Vor ein paar Tagen waren mein Rennrad und ich nach langer Zeit erstmals wieder vereint unterwegs auf dem Weg zum Bäcker. Brötchen holen. Der aufmerksame Leser errät es zwischen den Zeilen. Ich komme langsam wieder in Deutschland an. Und muss an meine zweirädrigen Verkehrsversuche in Pune denken. (Und nur weil ich nicht mehr in Indien bin, muss dieser Block ja nicht lahm gelegt werden.) Hier eine, zugegebenermaßen extrem personalisierte, Mini-„Studie“…
Pune. Öffentliche Verkehrsmittel stehen hier in Klammern.
Zu unschlagbaren Preisen rattern zwar einige Busse durch die Stadt. Die Routen und Stopps sind allerdings äußerst schwer durchschaubar. Alles läuft über unbekannte Wartezeiten und langes Nachfragen, um in letzter Minute in die Tür eines überfüllten Busses springen zu können. Keine Option für einen halbwegs reibungslosen Alltag. Das gängige Fortbewegungsmittel für Jung und Alt: Die Auto-Rikscha, Tucktuck oder wie
auch immer man das Drei-Rad-Gefährt nennen mag. Im Tigerenten-Look stehen sie hier an jeder Ecke oder sammeln dich hupend direkt vom Straßenrand ein. Eine durchrüttelnde Fahrt gibt es normalerweise zu einem fairen Preis „by meter“. Abgesehen davon, dass jeder Meter-und-Wartezeiten-Zähler ein bisschen anders läuft und mit Eintritt der Dunkelheit direkt doppelt und dreifach abgerechnet wird, fällt man hier seiner Hauptfarbe oft zum Opfer. Mit beteuerndem Hindi und einer Prise Humor lassen sich Diskussionen meistens zum Guten hin wenden. Ab und zu bin ich aber auch einfach nach Hause gelaufen. Einerseits um dreisten Forderungen die kalte Schulter zu zeigen, andererseits um trotz extremer Diskriminierung des fußläufigen Volkes die Umgebung mal zu Fuß zu erkundigen. Es steht und fällt eben alles mit dem Fahrer.
Der kann einem morgens ein Strahlen ins Gesicht zaubern oder direkt den Tag vermiesen. Manche Fahrer individualisieren ihr Vehikel mit besonderen Accessoires wie einer Riesenhupe oder statten es gar mit einem whole audio system samt Bildschirm aus, der dem Fahrgast die Trailer der neusten Bollywoodfilme unterbreitet. Ich wünschte, ich hätte meine unzähligen (Irr-)Fahrten, Begegnungen,
(Streit-)Gespräche und Entdeckungen in einem Notizbüchlein mit kurzen Fahrersteckbriefen festgehalten… So spannend, wohltuend oder Nerv tötend das Zwischenmenschliche an diesem Transportmittel am Ende ist, so sehr genieße ich im Gegenzug die Unabhängigkeit, die mir ein Roller oder ein Fahrrad verschafft. Natürlich musste man sich erstmal an den Linksverkehr, den unübersichtlichen Verkehrsstrom, die Fahrzeugmassen und die Abstinenz von Verkehrsregeln oder -zeichen gewöhnen. Das habe ich mir am Anfang alles in Ruhe aus der Rikscha und dem Bus angeguckt. Nach ein paar Wochen saß ich auf meinem ausgeliehenen Roller und konnte mein Glück kaum fassen, als ich einfach in den Strom eintauchen und mich in gefühlter oder gehupter Absprache mit meinen Mitfahrern mitreißen lassen konnte.
Roller fahren im Monsun klappt nur mit noch mehr naivem Vertrauen in diesen unbändigen Verkehrsfluss und nicht zuletzt mit einer riesigen Portion Selbstbewusstsein über die eigenen Fahrkünste… Und damit kommen wir zu dem Sieger meiner (halbjährigen) Langzeitstudie: dem Fahrrad. Voran kommt man wegen der überfüllten Straßen fast genauso schnell wie mit dem Roller.
Schlaglöcher, von Wasser überflutete oder von Fahrzeugen verstopfte Straßenabschnitte lassen sich sogar leichter umgehen. Vor allem aber macht es einfach Spaß und man braucht keinen Sprit. Wenigstens trägt man nicht auch noch zu der kolossalen Luftverschmutzung bei… Man muss zwar eine krasse Außenseiterrolle in Kauf nehmen, die mit einer erheblichen Öffentlichkeitswirkung einhergeht. (Wie kann man bei voller Geschwindigkeit auf einer vollen Straße jemanden davon abhalten Fotos oder Videos von einem zu machen?) Dafür fährt einen niemand so schnell um. Man wird zumindest nicht übersehen. Zudem werden ratlos-verblüffte Blicke und spontan-begeisterte Zurufe immer wieder von dem Versuch gekrönt,
meinen freihändigen Fahrstil zu imitieren (auf dem Roller!?!), und versüßen mir somit die Fahrt mit Lachanfällen. Das mit Abstand beste Erlebnis hatte ich allerdings, als ein Student im Institut freudestrahlend auf mich zugekommen ist, um mir zu berichten, dass er jetzt auch ein Fahrrad hat und damit zum Unterricht kommt. So landet für mich – mit dem Selbstverständnis einer Umweltkampagne in Kleinformat sowie der freien, ganz selbstbestimmten Fortbewegung – das Fahrrad auf Platz 1.
(Special thanks go to Alpesh!!!)














