Nachtleben
Nachdem die Ferien zu Ende waren, kehrte zunächst wieder so etwas wie Alltag ein. Für Mitte März hatten sich aber einige Gäste angekündigt. Yannick und Léonie hatten beide gefragt, ob sich mich besuchen können und ein Schulfreund meines Mitbewohners wollte ebenfalls kommen. Alles war soweit geklärt und sowohl Yannick als auch Léonie hatten einen Flug gebucht und ein Visum beantragt. Aufgrund der Katastrophe in Japan am 11. März sagten beide aber nach langem Überlegen aus Sicherheitsgründen ab. Tim, Jan Luis Freund, war bereits gekommen, als das ganze Ausmaß des Bebens noch nicht bekannt war und die Lage in Fukushima noch nicht so ernst war. Ihm blieb also nichts anderes übrig als genau wie wir abzuwarten, die Nachrichten zu verfolgen und erst einmal hier zu bleiben. Ich möchte jetzt nicht weiter auf die ganze Geschichte eingehen, weil ich denke, dass die deutschen Medien das Thema schon zur Genüge ausgeschlachtet haben. Es sei nur gesagt, dass sich die meisten Chinesen kaum Sorgen zu machen scheinen, dass ihr Land direkt betroffen sein könnte. Auch das deutsche Generalkonsulat hat uns inzwischen bei einer Informationsveranstaltung gesagt, es bestehe kein Grund zur Annahme, dass die Ostküste Chinas in Gefahr ist, außerdem bestehe eine Reisewarnung vom auswärtigen Amt weiterhin nur für Japan und nicht für China.
Wir zeigten also Tim die Stadt, das Essen und eben auch das Nachtleben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein bisschen was darüber schreiben, wie man in China weggehen und feiern kann. Die meisten Chinesen gehen nicht in Clubs wie es im Westen unter Jugendlichen üblich ist. Wenn man gemeinsam mit Freunden abends etwas unternehmen möchte geht man üblicherweise zum KTV, also Karaoke. Wie ich schon einmal geschrieben habe unterscheidet sich diese Erfahrung deutlich von dem, was man im Westen so als Karaoke bezeichnet und macht auch viel Spaß. Wenn man aber mal nach westlicher Manier Feiern will, also mit viel zu lauter elektronischer Musik, ungesunden Mengen an Alkohol und blinkenden Lichtern, die leicht Epilepsie auslösen könnten (Warum zur Hölle machen das Chinesen nicht?! Sie müssten es lieben xD), gibt es in den meisten größeren Städten und gerade in Shanghai auch reichlich Gelegenheit dazu. Es gibt eine bunte Landschaft von Bars und Clubs, bei denen eigentlich für jeden was zu finden sein müsste.
Es gibt Sportsbars, die eher Kneipencharakter haben, aber auch schicke Cocktail-Bars mit stilvoller Einrichtung, teuren Getränken und hohem Westler-Anteil. Unter anderem befindet sich in Shanghai die höchste Bar der Welt (gemessen vom Boden, auf dem das Gebäude steht und nicht vom Meeresspiegel). Im 92. und 93. Stock des World Financial Center direkt unter der markanten Öffnung kann man bei einer grandiosen Aussicht über die Stadt seine Cocktails genießen. Wenn man seinen Blick auf den 87. Stock des auf der anderen Straßenseite gelegenen Jinmao Towers richtet kann man dabei vielleicht sogar einige andere Nachtschwärmer beobachten, die in der zweithöchsten Bar der Stadt sitzen. Leider gibt es an beiden Orten Mindestverzehr und Service-Charge, was das Vergnügen recht teuer macht. Die meisten guten Bars sind allerdings in der französischen Konzession, wo früher die feinen Kolonialherren residierten und man immer noch viele Villen im europäischen Stil finden kann. Dort befinden sich auch recht teure Jazzclubs in denen oft Konzerte stattfinden. Auch am Bund, der berühmten Uferpromenade Shanghais, gibt es zahlreiche exklusive Bars (Eintritt-.-), die meisten sind auch gleichzeitig Restaurants. In den weniger exklusiven Bars gibt es meist keinen Eintritt, lautere Musik und eine kleine Tanzfläche. Die Abgrenzung zwischen Bar und Club ist eh nicht besonders klar. Es gibt wirklich sehr interessante Bars mit innovativem Design. Eine Bar z. B. sieht aus wie ein Flugzeug, die Kellner sind als Flugbegleiter verkleidet und man verstaut seine Klamotten nicht in der Garderobe sondern in wie im Flugzeug in kleinen Gepäck Compartments, die über dem Gang angebracht sind. In einer anderen fühlt man sich dank Couch, Tischfußball und Dart eher wie auf einer Hausparty als in einer Bar. Die Preise für die Getränke sind auf deutschem Niveau und man muss mit 5-10 Euro für einen Cocktail rechnen.
Es gibt verschiedene Arten von Clubs in Shanghai. Manche sind ähnlich wie in Europa und Amerika, was bedeutet, dass man dort recht viele Ausländer findet. Andere sind eher an den Geschmack der Chinesen angepasst. Dort gibt es z.B. eine deutlich kleinere oder gar keine Tanzfläche. Getanzt wird trotzdem, aber eben da wo gerade Platz ist. Die meisten Chinesen sitzen aber lieber gemeinsam am Tisch, trinken reichlich Alkohol und spielen Würfelspiele. Wie gesagt haben viele Clubs Barcharakter und anders herum. Einer dieser Clubs ist das Bobolia, wo wir anfangs ab und zu hingegangen sind. Dort kann man, wenn man ein bisschen vorglüht Spaß haben ohne allzu viele Westler zu sehen. Im Phebe auf der Hengshan Lu, einer der größten Bar- und Club-Straßen kriegt man für 100 RMB „Open Bar“. Dort hatte ich selbstverständlich auch meinen schlimmsten Absturz… Wenn man keine Lust mehr auf die verdammten Chinesen-Clubs hat und wieder wie zu Hause feiern will gibt es natürlich die Clubs, die eine eher ausländische Crowd anziehen (z. B. das Muse und das M2). Wenn man etwas mehr Geld ausgeben möchte und sich selbst ganz toll findet, kann man auch ins M1nt gehen. Im 24. Stock des Cross-Towers, in dem zufälligerweise auch das Goethe-Institut ist, befindet sich einer der edelsten Clubs der Stadt. Wir mussten vorher anrufen, um uns auf die Gästeliste setzen zu lassen. Nachdem man oben angekommen ist, kommt man direkt an einem fast 20 Meter langen Haifischbecken vorbei, das einen Gang schmückt. Das hört sich zwar relativ spektakulär an, aber wer ein gigantisches Monstrum wie in „Jaws“ erwartet wird enttäuscht. Lediglich einige kleine Haie befinden sich in dem Becken und schwimmen ziellos herum. Der Club selbst setzt eher auf Eleganz und weist kaum blickenden Lichter auf. Dadurch wirkt er aber meiner Meinung nach eher schlecht beleuchtet. Die Leute sind ein dermaßen prätentiöser Haufen, dass man sich schämt ebenfalls Ausländer zu sein. Vor allem die französischen Expats mit ihren Schals und Mänteln gehen mir so unfassbar auf die Nerven. Man kann sich hier in China einfach einen anderen Lebensstil leisten als in Europa, wenn man weiterhin ein europäisches Gehalt kassiert. Selbst wir fahren z. B. Mit dem Taxi von einem Club zum anderen, wenn wir woanders hinwollen. Anstatt dann aber einfach ein bisschen Spaß zu haben entwickeln sich manche Leute zu unausstehlichen Angebern, denen man schon auf 100 Meter Entfernung ansehen kann für wie toll sie sich halten. (Dem einen oder anderen dürfte schon aufgefallen sein, dass die Wörter „Expat“ und „Westler“ bei mir oft eine negative Konnotation haben, aber ich lass das Thema jetzt lieber.) Wenn man möchte, kann man hier richtig prassen und sich eine 5 Liter Champagner Flasche für etwa 320000 RMB gönnen. Ich bin mir jetzt nicht sicher, wie viel der durchschnittliche Deutsche im Jahr verdient, aber der durchschnittliche Chinesen verdient sicher weniger. Das sind immerhin über 30000 € und ein Verkäufer auf einem der vielen „Fake-Märkte“ hat uns mal gesagt, er verdiene etwa 10000 RMB, also knapp über 1000 € pro Jahr. Der Club ist also definitiv nicht mein Geschmack, obwohl ich zugeben muss, dass die Aussicht auf die Shanghaier Innenstadt schon ein klarer Pluspunkt ist.
Eins haben aber im Prinzip fast alle Clubs gemeinsam: Die Musik ist absoluter Mainstream und einfach nur scheiße. Wenn wenigstens noch so etwas wie David Guetta liefe, würde ich ein bisschen grummeln, mehr Alkohol trinken und trotzdem feiern. Aber das Niveau sinkt noch eine ganze Ecke tiefer. Katey Perry, Lady Gaga und Konsorten haben in einem Club einfach nichts zu suchen, oder zumindest nicht in dieser Häufigkeit. Mir ist klar, dass man ein breites Publikum ansprechen will, dafür gibt es House (auch guten). Aber einfach ein paar Pop-Songs mit Electro-Beats zu unterlegen und derart nervig Sachen wie „party people“ ins Mikrofon zu blöken ist einfach nicht, was ich mir vom DJ wünsche. Meistens macht es akustisch keinen Unterschied in welchem Club man gerade ist. Überall laufen die gleichen 10 Songs aus den Charts. Natürlich gibt es auch lichte Momente in denen der DJ einfach mal die klappe hält und ein paar halbwegs coole Electro-Tracks spielt. Wir haben sogar schon deutsche Schlager gehört, was wir in der Situation sogar ziemlich coll fanden, aber alles in allem ist die Musik furchtbar eintönig. Es gibt wohl auch Orte an denen man anderes zu hören bekommt. Im Shelter, einem ehemaligen Bunker, der zum Schutz vor den Japanern gebaut wurde, wird oft Drum n‘ Bass, Reggae oder auch Dubstep gespielt. Leider waren die anderen da am Anfang ein paar mal, als ich nicht da war und haben jetzt eigentlich keine große Lust mehr-.-
Einen Hinweis möchte ich noch geben. Leider muss man in vielen Bars und Clubs aufpassen, da viele der so nett wirkenden Frauen sich als Prostituierte herausstellen können. Ob jetzt wirklich Sex oder nur Gesellschaft geboten wird, kann man nie so genau sagen, aber letztlich wollen sie immer nur Geld.
Ich habe irgendwie im Moment erst mal die Nase voll vom Feiern. Wenn es mal andere Musik gäbe, wäre ich vielleicht wieder motiviert. Falls sich der letzte Teil dieses Eintrags eher wie eine Hasstirade angehört hat, möchte ich mich hiermit entschuldigen. Manche Sachen hier können einem ganz schöne auf die Nerven gehen und ich musste das eben auch mal thematisieren.
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