Offroad

In der Mongolei unterwegs zu sein, ist ein besonderes Unterfangen. Nicht nur, weil ich immer wieder das Gefuehl habe, dass in allen Mongolen, egal ob Staedter oder Landbewohner, immer noch die Tradition und Erinnerung an das nomadische Wanderleben steckt. Es ist auch jedes Mal aufs Neue ein kleines Abenteuer. Der Weg ist das Ziel – das gilt hier besonders. Denn man kann einfach nicht beeinflussen, ob man fuer die knapp 370 km zwischen Erdenet und Ulaanbaatar nun 6,5 oder 7,5 Stunden braucht, weil ein Teil des Wegens nur auf der Piste gefahren werden kann oder weil der Bus noch nicht voll ist. Oder weil heute besonders viele Kuehe, Schafe, Schweine etc. den Weg kreuzen und versperren. Ruhe und Besonnenheit ist da angesagt. Und genuegend Reiseproviant.

Zweimal habe ich bereits die Strecke zwischen Erdenet und UB im Bus bewaeltigt, und diese kleinen Reisen sind wirklich erwaehnenswert. Zum einen ist da der Bus: Meist ein aelteres Modell, das schon ordentlich quietscht und meist noch in den ersten paar Minuten der Fahrt stoppen muss, damit noch irgendwelche Funktionen ueberprueft werden. Waehrend der Fahrt laeuft meist die Kuehlung, aber darauf sollte man sich nicht verlassen. Sonst waere es ja auch wirklich langweilig.

Zum zweiten der Busfahrer samt Gehilfe: Diese verstauen fachmaennisch das Gepaeck und kontrollieren die Fahrscheine. Ihnen obliegt auch die Musikauswahl – und ueber Geschmack und Lautstaerke laesst sich bekanntlich streiten. Doch diese beiden Menschen wachsen einem spaetestens ausserhalb der Stadtgrenzen ans Herz, denn sie sorgen fuer eine angenehme Reise – z.B. dass rechtzeitig eine Pinkelpause eingelegt wird. Und schliesslich bringen sie mich auch sicher an mein Ziel – was bei der Wegbeschaffenheit teils ein kleines Kunststueck ist. Thanks driver!

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Nun der Weg: Eine Mischung aus geteerter Strasse und Erdpiste. Ich bin ueberrascht, Wegweiser zu sehen, diese sind wirklich rar gesaet (wie Kathrin treffend anmerkte: Irgendwie scheinen die Mongolen ein natuerliches Navi zu besitzen. Oder sie lernen Orientierung ganz anders). Die geteerten Strassen sind recht eng und meist zur Seite hin offen – eine wahre Einladung fuer Ueberholmanoever, an die ich mich langsam erst gewoehne…aber wozu gibt es schliesslich die Hupe als universelles Signalmedium fuer jede Situation?! Und wenn die Strasse endet, blockiert oder einfach nicht-existent ist, wird ausgewichen. Und hier offenbart sich dann das wahre Talent des Busfahrers. Denn diese Seitenpisten sind oft mehr Schlagloch als alles andere und vorausfahrende Fahrzeuge wirbeln extrem viel Staub auf. Oftmals verlaufen die plattgefahrenen Wege am Hang, sodass der Bus in jede erdenkliche Schieflage geraet. Hier muss sich der Passagier dann vor den Sachen auf der Gepaeckablage in Acht nehmen – vielleicht bin aber auch nur ich es, die als unerfahrene Reisende skeptisch nach oben schaut und mich schon begraben unter den Plastiktueten mit Kohlkoepfen und Jacken sieht. Meine Mitreisenden sind da entspannter.

Ueberhaupt sind diese mehr als erwaehnenswert: Total ungeruehrt sitzen sie da, unterhalten sich, knabbern Nuesse und ertragen voellig stoisch das Gehoppel des Buses, und auch unangeschnallt fallen sie nicht aus den Sitzen. Selbst bei extremen Schieflagen wird nicht mit der Wimper gezuckt, erst wenn der Kopf nach einem Schlagloch fast an die Busdecke schlaegt, werden „oijoijoi“-Rufe laut. Doch meistens wird einfach geschlafen. Ich bin erst voellig beeindruckt, und merke dann, dass das einfach die einzig richtige Einstellung ist. Ich glaube, ich mache mir einfach bei zu vielen Sachen unnoetig Gedanken.

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Bei meiner letzten Fahrt hatte ich dann sogar die Moeglichkeit, Bekanntschaften zu schliessen. Alles fing mit dem Teilen von Essen an: Auf mein Angebot, sich ein paar kandierte Apfelringe zu nehmen, antwortete meine Sitznachbarin mit einer Handvoll Nuesse. Eine knappe Stunde spaeter fragte sich mich per Zeichensprache, ob sie mit mir Musik auf dem MP3-Player hoeren koenne. Ich stellte ihr also meine deutsche Liedsammlung vor (den Inhalt konnte ich problemlos durch Gestik und Mimik verdeutlichen – Liebe oder nicht Liebe war bei den Lieder die Frage). Kurze Zeit spaeter zeigte sie mir auf dem Handy Fotos, und bestaunte meine Bilder aus UB auf der Kamera. Mit Hilfe meines kleinen Woerterbuchs und einigen Reiseunterlagen auf Mongolisch sowie unseren Ausweisen konnten wir uns gegenseitig vorstellen. Zu Ende der Reise schaltete sich auch mein Sitznachbar gegenueber des Gangs ein (Er warf mir ein unsicheres „Guten Tag“ zu, worueber ich mich sehr freute), zeigte mir verschiedene Dinge aus dem Fenster, und machte sogar von ein paar besonders schoenen Stellen Fotos mit meiner Kamera. Als ich schliesslich in Erdenet ankam, war ich ehrlich enttaeuscht, diese beiden lieben Menschen zu verlassen. So bleibt mir nur zu sagen: Vielen Dank fuer die schoene Fahrt! 🙂

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