~ 16.06.2021-18.06.2021
Was ist der klassische Beweis, dass man vom Glück verfolgt wird? Wahrscheinlich wenn einem ein Schornsteinfeger die Hand reicht, man gleich darauf eine dreifarbige Katze und ein vierblättriges Kleeblatt sieht und am gleichen Tag noch im Lotto gewinnt. Next Level ist dann, wenn der klapprige Schornsteinfeger einem nicht nur die Hand schüttelt, sondern auch noch eine Drahtborste aus seinem Besen bricht, sie einem überreicht und in gebrochenem Englisch Glück, Gesundheit und co. wünscht.
Zwar ist mir ersteres nicht passiert, doch um einen Draht reicher bin ich schonmal geworden, als ich vor kurzem aus meiner Haustür getreten bin und plötzlich von einem alten, staubigen Herren überrascht wurde, der einer Freundin und mir die Glücksbringer schenkte.
Just an diesem Tag lösten sich noch das Problem mit meinem fehlerhaft ausgestellten Impfzertifikat, das mir schon so einige Nerven gekostet hatte, mein Lieblingsladen hatte wieder frischen Sanddorn im Angebot und Klara aus Oradea schenkte Jojo und mir zwei Tickets für das EM-Spiel in Bukarest. Moment, das EM-Spiel in Bukarest?
Exakt. Wir konnten unser Glück wirklich kaum fassen. Schnell fassten wir den Entschluss also Mittwochnachmittag nach Bukarest zu fahren, unsere Arbeit online zu erledigen (der Unterricht ist bei mir momentan sowieso immer noch nicht in Präsenz), um am Donnerstag ins Stadion gehen zu können.
Samuel aus Sebeș reiste auch noch von Mittwoch auf Donnerstag an, da er die dritte freie Karte von Klara bekommen hatte. Somit machten wir uns um die Mittagszeit, auf den Weg in Richtung Arena Națională. Am Piața Romană stiegen wir in die Tram ein, jeder noch eine Spinatplacintă vorher am snacken und tuckerten los.
Das Spiel war heute die Ukraine und der EM-Debütant Nord-Mazedonien. Eigentlich schon nach einem Blick auf die Spielprognosen, die die ukrainische Mannschaft favorisierten, spätestens aber, als uns dutzende nord-mazedonische Fans begegneten, die richtig Stimmung verbreiteten, war uns klar, dass wir NM unterstützen mussten! Wenn schon nicht mit rot-gelben Farben, dann mit Klatschen und Rufen im Stadion.
Nach einigen Minuten erreichten wir eine Haltestelle und eine etwas ältere rumänische Mitfahrerin begann wild auf uns einzureden und wollte uns klar machen, dass hier die Haltestelle für das Spiel war. Etwas verwirrt stiegen wir aus. Komischerweise bewegte sich kein anderer der Fußballfans aus dem Zug und mit steigendem Zweifel an der Reliabilität der Dame, sahen wir die Tram wegfahren. Ein Blick auf Googlemaps bestätigte unsere Vorahnung: noch 3km bis zur Arena. Okay. Kurz durchatmen und die Optionen checken. Eventuell hatten wir uns sowieso ein Bisschen spät auf den Weg gemacht, was den Fußweg praktisch ausschloss. Die nächste Tram oder ein Bus würde viel zu lange dauern und Uber und Taxis waren defacto unmöglich zu bekommen mit dem Verkehrsaufkommen.
Wie durch ein Wunder taten sich in einer Seitenstraße drei geparkte E-Scooter auf, alle voll geladen, als hätten sie nur auf uns gewartet. Los ging es. In Rudelformation zischten wir die Straße runter. Samuel navigierte uns durch den Häuserjungel und wir fuhren kreuz und quer, durch kleine Parks, auf Gehwegen, über Straßen und an Baustellen vorbei. Irgendwann konnten wir anhand des steigenden Lautstärkepegels sichergehen, dass es nicht mehr weit bis zum Stadion war und ließen die Roller zurück.
Dann ging doch echt alles reibungslos. Mit online-Ticket, Impfzertifikat und Perso kamen wir problemlos durch die Kontrollen. Schon waren wir im Stadion! Fürs Gefühl gabs feinstes alkoholfreies Bier und Wasser und wir machten es uns auf unseren Plätzen gemütlich. Auch wenn ich bisher kein besonders aktiver Fußballfan gewesen bin, hat mich das Spiel gefesselt. NM war leider tatsächlich die unterlegene Mannschaft, doch die Ukrainer machten auch Fehler, wodurch es zuletzt auf ein 1:2 hinauslief. Wir konnten sogar zwei 11m, ein Tor, das leider im Abseits geschossen wurde und super viel Aktion beim Spiel beobachten. Dadurch wurde die Stimmung im Stadion zwischen den verschiedenen Fanblocks noch aufgeheizter und jeder fieberte für die eigene Mannschaft mit. Nach dem Spiel trafen wir uns mit Luca und Fynn aus Bukarest, die in einem anderen Teil gesessen haben und zogen noch weiter um das gute Spiel zu feiern und beim Publicviewing die restlichen Spiele des Tages zu sehen.
Dabei fanden wir doch tatsächlich das kühle Bier von Fynn im hohen Gras wieder, das er vorher versteckt hatte, wurden frei in die U-Bahn geschleust und genossen die gut aufgeladene Stimmung, die nach dem Spiel von den anwesenden Fans getragen, durch das Lipscani–Viertel vibrierte.
Spät am Abend kamen wir zurück in die Bukarester WG und fuhren gleich darauf am nächsten Morgen mit dem ersten Zug um 6 Uhr zurück nach Brașov um hier wieder in den Alltag einzusteigen.
So eine Ansammlung von glücklichen Zufällen erlebt man wirklich nicht alle Tage und irgendwie rede ich mir ein, dass meine Schornsteinfegerbegegnung sicherlich dazu beigetragen hat.