.

 

Ich hatte soeben spontan das Bedürfnis über diese kleine Kulturgruppe etwas zu schreiben. Deren Flagge übrigens einen besonders schönen Hintergrund hat.  Unten blau, dann weiß, dann grün steht sie für den Blick des auf dem Meer treibenden Fischers, der vor sich das blaue Meer sieht und umso weiter sein Auge wandert den weißen Strand und schließlich den grünen Wald.

Zum Schluss noch ein paar livische Ausdrücke:

Tēriņtš! – Hallo

nä – ja

äb – nein

Kui sinnõn (täddõn) lǟb? – Wie geht es dir?

Tienū, minnõn lǟb jõvist. – Danke, mir geht es gut.

Minnõn um rīem tēći nǟdõ. – Ich bin froh, dich zu sehen!