Schnelldurchlauf.

Heute fällt es mir schwer einen guten Anfang für den neuen Beitrag zu finden. Nun bin ich schon mehr als zwei Wochen in Perm, über 3500 km entfernt von daheim und allmählich schleicht sich auch hier der Alltag ein. In den letzten 14 Tagen habe ich viel gesehen, erlebt und getan, weshalb ich völlig den Überblick über das Erlebte verloren habe.

Aus diesem Grund werde ich euch nur ein paar „Highlights“ präsentieren können, wobei (fast) jeder Tag ein Highlight ist.

Zu meiner physischen und psychischen Situation:

Mir geht es gut, wirklich gut, immer noch gut! Abgesehen von einer russischen Rundumerkältung bin ich fit und die Tage ziehen ins Land. Meine Gastoma ist sehr bemüht und ich habe den Eindruck, dass sie sich vornimmt jeden Tag „ein bisschen besser“ sein zu müssen. Sie kauft täglich in Massen ein (natürlich nicht bei Rewe ;-)) und hat sich von einer warmen Mahlzeit auf mittlerweile drei warmen Mahlzeiten gesteigert, die sie mir täglich anbietet. Ich habe ihr mittlerweile versucht zu erklären, dass ich es gewohnt bin einmal am Tag warm zu essen und das vollkommen ausreicht, aber so wirklich verstehen will sie das nicht. Fast jeden Tag werde ich noch in der Schule eingeladen zum Essen und auch da habe ich keine Möglichkeiten abzulehnen. Wenn das so weitergeht, dann muss ich ihr mal das Märchen „Hänsel und Gretel“ übersetzen, manchmal fühle ich mich wie einer der Charaktere. Neulich habe ich sogar aus Interesse dieses Märchen gelesen, ich wollte mehr über die Hexe erfahren, aber meine Gastoma ist natürlich keine. Interessant aber, welchen Einfluss die Brüder Grimm auf mich haben. Ich bin übrigens 18 Jahre alt! Das ist auch ein gutes Stichwort. Es gibt Tage an denen ich mich wirklich in meiner Freiheit eingeschränkt fühle. Ich verstehe, dass meine Oma besorgt ist und es ist mir auch bewusst, dass Perm die kriminellste Stadt Russlands ist, aber dennoch habe ich schon ein Gefühl dafür entwickelt, wo ich mich aufhalten und bewegen kann und wo eben nicht. Schon am Wochenende werde ich umziehen zu einer anderen Familie (keine Ahnung wie sie heißt, wo sie wohnt und was sie macht, aber kein Grund zur Aufregung: Essen gibt’s da bestimmt auch!) und ich denke, dass ich mich dort etwas freier bewegen kann und einen Schlüssel für die Wohnung bekomme. Des Weiteren möchte ich euch von zwei aktuellen Problemen berichten, die ich in Deutschland auf einer Skala von 0 (geringfügiges Problem) bis 10 (absolut, total, wahnsinnig problematisch) mit „8“ einstufen würde, sie hier aber nur eine „3“ bekommen. Krass, wie gelassen ich geworden bin.

1. Problem: Ich habe kein Geld. Also nicht so wie ihr jetzt denkt, sondern anders. Ich habe mich in Deutschland natürlich mit dem Thema beschäftigt, wie ich in Russland Geld abheben kann. Mit einer Visakarte sollte das eigentlich problemlos funktionieren, nur bei mir nicht.  Seit etwas fünf Tagen lebe ich von etwa 3,50€. Also eigentlich ist das ziemlich witzig, bisher komme ich überall problemlos durch und alle helfen mir. Vielleicht schaffe ich es ja bis Februar mit dem Geld auszukommen, ich alter Sparfuchs… Also jetzt aber ernsthaft, mir gefällt diese Situation nicht besonders gut. Gestern (Dienstag) war ich bei sechs verschiedenen Banken und habe überall mein Glück versucht. Mission fehlgeschlagen. Apropos Glück – ein Thema momentan in der 8. Klasse. Die Schüler sollten den Satz „Ich bin glücklich, wenn…“ vervollständigen. Eine Schülerin schrieb „Ich bin glücklich, wenn ich genug Geld habe.“ Oh ja, ich kann dich verstehen… Ich halte euch auf dem Laufenden und vielleicht rollt der Rubel ja demnächst wieder.

2. Problem: Es gibt auf unbestimmte Zeit in meiner Wohnung kein warmes Wasser. Also ich bin kein Warmduscher, ich bin ein Sohn der Familie Kälte-Vössing, aber bei Minusgraden und nach heutiger stundenlanger Exkursion im Freien bei einem durchgehenden Gemisch von Regen und Schnee ist so ganz ohne warmes Wasser echt scheiße. Entschuldigung für das Wort, aber könnt ihr mich verstehen? Na ja, die Oma stellt mir jetzt jeden Morgen und Abend zwei Kochtöpfe dampfendes Wasser vom Herd ins Bad und dann kann ich mich auf einer Fläche von 1qm wunderbar waschen.

In der Schule habe ich von Tag zu Tag mehr Aufgaben und fühle mich dort pudelwohl. Momentan sind einige Lehrerinnen unterwegs und dann übernehme ich schon ziemlich viel Unterricht. Normalerweise wäre morgen mein freier Tag, aber ich habe mich angeboten vier Stunden zu unterrichten, die ich noch nicht vorbereitet habe, aber es ist ja gerade erst 23:43 Uhr.. 🙂 Außerdem ist momentan eine Schülergruppe aus Essen zu Gast, die morgen ihren Abschied feiern und ich bin herzlich eingeladen. Die Schülerinnen der 9. Klasse aus Essen haben mich gebeten morgen mit ihnen den aktuellen Hit von Helene Fischer zu singen. Oh man, eigentlich habe ich mich auf eine „Atemlosezeit“ gefreut, aber mich kann hier nichts mehr schocken. Der Vorteil der letzten Tage war, dass ich am kompletten Austauschprogramm teilnehmen konnte und einige Sehenswürdigkeiten erlebt habe, unteranderem waren wir in einem Freilichtmuseum, der größten Eishöhle Europas und einigen Bezirken der Stadt, die nicht unbedingt im Reiseführer stehen. Bei den russischen Schülerinnen und Schülern (ist das so formal richtig?) komme ich ganz gut an, aber ich würde auch behaupten, dass ich ziemlich interessanten und kreativen Unterricht mache. Mal sehen wie lange ich diese Vorbereitung noch durchalte bis ich zu der Methode „Wir-bearbeiten-heute-die-Aufgaben-1,2,3,4,5,6,7,8-auf-Seite-53“ oder „Film ab“ greife.

Mittlerweile ist es schon ziemlich spät, aber ich hatte einfach den Wunsch euch heute mit „Frischfleisch“ zu versorgen. Morgen folgen Impressionen, versprochen! Aber das Internet ist hier nicht gut genug, um Bilder hochzuladen. Aber ich will mich nicht beklagen: Strom gibt’s noch!

Liebe Grüße und bis neulich! Guten Appetit!

P.S.: Ich freue mich sehr über Kommentare!

 

 

 

 

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2 Antworten zu Schnelldurchlauf.

  1. Wir sind gespannt wie es weitergeht. Was aus dem Geld wird, aus der Unterrichtsplanung, der Oma und den fehlenden Impressionen. Du kannst uns hier nicht so lange warten lassen mit deinen spannenden Berichten 😀

  2. Sophia sagt:

    Mensch Roman, das klingt bis jetzt ja echt alles super. Freue mich für dich! Während ich deine Berichte lese denke ich die ganze Zeit an meinen Aufenthalt in Russland, und die selbe russische Gastfreundlichkeit die ich genießen durfte 🙂 schreib weiter, bin immer neugierig.
    Liebe Grüße Sophia

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