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Die letzten Wochen in Shanghai

Nach meinem letzten dich sehr ausführlichen Eintrag, habe ich beschlossen, mich diesmal etwas kürzer zu fassen. Wie gesagt, fiel mir langsam auf, wie wenig Zeit ich noch in Shanghai verbringen würde. Bis zu den Sommerferien waren es nur wenige Wochen, und da ich dann viel vorhatte, musste ich die verbleibenden Wochenenden so gut wie möglich nutzen. Ich ging also noch ein paar mal mit den anderen essen und feiern und kaufte für das folgende Wochenende bereits das nächste Zugticket.

Ich hatte mir vorgenommen in die Hafenstadt Qingdao in der weiter nördlich gelegenen Provinz Shandong zu fahren und dort Julia, mit der ich mehrmals verreist war, zu besuchen. Die Deutschen ließen sich während der Kolonialzeit dort nieder und brachten natürliche zahlreiche Dinge aus der Heimat mit. Zum einen bauten sie Infrastruktur nach deutschem Muster auf. Sie installierten Straßenlaternen und legten ein Abwassersystem an. Die Architektur in einigen Teilen der Stadt erinnert auch noch sehr an diese Zeit. Zum anderen brachten sie Waren mit, die sie sonst vermisst hätten. Qingdao mag vielen Deutschen vielleicht kein Begriff sein, aber in China kennt man die Stadt sehr wohl. Die berühmteste Bierbrauerei des Landes, die schlichtweg den Namen der Stadt trägt, wurde hier von Deutschen gegründet und verkauft immer noch Bier.

Qingdao war wirklich nett und ich habe mich einfach mal entspannt, anstatt von einer Sehenswürdigkeit zur anderen zu hetzen. Ich war bei Julia im Unterricht und habe mir ihre letzte Stunde angesehen. Außerdem waren wir mit zwei ihrer Freundinnen abends weg und verbrachten die halbe Nacht beim KTV. Im Hostel ließ es sich auch ganz gut entspannen, deswegen sparte ich mir den Trip nach Qufu, wo Konfuzius geboren wurde. Ich lernte einen Chinesen kennen, der ebenfalls Gitarre spielt und mir einige chinesische Bands empfehlen konnte.

Zurück in Shanghai ging ich wieder mit den anderen Essen, so oft sich die Gelegenheit bot und plante mit Philipp zusammen eine Reise übers Wochenende ins nicht weit entfernte Nanjing. Nanjing war wie bereits erwähnt mal die Hauptstadt der Republik China und beherbergt unter anderem das Sun Yat-sen Mausoleum, das leider wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen war. In Nanjing fanden während des zweiten Weltkriegs auch einige Kriegsverbrechen seitens der Japaner statt und man hat eine Gedenkstätte errichtet. Wir verbrachten nur zwei Tage dort und kamen am Montag wieder zurück. Eigentlich fanden dann wegen des Drachenbootfests überall Rennen statt, aber irgendwie war das Wetter ziemlich beschissen und die meisten Chinesen, die wir fragten, meinten, das sei auch nicht wirklich was besonderes.

Mit dem Dienstag nach dem Feiertag brach meine letzte Woche an der Schule an. Wir hatten eine Abschlussprüfung vorbereitet und mussten lediglich die Schüler beaufsichtigen.

Für den Mittwoch hatte ich einen Flug nach Tokyo gebucht, deswegen musste ich mich unerwartet früh von Jan Luis, Philipp und Felix verabschieden. Eventuell treffe ich sie zwar zwischenzeitlich noch einmal, aber im Prinzip sehen wir uns auf Grund ihrer und meiner Reisepläne erst zum Nachbereitungsseminar am Werbelinsee wieder.

Ich würde zwar sehr gerne noch über meine weiteren Reisen berichten, aber vermutlich wird das hier doch der letzte Eintrag. Erstens habe ich keine Zeit mehr noch viel zu schreiben und auf alle wichtigen Aspekte einzugehen. Ich konnte bisher schon immer erst deutlich später berichten. Jetzt bin ich ständig unterwegs und muss mich nebenbei auch noch um einen Studienplatz kümmern. Zweitens kann auch nicht mehr die notwendige Sorgfalt walten lassen. In den vergangenen Artikeln habe ich zumindest ab und zu Wikipedia bemüht um sicher zu stellen, dass ich keinen absoluten Mist erzähle. Ich habe auch keine Lust mehr mich für sprachliche Fehler rechtfertigen zu müssen. Drittens komme ich eh bald nach Hause und kann dann berichten. Für zukünftige Freiwillige ist der ganze Reisekram eigentlich auch nicht mehr so relevant.

Das bedeutet auch, dass ich keine weiteren Bilder bei Facebook hochladen werde. Was den Datenschutz angeht, ist das eh schon recht heikel und ohne die Blog-Einträge ist das auch nicht wirklich sinnvoll Ich bin mir darüber im Klaren, dass ein Großteil der Leute vermutlich mal durch die Bilder geschaut, den Blog aber ignoriert hat. Allerdings waren die Bilder von Anfang an als Ergänzung zu den Einträgen gedacht. Ich lade normalerweise ungern persönliche Bilder bei Facebook hoch.

Vielleicht schreibe ich, nachdem ich wieder in Deutschland gelandet bin noch einmal eine knappe Zusammenfassung, aber fürs erste war es das auf jeden Fall. Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, diesen Blog zu lesen. Bis bald!

 

Taiwan

Im Folgenden werde ich der Einfachheit halber die Volksrepublik China (PRC) als China und die Republik China (ROC) als Taiwan bezeichnen. Das ist ganz streng genommen nicht korrekt, wird aber in der Umgangssprache oft gemacht, da Taiwan einen Großteil des Staatsgebietes der ROC stellt und das Land de facto unabhängig ist. Dazu später mehr.

 

Nachdem ich im März mein neues Visum bekommen habe, das mir mehrere Einreisen ermöglicht, hatte ich endlich auch die Möglichkeit das Land zu verlassen und anschließend wieder reingelassen zu werden. Als dann der Montag nach dem Tag der Arbeit frei war, fragte ich, ob ich noch zwei Tage extra frei bekommen könne, um nach Taiwan zu fahren. Hiroki, den ich in Sichuan kennengelernt hatte, arbeitete nämlich inzwischen an einem Hostel in Taipei und so hätte ich die Möglichkeit ihn noch mal zu treffen und auch Taiwan mal kennenzulernen. Da das alles etwas spontan war, waren die Preise für Flugtickets, als alles sicher, war leider schon rasant angestiegen. Wer geographisch ein bisschen bewandert ist, weiß natürlich, dass Taiwan eine Insel ist, was im Allgemeinen ein Problem für Züge ist. Ich entschloss mich also in die Provinz Fujian nach Xiamen zu fahren und von dort eine Fähre zu nehmen. Auf diese Weise könnte ich auch diese Gegend mal ein bisschen kennenlernen. Mir wurde nämlich gesagt, es sei dort sehr schön. Ich fuhr am Donnerstag morgen mit dem Schnellzug nach Xiamen und wollte dort dann eine Nacht verbringen. Die Schnellzüge unterscheiden sich sehr von den Zügen, die ich bisher so genommen habe. Sie sind modern, relativ schnell und komfortabel. Leider sind sie aber auch deutlich teurer, was wieder dadurch ausgeglichen wird, dass man einiges an Zeit spart und man auch oft nicht im Zug schlafen muss.

In Xiamen angekommen machte ich mich dann auf die Suche nach meinem Hostel und verbrachte dann den Nachmittag mit einem Strandspaziergang. Am Abend schlenderte ich dann noch ein bisschen durch die größte Fußgängerzone der Stadt. Xiamen war früher ähnlich wie Shanghai ein Anlaufpunkt für viele ausländische Mächte, die versuchten, dort einen wichtigen Handelspunkt zu errichten. So wie bei Shanghai hat das zwar nicht wirklich geklappt, aber die stark europäisch geprägte Architektur der Stadt zeugt noch immer von diesem Erbe.

Am zweiten Tag wollte ich dann morgens das Ticket für die Fähre nach Keelung kaufen. Nachdem ich nach langem Suchen endlich das internationale „Ferry Terminal“ gefunden hatte, fiel mir ein, dass ich mir nie die Mühe gemacht hatte, den Namen meines Zielortes auf Hochchinesisch nachzuschlagen. In Taiwan benutzt man nämlich nicht wie in China das Pinyin-System für die Transkription von Ortsnamen. Die Chinesen am Schalter konnten mit Keelung natürlich nichts anfangen und wollten mich kurzerhand auf die taiwanesische Insel Jinmen schicken, da dort viele Touristen hinfahren. Nach einer Weile merkten sie aber, dass ich nach Jilong wollte. So wird Keelung nämlich auf Mandarin ausgesprochen. Die Fähre sollte erst am Abend ablegen also fuhr ich zurück in die Stadt.

Vor Xiamen liegt die Insel Gulangyu (Xiamen liegt eigentlich selbst schon auf einer Insel). Dort haben sich Europäer niedergelassen und einen kleinen Ort mit beinahe mediterranem Flair gegründet. Einen derart bizarren Mix aus chinesischer Kultur und westlicher Architektur hatte ich seit Macau nicht mehr gesehen, wobei Macau eben doch noch eine Großstadt war, während Gulangyu sehr beschaulich ist. Der Ort ist außerdem noch für seine hohe Dichte an Pianisten bekannt. Etliche namhafte Musiker stammen von der kleinen Insel. Es gibt sogar ein Klavier- und ein Orgelmuseum, sowie eine Hochschule für Musik. Xiamen ist bei chinesischen Touristen äußerst beliebt, Westler hingegen trifft man seltener an. Insgesamt fand ich es wirklich schön dort und es war fast ein bisschen schade, dass ich schon weiter musste. Aber schließlich hatte ich mein Ticket ja bereits gekauft und freute mich auch schon endlich Taiwan kennenzulernen. Ich holte mein Gepäck vom Hostel ab, fuhr wieder zurück zum Hafen und tauschte schon mal ein bisschen chinesisches Geld in taiwanesische „New Taiwan Dollars“ (NTD) um.

An dieser Stelle sollte ich vielleicht einen kleinen geschichtlichen und politischen Exkurs machen, um die Situation Taiwans zu erläutern. Das Ganze ist ziemlich komplex und ich kenne mich auch nur so mittelmäßig aus, deswegen gibt’s nur eine knappe Zusammenfassung. Die Republik China und die Volksrepublik China, obwohl beide sich China nennen, sind de facto unabhängige Staaten und haben daher auch unterschiedliche Systeme: andere Gesetze, Währung selbst die Sprache ist nur bedingt gleich. In Taiwan gelten nämlich neben Mandarin auch noch einige andere Dialekte als Amtssprache. Um zu erklären, wie sich die beiden Länder so von einander weg entwickelt haben, muss man etwas ausholen. Wie ich bereits geschrieben habe, gehört die Mehrheit der Chinesen zu den Han. Nun wurde die letzte Dynastie Chinas, die Qing-Dynastie von den Mandschuren aus dem Norden gestellt, die China erobert hatten. Die chinesischen Männer wurden gezwungen Zöpfe zu tragen, wie es in der Mandschurei üblich war und waren plötzlich nicht mehr Herren ihres eigenen Landes. Das Volk fühlte sich unterdrückt und erniedrigt und war mit der Obrigkeit im Allgemeinen unzufrieden. Im Oktober 1911 kam es dann schließlich zur Revolution und Dr. Sun Yat-sen, der die nationalistische „Kuomintang“ (KMT) anführte, wurde zum Präsidenten gewählt. Am 1. Januar des nächsten Jahres rief man die Republik China aus. In den 20er Jahren kam es allerdings zu Unruhen und ein Bürgerkrieg zwischen der KMT und der 1921 gegründeten Kommunistischen Partei (KPCh) brach aus. Sun Yat-sen starb 1925 und Chiang Kai-shek trat seine Nachfolge an, während die Kommunisten von Mao Zedong angeführt wurden. Es kam zu allerlei Machtkämpfen und die Hauptstadt der Republik wurde mehrmals verlegt. Zu dieser Zeit gehörte die Insel Taiwan gar nicht zum Staatsgebiet Chinas sondern wurde von den Japaner besetzt. Erst im Jahr 1945 kehrte Taiwan zu China zurück. Bereits vier Jahre später setzten sich schließlich die Kommunisten unter Mao Zedong durch und die KMT musste sich 1949 auf die Insel Taiwan zurückziehen. Dort erklärten sie Taipei zur provisorischen Hauptstadt der Republik China, beanspruchten aber weiter das Festland als Staatsgebiet der Republik und sahen sich als die einzig legitime chinesische Regierung. Die eigentliche Hauptstadt sei Nanjing. Die Kommunisten in Peking auf der anderen Seite riefen die Volksrepublik China aus wollten das andere China ebenfalls nicht anerkennen und beharrten darauf, dass es sich um eine abtrünnige Provinz handele. De facto entstanden also zwei Staaten, die sich beide als China bezeichneten. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich entwickelten sich die beiden Länder sehr unterschiedlich. Taiwan entwickelte sich bald zu einem der „asiatischen Tigerstaaten“ und wurde immer wohlhabender, während China mit Armut und den Folgen der Kulturrevolution kämpfen musste. Natürlich hat die Volksrepublik im Westen teilweise einen eher mäßigen Ruf. Die Republik China hingegen ist die älteste überlebende Republik Ostasiens. (6 Jahre älter als jeder Versuch der „Vorzeigedemokratie“ Deutschland). Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die KMT bis zu den 70er Jahren genauso diktatorisch herrschte wie die KPCh in China und, dass erst allmählich Reformern die Gründung anderer Parteien überhaupt erlaubte. Das Land demokratisierte sich nach und nach und in den 90er wurden erstmals direkte Präsidentschaftswahlen abgehalten. Im Jahr 2000 konnte sich mit der „Democratic Progressive Party“ (DPP) erstmals eine andere Partei als die KMT bei den nationalen Wahlen durchsetzen. Der Konflikt zwischen Taiwan und China besteht bis heute und es hat sich vor allem für Taiwan daraus eine sehr spezielle Situation entwickelt. Da China etwa 70 mal so viele Einwohner hat wie Taiwan und wirtschaftlich immer weiter wächst, fällt Taiwan trotz des Reichtums mit seinen 20 Millionen Einwohner weltweit kaum ins Gewicht. Die Volksrepublik, die 1971 Taiwans UN-Sitz für China übernommen hat, weigert sich mit irgendeinem Land diplomatische Beziehungen aufzunehmen, das Taiwan als souveränen Staat anerkennt. Deswegen haben nur einige wenige Nationen offizielle Beziehungen zu Taiwan und die meisten größeren Wirtschaftsmächte unterhalten nur inoffizielle Beziehungen. Statt echter Botschaften dienen deswegen oft andere Institutionen, wie das „American Institute in Taiwan“ als Auslandsvertretung und nehmen alle Pflichten einer Botschaft war. Während man sich in China dank Propaganda weitgehend einig ist, dass Taiwan endlich zurückkommen solle, sind sich die Menschen dort nicht einig, wie die politische Zukunft ihres Landes aussehen soll. Einige ältere Leute sehen das Festland als Teil der Republik China und plädieren für eine Wiedervereinigung, andere haben sich mit der 2-China-Lösung abgefunden. Viele Jugendliche hingegen sehen sich schon nur noch als Taiwaner und nicht mehr als Chinesen und schaffen so langsam eine neue nationale Identität. Wie gesagt sind die Meinungen gespalten und es gibt verschiedenste Ansätze.

Jetzt sollte ich aber wieder auf meine eigentliche Reise zurück kommen. Wie gesagt tauschte ich schon etwas Geld um und ging dann an Bord. Das Schiff war relativ groß und die Betten halbwegs komfortabel. Ich war der einzige Ausländer an Bord und in meinem 6-Bett-Zimmer war außer mir nur noch ein Chinese. Da ich auch mal aufs Deck gehen wollte, fragte ich das Personal, ob es möglich sei, meine Sachen irgendwo einzuschließen. Das ging leider nicht und ich bekam nur einen Schlüssel für mein Zimmer gegen 100 RMB Pfand. Allerdings gab es nur diesen einen Schlüssel, was bedeutete, dass ich ihn nicht benutzen könnte, ohne mich mit meinen Mitreisenden abzusprechen. Ich ging also zurück und versuchte mit dem einzigen anderen Reisenden zu sprechen, der in meinem Zimmer war. Als dieser aber den Schlüssel sah brüllte er mich zunächst erst mal in zugegebenermaßen recht gutem Englisch an, wofür ich denn einen Schlüssel brauche: Schließlich sei es in China doch absolut sicher weil doch im Gegensatz zu „meinem Land“ hier der Kommunismus herrsche und es die Todesstrafe gäbe. Außerdem hätten wir ja schließlich das günstigste Ticket erstanden und hätten damit kein Anrecht auf Privatsphäre oder Sicherheit. Hätte ich das gewollt, hätte ich doch ein eigenes Zimmer nehmen sollen. Wenn er mal rauchen wolle, wolle er mich nicht erst fragen müssen. Mit seinem letzten Punkt hatte er natürlich recht, deswegen wollte ich ja mit ihm reden. Ich hatte jedenfalls nicht vor ihn einfach ein- oder auszusperren, aber ihm war das egal, da er sich ja schon warm geredet hatte. Er betonte noch ein paar mal wie sicher es doch hier sei und sagte dann, dass ich, wenn ich Angst hätte und hundertprozentige Sicherheit haben wolle, nicht reisen und stattdessen zu Hause bleiben solle, was genau genommen ein Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage war. Ich sagte ihm, dass ich lediglich ein paar einfache Vorsichtsmaßnahmen ergreifen wollte, um zu verhindern, dass ich mir regelmäßig neue Sachen kaufen muss. Meine Kamera ist mir schließlich auch durch meine Unachtsamkeit gestohlen worden. Darauf fragte er wütend, warum ich denn eine Kamera brauche. Ich solle doch einfach nur mich selbst und meinen Pass mitbringen. Ich hätte ihm erklären können, warum Kameras eine tolle Erfindung sind, vor der ein alter Mann wie er sich nicht fürchten muss, und dass die Daheimgebliebenen sich gelegentlich über das ein oder andere Bild freuen, aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon resigniert und beschlossen, bis ihn bis zum Ende der Fahrt zu ignorieren.

Schlafen konnte ich leider nicht sehr gut, aber so hatte ich zumindest die Möglichkeit am nächsten Morgen ein bisschen Zeit auf Deck zu verbringen. Nach dem Frühstück hielt ich oben nach dem Festland Ausschau. Um 8 Uhr, nach etwa 14 Stunden Fahrtzeit konnte man dann auch endlich erst ein paar Fischerboote und dann das taiwanesische Festland sehen. Ich unterhielt mich in der letzten halben Stunden noch mit einem Taiwaner. Als wir im Hafen einliefen und durch die Passkontrolle gegangen waren, half er mir sogar noch, den Bahnhof zu finden. Der war zwar nur etwa 100 Meter entfernt, aber er bestand darauf, dass sein Vater, der ihn mit dem Auto abholte mich dorthin fahren könne. Also stieg ich ins Auto und ließ mich nach einer Minute Fahrt wieder absetzen. Der hilfsbereite Taiwaner kam sogar noch mir und kaufte ein Ticket für mich. Er wollte nicht mal die 40 NTD (der Wechselkurs ist etwa 1 RMB = 4,5 NTD oder 1 Euro = 40 NTD), zurück haben und verabschiedete sich, nachdem er sichergestellt hatte, dass ich eine Unterkunft hatte. Mit einem Regionalzug fuhr ich dann noch eine dreiviertel Stunde in die taiwanesische Hauptstadt Taipei.

Mit der U-Bahn ging es dann weiter zu meinem Hostel. Zunächst konnte ich das Hostel nicht finden, also fragte ich einige Leute. Leider schien mich niemand zu verstehen und ich dachte, dass meine Aussprache vielleicht nicht so gut war. Später erfuhr ich aber, dass man in Taiwan das Wort für Hostel, das ich aus China kannte einfach nicht kennt. Das ganze Konzept einer Jugendherberge ist anscheinend vielen (vor allem älteren) Taiwanern fremd und man übernachtet eben in Hotels. Als ich nach einer halben Stunde immer noch nichts gefunden hatte, beschloss ich einige Ausländer zu fragen, da ich hoffte, dass sie vielleicht auch Gäste waren. Es handelte sich um Australier, die beruflich in Taipei waren und eine eigene Wohnung hatten, aber sie waren so nett, mich in ihre Wohnung zu lassen, um im Internet nachzuschauen. Ich hatte offensichtlich den letzten Satz der Wegbeschreibung übersehen und konnte deswegen das Hostel nicht finden. Mit der jetzt korrekten Beschreibung war es aber kein Problem mehr. Hiroki war, wie er mir vorher geschrieben hatte nicht da und würde erst in einigen Tagen wiederkommen. Deswegen beschloss ich nur eine Nacht zu bleiben und am nächsten Tag gleich weiterzufahren und einen anderen Teil des Landes zu erkunden.

Zunächst machte ich mich aber auf in Richtung Stadt. Als erstes schaute ich mir natürlich das Taipei 101 an, das mit seinen 508 m struktureller Höhe das zweithöchste Gebäude der Welt ist und sogar das World Finacial Center in Shanghai überragt. Das Gebäude dominiert die Skyline Taipeis komplett, da die Stadt ansonsten anders als viele Chinesische Städte eher flach ist. Das liegt, wenn ich richtig informiert bin, daran, dass Taiwan genau wie Japan in einer Erdbebenregion liegt und hohe Gebäude durch entsprechenden Vorkehrungen abgesichert werden müssten. Von diesem Zeugnis der Modernität des Landes lief ich weiter zur Sun Yat-sen Memorial Hall, die der Geschichte des Landes gewidmet war. Im Chinesischen heißt die Halle „国父纪念馆“(guofu jinianguan) also Landesvater Gedächtnishalle. Während Mao Zedong und Chiang Kai-shek eigentlich nur in jeweils einem der beiden Ländern verehrt werden, genießt Sun Yat-sen Anerkennung in der ROC und der PRC. In China kennt man ihn unter dem Namen Sun-Zhongshan und hat überall Straßen, Parks und andere Dinge nach ihm benannt. Das Gebäude selbst ist ziemlich groß und eindrucksvoll und ist zu allen Seiten von einem Park umgeben, in dem viele Jugendliche sind und Tanzchoreographien einstudieren oder Skateboard fahren. Innen ist eine Statue von Sun Yat-sen, vor der zwei Soldaten permanent Wache halten. Mehrmals täglich gibt es auch eine Ablösezeremonie, die allerdings so derart langgezogen und pathetisch ist, dass man sich das Lachen verkneifen muss. Außerdem gibt es noch einige Ausstellungen im inneren des Gebäudes. Als ich wieder nach draußen ging konnte ich schon von weitem laute Musik hören und beschloss, nachzusehen, was da vor sich ging. Ich landetet mitten in einer Antiatomkraftdemonstration. Überall waren (vor allem) Jugendliche in schrillen Klamotten, die abwechselnd zu Techno- und Rockmusik rumsprangen und dabei Parolen schrien. Es war einfach ein Segen endlich mal wieder so etwas wie Jugendkultur zu sehen. In Shanghai gibt es das zwar zum Teil auch, aber die Art wie die Jugendlichen in Taiwan auf die Musik abgingen und rebellisch protestierten erinnerte einfach eher an europäische Jugendliche. Vermutlich hatten genau wie in Deutschland die Wenigsten eine Ahnung wofür oder wogegen sie da eigentlich demonstrierten und kannten wahrscheinlich auch die Hintergründe kaum, aber so lange man zu lauter Musik tanzen kann und „Dagegen!“ brüllen kann ist die Welt doch in Ordnung. Das hört sich zwar vielleicht ein bisschen sarkastisch und herablassend an, aber eigentlich will ich damit sagen, dass ich es gut finde, dass die Jugendlichen zumindest das Recht haben ihre Meinung zu äußern, egal, ob jetzt aus ehrlicher Überzeugung oder einfach weil man mitfeiern mitdemonstrieren will. Nach dieser Begegnung mit taiwanischen Protestlern machte ich mich weiter auf Erkundungstour und fuhr zum zweiten großen Denkmal der Stadt, der Chiang Kai-shek Gedächtnishalle. Ich war schon sehr gespannt, zu sehen, welcher der beiden Hallen nun die größere sein würde, und wem man in Taiwan mehr Respekt entgegenbringen würde, dem Landesvater oder Chiang Kai-shek, der das Land im Bürgerkrieg geführt hatte? Als ich aber aus der U-Bahnstation zurück ans Tageslicht kam und mich nach kurzer Zeit auf einem riesigen Platz wiederfand, wurde mir die Frage überraschend eindeutig beantwortet. Ein großes Tor mit der Aufschrift „自由广场“ (ziyou guangchang), also Freiheitsplatz, ziert den Platz auf der einen Seite. Links und rechts davon befinden sich das Staatstheater und der Konzertsaal in zwei großen nahezu identischen Gebäuden. Ganz am Ende auf der anderen Seite, kann man die eigentliche Gedächtnishalle mit dem markanten blauen Dach erkennen. Auch hier bewachen zwei Soldaten eine Statue. Nachdem ich den Platz ausgiebig erkundet hatte und unter anderem die Probe einer jugendlichen Bigband verfolgt hatte machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum nahegelegenen Regierungsbezirk der Stadt und wanderte dort ein bisschen umher. Als ich dann auf einer breiten Allee vor dem „Presidential Palace“ ankam, fand ich mich plötzlich erneut zwischen den Protestanten wieder. Während ich bei den Sehenswürdigkeiten war, war die Demo quer durch die halbe Stadt gezogen und ging nun scheinbar ihrem Ende entgegen. Ich konnte sogar eine Wagen und Personen wiederfinden, die ich an der „Sun Yat-sen Memorial Hall“ gesehen hatte. Als es schon langsam dunkel wurde, machte ich mich auf den Weg zum Stadtteil Shilin, einige Stationen südlich des Hauptbahnhofs, wo der bekannteste Nachtmarkt der Stadt war. Schon bevor ich zum eigentlichen Markt kam, war die Gegend sehr interessant. Ähnlich wie in Hongkong gibt es überall Neonreklame (die gibt’s zwar in China auch zur Genüge, aber in Taiwan und Hong Kong nimmt das schon noch andere Dimensionen an) und überall tummeln sich Leute. Trotzdem wirkt das Ganze eher entspannt und nicht so hektisch und schnell wie in Hongkong. Die Leute bummeln eher ein bisschen die Straße entlang. Der Nachtmarkt selbst hat mich sehr an den Nachtmarkt erinnert, den ich Peking besucht habe. Viele Menschen schlendern durch die engen Gassen und an den Seiten reiht sich ein kleiner Laden an den anderen. Man kann Snacks, Klamotten, Souvenirs und allerlei anderen Krimskrams kaufen. Im Gegensatz zu den Märkten Chinas sind hier auch deutlich ausländische Einflüsse zu spüren und man bekommt nicht nur Grillspieße und Teigtaschen sondern auch Hot Dogs, Pizza und ähnliches. Ich löschte meinen Durst noch mit einem Becher Naicha , einem in Taiwan erfundenen Milchtee, der in ganz Ostasien beliebt ist, und machte mich dann müde auf den Weg zurück zum Hostel.

Am nächsten Tag fuhr ich dann zum Bahnhof um ein Ticket nach Hualien zu kaufen. Hualien ist eine kleinere Stadt an der Ostküste Taiwans, die wegen der nahegelegenen Taroko-Schlucht viele Besucher anzieht. Leider bekam ich keinen Sitzplatz für den nächsten Zug mehr und musste wieder einmal stehen. Taiwan ist glücklicherweise aber deutlich kleiner als China, sodass ich nur knapp unter 3 Stunden ausharren musste. In dieser Zeit unterhielt ich mich mit einem jungen Taiwaner, der, wenn ich das richtig verstanden habe, Soldat war. In Hualien angekommen, wusste ich nicht so recht, was ich mit dem angebrochenen Tag noch anfangen sollte und beschloss mir einfach ein Fahrrad zu mieten und zum Meer zu fahren. Zu meiner Überraschung bekam man die Fahrräder sogar umsonst, solange man etwas als Pfand daließ. Ich übergab der netten alten Dame also mit einem etwas mulmigen Gefühl meinen Pass und fuhr los. Zunächst dachte ich, die Gangschaltung wäre kaputt, nachdem ich dann aber alle Hügel bereits im höchsten Gang überwunden hatte, fand ich endlich heraus, wie man sie bedient -.- Der Strand war zwar nicht besonders schön und es gab dort nur ein paar Steine, aber es war trotzdem ganz nett, das Meer zu riechen und die Wellen zu beobachten, die hier deutlich stärker waren als noch in Xiamen. Auf dem Rückweg fuhr ich dann nichtsahnend eine Hauptstraße entlang, als ich plötzlich Gebell hinter mir hörte. Ohne das kleinste Bisschen Provokation biss mich kurz darauf ein Hund in den Knöchel. Es war kein besonders heftiger Biss und man konnte auch dank der Jeans eigentlich nichts sehen, aber da meine Mutter mir immer wieder von den Gefahren der Tollwut erzählt hatte, erkundigte ich mich vorsichtshalber. Ich habe zwar eine Impfung, aber im Falle einer möglichen Infektion sollte trotzdem ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Taiwan ist allerdings schon seit einigen Jahren im Gegensatz zu China komplett frei von der Tollwut (ist eben eine Insel). Ich hakte den Vorfall also ab. Am Abend holte ich mir im Hostel dann die nötigen Informationen für meinen Ausflug in den Nationalpark. Ich fragte natürlich nach dem Preis, woraufhin der Besitzer des Hostels mich nur verdutzt anschaute und erwiderte, dass es doch ein Nationalpark und damit umsonst sei. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich nicht mehr in China war. Dort wird nämlich jede noch so kleine Touristenattraktion mit Toren ausgestattet, an denen man dann saftige Eintrittspreise für die „Scenic Area“ hinlegen darf. Ich machte mich am nächsten Tag mit dem Bus auf den Weg zum Park und beschloss einfach selbst ein bisschen umherzuwandern, statt einen Bus oder Fahrer zu mieten. Anfangs funktionierte das auch wunderbar und ich lief durch eine Klamm wie man sie auch in Süddeutschland finden kann. Da ich dafür von der Hauptstraße abgebogen war, musste ich den Weg natürlich auch wieder zurück laufen und konnte nicht einfach weiter gehen. Danach folgte ich immer der Straße. Das war auch mein größtes Problem. Ich hatte angenommen, dass es so etwas wie einen Wanderweg durch die Schlucht gäbe, aber es stellte sich heraus, dass es einige schöne Wanderwege entlang der Schlucht gibt und diese lediglich von einer Straße verbunden werden. Ich lief also stundenlang am Straßenrand und sprang in unregelmäßigen Abständen über die Leitplanke um mich vor den von beiden Seiten herannahenden Bussen zu retten. Nichtsdestotrotz hat es sich auf jeden Fall gelohnt, in den Park zu gehen und die Orte, die ich zu Fuß erreichen konnte haben mir alle sehr gut gefallen. Als es langsam dunkel wurde, musste ich feststellen, dass ich, wenn ich weiterginge, die nächste Bushaltestelle nicht mehr erreichen würde und wartete deswegen lieber ein Weilchen bis der Bus zu mir kam. Zwei recht merkwürdige Taiwaner fingen im Bus dann gleich eine Unterhaltung an und versuchten mir ihr Essen anzudrehen, da sie zu viel gekauft hätten. Ich war zwar zunächst misstrauisch, merkte dann aber, dass die beiden einfach nur betrunken waren und wirklich mehr hatten als sie essen konnten. Ich hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen, also nahm ich die gebratenen Nudeln dankend entgegen. Einer der beiden erklärte mir dann, dass sie zu einer Minderheit gehörten und zeigte zum Beweis auf seine Haut, die „schwärzer“ sei als bei anderen… Für den Rest der Fahrt machte er auf seinem Handy Musik an, hob seine Hände und tanzte dann wie in Trance (also betrunken) in seinem Sitz, mal zu chinesischer Musik, mal zu Lady Gaga. Als wir ankamen, lief gerade zum 4. Mal „This Love“ von Maroon 5. Im Hostel unterhielt ich mich noch ein Bisschen mit den anderen Gästen und ging dann ins Bett. Am nächsten Tag fuhr ich zurück nach Taipei.

Zurück im Hostel traf ich dann auch Hiroki endlich wieder. Nachdem wir uns kurz unterhalten hatten ging ich aber auch schon wieder, da er arbeiten musste und ich Taipei weiter erkunden wollte. Ich machte mich auf den Weg zum „National Palace Museum“ um mir dort die Kunstgegenstände anzusehen, die die Kuomintang damals aus Peking entwendet hat. Die Ausstellung war zwar groß und es gab einige tolle Sachen, aber als Laie konnte ich jetzt auch nicht feststellen, was die Keramik, Jadeschnitzereien und Ölgemälde hier jetzt so viel toller machen sollte als die in anderen Museen, die ich bereits besucht hatte. Nachdem ich also alles weitgehend gesehen hatte fuhr ich weiter nach Ximending. Einem hippen Stadtteil voller Jugendkultur und Einkaufsmöglichkeiten. Es wird auch als das Harajuku oder Shibuya Taipeis bezeichnet. Nachdem ich eine Weile herumgelaufen war ging ich in eine günstige Sushi-Kette, um dort zu Abend zu essen. Wie so oft liefen auf einem Fließband die verschiedensten Sachen herum und man konnte sich einfach hinsetzen und zugreifen. Anders als in den Sushi-Restaurants in denen ich in Shanghai war, kostet hier aber jeder Teller pauschal 30 NTD und es wurde nicht abgestuft. Das heißt die langweiligen Gurken-Maki kosteten genauso viel wie z. B. Lachs-Sashimi. Natürlich war die Menge etwas angepasst, aber im Vergleich zu Shanghai hatte ich den Eindruck, dass man durchaus ein gutes Geschäft macht. Am Abend redetet ich dann etwas ausgiebiger mit Hiroki und wir beschlossen am nächsten Tag gemeinsam zu den heißen Quellen zu fahren. Taiwan ist nämlich wie Japan auch durch die eigentlich ungünstige Lage ein guter Ort für natürliche heiße Quellen. Wir fuhren also nach Xinbeitou und sahen uns zunächst ein dampfendes Becken an, das aber mit 70 °C fürs Baden deutlich zu heiß war. Hiroki fühlte sich bei dem Geruch der von der Quelle ausging an seine Heimat Japan erinnert, während ich eher an eine Klärgrube oder faule Eier denken musste (wobei die Frankfurter Innenstadt schon manchmal so riecht) Heiße Quellen haben meist einen pH-Wert von weit unter sieben und nehmen deswegen auch gerne mal einen gewöhnungsbedürftigen Geruch an. Später gingen wir dann zu einer Quelle, wo man für gerade mal 40 NTD mehrere Stunden baden konnte. Es gab insgesamt sechs Becken in verschiedenen Hitzeabstufungen, wobei zwei ganz kalt waren. Schon nach kurzer Zeit war klar, dass ich diese Art von Hitze nicht gewohnt war. Wie selbstverständlich lagen die Taiwaner in dem über 40 °C heißen Becken und entspannten, während ich mich fühlte als ob ich mich gleich häuten würde. Das Wasser ist nicht einfach nur heiß sondern tut teilweise richtig weh. Nach einer Weile gewöhnt man sich aber daran, und wenn man sich an die nicht ganz so heißen Becken hält und ab und zu Pause macht geht es. Ich wechselte häufig zwischen den warmen und den kalten Becken, da ich es in ersteren wie gesagt nur kurz aushielt, während Hiroki sich irgendwann einfach gegen einen Felsen legte und eine Runde schlief. Wir blieben mehrere Stunden und entspannten einfach mal einen Tag lang.

Am Abend unterhielt ich mich noch im Hostel. Man kann dort wirklich coole Leute von überall her treffen, Kanadier, US-Amerikaner, Engländer, Franzosen, Polen, Phillipinos, Japaner, Chinesen und natürlich auch Deutsche um nur einige zu nennen. Darunter finden man Backpacker, die Ferien haben oder extra ihren Job gekündigt haben, um durch die Welt zu reisen, Austauschstudenten, die irgendwo in Asien ein Gastjahr oder -semester verbringen und gerade Urlaub machen, Expats, die beruflich in Asien sind und entweder auch gerade reisen oder geschäftlich unterwegs sind und viele andere. Dabei kann man einige Erfahrungen austauschen, Geschichten erzählen und sich natürlich Tipps holen. Generell habe ich den Eindruck, dass Hostels eine deutlich bessere Wahl für Reisende sind als Hotels: Man trifft wie gesagt viel mehr interessante Leute und auch das Personal ist meistens sehr kompetent und kann einem auf Englisch weiterhelfen. Das ist merkwürdigerweise in den meisten Hotels eine absolute Seltenheit, sodass man, wenn man kein Chinesisch kann nur auf Zeichensprache zurückgreifen kann. Jan Luis Eltern z. B., die vor kurzem da waren, hatten schon so ihre Schwierigkeiten die nötigen Details für das Frühstück zu erfragen. So was darf eigentlich nicht sein, wenn man bedenkt, dass die Hostels um ein vielfaches günstiger sind als Hotels (selbst wenn man ein eigenes Zimmer hat) und es trotzdem schaffen, englischsprachiges Personal einzustellen.

Am nächsten Tag fuhr ich mit einer Gondel am Stadtrand einen Berg hinauf, um dort spazieren zu gehen und noch mal etwas Natur zu sehen. Es war zwar recht schön, aber die Mücken weiter oben auf dem Berg waren furchtbar. Überall waren Viecher und so ging ich schnell wieder zurück zur Hauptstraße. Nachdem ich der Straße eine Weile gefolgt war tauchten plötzlich vor mir zwei Hunde auf, die unter einer Bank gelegen hatten. Da ich mit Hunden in Taiwan bereits mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht hatte, wurde ich vorsichtig. Nachdem die Hunde einige Sekunden in meine Richtung geschaut hatten, fingen sie plötzlich wild an zu bellen und rannten mir hinterher. Ich nahm natürlich die Beine in die Hand und lief zurück, wo ich herkam. Ich weiß nicht, woran es lag, aber irgendwie waren die Hunde Taiwans nicht gut auf mich zu sprechen. Vermutlich haben sie einfach gerochen, dass ich ein schwitzender Fremder bin, und mich deswegen als Bedrohung wahrgenommen. Das erklärt aber nicht, warum dass in China nie passiert ist. Abends ging ich dann zum Taipei 101 um auch endlich mal die Aussicht von oben genießen zu können. Das Wetter war zwar nicht gerade gut, aber es war auch in den Tagen davor eher mäßig und würde kaum besser werden, also kaufte ich mein Ticket und hoffte, zumindest ein bisschen was sehen zu können. Zunächst war absolut gar nichts zu sehen, aber nach einer Weile öffnete sich die Wolkendecke ein wenig. Es gab einen kostenlosen Audioguide, der sowohl zur Stadt als auch zum Gebäude selbst Informationen gab. Das Taipei 101 ist derzeit das zweithöchste Gebäude der Welt und mit modernster Technik ausgestattet. Um das Gebäude vor Schwankungen zu schützen ist ganz oben ein riesiger Dämpfer installiert, den man sich als Besucher auch ansehen kann. Unten ist der Wolkenkratzer über 80 Meter tief im Boden verankert, um sicherzustellen, dass er die notwendige Stabilität aufweist. Die Aufzüge sind die schnellsten der Welt und reduzieren den Druck, den man sonst so oft spürt auf ein Minimum.

Ursprünglich hatte ich vor mir einen weiteren Nationalpark in der Nähe Tapeis zu verbringen, aber irgendwie war die Luft ein bisschen raus und ich hatte keine große Lust mehr. Stattdessen vertrieb ich mir die Zeit am Hostel mit Hiroki, seinem deutschen Kollegen Philipp und einigen anderen Gästen, mit denen ich mich ganz gut angefreundet hatte. Am letzten Abend fand eine kleine Feier statt und man bekam für 100 NTD zwei Bier und verschiedenste Snacks. Da das Bier in Taiwan auch nicht wirklich stärker ist, als das in China, waren meine zwei Dosen schnell weg. Zum Glück stellte der Besitzer des Hostels bereits einige Tische auf, um ein bisschen Bier-Pong zu spielen. Ich kannte das Spiel zwar, habe es aber in Deutschland (dem Bierland schlechthin) noch nie gespielt. Das Spiel ist vor allem in Nordamerika unter Studenten beliebt. Man stellt sich dabei an einem langen Tisch gegenüber (Tischtennisplatte funktioniert gut) und stellt einige Gläser mit Bier auf. Dann versucht man abwechselnd einen Tischtennisball in die Gläser des Gegners zu werfen. Wenn man trifft, muss der andere trinken. Selbst wenn man gewinnt, trinkt man natürlich das Bier trotzdem und da der Besitzer das Bier für das Spiel stellte konnte man so noch etwas mehr als lausige zwei Dosen herausholen.

Am nächsten Tag machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof und fuhr zurück nach Keelung, wo ich auch angekommen war. Da die direkte Fähre zwischen China und dem Festland Taiwans nur einmal pro Woche fährt, musste ich mir für den Rückweg etwas anderes ausdenken. Ich beschloss stattdessen mit der Fähre nach Matsu, einer Insel vor China, die aber zu Taiwan gehört, zu fahren und von dort nach Fuzhou überzusetzen. Am Hafen traf ich einen belgischen Priester, der bereits seit 36 (!) Jahren in Taiwan lebte. Vor 36 Jahren war es für Ausländer so gut wie unmöglich überhaupt nach China zu reisen, daher sind die meisten Expats, die ich dort getroffen habe, seit höchstens 5-10 Jahren dort. Wobei man einen Priester auch nicht wirklich mit den Geschäftsleuten in Shanghai vergleichen kann. Später kamen dann auch zwei französische Austauschstudenten, wodurch ich mal wieder Gelegenheit hatte, mein Französisch etwas aufzubessern (mit dem Belgier hatte ich Englisch gesprochen, da ich zunächst nicht wusste wo er herkam). Die Franzosen wohnten ebenfalls in Shanghai und deswegen ergab es sich, dass wir den Rest der Strecke gemeinsam zurücklegten. Am nächsten morgen kamen wir ins Matsu an und mussten feststellen, dass draußen ein derart dichter Nebel war, dass man kaum 10 Meter weit sehen konnte. Im Schneckentempo näherte das Schiff sich dem Pier während das Personal Signale gab. Der Belgier hatte sein Ziel erreicht und war schnell verschwunden, aber wir hatten noch ein ganzes Stück vor uns. Als wir unsere Tickets kaufen wollten, sagte man uns, dass wegen des Wetters zurzeit kein Schiff fahren könne und wir warten sollten, da sich die Situation vielleicht verbessern würde. Das Problem liege auf chinesischer Seite und es hätte schon die letzten drei Tage kein Schiff gegeben. Das waren natürlich schlechte Nachrichten, da der letzte Zug von Fuzhou nach Shanghai schon um fünf Uhr abfahren würde. Die Fähre verspätete sich immer mehr, während der Himmel immer mehr aufklarte. Irgendwann war dann draußen strahlender Sonnenschein (Schaut euch die Bilder auf Facebook an, der Unterschied zwischen morgens und mittags ist krass.) aber das Wetter in Fuzhou war angeblich immer noch zu schlecht. Ich ging kurzer Hand ein bisschen umher und erkundete die Gegend um den Hafen. Um etwa ein Uhr legte das Boot dann endlich von China ab und kam nach Matsu. Wir mussten also nochmal zwei Stunden warten. Als wir dann ankamen war es schon fast fünf. Natürlich gab es sowohl in Matsu als auch in Fuzhou die übliche Aus- bzw. Einreiseprozedur, was auch noch mal Zeit in Anspruch nahm. Außerdem fuhren keinerlei Taxis vom Hafen ab und einige Privatpersonen versuchten uns Geld aus der Tasche zu ziehen. Ein Chinese, der ebenfalls mit der Fähre gekommen war, nahm uns dann freundlicherweise kostenlos mit und setzte uns beim Bahnhof ab. Da der Zug schon Weg war, erkundigten wir uns nach Busfahrkarten. Es gab tatsächlich einen Bus, der abends losfuhr und am nächsten Morgen rechtzeitig in Shanghai ankam. Noch dazu war das Ticket günstiger als der Schnellzug und man bekam ein Bett wie als ich in Yunnan war. Einer der Franzosen erzählte mir, er wäre mit seiner Schule auf Studienfahrt nach Polen gefahren und selbstverständlich auch durch Deutschland gekommen. In Frankreich und Polen sind diese Busse wohl legal, aber in Deutschland (verständlicherweise) nicht. Deswegen musste er für die ganze Fahrt von über 20 Stunden sitzen. Hätte er mir das vor einem Jahr erzählt, hätte ich das schon ziemlich krass gefunden, aber nachdem man sich an chinesische Distanzen gewöhnt hat, kommt einem das relativ harmlos vor. Am Montag Morgen kamen wir dann pünktlich an, verabschiedeten uns voneinander und ich ging nachdem ich zu Hause geduscht hatte, weiter zur Arbeit.

Die anderen hatten natürlich auch einiges erlebt als ich weg war. Unter anderem hatte im Century Park ganz in der Nähe von unserer Wohnung Chinas größtes Musikfestival stattgefunden (Eintritt nur 80 RMB für den ganzen Tag!!) Dabei ist mir erst aufgefallen, wie wenig Zeit mir eigentlich noch in Shanghai verbleibt, weil ich immer weg bin. Bald ist die Schule schon zu Ende und ich werde weiter herumreisen. Die Grillabende, Gammelwochenenden und Unter-der-Woche-Partynächte, die wir uns im Winter vorgestellt hatten, würden (zumindest für mich) nicht stattfinden. Das ist zwar einerseits schade, da ich gerne mit den anderen noch ein bisschen die Zeit in Shanghai genossen hätte, aber andererseits habe ich auch einige Sachen geplant, auf die ich mich schon richtig freue. Inzwischen ist so ziemlich die gesamte Zeit bis zum 28. August verplant. Ob ich am Ende noch die Zeit habe, zu schreiben, weiß ich nicht (diesen Eintrag werde ich auch mal wieder erst deutlich nach den beschriebenen Ereignissen hochladen -.-), aber allzu lang bin ich auch nicht mehr hier und vielleicht sehen wir uns ja bald.

 

Schule Teil 3

Damit nicht der Eindruck entsteht, dass das hier ein Reiseblog ist, muss ich wohl auch mal wieder etwas über meine eigentliche Aufgabe schreiben. Es hat sich prinzipiell nicht wirklich was getan und ich habe immer noch wenig zu tun. Allerdings haben wir uns weitgehend vom Buch entfernt, da es wirklich nichts taugt. Stattdessen habe ich mir verschiedene Themenbereiche überlegt und Materialien aus dem Internet zusammengetragen. Ich hatte den Eindruck, dass die Schüler auf diese Art wesentlich besser lernen und auch interessierter sind. Um den Schülern z. B. Die Farben beizubringen, haben wir einige Bilder von Dingen aus Deutschland herausgesucht, die jeweils eine bestimmte Farbe repräsentieren sollten (ein gelbes Rapsfeld, der blaue Königssee, die lila Milkakuh etc.) Außerdem haben wir „Ich sehe was was du nicht siehst“ gespielt. Auch die Körperteile konnte man mit vielen Bildern und zeigen gut unterrichten. Selbst abstrakte Dinge wie Präpositionen kann man ohne direkt zu übersetzen beibringen. Ich habe einfach zwei Gegenstände genommen, die die Schüler bereits kannten und damit die grundlegenden Ortsbeziehungen nachgestellt (vor, hinter, über, unter, etc.) Danach mussten die Schüler diese noch einmal auf Bildern erkennen und Sätze bilden.

Um den Schülern klarzumachen, dass der Deutschunterricht keineswegs eine zweite Mittagspause ist, haben wir auch einige Test schreiben lassen. Wir hatten zwar bereits am Ende des ersten Halbjahres eine Abschlussprüfung, aber einen wirklich schriftlichen Test hatten wir noch nicht schreiben lassen. Zunächst erstellte ich einen simplen Vokabeltest und Xu Ya gab den Schülern den Hinweis, sie sollen die Vokabeln der Lektionen 1-8 für den Test lernen. Das mag zwar jetzt nach viel klingen, relativiert sich aber, wenn man weiß wie dieses beschissene Buch aufgebaut ist. Alles in allem gab es wohl knapp über 60 Vokabeln, wobei nur 30 davon auch im Test waren. Außerdem gab es eine Zusatzaufgabe in der man das Verb „sein“ konjugieren musste. Insgesamt waren also 36/30 Punkten möglichen. Auf diese Weise wollte ich den Schülern das Ganze etwas einfacher machen. Wir haben den Test eine Woche vorher angekündigt, sodass man doch davon ausgehen müsste, dass jeder genug Zeit gehabt hat, sich vorzubereiten. Es gab es natürlich auch ein paar, die recht gut abschnitten. Darin lag aber eben das Problem. Die 2-3 Klassenstreber schafften in einer Klasse mehr als 30 Punkte zu erreichen während der Durchschnitt nicht einmal bestanden hätte, wenn es eine wichtige Prüfung gewesen wäre. Einige hatten kaum zwei Felder überhaupt ausgefüllt. Noch schlimmer als diejenigen, die nahezu leere Blätter abgegeben haben waren allerdings diejenige, die schlichtweg meinten, jedes Wort auf Englisch hinschreiben zu können. Beim Korrigieren konnte man dafür aber die ein oder andere amüsante Antwort und Wortkreationen wie z. B. „Foreignsisch“ entdecken. Vieles davon ist schwer zu verstehen, wenn man kein Chinesisch kann und den Gedankengang der Schüler nicht nachvollziehen kann, deswegen belasse ich es mal bei diesem einen Beispiel. Was mich auch erstaunt hat, ist wie wenig die Schüler zuhören und Fehler machen, die schlichtweg unnötig sind. Xu Ya hat mehrmals betont, dass Nomen immer groß geschrieben werden und das wir bei jedem Nomen auch den korrekten Artikel brauchen. Es gibt nur drei Artikel, die in Frage kommen, dass macht selbst wenn man überhaupt keine Ahnung hat eine Chance von 1/3 die richtige Antwort zu geben. Trotzdem fehlten bei etlichen Schülern ein Großteil der Artikel. Man kann auch eigentlich erwarten, dass die Schüler wissen, was ein Nomen ist. Und wenn man einmal gelernt hat, dass diese eben groß geschrieben werden im Deutschen, ist es auch nicht so schwer mal daran zu denken. Ein Schüler hat sich allerdings unsere Hinweise richtig zu Herzen genommen und kurzerhand jedes Wort, also auch alle Adjektive, Verben, Präpositionen und was es sonst noch so gibt, großgeschrieben und mit Artikeln versehen. Leider bekommt man für „Groß, der“ oder „Gehen, die“ natürlich keine Punkte. Dabei waren wir sogar noch sehr großzügig und haben oft noch Teilpunkte für die merkwürdigsten Antworten gegeben, solange ein Teil richtig war. Nach den Kriterien eines deutschen Gymnasiums hätte man wohl nachschreiben müssen. Ein anderer Test fragte dann auch Grammatik auch, fiel aber nicht wirklich besser aus.

Vor kurzem kam dann auch endlich mal Besuch vom Goethe-Institut um sich unseren Unterricht anzuschauen. Eigentlich wollte Yvonne das bereits im letzten Jahr organisieren, aber irgendwie war es nie dazu gekommen. Vor einer Woche kam dann Ulrike, die auch bei Jan Luis schon zu Gast war und hospitierte bei uns im Unterricht. Wir hatten etwas vorbereitet, um den Schülern beizubringen, wie man nach dem Weg fragt. Es lief ganz gut und Ulrike besprach mit uns gemeinsam, was man noch verbessern könnte. Außerdem machten wir einen Termin aus, an dem sie noch einmal kommen würde und den Unterricht mit uns gemeinsam gestalten würde. Erst letztes Wochenende fand auch eine Lehrerfortbildung statt, die ebenfalls von ihr geleitet wurde. Dort waren dann einige Lehrer aus dem Pasch-Programm, sowie mit mir vier Freiwillige. Viel Zeit bleibt mir an der Schule auch gar nicht mehr. Bereits im Juni finden die Prüfungen statt und davor fällt der Deutschunterricht aus. Da mein Sommer schon ziemlich verplant ist, muss ich an den kommen Wochen noch einige Dinge machen, die ich mir vorgenommen hatte. Daher werde ich auch in Shanghai nicht mehr allzu lange sein. Ich werde noch einige andere Orte in China besuchen und dann auch ins asiatische Ausland fahren. Bereits vor einigen Wochen war ich in Taiwan. Darüber schreibe ich aber im nächsten Eintrag.

 

Nachtleben

Nachdem die Ferien zu Ende waren, kehrte zunächst wieder so etwas wie Alltag ein. Für Mitte März hatten sich aber einige Gäste angekündigt. Yannick und Léonie hatten beide gefragt, ob sich mich besuchen können und ein Schulfreund meines Mitbewohners wollte ebenfalls kommen. Alles war soweit geklärt und sowohl Yannick als auch Léonie hatten einen Flug gebucht und ein Visum beantragt. Aufgrund der Katastrophe in Japan am 11. März sagten beide aber nach langem Überlegen aus Sicherheitsgründen ab. Tim, Jan Luis Freund, war bereits gekommen, als das ganze Ausmaß des Bebens noch nicht bekannt war und die Lage in Fukushima noch nicht so ernst war. Ihm blieb also nichts anderes übrig als genau wie wir abzuwarten, die Nachrichten zu verfolgen und erst einmal hier zu bleiben. Ich möchte jetzt nicht weiter auf die ganze Geschichte eingehen, weil ich denke, dass die deutschen Medien das Thema schon zur Genüge ausgeschlachtet haben. Es sei nur gesagt, dass sich die meisten Chinesen kaum Sorgen zu machen scheinen, dass ihr Land direkt betroffen sein könnte. Auch das deutsche Generalkonsulat hat uns inzwischen bei einer Informationsveranstaltung gesagt, es bestehe kein Grund zur Annahme, dass die Ostküste Chinas in Gefahr ist, außerdem bestehe eine Reisewarnung vom auswärtigen Amt weiterhin nur für Japan und nicht für China.

Wir zeigten also Tim die Stadt, das Essen und eben auch das Nachtleben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein bisschen was darüber schreiben, wie man in China weggehen und feiern kann. Die meisten Chinesen gehen nicht in Clubs wie es im Westen unter Jugendlichen üblich ist. Wenn man gemeinsam mit Freunden abends etwas unternehmen möchte geht man üblicherweise zum KTV, also Karaoke. Wie ich schon einmal geschrieben habe unterscheidet sich diese Erfahrung deutlich von dem, was man im Westen so als Karaoke bezeichnet und macht auch viel Spaß. Wenn man aber mal nach westlicher Manier Feiern will, also mit viel zu lauter elektronischer Musik, ungesunden Mengen an Alkohol und blinkenden Lichtern, die leicht Epilepsie auslösen könnten (Warum zur Hölle machen das Chinesen nicht?! Sie müssten es lieben xD), gibt es in den meisten größeren Städten und gerade in Shanghai auch reichlich Gelegenheit dazu. Es gibt eine bunte Landschaft von Bars und Clubs, bei denen eigentlich für jeden was zu finden sein müsste.

Es gibt Sportsbars, die eher Kneipencharakter haben, aber auch schicke Cocktail-Bars mit stilvoller Einrichtung, teuren Getränken und hohem Westler-Anteil. Unter anderem befindet sich in Shanghai die höchste Bar der Welt (gemessen vom Boden, auf dem das Gebäude steht und nicht vom Meeresspiegel). Im 92. und 93. Stock des World Financial Center direkt unter der markanten Öffnung kann man bei einer grandiosen Aussicht über die Stadt seine Cocktails genießen. Wenn man seinen Blick auf den 87. Stock des auf der anderen Straßenseite gelegenen Jinmao Towers richtet kann man dabei vielleicht sogar einige andere Nachtschwärmer beobachten, die in der zweithöchsten Bar der Stadt sitzen. Leider gibt es an beiden Orten Mindestverzehr und Service-Charge, was das Vergnügen recht teuer macht. Die meisten guten Bars sind allerdings in der französischen Konzession, wo früher die feinen Kolonialherren residierten und man immer noch viele Villen im europäischen Stil finden kann. Dort befinden sich auch recht teure Jazzclubs in denen oft Konzerte stattfinden. Auch am Bund, der berühmten Uferpromenade Shanghais, gibt es zahlreiche exklusive Bars (Eintritt-.-), die meisten sind auch gleichzeitig Restaurants. In den weniger exklusiven Bars gibt es meist keinen Eintritt, lautere Musik und eine kleine Tanzfläche. Die Abgrenzung zwischen Bar und Club ist eh nicht besonders klar. Es gibt wirklich sehr interessante Bars mit innovativem Design. Eine Bar z. B. sieht aus wie ein Flugzeug, die Kellner sind als Flugbegleiter verkleidet und man verstaut seine Klamotten nicht in der Garderobe sondern in wie im Flugzeug in kleinen Gepäck Compartments, die über dem Gang angebracht sind. In einer anderen fühlt man sich dank Couch, Tischfußball und Dart eher wie auf einer Hausparty als in einer Bar. Die Preise für die Getränke sind auf deutschem Niveau und man muss mit 5-10 Euro für einen Cocktail rechnen.

Es gibt verschiedene Arten von Clubs in Shanghai. Manche sind ähnlich wie in Europa und Amerika, was bedeutet, dass man dort recht viele Ausländer findet. Andere sind eher an den Geschmack der Chinesen angepasst. Dort gibt es z.B. eine deutlich kleinere oder gar keine Tanzfläche. Getanzt wird trotzdem, aber eben da wo gerade Platz ist. Die meisten Chinesen sitzen aber lieber gemeinsam am Tisch, trinken reichlich Alkohol und spielen Würfelspiele. Wie gesagt haben viele Clubs Barcharakter und anders herum. Einer dieser Clubs ist das Bobolia, wo wir anfangs ab und zu hingegangen sind. Dort kann man, wenn man ein bisschen vorglüht Spaß haben ohne allzu viele Westler zu sehen. Im Phebe auf der Hengshan Lu, einer der größten Bar- und Club-Straßen kriegt man für 100 RMB „Open Bar“. Dort hatte ich selbstverständlich auch meinen schlimmsten Absturz… Wenn man keine Lust mehr auf die verdammten Chinesen-Clubs hat und wieder wie zu Hause feiern will gibt es natürlich die Clubs, die eine eher ausländische Crowd anziehen (z. B. das Muse und das M2). Wenn man etwas mehr Geld ausgeben möchte und sich selbst ganz toll findet, kann man auch ins M1nt gehen. Im 24. Stock des Cross-Towers, in dem zufälligerweise auch das Goethe-Institut ist, befindet sich einer der edelsten Clubs der Stadt. Wir mussten vorher anrufen, um uns auf die Gästeliste setzen zu lassen. Nachdem man oben angekommen ist, kommt man direkt an einem fast 20 Meter langen Haifischbecken vorbei, das einen Gang schmückt. Das hört sich zwar relativ spektakulär an, aber wer ein gigantisches Monstrum wie in „Jaws“ erwartet wird enttäuscht. Lediglich einige kleine Haie befinden sich in dem Becken und schwimmen ziellos herum. Der Club selbst setzt eher auf Eleganz und weist kaum blickenden Lichter auf. Dadurch wirkt er aber meiner Meinung nach eher schlecht beleuchtet. Die Leute sind ein dermaßen prätentiöser Haufen, dass man sich schämt ebenfalls Ausländer zu sein. Vor allem die französischen Expats mit ihren Schals und Mänteln gehen mir so unfassbar auf die Nerven. Man kann sich hier in China einfach einen anderen Lebensstil leisten als in Europa, wenn man weiterhin ein europäisches Gehalt kassiert. Selbst wir fahren z. B. Mit dem Taxi von einem Club zum anderen, wenn wir woanders hinwollen. Anstatt dann aber einfach ein bisschen Spaß zu haben entwickeln sich manche Leute zu unausstehlichen Angebern, denen man schon auf 100 Meter Entfernung ansehen kann für wie toll sie sich halten. (Dem einen oder anderen dürfte schon aufgefallen sein, dass die Wörter „Expat“ und „Westler“ bei mir oft eine negative Konnotation haben, aber ich lass das Thema jetzt lieber.) Wenn man möchte, kann man hier richtig prassen und sich eine 5 Liter Champagner Flasche für etwa 320000 RMB gönnen. Ich bin mir jetzt nicht sicher, wie viel der durchschnittliche Deutsche im Jahr verdient, aber der durchschnittliche Chinesen verdient sicher weniger. Das sind immerhin über 30000 € und ein Verkäufer auf einem der vielen „Fake-Märkte“ hat uns mal gesagt, er verdiene etwa 10000 RMB, also knapp über 1000 € pro Jahr. Der Club ist also definitiv nicht mein Geschmack, obwohl ich zugeben muss, dass die Aussicht auf die Shanghaier Innenstadt schon ein klarer Pluspunkt ist.

Eins haben aber im Prinzip fast alle Clubs gemeinsam: Die Musik ist absoluter Mainstream und einfach nur scheiße. Wenn wenigstens noch so etwas wie David Guetta liefe, würde ich ein bisschen grummeln, mehr Alkohol trinken und trotzdem feiern. Aber das Niveau sinkt noch eine ganze Ecke tiefer. Katey Perry, Lady Gaga und Konsorten haben in einem Club einfach nichts zu suchen, oder zumindest nicht in dieser Häufigkeit. Mir ist klar, dass man ein breites Publikum ansprechen will, dafür gibt es House (auch guten). Aber einfach ein paar Pop-Songs mit Electro-Beats zu unterlegen und derart nervig Sachen wie „party people“ ins Mikrofon zu blöken ist einfach nicht, was ich mir vom DJ wünsche. Meistens macht es akustisch keinen Unterschied in welchem Club man gerade ist. Überall laufen die gleichen 10 Songs aus den Charts. Natürlich gibt es auch lichte Momente in denen der DJ einfach mal die klappe hält und ein paar halbwegs coole Electro-Tracks spielt. Wir haben sogar schon deutsche Schlager gehört, was wir in der Situation sogar ziemlich coll fanden, aber alles in allem ist die Musik furchtbar eintönig. Es gibt wohl auch Orte an denen man anderes zu hören bekommt. Im Shelter, einem ehemaligen Bunker, der zum Schutz vor den Japanern gebaut wurde, wird oft Drum n‘ Bass, Reggae oder auch Dubstep gespielt. Leider waren die anderen da am Anfang ein paar mal, als ich nicht da war und haben jetzt eigentlich keine große Lust mehr-.-

Einen Hinweis möchte ich noch geben. Leider muss man in vielen Bars und Clubs aufpassen, da viele der so nett wirkenden Frauen sich als Prostituierte herausstellen können. Ob jetzt wirklich Sex oder nur Gesellschaft geboten wird, kann man nie so genau sagen, aber letztlich wollen sie immer nur Geld.

Ich habe irgendwie im Moment erst mal die Nase voll vom Feiern. Wenn es mal andere Musik gäbe, wäre ich vielleicht wieder motiviert. Falls sich der letzte Teil dieses Eintrags eher wie eine Hasstirade angehört hat, möchte ich mich hiermit entschuldigen. Manche Sachen hier können einem ganz schöne auf die Nerven gehen und ich musste das eben auch mal thematisieren.

Frühlingsferien Teil 2 (Yunnan)

Die Zugfahrt nach Yunnan war kürzer als die nach Sichuan und auch deutlich angenehmer. Wir hatten einen Sitzplatz, reichlich Verpflegung und Gesellschaft. Julia fand das Reisen im Zug ohne Bett gar nicht so schlimm, während Annika die Belastung deutlich schlechter zu verkraften schien. Als wir am nächsten Morgen ankamen, war sie sehr müde und fühlte sich nicht gut. Wir gingen zunächst zum Hostel, checkten ein und beschlossen dann einen alten Teil der Stadt zu erkunden. Dem aufmerksamen Leser dürfte aufgefallen sein, dass ich nicht wie üblich einen Berg an wenig aussagekräftigen Fotos in beschissener Bildqualität hochgeladen habe. Das liegt nun nicht daran, dass ich meine Liebe zur Fotografie verloren hätte sondern viel eher daran, dass meine Kamera in einem öffentlichen Bus gestohlen wurde. Allzu vorsichtig war ich damit nie umgegangen (meistens hatte ich sie einfach in der Jackentasche und die Schnur hing raus), daher ist das wohl absehbar gewesen… Das ist natürlich ärgerlich, aber ich hatte eigentlich eh vorgehabt, mir hier eine neue Kamera zu kaufen, und dass die Bilder weg waren, war auch nicht so schlimm, da Julia und Annika schließlich auch zahlreiche Fotos geschossen hatten. Zunächst war es sehr ungewohnt, sich einfach nur umzuschauen und keine Fotos mehr machen zu können. Man hatte sich schließlich daran gewöhnt fleißig zu knipsen, um den Daheimgebliebenen einen Eindruck zu verschaffen. Nach einer Weile gefiel es mir aber ganz gut, mir nicht ständig darüber Gedanken machen zu müssen, ob ich auch alles fotografiert habe. Die anderen waren ja auch noch da.

Kunming ist eine sehr angenehme Stadt. Alles ist etwas ruhiger als in Shanghai und das Wetter war vor allem im Vergleich zum eisigen Jiuzhaigou eine Wohltat. Wir besuchten die üblichen Sehenswürdigkeiten (Tempel, Pagoden, Tempel, Parks, Tempel, etc…) Außerdem machten wir einen Tagesausflug in den nahegelegenen Steinwald, wo man durch eine Landschaft aus bizarren Gesteinsformen wandern kann. Leider ist der Eintritt unverschämt hoch. Hiroki besuchte zu diesem Zeitpunkt einen Freund in der nähe der Stadt. Nachdem wir in Kunming alles gesehen hatten wollten wir weiter zu den Reisterrassen von Yuanyang im Süden der Provinz. Hiroki war immer noch nicht aufgetaucht und schuldete mir zu diesem Zeitpunkt fast 300 Yuan. Er tauchte dann aber endlich auf und gab mir mein Geld zurück. Er entschloss sich spontan wieder mitzukommen, obwohl er im Gegensatz zu uns noch kein Ticket für den Bus hatte. Natürlich bekam er auch keins mehr und musste letztlich einen anderen Bus nehmen. Wir stiegen also in unseren Schlafbus, der in den frühen Morgenstunden ankommen sollte. Die Betten waren sehr eng und auch nicht besonders lang, aber es ließ sich erstaunlich gut schlafen.

Wir kamen mitten in der Nacht an und wurden auch gleich wie vorher vereinbart von jemandem abgeholt und zu unserer Unterkunft gebracht. Den Sonnenaufgang verpassten wir, da es bereits zu spät war. Viel hätten wir allerdings eh nicht gesehen, da ein undurchdringlicher Nebel über dem ganzen Gebiet lag. Wir taten uns mit einem amerikanischen Pärchen zusammen, um Geld für den Fahrer, den wir gemietet hatten, zu sparen. Da sich wettertechnisch keine Verbesserung abzeichnete, beschlossen wir zunächst in ein kleines Dorf in der Nähe zu fahren und dort ein verfrühtes Mittagessen zu uns zu nehmen.

In Yunnan gibt es zwar viele Gerichte, die sich auch in Sichuan oft finden lassen, trotzdem unterscheidet sich die Küche der beiden Provinzen etwas. In Yunnan isst man bei weitem nicht so scharf wie in Sichuan. Vor allem die Reisnudeln aus der Region sind in anderen Teilen des Landes berühmt. Die sogenannten „Über-die-Brücke-Nudeln“ (过桥米线, guoqiao mixian) werden quasi in Einzelteilen serviert. Man bekommt eine Suppenbasis in einer Schüssel und muss die restlichen noch rohen Zutaten dann alle selbst hineinwerfen. Sogar die Nudeln werden extra serviert. Je nachdem wie viel Geld man investieren möchte, kann man zusätzlich noch zahlreiche andere Zutaten beigeben. Es gibt verschiedene Legenden über die Herkunft des Nudelgerichts. Eine besagt, dass es auf die Geschichte einer Frau zurückgeht, die ihrem Ehemann täglich sein Essen auf die andere Seite des Flusses brachte. Um ihm die Möglichkeit zu geben, zu essen, was er möchte ohne ständig fragen zu müssen. Begann sie irgendwann ihm die Zutaten einzeln und roh zu bringen. Natürlich gibt es in Yunnan etliche Orte die für sich beanspruchen, die Brücke aus der Geschichte befände sich genau dort. Das ist nur eine Herkunftsgeschichte und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mich richtig erinnere. Bei Interesse also bitte zunächst Google konsultieren!

Nachdem wir also etwas gegessen hatten, versuchten wir unser Glück an einer anderen Stelle. Im Laufe des Tages klarte das Wetter glücklicherweise stark auf und wir konnten endlich sehen, wofür wir gekommen waren. Hiroki war inzwischen auch wieder aufgetaucht und so konnten wir den Tag doch noch alle gemeinsam genießen. Die Reisterrassen wurden angelegt um den Bauern der Region den Anbau von Reis in hügligem Terrain zu ermöglichen. Die geschwungenen Begrenzungen der Felder und das spiegelnde Wasser ergeben einen einzigartigen malerischen Anblick. Leider habe ich davon keine Fotos, aber wer will kann bei Google einfach mal Yuanyang eingeben um einen Eindruck zu bekommen. Im Sommer sind die Terrassen bestimmt noch schöner, und falls ich irgendwann noch einmal die Möglichkeit haben sollte, würde ich auch jeden Fall zurück kommen (das Gleiche gilt auch für Jiuzhaigou).

Am nächsten Tag wanderten wir auch noch zwischen den Feldern und schlichen uns so in ein Dorf, für das man eigentlich hätte Eintritt zahlen müssen. Leider wurden wir nach einiger Zeit aber wieder rausgeschmissen. Das Wetter war wieder gut und wir liefen noch ein bisschen durch einen größeren Ort in der Gegend. Am Abend fuhren wir wieder mit dem Bus nach Kunming, diesmal mit Hiroki zusammen. Wir (Annika, Julia und ich) hatten bereits Tickets für den ersten Bus von Kunming nach Dali erstanden und wollten vom südlichen Busbahnhof mitten in der Nacht weiter zum westlichen Busbahnhof fahren. Wir nahmen also ein Taxi nur um festzustellen, dass der Bahnhof noch nicht geöffnet war. Wir standen also in aller Frühe auf der Straße und wussten nicht wie wir uns die Zeit vertreiben sollten. Noch dazu war es in der Nacht zu diesem Zeitpunkt noch relativ kalt. Zahlreiche Chinesen warteten auch darauf, endlich ins Gebäude gelassen zu werden, also setzten wir uns kurzer Hand zu einer kleinen Gruppe, die sich ein Feuer gemacht hatte. Die Chinesen, unter denen auch ein Polizist/Wachmann war, waren gut vorbereitet und saßen auf Stühlen oder Hockern um die wärmenden Flammen. Wir hingegen mussten mit unseren Koffern und Rucksäcken vorlieb nehmen. Wir spielten Karten und Hiroki packte sogar eine Mundharmonika aus, auf der wir abwechselnd Melodien improvisierten. Es gab auch zahlreiche kleinen Essensstände an denen wir uns einige Baozi zum Frühstück kaufen konnten, es ließ sich also halbwegs aushalten. Als der Bahnhof endlich aufmachte kaufte Hiroki sich ein Ticket, musste aber wieder auf einen späteren und teureren Bus ausweichen. Wir wollten uns eigentlich vor Ort wieder treffen, wurden aber informiert, dass das Ticket, das wir gekauft hatten, seit dem Vortag nicht mehr gültig sei. Die normale Buslinie sei eingestellt worden und nur noch die Hochgeschwindigkeitsbusse (?!) seien verfügbar. Wir könnten das Ticket aber umtauschen und müssten lediglich die Differenz zahlen. Also versuchten wir unsere Tickets zu tauschen und Hirokis Bus zu bekommen. Inzwischen waren die Karten für diesen Bus aber leider schon vergriffen und wir kauften welche für einen zwei Stunden später abfahrenden Bus. Nicht nur haben wir wegen der Bearbeitungsgebühr am Hostel letztlich mehr gezahlt, wir haben auch länger warten müssen als Hiroki, der einfach spontan zum Schalter gegangen war-.- Der Hochgeschwindigkeitsbus fuhr im Endeffekt genauso schnell wie unser ursprüngliche Bus gefahren wäre, war dafür aber wenigstens gut ausgestattet und bequem. In Dali trafen wir Hiroki dann wieder und fuhren gemeinsam zum historischen Teil der Stadt, wo sich unser Hostel befand.

Dali ist ausgesprochen schön und vor allem ruhig. Die Stadt liegt in einem Tal zwischen wunderschönen Bergen und und einem sehr großen See. Wir verbrachten den ersten Tag damit, durch die Gassen zu schlendern und von den zahlreichen lokalen Snacks zu probieren. Unter anderem kann man in Dali „Erkuai“ und „Rushan“ essen. Bei ersteren handelt es sich um eine Art Reiskuchen mit verschiedenen Auflagen, während „Rushan“ im Prinzip gebratener Joghurt ist.

Die Kultur der ganzen Region ist vor allem geprägt von den „Bai“, einer chinesischen Minderheit. In Sichuan und vor allem Yunnan gibt die meisten Minderheiten in der Volksrepublik. Man trifft auf Tibeter, Bai, Naxi und viele andere Volksgruppen. China ist nämlich alles andere als eine ethnische homogene Gesellschaft (oder eine homogene Gesellschaft im Allgemeinen). Insgesamt gibt es zusätzlich zu den Han, die die Mehrheit bilden, 55 ethnische Minderheiten im Reich der Mitte. Obwohl das natürlich zu Konflikten führen kann (sie Tibeter/Uyghuren) hatte ich den Eindruck, dass diese Minderheiten meist wie selbstverständlich Teil der Gesellschaft sind und ein harmonisches Verhältnis herrscht. Direkt neben meiner Einsatzstelle befindet sich z. B. eine Moschee der muslimischen Gemeinde mitsamt Minarett und ich habe noch nie gehört, dass sich jemand deswegen beschwert hat. Bei Facebook existiert auch ein Bild davon. Ich möchte daraus jetzt nicht ableiten, dass die chinesische Gesellschaft toleranter und offener ist als europäische Gesellschaften, dafür kenne ich mich schlichtweg nicht gut genug aus, aber es sollte einem zumindest zum Nachdenken anregen, wie man sein eigenes und andere Länder bewertet.

Am zweiten Tag in Dali mieteten wir uns Fahrräder und erkundeten die Umgebung der Stadt. Es gibt dort eine Gruppe von drei Pagoden, die wir uns ansehen wollten. Der Eintritt war aber so hoch, dass wir uns entschlossen stattdessen den Berg ein Stück hinaufzufahren und so einen Blick auf die Pagoden und den dahinter liegenden Tempel zu erhaschen. Das Wetter war klasse und wir hatten eine tolle Aussicht auf die ganze Umgebung der Stadt. Sogar den See konnten wir sehen. Deshalb fuhren wir dort auch als nächstes hin. Am Abend fuhren wir schließlich mit dem Bus weiter nach Lijiang, einer weiteren Altstadt in Yunnan.

Lijiang war zwar schön, aber leider von Touristen überlaufen. Überall waren Läden die billige Souvenirs verkauften und die Atmosphäre zerstörten. Auch das Essen war deutlich teurer als noch in Dali. Trotzdem erkundeten wir natürlich Stadt und Umgebung, die vor allem von den Naxi geprägt sind. Von dort aus fuhren wir auch zur Tigersprungschlucht, die hinter dem von der Stadt aus sichtbaren Yulong Schneeberg liegt. Fort wollten wir bei herrlichem Wetter wandern. Wir hatten kaum Zeit und konnten deswegen nur einige schöne Teile der Schlucht besichtigen, statt einmal ganz durchzulaufen. Als wir an einem Ort unser Ticket vorzeigen wollten, wurde uns gesagt, dass es ein Problem gäbe und wir nicht hinunter könnten. Wir dürften unser Ticket zurückgeben und bekämen den vollen Preis erstattet. Da wir bereits einige andere schöne Orte der Schlucht gesehen hatten machte uns das nichts aus und wir kehrten um. Wir fragten unseren Fahrer, was denn das Problem sei. Er wusste es allerdings auch nicht genau. Möglicherweise habe es etwas mit den Anwohnern zu tun, die ihre Produkte an Touristen verkaufen wollten und jetzt protestierten, weil sie das nicht durften. Vielleicht wurde auch protestiert, weil angeblich ein riesiger Staudamm wie auf dem Yangtze gebaut werden soll. Was es genau war, haben wir nicht herausgefunden, wir konnten aber noch einen Trupp Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken aus der Ferne sehen, der sich wohl bereit machte in die Schlucht zu stürmen. Man wollte also offensichtlich nicht, dass Touristen, insbesondere westliche, von den Geschehnissen berichten konnten. Wir kehrten also wieder nach Lijiang zurück und genossen dort unseren letzten Tag. Hiroki fuhr bereits einen Tag früher ab und verabschiedete sich hier endgültig von uns.

Wir verbrachten noch einen Tag in Kunming und gingen dann auch getrennte Wege. Annika wollte nach Guangzhou und dann nach Hongkong weiter, Julia fuhr von Guangzhou aus zu ihren Verwandten nach Shenzhen und ich fuhr nach Shanghai um dort mit Yileis Familie essen zu gehen und das Frühlingsfest zu feiern. Wir wollten uns danach alle in Guilin in der Provinz Guangxi treffe.

Ich hatte einen Sitzplatz und musste nur noch irgendwie 40 Stunden Zeit totschlagen. Zunächst war der Zug sehr voll, aber im Laufe der Zeit stiegen immer mehr Menschen aus und keiner stieg ein. Irgendwann hatte ich fast ein ganzes Abteil für mich allein und konnte mich sogar auf die Bänke legen, um zu schlafen. Wegen des Frühlingsfests seien die meisten Leute schon bei ihren Familien und die Züge deswegen leer. Erst nach dem Fest sei alles wieder so voll wie auf meiner Fahrt nach Sichuan, informierte mich ein Zugbegleiter.

In Shanghai angekommen hastete ich nach Hause um schnell zu duschen, bevor ich zum Restaurant fuhr. Wir aßen gemeinsam und ich lernte einige weitere Verwandte von Yilei kennen. Danach ging ich heim und versuchte zu schlafen, weil ich von der Zugfahrt noch recht müde war. Allerdings sind Chinesen schließlich die Erfinder des Feuerwerks und lassen es sich nicht nehmen ihren Titel als Champions zu verteidigen. Selbst an normalen Tagen knallt es draußen gelegentlich, weil irgendjemand meint Böller anzünden zu müssen. Am chinesischen Neujahrs Abend könnte man aber meinen, die Revolution sei ausgebrochen (oder Taiwan greift an). In den Stunden vor Mitternacht schwillt der Lärmpegel immer mehr an und erreicht schließlich zum Jahreswechsel ein Niveau, das selbst Silvester und der 4. Juli in Amerika zusammen wohl nicht erreichen könnten. Sobald das neue Jahr begonnen hat, ebbt das Ganze aber glücklicherweise schon nach wenigen Minuten ab.

In den Tagen danach traf ich mich dann nochmal mit Yilei und einigen ihrer Freunde zum Karaoke singen. Die Deutschlehrerin an meiner Schule informierte mich, dass ich doch nicht wie gedacht, bis zum 21. sondern nur bis zum 14. Februar frei hatte. Ich kippte also alle meine Pläne und fuhr direkt am nächsten Tag zurück nach Chengdu um Li Yao zu besuchen. Leider gab es natürlich wieder mal keine Sitzplätze mehr und ich durfte wieder stehen. Ich verbrachte dort etwa eine Woche mit ihr und wir entschlossen uns, eine Fernbeziehung anzufangen.

Auf der Rückfahrt musste ich erneut einen Stehplatz nehmen. Diese Fahrt war dabei allerdings mit Abstand die schlimmste bisher. Auf den bisherigen Fahrten konnte ich oft den Speisewagen aufsuchen und dort sitzen. Diesmal saß ich aber von Anfang bis Ende in einer Ecke zwischen Chinesen eingequetscht auf meinem Koffer. Ich habe nichts gegessen und getrunken um Toilettengänge zu minimieren. Das dauerte schließlich jedes Mal mehrere Stunden. Als ich nach der langen Fahrt ankam und am Montag zur Schule gehen wollte, teilte mir eine Lehrerin mit, das die Schule zwar schon anfange, der Deutschunterricht aber doch erst eine Woche später beginnen würde…

Frühlingsferien Teil 1 (Sichuan)

Zeit zum Ausruhen blieb nach dem Besuch meiner Familie keine. Ich hatte bereits ein Zugticket nach Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sichuan, gekauft und wollte zwei Tage später fahren. Obwohl ich das Ticket frühzeitig erworben hatte, war es mir nicht gelungen, einen Sitzplatz zu ergattern. Freudig sah ich daher schon den 32 Stunden Stehplatz entgegen, die mich erwarteten. Das Frühlingsfest stand kurz bevor und Millionen von Chinesen machten sich auf, ihre Verwandtschaft zu Besuchen um das Fest gemeinsam zu feiern. Jeder rät einem davon ab, während dieser Zeit zu reisen, weil einfach überall Menschen sind und es unheimlich schwer ist Karten zu bekommen. Außerdem werden fast überall die Preise erhöht. Wenn man an einer Schule arbeitet ist man aber eben auf die Schulferien angewiesen und muss dann reisen, wenn man Zeit dafür hat.

Der Zug war brechend voll und überall standen Leute. Ich saß mitten im Gang auf meinem Koffer und war bereits nach einigen Stunden schlecht gelaunt. Glücklicherweise musste ich nur eine Nacht im Zug verbringen, da ich morgens losgefahren war und so am Abend des nächsten Tages ankommen würde. Als es bereits dunkel war fragte mich eine junge Chinesen, warum ich denn nicht geflogen sei. Dazu muss ich sagen, dass man diese Frage sehr häufig gestellt bekommt, da viele Chinesen davon ausgehen, dass wir Ausländer alle furchtbar reich sind. Nun sind Inlandsflüge eigentlich auch gar nicht so teuer und können sogar günstiger sein als ein Schlafplatz im Zug. Allerdings steigen die Preise für Flugtickets in den Hauptreisezeiten, während Zugtickets immer gleich viel kosten. Ein Flug wäre zu diesem Zeitpunkt also deutlich teurer gewesen. Da die Chinesin selbst auch keinen Sitzplatz hatte und nicht stehen wollte, griff sie mein Handgelenk und schleppte mich zum Speisewagen, wo wir bequem sitzen konnten. Nach einer Weile kam natürlich jemand um unsere Bestellung aufzunehmen, aber sie erklärte ihm, dass wir nur eine Weile sitzen wollten. Offensichtlich ist das normalerweise nicht erlaubt, da nicht jeder dort sitzen kann, aber da gerade wenig Leute essen wollten, ließ man uns gewähren. Ich habe mehrmals nachgefragt, ob man mich als Ausländer nicht einfach rausschmeißen wolle, aber sie versicherte mir, dass wir sitzen bleiben könnte und es damit nichts zu tun habe. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich schlichtweg keine Sonderbehandlung. Etliche Chinesen quälten sich auf unbequemen Plastikhockern, warum sollte ich gemütlich sitzen dürfen. Da aber auch andere Chinesen einfach nur dort saßen blieb ich ebenfalls sitzen. Zwar mussten wir mehrmals den Platz wechseln und in den Essenszeiten auch mal komplett aufstehen, aber wir durften nach langer Diskussion die Nacht im Speisewagen verbringen. Wer wann und wo sitzen darf ist mir immer noch ein Rätsel und ich kann mir gut vorstellen, dass die freundliche Chinesin in mir als Ausländer einfach nur eine Möglichkeit gesehen hat, im Speisewagen unterzukommen.

Als ich endlich in Chengdu ankam, war ich froh endlich aus dem Zug steigen zu können und etwas zu essen. Ich fuhr zum Hostel, checkte ein und verbrachte den Abend noch auf einer Touristenstraße in der Nähe. Ich musste einige Tage überbrücken, da Julia und Annika nachkommen wollten, aber noch zu tun hatten. Am nächsten Tag machte ich mich also auf den Weg zur Pandazucht und -forschungsstation. Sichuan ist nämlich Heimat der Pandas. Die vom Aussterben bedrohte ist quasi das Wappentier Chinas. Die Spezies ist nun allerdings dafür bekannt was Reproduktion (und eigentlich alle anderen Bereich des Lebens) angeht eher faul zu sein. Seit der Mensch den natürlichen Lebensraum der Bärenart systematisch dezimiert hat muss nachgeholfen werden, um für Nachwuchs zu sorgen. Deswegen hat man einige Zuchtstationen eingerichtet, in denen man die Pandas beim Fressen und Schlafen beobachten kann. Gleichzeitig kann man etwas darüber lernen, was getan wird um die Bären zu vermehren. Das viele Geld, das man mit den Eintrittskarten für diese Stationen macht, könnte man natürlich auch für die Aufforstung der Bambuswälder ausgeben und die Wiederherstellung des natürlichen Lebensraums ausgeben, aber dann hätte man es viel schwerer weiter Eintritt zu verlangen…

Chengdu hat wie die meisten alten Städte einige Sehenswürdigkeiten zu bieten und ich habe auch wieder den ein oder anderen Tempel besichtigt. Allerdings ist das schon länger her und die Tempel hier sind auch nicht anders als die in anderen Städten. Deswegen spare ich mir jetzt eine detaillierte Beschreibung. Erwähnenswert ist aber die Küche Sichuans. Die meisten denken, wenn sie Sichuan (Sezuan für die, die mit der neuen Pinyin-Transkription nichts anfangen können) hören wohl sofort an scharfes Essen. Und es gibt einen Grund, warum das Essen dieser Provinz einen solchen Ruf genießt. Quasi jede Mahlzeit wird mit diversen scharfen Zutaten gewürzt. Am markantesten ist aber wohl 花椒 (huajiao), ein Pfeffer, der im Deutschen einfach nur Szechuanpfeffer genannt wird. Er schmeckt nicht nur scharf sondern hat sogar eine betäubende Wirkung im Mund. Trotz der teilweise gewöhnungsbedürftigen Schärfe ist das Essen in Sichuan sehr lecker. Insbesondere Hotpot sollte man mal probieren, wenn man nach Sichuan oder Chonqing kommt (die beiden gehörten früher zusammen).

Chengdu ist eine angenehme Stadt mit tollem Essen und einigen interessanten Sehenswürdigkeiten. Was mir aber am besten gefallen hat, war die Atmosphäre im Hostel. Das Personal war jung und freundlich und es ergaben sich ständig Situationen in denen man mit anderen Gästen in Kontakt kam. Wir spielten gemeinsam Jianzi (chinesischer Hacky Sack mit Federn) oder Tischtennis. Als am zweiten Abend eine Gruppe von Reisenden aus der Nachbarprovinz Yunnan ankam, die noch nichts gegessen hatte, wurde ich um kurz nach Mitternacht erst mal zum Hotpot-Essen eingeladen. Wie bereits gesagt war es zwar unheimlich scharf, aber eben auch sehr lecker. An einem anderen Tag sammelte ein Mädchen aus Dali von jedem 2 RMB ein und kochte dafür im Hostel ein leckeres vegetarisches Essen. Wir machten auch oft gemeinsam Musik, ein tibetischer Gast hatte nämlich seine Gitarre dabei. Vor allem mit Li Yao, deren englischer Name Abby ist, habe ich mich sehr gut verstanden. Sie arbeitet an der Rezeption des Hostels und wir haben relativ viel Zeit miteinander verbracht. Wir sind auch zweimal zusammen essen gegangen, dazu später mehr.

Da wir uns aber vorgenommen hatten ein bisschen mehr von dieser riesigen Provinz zu sehen (Sichuan ist ein gutes Stück größer als Deutschland und hat in etwa gleich viele Einwohner), mussten wir natürlich auch einige andere Orte besuchen. Zunächst fuhren wir ins nicht allzu weit entfernte Leshan, wo ein gigantischer Buddha Touristen anlockt. Zunächst liefen wir durch einen wirklich beeindruckende Anlage mit allerlei buddhistischen Statuen und Symbolen, die in den Berg gemeißelt waren. Das Wetter war nicht besonders gut, aber durch den leichten Regen wirkte der Süden Sichuans fast wie ein Dschungel. Der Buddha selbst ist mit einer Höhe von 71 Metern tatsächlich riesig. Man klettert an seitlich in den Berg geschlagenen Treppen nach unten und versucht, einen guten Blick auf die gesamte Statue zu bekommen. Gebaut wurde der große Buddha um die Strömung des Fluss, der unterhalb des Berges verläuft zu bändigen, da etliche Schiffe dort verunglückten. Tonnen von Gestein wurden aus dem Fels geschlagen und in den Fluss geworfen, wodurch sich die Strömungen tatsächlich geändert haben und die Passage sicherer geworden ist. Natürlich erzählen einem die Bewohner Leshans, dass die Kraft der Statue diese Veränderung bewirkt hat^^

Eine weitere Attraktion, die wir uns nicht entgehen lassen konnten, war das im Norden gelegene Naturschutzgebiet Jiuzhaigou. Uns wurde zwar gesagt, dass es im Sommer oder Herbst schöner sei, aber wir hatten schließlich keine große Wahl. Außerdem sind die Karten im Winter deutlich günstiger. Wir fuhren also mit dem Bus durch die Berge in den Norden. Die Strecke kann man nur als abenteuerlich beschreiben. Im Jahr suchte, wie einige noch wissen werden, ein furchtbares Erdbeben die Provinz heim. Viele Menschen starben und weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Auf dem Weg nach Jiuzhaigou kann man überall noch Spuren der Katastrophe finden. Zerstörte Straßen und Hochautobahnen und auch einige beschädigte Häuser säumen den Wegrand. Daher dauert die eigentlich gar nicht so weite Strecke auch 10-12 Stunden. Die Busse fahren nur morgens, man muss also mindestens drei Tage einplanen und sitzt dann zwei davon im Bus. Als wir ankamen mussten wir feststellen, dass es im Norden deutlich kälter ist als in Chengdu. Besonders gut hatte ich mich nicht vorbereitet und das Hostel hatte auch keine warmen Duschen. Auf unserem Zimmer war außer uns noch ein Japaner namens Hiroki, mit dem wir gemeinsam Essen gingen. Am nächsten Tag beschlossen wir ihn auch in den Park mitzunehmen. Hiroki begleitete uns den ganzen Tag und so hatte ich auch endlich ein wenig männliche Gesellschaft und konnte einige Gespräche führen, die mit Julia und Annika so nicht möglich gewesen wären^^ Hiroki hatte in Tokyo angefangen, Chinesisch zu studieren und verbrachte jetzt ein Auslandssemester in Harbin, ganz im Norden Chinas. Wie wir hatte er Ferien und reiste nun durchs Land.

Der Park war auch im Winter noch sehr spektakulär. Überall gab es tolle Wasserfälle und unfassbar blaue und grüne Seen. Außerdem konnte man in den kleinen Dörfern viele Menschen tibetischer Herkunft treffen. Das Gebiet war allerdings viel zu groß, um es bei diesen Temperaturen zu Fuß zu erkunden. Also zahlten wir bisschen mehr, um mit dem Bus fahren zu dürfen. Als wir Abends wieder zum Hostel kamen und gemeinsam in der Lobby aßen, rief mich jemand von Annikas Handy aus an. Sie hatte es anscheinend verloren und der Finder versuchte sie nun zu erreichen. Er redete eine Weile mit Hiroki, dessen Chinesisch am besten war, konnte sich aber nicht mit uns treffen, da er bereits wieder in Chengdu war. Es handelte sich anscheinend um einen tibetischen Mönch. Irgendwann war der Akku von Annikas Handy dann leer und sie musste sich damit abfinden, es nicht wiederzubekommen.

Am nächsten Tag wollten wir wieder zurück. Hiroki kann leicht verpeilt sein und so kam es, dass er kein Geld mehr hatte, um die Busfahrkarte zurück nach Chengdu zu bezahlen und auch nicht so leicht an neues kam. Also lieh ich ihm das Geld und wir fuhren gemeinsam zurück. Wir sprinteten um den Bus nicht zu verpassen, weil wir einfach kein Taxi bekamen und schon spät dran waren. Glücklicherweise hatte man auf uns gewartet, obwohl wir bereits 10 Minuten Verspätung hatten.

Wieder in Chengdu beschlossen wir weiterhin gemeinsam zu reisen. Annika, Julia und ich hatten bereits eine Karte für die Weiterfahrt nach Kunming in der Provinz Yunnan also wollte Hiroki sich auch eine kaufen. Er musste einen anderen Zug nehmen und sich wieder Geld von mir leihen-.- Ich verbachte noch einen Abend mit Abby vom Hostel, bevor wir dann am nächsten Morgen zum Bahnhof aufbrachen. Abby kam auch mit, um sich von mir zu verabschieden. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall noch einmal zurück kommen musste und machte mir schon Gedanken, wann ich das nächste Mal in Chengdu sein könnte.

Besuch von zu Hause

Ich habe schon länger nichts mehr von mir hören lassen, daher fällt es mir schwer, mich an all die Sachen, die inzwischen passiert sind, zu erinnern. Die letzten Wochen waren allerdings sehr ereignisreich und ich hatte kaum Zeit, zu schreiben. Anfang Januar, nachdem wir die Schüler geprüft und ihre Noten festgelegt hatten, endete der Deutschunterricht, um den Schülern genügend Zeit für die wichtigen Prüfungsfächer wie Mathe, Chinesisch und Englisch zu lassen. Danach sollten dann die Frühlingsferien beginnen, ich hatte also dort erst mal nichts mehr zu tun.

Meine Eltern waren indes mit meiner Schwester in Peking und Xi’an unterwegs und sollten am 7. Januar auch endlich nach Shanghai kommen. Ich fuhr also mit der U-Bahn zum internationalen Flughafen Pudong, was, obwohl ich in Pudong lebe, über eine Stunde dauert-.- Meine Eltern kamen dann schließlich mit ihrer kleinen Reisegruppe an und es gab ein herzliches Wiedersehen. Wir baten den Reiseführer, mich ebenfalls im Bus mitzunehmen und fuhren zunächst zum Hotel in der Nähe des Bahnhofs. Auf der Fahrt musste ich mich sehr zurückhalten, um dem Reiseführer nicht die ganze Arbeit abzunehmen, da ich meiner Familie einfach einiges zu erzählen hatte. Im Hotel machten sich meine Eltern dann erst einmal fertig und wir erzählten uns gegenseitig, was wir erlebt hatten. Am Abend wollten wir mit Yilei und ihrer Familie essen gehen. Eigentlich war abgemacht, dass meine Eltern bezahlen. Ich war ja bereits mehrmals eingeladen worden und wollte mich auf diese Weise revanchieren und gleichzeitig meinen Eltern die Möglichkeit geben, mit einmal ein richtiges chinesisches Essen zu erleben. Das Restaurant war sehr schön und man hatte einen tollen Blick auf den Bund. Meine Familie bekam dann prompt einige Geschenke überreicht, was meiner Mutter natürlich äußerst unangenehm war, während mein Vater sich wie ein Kind über einen Fächer freute. Die Kommunikation klappte auch erstaunlich gut. Ich übersetzte ein paar Brocken Chinesisch, Yileis Verwandtschaft sprach auch ein wenig Englisch und wenn gar nichts mehr ging, konnte Yilei schließlich hervorragend Deutsch.

Das Essen selbst war sehr lecker, aber für meine Familie, die gerade erst aus Deutschland gekommen war, doch gewöhnungsbedürftig. Von Aal über Entenzunge, hinzu Qualle waren einige Gerichte dabei, die in der deutschen Küche doch eher seltener zubereitet werden. Aber man probierte natürlich brav alles was auf den Tisch kam. Noch bevor wir überhaupt fertig gegessen hatten, lehnte sich Yilei zu mir herüber und teilte mir diskret mit, dass die Rechnung bereits beglichen sei. War meiner Mutter die Entgegennahme der Geschenke lediglich etwas unangenehm, zeigte sich jetzt auf ihrem Gesicht blankes Entsetzen. Es begann eine Diskussion darüber, wer denn nun bezahlen solle. Yileis Familie beharrte darauf, dass wir nun einmal Gäste in China seien und sie daher selbstverständlich bezahlen müssten. Ich wusste eigentlich schon vorher, dass das passieren würde und hatte Yilei ausdrücklich gesagt, dass sie ihrer Verwandtschaft klarmachen solle, dass wir die Rechnung übernehmen wollten. In China ist es aber unfassbar schwer, einem Gastgeber dieses „Recht“ zu nehmen. Ich habe schon öfter die Erfahrung gemacht, dass viele Chinesen Ausländer als Gäste behandeln und unbedingt ihren Pflichten als Gastgeber nachkommen möchten. Nach einer Weile lenkten meine Eltern schließlich ein, versicherten aber mehrfach, dass Yilei und ihre Familie, sollten sie nach Deutschland kommen, natürlich von uns eingeladen werden müssten.

Nach dem Essen fuhren wir noch schnell zu mir nach Hause, damit ich meinen Eltern zeigen konnte, wie ich so wohne und einige Sachen holen konnte. Meine Eltern wollten den Abend natürlich im Hotel ausklingen lassen, da es am nächsten Tag ein Programm gab. Weil die Zeit aber knapp war und ich meiner Schwester auch noch das nächtliche Shanghai zeigen wollte, fuhren wir beide gemeinsam in die Stadt, wo wir Jan Luis, Philipp und Felix treffen wollen, um gemeinsam feiern zu gehen. Wir hatten uns bereits vorher auf die Gästeliste des M1nt setzen lassen, da der Club sehr exklusiv sein sollte. Tatsächlich traf man bereits am Eingang zahlreiche nuttig schick angezogene chinesische Damen, die sich um reich wirkende Expats drängten. Im Eingangsbereich war dann tatsächlich das versprochene 19 Meter lange Haifischbecken, was auch recht cool war, aber die Haie waren selbstverständlich nicht ansatzweise so groß, wie man gehofft hatte. Der Club selbst befindet sich im 24 Stock eines Shanghaier Hochhauses und man hat eine tolle Aussicht auf die Innenstadt. Die Einrichtung war sehr elegant, aber so richtig Stimmung kam bei mir nicht auf. Die Atmosphäre war einfach zu versnobbt und Drinks waren so horrend teuer, dass man sich die Stimmung nicht einmal antrinken konnte. Die meisten Cocktails kosteten über 10 Euro und waren damit noch am unteren Ende der Skala angesiedelte. Wer seine Freunde mal so richtig verwöhnen will, kann hier auch eine 6 Liter Flasche irgendeines edlen Champagners für über 30000 Euro kaufen. Meine Schwester wollte eigentlich auch lieber schlafen gehen, um für den nächsten Tag fit zu sein. Daher verabschiedeten wir uns von den anderen und fuhren wieder zum Hotel. Ich übernachtete auf der Couch, um mir die lange Anfahrt am nächsten Morgen zu sparen.

Am nächsten Tag machte ich dann das Ausflugsprogramm meiner Familie mit. Wir klapperten die gängigsten Sehenswürdigkeiten ab und nahmen an einer Teezeremonie teil. Am Nachmittag bekamen wir ein wenig Zeit zum Bummeln und Shoppen auf der Nanjing Lu. Meine Mutter fühlte sich immer noch nicht wohl wegen der Geschenke, die Yileis Familie ihnen gemacht hatte und wollte deswegen zumindest eine Kleinigkeit besorgen. Wir kauften also Lindt-Schokolade und schlenderten dann ein bisschen durch die Seitengassen um die Hauptstraße. Am Abend fuhren wir dann noch in einige andere Viertel der Stadt, sodass ich meinen Eltern einige Orte zeigen konnte, von denen ich schon erzählt hatte. Ich übernachtete wieder im Hotel, da ich am nächsten morgen mit zum Flughafen kommen wollte.

Nach einem leckeren westlichen Frühstück im Hotel, machten wir uns auf den Weg zur Longyang Lu, wo wir den Transrapid zum Flughafen nehmen wollten. Die Strecke, für die ich beim ersten mal noch eine Stunde gebraucht hatte, legte der Maglev-Zug in lächerlichen 8 Minuten zurück. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 431 km/h rasten wir durch Pudong und kamen komfortabel beim Flughafen an. Dort verabschiedete ich mich von meiner Familie und dem Rest der Reisegruppe, bevor ich dann alleine nach Hause fahren musste (mit der unfassbar langsam U-Bahn natürlich, weil der Transrapid 50 RMB kostet). Der Heimweg fiel mir schon relativ schwer und die teils hässliche Architektur Pudongs tat ihr Übriges, um mir die Lust an China ein wenig zu nehmen. Das hielt aber nicht lange an, da schließlich Ferien waren und ich einiges geplant hatte um mich abzulenken. Noch am selben Nachmittag riefen meine Eltern an und teilten mir mit, sie säßen am Flughafen fest, weil es einen technischen Defekt an der Maschine gäbe und sie erst später wieder in Frankfurt landen würden.

Schule Teil 2

An der Schule hat sich eigentlich nicht wirklich viel getan. Der Unterricht läuft immer noch nach dem gleichen Schema ab (Text vorlesen und wiederholen lassen) und wird gelegentlich durch ein Lied oder Spiel aufgelockert. Im Dezember war ich wegen des Zwischenseminars, meines Visums und einigen Reisen längere Zeit nicht da. Deswegen konnte ich mit den Schülern leider nur wenig zu Weihnachten machen. Kurz bevor ich die Grenze nach Hongkong überqueren wollte und mein chinesisches Handy in die Nutzlosigkeit verabschiedet hätte, erhielt ich eine SMS von der Deutschlehrerin Xu Ya, die mich informierte, dass sie krank sei und ich, sobald ich wieder da bin, den Unterricht alleine gestalten müssen.

Ich beschloss die Gelegenheit zu nutzen und endlich mal ein paar andere Sachen auszuprobieren. Leider habe ich am Montag gleich die größte und lauteste Klasse. Der Unterricht lief erwartungsgemäß chaotisch ab und die Grammatik konnte ich in keiner Sprache wirklich vermitteln. Also zeigte ich einen Kurzfilm, den wir am Deutschlehrertag kennen gelernt hatten und der bei Jan Luis‘ Schülern sehr gut angekommen sei. In den Film namens Onomatopoetikum imitieren Menschen aus unterschiedlichen Ländern Tierlaute. Dabei soll klar werden, dass es in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Lautmalereien gibt, obwohl die Tiere überall gleich klingen. Einige Schüler fanden den Film zwar anscheinend ganz witzig, aber so richtig gut kam er auch nicht an. Eine anschließende Diskussion, wie am Deutschlehrertag angeregt, war natürlich auch nicht möglich. Zum Schluss spielte ich einfach Galgenmännchen mit den Schülern. Anstatt aber ernsthaft zu raten, zählten ein paar, die besonders clever sein wollten, einfach die Buchstaben und verglichen mit den geschätzten 30 Wörtern in ihrem Buch, die sie schon gelernt hatten. Also schrieb ich ein unbekanntes Wort an, woraufhin mir nur noch „x, y, q, z“ etc. entgegen gerufen wurde. Jedes Mal, wenn ich einen weiteren Strich machte freuten sich die (12 jährigen!) Schüler wie verrückt und jubelten schließlich als das Männchen endlich tot war. Im Vorfeld hatte ich überlegt, ob man das Galgenmännchen nicht durch ein weniger grausames Bild ersetzen müsse, weil uns gesagt wurde, dass Gewalt und Sex an chinesischen Schulen tabu seien…

Am Dienstag ließ ich eine Klasse, die vor kurzem erst angefangen hat, ein Spiel spielen lassen, das Jan Luis auch schon ausprobieren konnte. Dabei sitzen alle Schüler im Kreis und erhalten ein Kärtchen auf dem „der“, „die“ oder „das“ steht. Ich stand in der Mitte und habe ein Nomen gesagt. Diejenigen mit dem richtigen Kärtchen mussten dann aufstehen und Plätze tauschen. Ich habe mitgespielt, sodass wieder jemand übrig blieb, der dann wiederum ein Wort sagen musste. Auf diese Weise sollten die Schüler spielerisch die willkürlichen Artikel der deutschen Sprache lernen. Um das Spiel zu erleichtern habe ich vorher mit den Schülern Wörter gesammelt und an die Tafel geschrieben. Es hat relativ lang gedauert das Spiel zu erklären und die ersten Runden liefen eher schleppend, weil einige Schüler einfach nicht wussten, dass sie aufstehen mussten. Nach einer Weile lief es dann aber besser und die Schüler arbeiten mal wieder an einem System um zu schummeln. Sie tauschten sich untereinander aus und schafften es so häufig Plätze in der Nähe zu ergattern. Derjenige in der Mitte konnte nur hilflos zusehen wie immer wieder zwei Nachbarn hin und her tauschten und keiner durch den Raum lief. Um solche Absprachen zu unterbinden, ließ ich regelmäßig die Kärtchen tauschen. Auf diese Weise musste auch jeder jeden Artikel lernen. Ursprünglich wollte ich das Spiel nur als kurzen Energizer spielen und dann etwas anderes machen, aber die Schüler haben mich förmlich angefleht weiterzumachen und so spielten wir die gesamte Doppelstunde lang.

Mit den anderen Klassen habe ich diese Spiele dann mal mehr mal weniger erfolgreich wiederholt. In der letzten Klasse trauten sich sogar einige Schüler, etwas zu dem Film zu sagen, leider auf Englisch und nicht auf Deutsch versteht sich.

Inzwischen ist der ominöse Direktor, der die letzten Monate in Hainan verbracht hat, wieder da. Shi Shi, eine andere Lehrerin, hat versprochen, ihn mal wegen einer Deutsch-AG anzusprechen. Allerdings muss ich vermutlich nochmal selbst nachfragen, weil ich bisher keine Antwort bekommen habe.

Diese Woche haben wir die Schüler mündlich geprüft, um ihnen eine Halbjahresnote geben zu können. Sie mussten einen Text vorlesen und danach ein paar Fragen beantworten. Zunächst half ich Xu Ya nur ein bisschen, aber als wir merkten, dass die Zeit knapp wird, haben wir die Klasse aufgeteilt. Eine Hälfte wurde von ihr geprüft, die andere von mir. Ich musste dabei auch Noten verteilen. Das ist gar nicht so einfach. Am Anfang wusste ich nicht genau, was ich als Maßstab anlegen sollte, aber Xu Ya wusste auch nicht so recht, welche Noten angemessen sind. In China kriegt man Noten von 0 bis 100, wobei (grob) alles über 90 als sehr gut, alles über 80 als gut, alles über 70 als noch in Ordnung und alles über 60 als gerade so bestanden gilt. Darunter fällt man durch. (keine Garantie auf diese Angaben, die Lehrerin war sich selbst nicht sicher) Wir ließen aber keinen Schüler durchfallen und verteilten Noten zwischen 70 und 100. Wenn ein Schüler flüssig vorlesen konnte, eine gute Aussprache hatte, die Frage verstand und grammatikalisch und inhaltlich korrekt beantworten konnte, bekam er eine Note im 90er Bereich. Gelegentlich korrigierte Xu Ya die Note auch nach oben oder unten, wenn ein Schüler im Unterricht positiv bzw. negativ aufgefallen war. Ich bin froh, dass die Noten jetzt verteilt sind. Es ist unheimlich schwer, gerechte Noten zu geben, weil man gerade in großen Klassen die Leistung eines Einzelnen nur schwer evaluieren kann und man stets darauf achten muss, das Verhältnis zu wahren. Außerdem haben unterschiedliche Klassen auch unterschiedliche Niveaustufen und man muss daher die Anforderungen entsprechend anpassen.

Nächste Woche sind Prüfungen und Deutsch fällt aus, um Zeit für die „echten“ Fächer Mathe, Englisch und Chinesisch zu machen. Danach sind dann erst mal Ferien. In dieser Zeit habe ich einige Reisen geplant, möchte aber auch das Frühlingsfest mit einer chinesischen Freundin, die ein Jahr an meiner Schule in Deutschland war und in Shanghai lebt, feiern. Die meisten, die das hier lesen kennen Yilei eh, also schreibe ich diese Erläuterung gerade nur für meinen eventuellen Nachfolger (falls er nicht schon aufgegeben hat und nach den ersten Beiträgen festgestellt hat, dass dieser Blog keine nützlichen Informationen enthält xD)

Dieses Wochenende kommen aber erst mal meine Eltern mit meiner Schwester zu Besuch. Leider sind sie nur kurz hier, aber dazu schreibe ich in einem anderen Eintrag mehr.

Weihnachten und Silvester

Weihnachten, so wichtig es für uns in Deutschland sein mag, ist in China eher eine Randerscheinung. Zwar sind in den großen Städten viele Straßen und Läden geschmückt und in den zahlreichen Kaufhäusern und Einkaufszentren laufen den ganzen Tag Weihnachtslieder rauf und runter, aber besinnliche Stimmung kommt nicht auf über die Herkunft des Festes wissen die wenigsten Bescheid. Dabei heißt das Fest auf Chinesisch 圣诞节 (sheng dan jie), was wörtlich „heilig Geburt Fest“ bedeutet. Trotzdem ist die Geschichte von der Geburt Jesu und dem Stern von Bethlehem vielen nicht geläufig. Das Christentum ist schließlich in China kaum verbreitet und hat auch keine so lange Tradition in der chinesischen Kultur wie in unserer. Den kommerziellen Aspekt von Weihnachten hingegen haben viele junge Chinesen aus dem Westen übernommen. Den Weihnachtsmann in seinem Schlitten kennen (zumindest hier in Shanghai) wohl die meisten, und auch die alljährliche Konsumwut, die den Westen in der Vorweihnachtszeit beherrscht, hält hier so langsam Einzug. Shanghai ist allerdings eine Stadt, die China als Ganzes kaum repräsentieren kann. Hier findet man einfach alles, wenn man gewillt ist, den entsprechenden Preis zu zahlen. So gab es zum Beispiel einen Weihnachtsmarkt, den ich aber nicht besucht habe. In der Taikang Lu konnte man an einem Stand Glühwein trinken, der noch vom deutschen Expo-Pavillon übrig geblieben war. Selbst auf den Gottesdienst an Heiligabend musste man nicht verzichten. In einer der zahlreichen Kirchen der Stadt habe ich mit Felix, Jan Luis und dessen amerikanischer Arbeitskollegin eine englischsprachige Predigt hören können. Trotz alledem fühlt sich die Atmosphäre sehr künstlich und unecht an. Das mag daran liegen, dass Weihnachten im Allgemeinen nicht mehr so schön ist wie in der Kindheit, oder dass man es weit weg von der Familie feiert, aber es liegt bestimmt auch daran, dass das Fest hier eben nur „importiert“ wurde. Nach dem Gottesdienst und einem leckeren Essen bei Felix zu Hause hatten wir auch genug von Weihnachtstraditionen und sind feiern gegangen.

Silvester markiert bei uns das Ende des alten und den beginn des neuen Jahres. In China wird diese Zeit auch gefeiert, allerdings erst im Frühjahr zum Frühlingsfest (dazu später mehr) Silvester ist also wieder mal nur ein „Westimport“. Wir beschlossen den Abend wieder gemeinsam zu verbringen und trafen uns zunächst zum Hotpot essen. Dabei steht ein großer Topf mit Suppe, der permanent beheizt wird, in der Mitte des Tisches und alle können nach belieben Essen hineinwerfen. Hotpot wird auch chinesisches Fondue genannt, daher fanden wir es sehr passend. Danach gingen gemeinsam zu Felix, wo wir bei ein paar Gläsern Whiskey Cola, „Dinner for One“ schauten. Für andere Bräuche wie Bleigießen hatten wir leider weder Zeit noch Ressourcen, da wir um Mitternacht im Club sein wollten. Viele Clubs werben mit New Year’s Eve Parties, verlangen aber meist horrende Eintrittspreise. In den versnobten Expat-Clubs wird man schnell mal mehrere hundert RMB los, nur um reinzukommen. Wir schafften es schließlich rechtzeitig in einem Club anzukommen, der kein Geld verlangte. Dort gab es dann auch einen Countdown und so konnten wir den Jahreswechsel würdig feiern. Nach einigen Stunden auf der Tanzfläche fuhren wir noch in eine gemütliche Bar und ließen den Abend dort ausklingen. Eigentlich wollten wir zu einem Amerikaner, den wir schon an Halloween getroffen hatten, aber Felix fühlte sich nicht wohl, sodass wir heimgingen.

Das Shanghaier Nachtleben ist ziemlich vielseitig und hat, wenn man genug Kohle hat, einiges zu bieten. Ich habe mir vorgenommen in nächster Zeit öfter feiern zu gehen und auch darüber mal zu schreiben. Feiern hier in China unterscheidet sich nämlich schon ein wenig vom Feiern in Deutschland.

Hongkong

Bei meinem Visum handelt es sich um ein F-Visum (Geschäftsvisum), dass bei zweimaliger Einreise jeweils 90 Tage gültig ist. Am 19. Dezember wäre mein Visum daher abgelaufen und ich musste ausreisen. Die beste Möglichkeit für Ausländer, ein neues Visum zu bekommen, ist, nach Hongkong zu reisen.Keiner konnte uns so genau sagen, ob man sein Visum auch vor Ort verlängern lassen kann, aber ich werde es nächstes Mal versuchen.

Hongkong, oder Xianggang wie es im Hochchinesischen heißt, ist eine Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China, eine Reise dorthin wird also als Ausreise gewertet. Für Europäer und Amerikaner ist die Einreise nach Hongkong ziemlich unkompliziert. Ein Visum wird nicht benötigt, man muss lediglich eine „arrival card“ ausfüllen und einen gültigen Reisepass besitzen. Deutsche dürfen dann bis zu 90 Tage, Briten sogar 180 Tage bleiben. Deswegen fliegen viele Expats regelmäßig nach Hongkong, wo sie dann innerhalb weniger Tage ein neues Visum bekommen können. Ein Amerikaner hat mir sogar erzählt, dass er jeden Monat nach Hongkong muss, weil die Einreisebestimmungen für Bürger der Vereinigten Staaten strenger seien als für EU-Bürger.

Es gibt einen Zug, die Shanghai und Hongkong direkt verbinden. Dieser fährt einmal täglich abwechselnd von einer in die andere Stadt. Die Anreise auf diesem Weg wäre also nur jeden zweiten Tag möglich gewesen. Außerdem gibt es in diesem Zug keinerlei Sitzplätze sondern lediglich Schlafwagons. Diese kosten allerdings über 400 RMB (Ren Min Bi, Volkswährung, andere Bezeichnung für Yuan). Eine günstige Alternative, ist nicht direkt zu fahren sondern mit dem Zug nach Shenzhen zu fahren. Shenzhen ist eine Sonderwirtschaftszone auf dem chinesischen Festland, die von ihrer Nähe zu Hongkong profitiert. Die Stadt ist noch relativ jung hat sich in den letzten Jahren aber zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort entwickelt. Der Bahnhof Shenzhens liegt direkt an der Grenze zur SAR Hongkong und man kann mit der U-Bahn ins Stadtzentrum gelangen. Also entschloss ich mich, das deutlich günstigere Ticket zu nehmen und bat Philipp, der ebenfalls ein neues Visum brauchte, es für mich zu kaufen. Laut Internet sollte das ganze nur 160 RMB für das Ticket und 40 RMB für die U-Bahn kosten. Als ich allerdings noch in Tunxi war, informierte mich Philipp, dass das Ticket 236 RMB koste, und dass auch die Jugendherberge mit über 100 RMB deutlich teurer sei, als erwartet. Er selbst hatte sich umentschieden und doch einen Schlafplatz genommen. Später erfuhr ich, dass der unerwartet hohe Preis vermutlich mit Weihnachten zusammenhängt. Am Morgen des 15. Dezembers machte ich mich also auf den Weg zum Shanghaier Südbahnhof und freute mich dem kalten und zu diesem Zeitpunkt sogar schneebedeckten Shanghai für ein paar Tage zu entfliehen. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass mein Zug wegen des Wetters erst mit zwei Stunden Verspätung losfahren würde. Also ging ich gemeinsam mit einem Chinesen, den ich am Bahnhof kennengelernt hatte, noch eine Kleinigkeit Essen. Die Fahrt dauerte über 20 Stunden, war relativ angenehm. Nach einer Weile gewöhnt man sich an lange Fahrten ohne Schlafplatz. Leider kam der Zug aber durch die späte Abreise und das schlechte Wetter insgesamt mit sechs Stunden Verspätung in Shenzhen an. Dort wollte ich mir gleich mein Ticket für die Rückfahrt besorgen, die Dame am Schalter sagte mir aber, das ginge noch nicht, und ich solle in zwei Tagen wiederkommen. Also folgte ich den Wegweisern mit der Aufschrift Hongkong und gelangte schließlich zur Grenze. Für die Ausreise aus China musste ich eine „departure card“ ausfüllen (das sind die Zettel, die man im Flugzeug bei der Einreise bekommt, ich hatte meinen aber verloren und einfach einen neuen ausgefüllt) und meinen Pass abstempeln lassen. Dann musste ich noch an den Hongkonger Grenzbeamten vorbei und konnte schließlich mit der MTR (Mass Transit Railway) nach Kowloon fahren.

Beim Übertreten der Grenze merkt man relativ bald, dass Hongkong sich teilweise stark vom Festland unterscheidet. Nachdem die Stadt lange unter britischer Kontrolle stand wurde sie 1997 an die Volksrepublik China zurückgegeben. Genau wie die andere Sonderverwaltungszone Macao genießt Hongkong aber weiterhin weitgehende Autonomie. Hongkongs Währung ist der Hongkong Dollar (1HKD = 0,85 RMB). Wie in England fährt man auf der linken Straßenseite. Das politische und wirtschaftliche System unterscheidet sich auch stark von dem der Volksrepublik. Zensur gibt es in dieser Form nicht, regimekritische Internetseiten (sowie Facebook und Youtube-.-) sind also problemlos aufrufbar und die Menschen genießen so ziemlich die gleichen Freiheiten wie z. B. in Europa. Hongkong hat eins der liberalsten Wirtschaftssysteme der Welt und ist wesentlich reicher als China. Selbst wenn man es mit wohlhabenden Provinzen wie Shanghai vergleicht. Leider sind die Preise auch dementsprechend hoch.

Man spricht nicht einmal die gleiche Sprache. In Hongkong spricht man wie in der Provinz Guangdong kantonesisch. Mandarin wird zwar allgemein verstanden, aber im Alltag kaum benutzt. Untereinander sprechen die Hongkonger kantonesisch und mit Ausländern verständigt man sich auf Englisch. Es ist nicht so, dass jeder Bürger Hongkongs perfektes Oxford Englisch spricht, aber allgemein lässt sich schon sagen, dass deutlich mehr Leute die Sprache beherrschen als in Shanghai. Sogar ältere Leute sind oft in der Lage auf diese Weise mit Ausländern zu kommunizieren.

Außerdem habe ich Hongkong als sauberer und umweltbewusster wahrgenommen. Es gibt zwar auch Smog, aber der zieht hauptsächlich vom Festland rüber. Insgesamt war die Luft sehr gut und man konnte in der Nähe von „Victoria Harbour“ sogar das Meer riechen.

Unsere Jugendherberge befand sich im 13. Stock der heruntergekommenen „Chungking Masions“ auf der Nathan Road mitten in Tsim Sha Tsui auf der Südspitze Kowloons. Der Ort war ideal, die Hygiene akzeptabel, die Atmosphäre zwielichtig. In dem gesamten Gebäudekomplex waren kaum Chinesen und fast nur Ausländer, vor allem Inder und Afrikaner. Sogar unser Hostel wurde von einer indischen Familie betrieben. In Shanghai begegnet man zwar auch einigen Ausländern, aber einen solchen Sammelpunkt, wo Chinesen in der Minderheit sind habe ich noch nicht gefunden (zumindest nicht tagsüber, in den Bars auf der Hengshan Lu findet man auch zahlreiche Expats). Als ich eincheckte wurde mir gesagt, dass Philipp bereits nach mir suche, aber schon in der Stadt sei. Also lud ich mein Gepäck ab und machte mich auf den Weg, Hongkong zu erkunden.

Hongkong lässt sich grob in fünf Gebiete einteilen. Hongkong Island ist das eigentliche Zentrum der Stadt. Dort befindet sich der Finanzdistrikt „Central“ mit seinen vielen Wolkenkratzern. Der Norden der Insel ist dicht bebaut, der Süden ist noch sehr ursprünglich. Getrennt werden die beiden Seiten durch „Victoria Peak“. Mit der historischen „Peak Tram“ kann man bequem nach oben gelangen und die Aussicht über die Stadt genießen.

Weiter nördlich, auf dem Festland liegt Kowloon, das einst der am dichtesten besiedelte Ort der Welt war. Überall hängen Neonschilder über den Straßen, wie es sie hier eigentlich nur auf der Nanjing Lu gibt. Die Gebäude sind deutlich niedriger als auf Hongkong Island, weil früher der Flughafen in diesem Teil der Stadt lag. Allerdings scheint auch, dass sich zu ändern. Das höchste Gebäude der Stadt steht bereits auf dieser Seite des Wassers.

Der neue Flughafen liegt auf Lantau Island. Diese Insel ist weniger dicht besiedelt als Hongkong Island und bietet einige schöne Wanderwege. Außerdem gibt es eine riesige Buddha-Statue, die man mit einer Seilbahn erreichen kann.

Die New Territories sind Gebiete weiter im Norden in der Nähe des Festlands, von denen ich aber nicht viel gesehen habe.

Dann gibt es noch die Outlying Islands, welche herrlich einsame Wanderwege und sogar Strände vorweisen können.

Da ich keine Zeit verlieren wollte, entschied ich mich gleich am ersten Tag mit der „Peak Tram“ auf den Berg zu fahren. Ich nahm die Fähre für nur 2,5 HKD von Tsim Sha Tsui nach Central. Dort lief ich zunächst eher planlos durch die Häuserschluchten. Wenn man nach unten schaut und die teils englische Architektur und die Doppeldeckerbusse ( und -straßenbahnen) betrachtet, könnte man denken man sei in London. Richtet man den Blick nach oben richten sich Wolkenkratzer über einem auf wie in Manhattan. Die „Peak Tram“ fährt zwar nicht mehr mit Dampf wie früher, ist aber trotzdem noch ein Erlebnis. Oben blieb ich dann bis zum Einbruch der Dunkelheit, um auch die nächtliche Skyline bestaunen zu können. Auf dem Weg zurück traf ich dann zufällig Philipp und wir gingen gemeinsam Essen. Am nächsten Tag kam dann auch Nico und wir zogen gemeinsam durch die Stadt.

Zunächst wollten die beiden ihr Zugticket für die Rückfahrt besorgen. Philipp ergatterte noch ein Ticket von Hongkong direkt. Nico wollte wieder nach Shenzhen fahren. Nachdem wir von einem Ort zum anderen geschickt wurden, fanden wir endlich eine Reiseagentur, die uns die Tickets verkaufen konnte. Leider verlangte diese eine Gebühr von 100 HKD für die Buchung von einem anderen Bahnhof. Nico musste wohl oder über bezahlen. Mein Ticket hätte ich eh erst am nächsten Tag kaufen können. Ich beschloss einfach bei meiner Abreise das Ticket zu kaufen. Wenn es keinen Sitzplatz mehr gibt kann man schließlich immer noch mit einem Stehplatz (für den gleichen Preis-.-) fahren. Man kommt also immer irgendwie nach Hause. Außerdem besorgten wir uns die „Octopus Card“. Mit der „Octopus Card“ kann man ähnlich wie in Shanghai U-Bahn- und Busfahrten bezahlen. In Hongkong ist die Karte aber inzwischen so etabliert, dass auch in vielen Geschäften damit bezahlt werden kann. Die meisten Fastfood-Ketten und Supermärkte akzeptieren die Karte und auch die Fähren kann man problemlos bezahlen. Man lädt die Karte einfach auf und hält sie beim Bezahlen an ein Lesegerät, dadurch kann man Zeit sparen und lange Schlangen vermeiden.

Abends erkundeten wir dann die Gegend um die Mid-Levels Escalators. In der Bar- und Kneipenstraße Lan Kwai Fong tummeln sich zahlreiche Expats. Die meisten Bars sind wegen der warmen Temperaturen (über 20 Grad im Dezember) zur Straße hin geöffnet und spielen laut Musik. Um Geld zu sparen nahmen wir also mit Bier aus dem Supermarkt Vorlieb und genossen einfach so die Atmosphäre. Eigentlich wollen wir auch feiern gehen, aber wir konnten letztlich nichts günstiges finden und gingen irgendwann heim. Weiter oben am Berg gibt es noch einen Bezirk namens SoHo (wie in London und New York), wo sich auch viele Bars aber hauptsächlich Restaurants befinden. Die meisten waren leider komplett außerhalb unserer Preisklasse. Wir aßen deswegen bei einem kleinen vietnamesischen Laden und nicht beim schicken Italiener, obwohl vor allem Nico sich sehr beherrschen musste.

In den folgenden Tagen besichtigten wir dann noch andere Teile Hongkongs teils zusammen, teils getrennt. Hongkong Island mag ein mit Neonlichtern bedeckter Betondschungel sein, aber andere Teile der Sonderverwaltungszone sind noch sehr ursprünglich und bieten viele schöne Wanderwege. Mit der Fähre kann man zu vielen Inseln fahren und dem Lärm und Chaos der Großstadt für eine Weile entkommen. Mit Philipp und Nico war ich auf Lantau Island. Mit einer Seilbahn (der Boden war aus Glas) sind wir auf einen Berg gefahren, um eine große Buddha-Statue zu besichtigen. Allein die Fahrt nach oben war schon spektakulär. Man hat einen tollen Blick auf die Insel und das Wasser. Außerdem kann man den Flughafen von oben betrachten. Disneyland ist auch in der Nähe, man kann es aber von der Seilbahn nicht sehen. Auf dem Berg selbst findet man etliche Touristen. Ruhe findet man dort also nicht wirklich.

Wenn man wirklich alleine sein möchte, sollte man auf eine der kleineren Inseln fahren. Ich war auf Lamma Island und obwohl auf der Fähre noch einige Touristen waren, traf ich danach auf der Insel lange niemanden und wanderte Stunden lang durch eine wunderschöne ruhige Landschaft. Es gab sogar einen Berg, von dem aus man einen tollen Blick hatte. Es gibt in den Dörfern der Insel auch zahlreiche Restaurants, die Meeresfrüchte anbieten, die im „Lonely Planet“ sehr gelobt worden sind (wobei man dazu sagen sollte, dass der „Lonely Planet“ sich über jeden Scheiß freut wie ein dreijähriges Kind und es bei all dem Lob manchmal schwer ist die wirklich guten Sachen herauszufinden). Allerdings war mir das zu teuer und da ich eh kein großer Fan von Meeresfrüchten bin, probierte ich sie nicht.

Hongkong hat sehr viel zu bieten. Trotzdem wollte ich zumindest einen Tag dafür opfern, um mir auch die andere Sonderverwaltungszone Macau anzusehen. Auch dort kommt man mit Fähren bequem hin, allerdings ist die Fahrt etwas teuer. Für beide Strecken musste ich insgesamt 300 HKD zahlen. Ich hätte natürlich auch einen Hubschrauber nehmen können, aber 6000 HKD waren mir dann ein bisschen happig. Bei der Abfahrt muss man wieder an einer Passkontrolle vorbei, weil Hongkong und Macau unabhängig voneinander sind. Die Fähre war äußerst bequem und auch ziemlich schnell. Nach nur etwa 1 Stunde fahrt war ich bereits da. In Macau musste ich mich wieder anstellen und meinen Pass abstempeln lassen.

Macau hat eine noch längere Kolonialgeschichte als Hongkong und war lange Zeit der wichtigste Handelspunkt zwischen China und dem Westen. Die Portugiesen hatten das Gebiet geschenkt bekommen, nachdem sie die Piraten in der Küstenregion vertrieben hatten (anders als die Briten, die sich Hongkong im Zuge der Opiumkriege einfach genommen haben). Deswegen ist in Macau neben Kantonesisch auch Portugiesisch Amtssprache. Die Bewohner können die Sprache zwar meist nicht, aber alle Straßenschilder sind auch auf Portugiesisch. Man merkt den kolonialen Einfluss noch viel deutlicher als in Hongkong. Die Architektur sieht teilweise sehr südeuropäisch aus und man findet zahlreiche Kirchen und Kathedralen im historischen Stadtzentrum.

Heutzutage allerdings ist für die meisten Touristen (vor allem aus Hongkong und vom Festland) das Glücksspiel die größte Attraktion Macaus. Überall gibt es riesige Kasinos, die die immer wohlhabendere Chinesen anlocken wollen. Manche nennen die Stadt auch das Las Vegas des Ostens. Ironischerweise sind die Glücksspieleinnahmen Macaus inzwischen größer als die der amerikanischen Wüstenmetropole. Ich bin auch in zwei Kasinos reingegangen, um mal die Atmosphäre zu genießen (spielen war mir zu teuer). Das „Venetian“ ist ein gigantischer Gebäudekomplex mit zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten, Hotels und einem riesigem Kasino. Wie im amerikanischen Vorbild gibt es einen Nachbau der Kanäle in Venedig inklusive Gondeln. Am sogenannten „Cotai-Strip“ entstehen zurzeit etliche weitere Casinos, die die Glücksspieleinnahmen weiter in die Höhe treiben sollen. Die Stadt bietet also eine interessante Mischung aus Kolonialgeschichte und kapitalistischer Dekadenz.

Am Abend fuhr ich dann wieder nach Hongkong zurück. Dafür musste ich erneut durch die nervigen Passkontrollen.

Hongkong hat noch einiges mehr zu bieten. Ich kann aber nicht auf alles eingehen. Mir hat die Stadt unheimlich gut gefallen, weil sie eine Begegnungsstätte östlicher und westlicher Kultur ist. Wer mal nach China möchte könnte seine Reise hier beginnen, da die Stadt alle Annehmlichkeiten bietet, an die wir uns zu Hause gewöhnt haben, aber eben auch viele chinesische Elemente hat.

Zurück fuhr ich wieder mit der U-Bahn. An der Endstation gab ich meine „Octopus Card“ ab und ging erneut durch die Grenzkontrolle. Mein Visum wurde ohne Probleme abgestempelt und ich konnte einreisen. Am Bahnhof in Shenzhen wollte ich dann ein Ticket kaufen. Leider hatte ich kein Glück und die Sitzplätze waren alle bereits vergriffen. Ich begnügte mich also mit einem Stehplatz. Im Zug trifft man in den Sitzplatzabteilen generell selten Ausländer, aber einen Ausländer mit Stehplatz fanden die meisten meiner Mitreisenden schon recht kurios, weshalb ich natürlich wieder schnell ins Gespräch kam. Ich vertrieb mir die Zeit mit Musik hören und setzte mich abwechselnd auf eine Zeitung, meine Jacke,meinen Koffer und einen Plastikhocker, den mir ein Chinese anbot. Es war eine absolute Qual und ich musste teilweise stehen um mich vom Sitzen zu erholen. Irgendwann nachts wurde der Zug dann leerer, weil einige Leute ausgestiegen waren und ich konnte mich endlich auf einen Sitzplatz setzen. Nach geschätzten zweieinhalb Stunden Schlaf (mit Unterbrechungen) kam ich dann am Morgen des 24. Dezembers endlich an.

 
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