29 – ბოლო ზარი, dt.: die letzte Glocke

Langsam haben sich in meine chronologischen Erzählungen solche Ereignisse wie „Vorlesewettbewerb“ oder „Lesefuchs“ eingeflochten. Alles so Abschlussveranstaltungen, von Projekten, die wir Freiwilligen hier an den Schulen mit betreut haben. Natürlich hinken meine Einträge immer einige Wochen hinterher, weil so viel passiert und ich finde man braucht Zeit um Erlebnisse sacken zu lassen oder die Zusammenhänge zu verstehen. Doch jetzt sind wir, verehrte Lesende, trotz meinen abergläubischen Verlangen es nicht aufzuschreiben, um die Zeit nicht zum noch schnelleren Laufen zu provozieren, an einem Moment angekommen, an dem ich einen vorbereiteten Eintrag abschicken muss, der mit folgenden Worten beginnt: 

Langsam muss ich doch anmerken, unser Jahr neigt sich dem Ende zu. Mein Flugzeug wird erst am 3. August wieder auf Deutschem Boden landen, aber mit dem Beginn der Sommerferien am 16. Juni ist ein großer Teil unseres Auslandsjahres, also die eigentliche Arbeit an den Schulen, abgeschlossen.

Schon ab Anfang Mai saßen meine armen Kinder, wenn ich morgens kurz nach Beginn der 1. Stunde meinen Dienst antrat in der Aula an Einzelpulten und kauten an Kulis oder ließen sie eilig über die Abschlussprüfungen fliegen. Immer wieder kam eine Lehrerin mit den Ergebnissen der elektronischen Erfassung der Abituraufgaben ins Lehrerzimmer: „Bio haben sie alle bestanden“, „in Mathe ist jeder durchgekommen“!! – Ist das jetzt bei mir 1 Jahr her?!

Dann rannte auch schon der Tag der Verabschiedung der Abiturienten herbei, hier genannt „letzte Glocke“. Und alle, für die heute die Schulglocke zum letzten mal klingeln würde, mussten sich in der Aula an kleine Schreibpulte setzten, umgeben von Stuhlreihen mit ihren langjährigen Lehrerinnen und Mitschüler*innen. Jede Klassenstufe stand nacheinander auf und brachte ein Abschiedsgeschenk. Dazwischen kam immer eine Lehrerin nach vorne, die Anekdoten oder peinliche alte Gedichte und Aufsätze vortrug. Es war wirklich sehr liebevoll gemacht und ich freute mich mal wieder über diese familiäre Handhabung. Die langjährigen Klassenlehrerinnen sind doch schon ein bisschen wie Mamis und kennen auf jeden Fall die Einzelnen. Nicht bis aufs letzte Geheimnis, aber vielleicht so wie ein ab und zu rebellierendes eigenes Kind. Wenn ich an meine Lehrer*innen am Gymnasium denke, von denen schon einige bis zum Schluss unsere Namen vertauscht und jede Stunde einfach nur ihren Stoff vorgetragen haben, ohne einen Blick für wer da eigentlich sitzt, war ich doch sehr beeindruckt. Vielleicht muss ich aber auch dazu sagen, dass es eine Privatschule ist, die Eltern Schulgebühren zahlen und es sehr kleine Klassen gibt. – Abiball, Abistreich auch schon ein Jahr?!

Nicht nur die Großen, auch die Kleinen feierten den Abschluss des Schuljahres. Wo morgens die Pulte mit den schwitzenden Prüflingen standen, wurde mittags eine Bühne aufgebaut und man hörte die Englischen Kinderlieder und Deutschen Theaterstücke, die übers Jahr aus den Klassenzimmern gedrungen waren. Manchmal wurde ich auch eingeladen oder durfte Fotos und Videos für die Facebookseite machen.

Mit der Abreise des Bruder meiner Mitbewohnerin ging auch unsere „Besucherphase“ zu Ende.

Das letzte große Ereignis, was für die Ani-Zet noch vor Ende des Schuljahres anstand, war der Besuch der Austausch-Schüler*innen aus Österreich. Sie pflegen diesen Kontakt erst seit ein paar Jahren, es erfreut sich aber an der Österreicher Schule immer größerer Beliebtheit. Da wir eine sehr kleine Schule sind, durfte zum Beispiel ein stolzer 9. Klässer gleich drei Jungs aufnehmen…

Wir stürzten uns in die Vorbereitungen, ich hatte das Gefühl es ging um Alles oder Nichts, sie sollten von der Präsentation der Spezialitäten des Landes und des vielseitigen Begabung unserer Schüler*innen total umgehauen werden. Es wurde ein Masterplan ausgearbeitet, wie man in der kurzen Zeit möglichst viel des Landes bereisen konnte und eine Willkommensveranstalung vorbereitet, mit Präsentationen der Schüler*innen zur Einführung in Geografie, Esskultur, Wein, Mode, Sprache und Schrift, der Österreichische Botschafter sollte sprechen. Unsere Tanzklassen sollten Georgische und Österreicher Folklore darbieten, genauso wie der Chor, neben seinem Wettbewerb gekrönten Besties. Ich sollte als Deutsche mit immerhin schon 9 Monaten Erfahrung die Dos ’n Don’ts knapp umreißen…

Ich fand diese Vorbereitungszeit ziemlich schön, denn die wichtigsten Prüfungen lagen hinter den Schüler*innen. Während der Vorbereitungszeit für diese wollten die Lehrerinnen ihre Schüler*innen mir als unausgebildete Freiwillige verständlicher Weise nicht so oft überlassen. Aber jetzt konnten wir gemütlich zusammen sitzen, an Plakaten und Vorträgen feilen und kamen nebenbei wirklich gut ins Gespräch. Das war wieder ein Moment in dem ich den Wert meiner Präsenz an der Schule doch spürte. Ich bin schon interessant, diese komische Deutschen, die da durch unsere Schule spaziert und wenn sich die Möglichkeit für ein Gespräch ergibt, dann wollen die Schüler*innen plötzlich sehr gerne auf Deutsch reden.

Was die Österreicher angeht, wir hatten einen guten Start, mein kurzer Vortrag kam bei Ihnen gut an, sie lachten über meine Witze und konnten die Vergleiche die ich zog, auch wenn ich mich auf Deutschland beziehe, verstehen. Aber im Allgemeinen fiel mir gelegentlich negativ auf, wie sie in, sagen wir kulturelle Fettnäpfchen traten. Manche ungeschriebenen Regeln und Höflichkeitsbekundungen habe ich nach 9 Monaten wohl doch schon verinnerlicht. Ich habe mich mehrmals dabei erwischt, wie ich innerlich kicherte, wenn diese oder jenen Lehrerin im Gespräch mit den Österreichischen Lehrkräften kurz pikiert schaute oder auf eine Frage hin etwas hilflos nach Worten suchte. Das war schon eine interessante und etwas befremdliche Erfahrung. Ich bin mal gespannt ob das nun bedeutet, ich werde nach meiner Rückkehr zumindest für kurze Zeit die Gelegenheit haben mein Geburtsland teilweise, ein bisschen wie eine Ausländerin zu sehen …

 

Das echte Glöckchen, mit dem die Erzieherin im Gang der Grundschüler*innen zu den Stunden klingelt