Einfach nur die erste Woche

23. September 2010
von Juliane Henn

 Aus Überblicks-Gründen (you know what I mean) sollen die folgenden Schilderungen in zeitlicher Reihenfolge geschildert werden. Probieren wirs mal. Hab eben viel erlebt in den letzten Tagen, die nicht nur mir wie Wochen vorkommen! Am Besten ich fange mit dem ersten Arbeitstag an. (Übrigens: Am Ende kommt ein Abschnitt, in dem es nicht um Schule geht. Für alle, die es nicht interessiert.)

Typisch deutsch war ich überpünktlich. Mein ehemaliger Deutschlehrer wird mir das nicht glauben, aber ich war geschlagene 20 min zu früh da. Hab mich erst Mal ein ganz kleines bisschen blamiert, weil ich die Schul-Eingangstür nicht auf bekommen habe.Und das während der Rush Hour. Später stellte sich heraus, dass man dazu einen Chip braucht (den ich ja noch nicht haben konnte). Auch egal, jetzt kennt mich der Hausmeister auch und weiß, dass ich zwar immer nett mit „Dobrý den“ grüße, aber sonst kein Wort Tschechisch spreche. Aber wie die Meisten, die mich verstehen wenn ich was Tschechisches sagen will, freut er sich glaube ich darüber, dass ich es wenigstens versuche. Genauso wie die 7.Klässler heute morgen, die mir die Deklination von „sein“ beigebracht haben. Sie lernen Deutsch im zweiten Jahr und sind total goldig! Aber zurück zur Reihenfolge. 

Tür des deutschen Kabinetts

Tür des Deutschen Kabinetts

Der Raum, in dem ich von meiner Kollegin Šárka begrüßt wurde, wird hier „Deutsches Kabinett“ genannt. Das Wort Kabinett erinnert mich zwar irgendwie an die Präsidialregierungen Anfang der 30er, aber andererseits klingt es wichtig und mächtig. Massenveranstaltungsorte wie die Lehrerzimmer in Deutschland gibt es hier nicht. Mit mir sind wir zu fünft und deshalb habe ich auch einen eigenen Schreibtisch. Einen ziemlich großen sogar! Die anderen Kollegen, Jana, Angel und Michael, sind zurzeit in Deutschland und werden für mich also erst nächsten Mittwoch plastisch. (Montag und Dienstag frei, ha!)

Mit Jana hatte ich schon eMail-Kontakt, sie scheint super nett, sieht auf dem Desktophintergrund im Kabinetts-PC ziemlich jung aus und wird hoffentlich vom Sie auch zum Du übergehen. Wäre komisch, sie zu siezen und Šárka nicht. Michael ist Deutscher und hat die taz, die Zeit und die FAZ abonniert. Zum Glück sitzt er neben mir…Zu guter Letzt: Angel ist ein deutsch-sprechender spanischer Tscheche. Er unterrichtet unter anderem Geschichte auf deutsch, was sich verlockend anhört…werde mich mal da einklinken. Wenn ich darf. 

Gymnazia Na Prazacce

Meine neue Schule

Aber ich habe auch schon mitbekommen, wie ein kleiner Grundschüler in der Kantine richtig zusammengefaltet wurde. Hat nichts gebracht, er hat sogar noch einen draufgesetzt und mutwillig einen Teller zerstört. Die erste Woche ist morgen schon vorbei. Krass! Viel war noch nicht los. Habe mich hauptsächlich mit den Lektüren (die übrigens die gleichen sind, mit denen wir gequält wurden) beschäftigt, ein bisschen Inventur gemacht und alles neu sortiert eingeräumt. Schiller, Goethe, Kafka, von Ebner-Eschenbach, Kleist, Hebbel ohne Ende, Gottfried Keller und Heinrich Mann, aber auch Rafik Schami und Uwe Timm. Letztere sind aber auch die coolsten in den Regalen.   Mittags gibt’s in meiner Schule Gott sei Dank was warmes zu Essen. Für mich sogar zum Lehrertarif von 15 Kronen pro Tag. Und es schmeckt nicht mal schlecht. Sogar die Schuhe darf ich, im Gegensatz zu den Schülern, anbehalten.

Was noch kommt? Vielleicht ein größerer Konflikt, ob geduzt wird oder nicht. Ich kenne die Machtgefüge und zwischenmenschliche Beziehungen um Kabinett ja noch nicht. 

Vielleicht eine Portion Demotivation: Šárkas Schüler waren bis auf die Kleinen noch verhalten, verkrampft. Ich hoffe nicht desinteressiert. Ich will mich nicht festlegen, ob es an ihr liegt. Aber ich hoffe, dass die andren offenere Schüler haben.

Vielleicht auch noch ne Menge Spaß: Meine Schule nimmt an einem Debattierwettbewerb vom Goethe-Institut teil, ist zwar nicht glorreich, aber das wollte ich schon immer mal machen! Ich liebe diskutieren! Freitags gibt’s außerdem noch Volleyball, schade, dass ich morgen aufgrund heimreisebedingter Abwesenheit noch nicht dabei sein kann. Wenn das nix wird, steige ich auf Hockey um. Die Nationalsportart hier. Egal ob on Ice oder Rasen. Einen Chor gibt es hier auch. Hab ich zwar noch nie gemacht, ob ich singen kann ist die Frage und ob ich tschechisch singen kann, erst recht. Aber versuchen werde ich es mal.

Ich hab übrigens neben der Schule auch noch ein Privatleben, auch wenn es vielleicht nicht so rauskommt, bei allem, was ich bis hierher geschrieben habe. An meine WG habe ich mich total gewöhnt. Den Mief kann man zwar nicht mal mit Geruchsneutralisierer bekämpfen, aber umbringen wird er mich (hoffentlich) nicht. Mein Hauptmitbewohner Martin 1, der Mediävist, lässt mich meistens in Ruhe und ist sonst sehr hilfbereit. Hat schon für mich beim Ikea angerufen, weil bei meinem Bett ein Teil gefehlt hat (bzw immer noch fehlt, muss man separat kaufen. Nix da.). Martin 2, der in eine Rating-Agentur arbeitet wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist ein sehr netter und lustiger Kerl, der leider nur von Montags bis Mittwochs hier ist. Glaube ich. Hab ihn bisher nur einmal nachts auf dem Weg ins Bad getroffen. Ansonsten ist Prag einfach crazy. Saß heute nachmittag mit Chris am Moldauufer bei nem Bier, es war warm und die Sonne hat geschienen. Der halbe Liter Bier hat zwar 2€ gekostet, dafür gabs aber live Musik (Gitarre unplugged) von einem crazy Typen mit grün gefärbten Haaren, der montags bis freitags immer dort spielt. Hat Stamm-Ufer-Biergarten-Potential, der Laden. Und Tretbootfahren steht auch noch an, irgendwann. Nächste Woche knöpfe ich mir das Nachtleben vor: Dienstag oder Mittwoch ist welcome-Party für Erasmus-Studenten.  Im Hooters war ich übrigens auch schon. Und das deutsche Kino am Dienstag fiel leider für uns aus, die Metro wollte eben nicht, dass ich „Der Vorleser“ sehe und ist einfach nicht gefahren. Nächstes Mal lasse ich mich dann über Integration und so weiter aus. Jetzt erst mal gute Nacht! Zum Glück muss ich morgen erst um halb 10 antanzen.

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