~ 14.05.2021-16.05.2021
Wie beinahe alle anderen Reisen in Rumänien beginnt auch dieser Ausflug von uns am Bahnhof in Brașov. Luca kam gerade noch pünktlich die Treppen zum Gleis hochgehechtet, an dem Jojo und ich schon auf den Zug warteten, da konnten wir praktisch direkt einsteigen.
Im Abteil ging es in Richtung Westen Rumäniens. Die Zeit vertrieben wir uns mit unzähligen Runden Skat, extrem guten Snacks (die Granny Smith Äpfel waren durchaus eine schöne Wiederentdeckung) und der siebenbürgischen Landschaft, die draußen vorbei zog. In die gleiche Zugstrecke habe ich mich schon damals auf dem Weg nach Sighișoara verliebt und war auch jetzt wieder von den vielen Kontrasten und der Natur ganz gebannt.
Die Zugfahrt im Abteil fühlt sich an, als sitze man im Hogwartsexpress. Wie in jedem Zug hört man das Rattern während der Fahrt vergleichsweise laut, inzwischen würde ich behaupten angenehm laut, die Vorhänge vor den Abteilen lassen sich zuziehen und im 30 Minuten Takt läuft ein Bahnmitarbeiter durch die Gänge und bietet Kaffee und Snickers zu Wucherpreisen an. Ein bisschen wie in der deutschen Bahn.
Ziemlich müde und im Dunkeln erreichten wir Deva. Sehr eindrücklich strahlte der Mond über der erleuchteten Festung über der Stadt und begrüßt uns. Irgendwie schafften wir es, uns ein Taxi zu bestellen, und trotz überschrittener Sperrstunde nicht von der Polizei aufgegabelt zu werden. Diese kann schnell ungemütlich werden, wenn es um die Sperrstunden geht, auch wenn ihre Bezeichnung auf rumänisch noch so niedlich klingen mag, als Politiştii.
Also standen wir zuletzt etwas gestresst vor einer Häuserreihe, unsicher, welcher Eingang Joenas sei, die hier in Deva ebenfalls an einer Schule eingesetzt ist und hielten etwas besorgt nach der Polizeistation ausschau. Es wäre einfach zu ärgerlich gewesen, an diesem Abend noch erwischt zu werden, da die Sperrstunde, dank sinkender Corona-Fallzahlen, ab dem nächsten Tag aufgehoben werden sollte. Doch alles klappt noch ohne Zwischenfälle und wir kamen bei Joena an.
Nächster morgen, ich wachte in aller Frühe auf und sah als erstes die wunderschöne Plattenbauromantik vom Wohnzimmer aus. Uns gegenüber Anwohner, die ihre erste Tasse Kaffee auf dem Balkon genossen. Sehr guter Start in den Tag. Verträumt wollte ich ich es ihnen eigentlich gleich tun und etwas Musik hören, musste dann aber geschockt feststellen, dass die Bauchtasche, in der ich meine Wertsachen (also alles von Geldbeutel, über Schlüssel und Kopfhörer) aufbewahre nicht mehr auffindbar war. Kurz stellte ich alle Taschen von mir auf den Kopf, doch keine Spur. Dann traf es mich wie ein Blitz. In der Nacht beim Warten vor dem Haus hatten wir unser Gepäck kurz auf der Bank vor einem der Blöcke abgestellt. Wie von der Tarantel gestochen rannte ich aus der Wohnung, alle Stockwerke runter, raus auf die Straße und um mehrere Hecken. Ungläubig erreichte ich die Bank von gestern und konnte mein Glück kaum fassen. Die Tasche lag noch immer unberührt dort, alle Kreditkarten, das Bargeld, das ich ausnahmsweise mal besaß und meine Kopfhörer waren noch da! Wenn die Ausgangssperre für eine Sache gut gewesen ist, dann wohl dafür, dass nachts echt niemand auf der Straße war… Noch ganz schön aufgekratzt kam ich in die Wohnung. Nun war auch nicht mehr an entspannte Balkonstimmung, geschweige denn weiterschlafen, für mich zu denken.
Also verließ ich wieder das Haus und schlenderte ein Bisschen durch Deva, auch unter dem alten Namen Diemrich bekannt. In einem Laden wollte ich mir einen Apfel kaufen, hatte allerdings nur meine Kreditkarte dabei, weshalb der Verkäufer ähnlich ungläubig schaute, wie ich an dem morgen bei der Bank, als er die umgerechnet 8 Cent in das Kartenlesegerät eintippte und mir mein Stressessen kopfschüttelnd überreichte.
Zurück bei Joena frühstückten wir alle zusammen sehr ausgiebig und brachen dann für einen Snackkauf zu Lidl auf. Unser Plan: Eine Wanderung ins benachbarte Simeria, in den Botanischen Garten und auf den Măgura Uroiului, eine kleine, rumänische Version des Tafelbergs in Kapstadt.
Wir wollten das gute Wetter und unsere morgentliche Motivation noch nutzen, die 13km Weg zu bewältigen. Klassischerweise begegneten wir natürlich jeder Menge wütender Straßenhunde, zwei Schäfern, die sich freudig mit uns, auf der hälfte der Strecke unterhielten und nicht glauben konnten, dass wir zu Fuß unterwegs waren. Außerdem sahen wir viele Schafe, Hühner und erreichten unsere erste Etappe, den Botanischen Garten in Simeria. Von außen erschien dieser noch sehr unbedeutend und klein, von ihnen war er dafür umso größer. Läd an einen Ecken zum Rasten und Schlendern über verträumte Brücken und an kleinen Seen ein und erinnert an anderen, mit steinernen Statuen, an den Garten der Medusa. Wir nutzen den Park für eine ausgiebige Hummus und Brotpause, bevor wir gut gestärkt weiter zogen.
Zum Tagesanfang hatten wir noch nicht mit der Intensität der Sonne gerechnet und nicht genug Wasser eingepackt. Leider konnten wir auch an keiner Stelle in Simeria einen Laden finden, der uns welches verkauft hätte. Somit wurden wir praktisch magisch angezogen, als wir die Schrift Campingplatz und deutsches Forum entdeckten. Und tatsächlich, die Besitzerin war so lieb und verkaufte und zwei große Flaschen Wasser und unterhielt sich eine Weile glücklich mit uns. Seit die Pandemie begonnen hat, waren wohl auch nicht mehr so viele Leute aus Deutschland vorbei gekommen…
Unser finales Ziel war nun auch schon zum Greifen nah und der letzte Aufstieg am Berg ging sehr schnell. Oben angekommen war klar, dass sich der Weg sicherlich für diese Aussicht gelohnt hatte. Westlich von uns konnten wir Deva und die Festungsanlage auf dem Berg ausmachen, im Südosten zeichnete sich das Panorama der Karpaten ab, was alles vom wechselnden Licht- und Schattenspiel der Sonne und Wolken gezeichnet wurde. Wir legten und auf die Wiese, umgeben von duftenden Kräutern und Blumen, genossen den Moment und ruhten uns von der vergangenen Wanderung aus.
Nach dem Abstieg, war unsere Lust zurück nach Simeria zu laufen verschwindend gering, weshalb wir daraufhin per Taxi zurück nach Deva fuhren und den Abend mit einer guten Runde Seccomate ausklingen ließen.
Am nächsten Tag stand eine Stadtrundgang durch das schöne Diemrich an. Zwar wurden wir von Regen begleitet, aber das Zentrum und die Festung waren sehr sehenswert und den schlimmsten Regen saßen wir in einem Café mit Getränken und Wizard aus.
Das Stadtbild ist geprägt von sehr vielen Plattenbauten, durchzogen von grünen Ecken und hin und wieder alten Prachtvillen. Die Festung ist eine sehr gut erhaltene Ruine, in der schon der bayerische König vor langer Zeit festgehalten wurde. Dem schlechten Wetter trotzten auch die Schaulustigen und Mitglieder des Mittelaltervereins, die sich in den Festungsmauern getroffen hatten und das Schießen mit Pfeil und Bogen in entsprechenden Kostümen zelebrierten. Alles in allem war Deva wunderschön und die Natur der Umgebung sehr gut zum Wandern und der Blick auf Berge einmalig.
Am Abend stiegen wir daraufhin wieder an Devas Bahnhof in den Zug ein und nach etwa sechs Stunden im Bahnhof in Brașov, zuhause wieder aus.