Seminartag 1. Rechtsextremismus in CZ

9. Juli 2012
von Juliane Henn

Dieses Mal mussten wir nicht warten. Letztes Mal, als wir in die Botschaft wollten, ließ man uns (es war Dezember, schneite und war richtig kalt) eine gute Viertelstunde vor der beeindruckend massiven Eingangstür stehen und fertigte uns als „Begrüßung“ im Gastland, um die wir mehr oder weniger betteln mussten, mit dem Standartprogramm ab. Genug von vergangenen Kränkungen, zum Wichtigen ; )

Anlass des Besuches this time: Treffen mit der Vorsitzenden und laut ihrer Visitenkarte Security Analyst der jüdischen Gemeinde Prag (weshalb ihr Name hier nicht genannt werden soll). Diese ist mit ca. 3000 Mitgliedern in Prag und ca. 10 000 in ganz Tschechien verhältnismäßig klein und eher zurückgezogen, nur sehr wenige sind jüdisch-orthodox und somit in der Öffentlichkeit als solche zu erkennen. Das ist einer der Gründe, weshalb sie Rechtsextremismus in Tschechien in „relativ abgeschwächter Form“ wahrnehme, öffentliche rechte Gewaltakte gebe es nur selten. Als Hauptgrund konnte in der Diskussionsrunde herausgestellt werden, dass Tschechien mit seinen 10,5 Mio. Einwohnern kein typisches Einwandererland ist, was rechten Parolen weniger Angriffsfläche bietet. Der vehemente Widerstand der Prager gegen einen Nazimarsch am Jahrestag der Reichpogromnacht 2007 durch das jüdische Viertel Prags, der Josefstadt,  zeige außerdem, dass der Rechtsextremismus eine in der Tschechischen Gesellschaft nicht akzeptierte Einstellung ist. Die heutige Demokratie knüpfe eben an die Tradition der parlamentarischen Demokratie der Erste Republik von 1918 – 1938 an. Nachdem Anfang 2010 die rechtsradikale Arbeiterpartei verboten wurde sei die rechte Szene „kollabiert“ und nicht mehr so vereint wie zuvor.

Tschechische Rechtsextreme erklärten gerne ihre Nähe zur rechten Szene in Deutschland und würden von dort auch viel übernehmen. Unter anderem auch die Strategie, sich verstärkt im Untergrund zu organisieren – typische, oberflächliche Erscheinungen wie Lanzer-Shirt und solche mit dem Aufdruck „88“, Glatzen, halbverdeckte LONDSDALE-Shirt oder New Balance- Schuhe sind heute schon zu leicht zu decodieren. Dresscode: Anzug, Krawatte, Kostüm. Wie auch Stephan Braun (hielt den zweiten Vortrag, auf den ich im nächsten Blogeintrag eingehen werde) später bestätigen wird, sind Rechtsradikale zunehmend Juristen und bewegen sich in christlich-konservativen Kreisen. Die Affäre um Ladislav Bátora und die konservative Initiative „Akce D.O.S.T.“ (diese Abkürzung steht für „Důvěra, Objektivita, Svoboda, Tradice“ – Vertrauen, Objektivität, Freiheit, Tradition. Außerdem bedeutet ‚dost‘ auf deutsch ‚genug‘) sind die aktuellsten Beispiele für anzug-tragende Rechtsradikale. Im Fall von Bátora reicht das Beispiel bis in die oberste politische Ebene hinein, da er gleichzeitig Vorsitzender der „Akce D.O.S.T.“, Personalchef im Bildungsministerium und danach Berater des zuständigen Ministers war.

Zu den allgemeinen rechten Forderungen nach Erhalt der konservativen Werte, des traditionellen Familienmodells, Immigrationsstop, Ablehnung einer multikulturellen und kosmopolitischen Welt / Einstellung / Lebensweise kommen für Tschechien speziell die Forderung beispielsweise nach Einstellung der sozialstaatlichen Leistungen für Roma hinzu. Wer die genauen Formulierungen nachlesen will, von denen ich mich aber natürlich inhaltlich distanziere, kann das hier tun.

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