Natürlich habe ich gewusst, dass man auch in Malaysia mit Geld alle Probleme lösen kann. Das ist Teil eines jeden Systems, dass nicht wirklich reibungslos funktioniert. Wenn ein Polizist nur 800Ringit (circa 200Euro) im Monat verdient, lässt sich Korruption schwer verhindern.
Bestechlichkeit ist etwas, was zwar komplett gegen meine Überzeugungen steht und mit dem ich nur sehr schwer umgehen kann, aber zumindest kann ich irgendwo nachvollziehen woher es kommt. Weder akzeptieren noch tolerieren kann ich Rassismus.
Samstag Nacht kam es leider dazu, dass Natascha und ich hautnah mit beidem in Kontakt kamen und ich werde dieses beklemmende Gefühl wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen.
Kurz und knapp die Ausgangsituation, damit verständlich ist worüber ich schreibe und warum ich es als Rassismus bezeichne:
Wie so oft am Freitag Abend machten wir uns auf ins Nachtleben der Stadt, trafen unseren Freund Bisso in der PiscoBar und gingen für die HipHop-Night ins Lust. Es war ein toller Abend, wir haben gesungen, getanzt und wahnsinnig viel gelacht. Als gegen 3.30 Uhr die Lichter angingen und der DJ ankündigte dass es Zeit sei zu gehen (in Malaysia ist für die meisten Clubs um 3.00 Uhr Sperrstunde) protestierten wir also lautstark und versuchten Bisso und einige weiter Freunde zu überzeugen mit uns in den After-Hour-Afrobeats-Club zu fahren, der vielleicht 15 Minuten entfernt liegt. Die Jungs, 5 Nigerianer, eine Malayin und Bisso (Sudaner/Südafrikaner) ließen sich breitschlagen und hatten sogar zwei Autos dabei in denen wir fahren konnten.
Die Stimmung war nach wie vor gut, es liefen bereits Afrobeats im Auto und die Nacht war noch jung. Eben jene gute Stimmung kippte in dem Moment, in dem wir auf eine Straßensperre zufuhren und die Polizeiautos erblickten.
„They want money“ war das einzige was Julien vom Fahrersitz aus sagte bevor er gefühlt sämtliche Papiere zückte, die ihm in diesem Leben jemals ausgestellt wurden. Die Polizei leuchtete in unser Auto und versuchte gar nicht seine Überraschung über die Besetzung des Autos zu verbergen.
„Alle aussteigen, bitte.“ Außer Natascha und ich, wir dürften auch sitzen bleiben, ganz wie wir wollen. Sie verlangten nach einem Ausweis, den originalen Pass hatte natürlich niemand mit zum Feiern genommen, dass wäre schließlich mehr als dumm. Wir hatten zwar beide unseren Personalausweis dabei, jedoch keine Kopie unserer Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis. Das interessierte jedoch auch niemanden, die Polizisten lasen nur „Bundesrepublik Deutschland“, sahen unsere blonden Haare und die helle Haut und waren höflich, respektvoll und nahezu wiederwärtig freundlich.
Ein Unterschied wie Himmel und Hölle dagegen, wie sie mit allen anderen umgingen. Aufenthaltsgenehmigung, Führerschein, Passport, Student-ID, alles musste gezeigt werden, an allem war etwas auszusetzen. Bisso wurde auf Waffen abgetastet, bei einem Dritten reichte auch die Kopie des Passes nicht aus, obwohl das die gängige Art ist sich auszuweisen.
Aber in dieser knappen Stunde drehte sich alles nur darum, dass die Jungs nicht weiß, asiatisch oder malaysisch waren. Mit einer offensichtlichen Abscheu wurden sie gedemütigt, behandelt wie geflohene Straftäter und mich fragte ein Polizist drei (!) Mal ob wir wirklich freiwillig mit ihnen unterwegs seien.
Es war offensichtlich worauf all das hinauslaufen sollte: ein wenig zusätzliches Bargeld vor den „Chinese New Year-Feiertagen“ in der nächsten Woche.
Sieben Polizisten, mit Waffen die vor ihrer Brust baumeln, warteten darauf dass ihnen endlich jemand Geld anbot. Der achte war nicht so geduldig und fragte einfach direkt „Was bekomme ich dafür, dass wir euch nicht mitnehmen?“.
In der selben Sekunde verfrachtete Bisso uns beide endgültig ins Auto, mit der Anweisung bloß sitzen zu bleiben und den Mund zu halten. Obwohl es in uns beiden ähnlich aussah – eine Mischung zwischen Schock, Hilflosigkeit und Wut taten wir wie uns geheißen und waren erleichtert als uns einige Minuten später erlaubt wurde weiterzufahren.
Zwar kamen wir alle relativ glimpflich davon, jedoch war es das furchtbarste Gefühl dass ich jemals gefühlt habe. Wenn etwas, dass komplett gegen deine persönliche Vorstellung von Gut und Böse steht, vor deinen Augen passiert und weder du noch irgendwer sonst etwas dagegen ausrichten kannst, ist es eine Kombination aus Machtlosigkeit und unglaublicher Wut.
Grade auch dass so extrem offensichtliche Unterschiedliche zwischen Menschen gemacht werden, macht mich unbeschreiblich wütend und hinterlässt einen prägenden Eindruck bei mir. Denn Natascha und ich zahlten nicht einen Ringit und wurden auch nicht weiter belästigt. Man bot mir sogar an ein Taxi für uns zu rufen.
Grade weil dies hier ja ein offizieller „kulturweit“-Blog ist, weise ich darauf hin dass es für mich, im Rahmen meines FSJ, die erste Erfahrung dieser Art in Malaysia war. Für mich, die häufig eher das Gegenteil erlebt – ich habe es als junge Europäerin hier häufig einfacher als viele andere und auch das ist oft unangenehm. Es war jedoch nicht das erste und leider wohl auch nicht das letzte Mal für unsere Begleiter dass sie so etwas erleben mussten.
Natürlich kann man diese Geschehnisse nicht pauschalisieren, nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren und die Einheimischen durch die Bank alle zu Rassisten erklären. Das möchte ich auch gar nicht, dass ist etwas was ich weder beurteilen kann noch möchte. Dass ich hier auch so nicht erlebt habe. Aber ich möchte auch nicht so tun als wäre ich nicht dabei gewesen. Als hätte ich darüber nicht nachgedacht und als hätte ich dazu nichts zu sagen.
Wegen der politischen Situation in Malaysia war ich mir unsicher (und bin es immer noch) ob ich das ohne Weiteres so schreiben und veröffentlichen sollte. Und eben weil mein Geschreibsel das Malaysia-Bild von einigen Menschen prägt, die noch nie hier gewesen sind aber vielleicht dann und wann meinen Blog verfolgen.
Auch negatives gehört zum Leben, zum Leben im Ausland, es gibt diese Schattenseiten, die Momente in denen man gerne schreien will warum das denn so unfair ist. Und in denen man sich zusammenreißen und den Mund halten muss. Weil man niemanden damit hilft wenn man sich echauffiert, ganz im Gegenteil. Damit hätten wir alles noch viel schlimmer gemacht, egal wie schwer es ist sich das einzugestehen.
Dieser Post enthält keine Vorschläge oder Träume wie man ein Land von Korruption befreien kann, wie es wohl sein wird wenn alle Menschen gleich behandelt werden. Wenn es dann jemals soweit sein wird.
Nur eins noch: Haben mir die Nachrichten aus Deutschland, über die PEGIDA-Demonstrationen Bauchschmerzen gemacht, so steigen meine Bedenken über all diese rechtsstehenden Bewegungen in Deutschland immer weiter. Weil ich gesehen habe, wie einfach es sein kann jemanden schlecht zu behandeln wenn man „am längeren Hebel“ sitzt.
Die Welt wird sich nicht verändern, weil ich hier davon erzähle. Aber mich hat es irgendwo verändert.












