4- 2Wochen 1Tag

Hier ist es gerade kurz nach 16 Uhr und draußen immer noch Mittagshitze. Weshalb wir für eine Siesta in die Wohnung zurückgekehrt sind. Unser neuer bester Freund, das Klimagerät an der Wand, beglückt uns mit 23 Grad, was sich im Vergleich zu draußen nach Gefriertruhe anfühlt!

Mir ist noch etwas eingefallen, das ich gestern eigentlich unter die Beschreibung des Vorbereitungsseminars schreiben wollte: Ein Punkt, bei den Themen Postkolonialismus und Rassismuskritik, sowie LGTBQs waren auch Reiseberichte, Blogs und Reisefotografien. Mir ist klar, dass ich durch meine bisherige Lebensgeschichte, als in fast allen Bereichen sozial privilegierte Person geprägt bin und unmöglich -schon gar nicht in nur 12 Monaten- in einer, davon losgelösten und rein subjektiven Weise von meinem Auslandsjahr in Georgien und meinen Erfahrungen in Begegnungen mit den hier lebenden Personen berichten kann. Dazu fehlt es mir auch ganz einfach an Informationen und Wissen. Dennoch werde ich es natürlich versuchen, manche Formulierungen fallen mir auch selbst auf und ich kann sie korrigieren oder weglassen. Ich werde mich außerdem, um konsequente Benutzung einer Geschlechter sensiblen Sprache bemühen. Allerdings hoffe ich, dass es mir alle Leser*innen und auch ich selbst, mir verzeihen können, sollte der Stift mit mir durch gehen.

Wir trafen also am Dienstag früh um ca. 4 Uhr (georgische Zeit hat 2h mehr als Dtl) auf unsere Vermieterin und ihren Cousin, den sie als Fahrer mitgebracht hatte. Da nichts von unseren 3 Koffern, 2 Backpacks und 1 Skiausrüstung verlorengegangen war, wurde es im Auto sardinenbüchsenmäßig. Die Beiden wunderten sich über unsere winterliche Vermummung, fragten ob wir Hunger hätten und fuhren uns zu einem Supermarkt, um zumindest das nötigste fürs erste Frühstück und natürlich Wasservorräte mitzunehmen ( man darf hier leider kein Leitungswasser trinken). Beim Geldwechseln und am Automaten stellte ich fest, dass ich Probleme mit meiner neuen Kreditkarte und erst mal kein Bargeld habe und bis wir schlagskaputt in die Betten fielen war es ungefähr halb sechs und der Himmel wurde langsam hell.

Unsere Wohnung liegt im Saburtalo-Viertel, laut Reiseführer eine mittelständige Wohngegend mit vielen Universitäten und Studentenwohnungen. Unser Haus, mit mehreren einzelnen Apartments, gehört der Familie unserer Vermieterin und wird vor allem von Familienmitgliedern und wechselnden Touristen*innen bewohnt. Unsere neue georgische Freundin hatte uns schon in der Nacht unserer Ankunft gezeigt, dass ihre Wohnung direkt neben unserer liegt und wir sie jederzeit um Rat fragen dürfen. Sie hat einen 11jährigen Sohn und außer ihm gibt es noch einige andere, kleinere Kinder im Haus.

Am ersten Tag schliefen wir bis in den Nachmittag. Ich glaube es war schon halb 3 bis wir mit Frühstücken angefangen hatten und klopften dann zaghaft an der Nebentür, um uns nach einem Supermarkt und anderem Wichtigen zu erkundigen. Ich war sehr erleichtert, als sie meinte, sie würde nur kurz eine Handtasche holen und uns dann in die Stadt begleiten! Wir lernten die Marschrutkas kennen ( Linientaxis), die zwar Nummern und Routen haben, aber keine Haltestellen, man stellt sich einfach an den Straßenrand und winkt, wie für ein Taxi und wenn man aussteigen möchte muss man sehr laut „HALT“ auf georgisch rufen (aber Mist, ich hab vergessen wie das Wort heißt!)

Sie gab uns eine kleine Stadtführung über die Prachtstraße Rustaveli bis in die Altstadt, zu den Schwefelbädern, bis an den Fuß des Berges mitten in der Stadt, an dessen Fuß man zwischen Felswänden an einem Bach, den Lärm ein bisschen loswird. Dann ging es weiter durch die verwinkelten Gassen, unter schnörkeligen Balkonen und über zierliche Treppen zum Mtkwari-Fluss und als es zu Dämmern anfing, landeten wir punktgenau am Einstieg der Seilbahn zur Narikala-Festung, aus der man im Dunkeln einen Wahnsinns-Blick auf die riesige Stadtfläche hat. Alles ist erleuchtet und die Wahrzeichen deutlich zu erkennen. An der Statue der Mutter Georgiens, die eine Weinschale und ein Schwert in der Hand hält erfuhren wir, dass die Stärke der Georgier*innen in der Stärke ihrer Frauen liegt.

Zurück führte uns eine schmale Treppe und dann landeten wir in einem Wohnhaus und über eine Wendeltreppe zum sehr lässigen Café/Bar „Art Monet“ im Obergeschoss, ein bisschen versetzt, mit Plätzen auf dem Balkon und Blick über das Treiben. Wir kosteten Chinkhali, Auberginen mit Wahlnusspaste, Hauslimonade und georgischen Rotwein (von dem man* nur dann trinken darf, wenn ein Trinkspruch gesprochen wird). Wir tranken auf Gott, unsere beiden Länder, unsere beginnende Freundschaft und die Familien: darauf, dass es uns immer möglich ist froh auf ihre glücklichen Leben zu blicken.

Am Mittwoch, unserem zweiten Tag, zeigte unsere georgische Freundin zuerst einer meiner Mitbewohnerinnen ihren zukünftige Schulweg und stellte sich schon mal dem Direktor vor. Währenddessen gingen wir beiden anderen Geldabheben, ich hab es geschafft! Und fanden den Bäckerladen unseres Vertrauens: niedrige, enge Bude mit mehlbestäubter Werkbank und großem Tonofen. Später ging unsere georgische Freundin zuerst mit uns SIM-Karten kaufen und dann shoppen (Mädels brauchen Kleider und Kopftücher für einen Kirchenbesuch) etwas weiter draußen in der Tblisi-Mall. Der ältere Taxifahrer, der uns hinbrachte sprach nur Georgisch, lies uns aber über unsere georgische Freundin ausrichten, wir seien alle sehr hübsch und er hätte noch drei Single-Söhne im heiratsfähigen Alter. So lernten wir also auch Taxifahren (immer zuerst nach dem Preis fragen niemals mehr als 6 Lari und im Stadtzentrum nicht merh als 3, sonst werdet ihr übers Ohr gehauen!).

Nächster Stopp war ein Riesen Supermarkt und das Erste, was wir sahen war eine unglaublich riesige Torte, sagen wir so groß wie unsere Haustür zuhause, nur noch größer, noch dicker und mit viel Creme drumrum! Der Supermarkt hatte wohl irgendein rundes Jubiläum. Leider war auch die Produktauswahl riesig und wir standen staunend fast 2h um die Auswahl, georgisch oder russisch beschriftet. Obst kauft man besser, wie das typische Tonne-Brot beim Händler*in des Vertrauens von der Straße weg.

Und wieder habe ich nicht halb so viel schreiben können, wie gewollt. Ich muss mich kürzer fassen! Es passiert hier einfach 24 Stunden im Tag für mich Neues und Aufregendes.

Jetzt einmal mehr „Sweet dreams!“