Frühlingsferien Teil 1 (Sichuan)
Zeit zum Ausruhen blieb nach dem Besuch meiner Familie keine. Ich hatte bereits ein Zugticket nach Chengdu, Hauptstadt der Provinz Sichuan, gekauft und wollte zwei Tage später fahren. Obwohl ich das Ticket frühzeitig erworben hatte, war es mir nicht gelungen, einen Sitzplatz zu ergattern. Freudig sah ich daher schon den 32 Stunden Stehplatz entgegen, die mich erwarteten. Das Frühlingsfest stand kurz bevor und Millionen von Chinesen machten sich auf, ihre Verwandtschaft zu Besuchen um das Fest gemeinsam zu feiern. Jeder rät einem davon ab, während dieser Zeit zu reisen, weil einfach überall Menschen sind und es unheimlich schwer ist Karten zu bekommen. Außerdem werden fast überall die Preise erhöht. Wenn man an einer Schule arbeitet ist man aber eben auf die Schulferien angewiesen und muss dann reisen, wenn man Zeit dafür hat.
Der Zug war brechend voll und überall standen Leute. Ich saß mitten im Gang auf meinem Koffer und war bereits nach einigen Stunden schlecht gelaunt. Glücklicherweise musste ich nur eine Nacht im Zug verbringen, da ich morgens losgefahren war und so am Abend des nächsten Tages ankommen würde. Als es bereits dunkel war fragte mich eine junge Chinesen, warum ich denn nicht geflogen sei. Dazu muss ich sagen, dass man diese Frage sehr häufig gestellt bekommt, da viele Chinesen davon ausgehen, dass wir Ausländer alle furchtbar reich sind. Nun sind Inlandsflüge eigentlich auch gar nicht so teuer und können sogar günstiger sein als ein Schlafplatz im Zug. Allerdings steigen die Preise für Flugtickets in den Hauptreisezeiten, während Zugtickets immer gleich viel kosten. Ein Flug wäre zu diesem Zeitpunkt also deutlich teurer gewesen. Da die Chinesin selbst auch keinen Sitzplatz hatte und nicht stehen wollte, griff sie mein Handgelenk und schleppte mich zum Speisewagen, wo wir bequem sitzen konnten. Nach einer Weile kam natürlich jemand um unsere Bestellung aufzunehmen, aber sie erklärte ihm, dass wir nur eine Weile sitzen wollten. Offensichtlich ist das normalerweise nicht erlaubt, da nicht jeder dort sitzen kann, aber da gerade wenig Leute essen wollten, ließ man uns gewähren. Ich habe mehrmals nachgefragt, ob man mich als Ausländer nicht einfach rausschmeißen wolle, aber sie versicherte mir, dass wir sitzen bleiben könnte und es damit nichts zu tun habe. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich schlichtweg keine Sonderbehandlung. Etliche Chinesen quälten sich auf unbequemen Plastikhockern, warum sollte ich gemütlich sitzen dürfen. Da aber auch andere Chinesen einfach nur dort saßen blieb ich ebenfalls sitzen. Zwar mussten wir mehrmals den Platz wechseln und in den Essenszeiten auch mal komplett aufstehen, aber wir durften nach langer Diskussion die Nacht im Speisewagen verbringen. Wer wann und wo sitzen darf ist mir immer noch ein Rätsel und ich kann mir gut vorstellen, dass die freundliche Chinesin in mir als Ausländer einfach nur eine Möglichkeit gesehen hat, im Speisewagen unterzukommen.
Als ich endlich in Chengdu ankam, war ich froh endlich aus dem Zug steigen zu können und etwas zu essen. Ich fuhr zum Hostel, checkte ein und verbrachte den Abend noch auf einer Touristenstraße in der Nähe. Ich musste einige Tage überbrücken, da Julia und Annika nachkommen wollten, aber noch zu tun hatten. Am nächsten Tag machte ich mich also auf den Weg zur Pandazucht und -forschungsstation. Sichuan ist nämlich Heimat der Pandas. Die vom Aussterben bedrohte ist quasi das Wappentier Chinas. Die Spezies ist nun allerdings dafür bekannt was Reproduktion (und eigentlich alle anderen Bereich des Lebens) angeht eher faul zu sein. Seit der Mensch den natürlichen Lebensraum der Bärenart systematisch dezimiert hat muss nachgeholfen werden, um für Nachwuchs zu sorgen. Deswegen hat man einige Zuchtstationen eingerichtet, in denen man die Pandas beim Fressen und Schlafen beobachten kann. Gleichzeitig kann man etwas darüber lernen, was getan wird um die Bären zu vermehren. Das viele Geld, das man mit den Eintrittskarten für diese Stationen macht, könnte man natürlich auch für die Aufforstung der Bambuswälder ausgeben und die Wiederherstellung des natürlichen Lebensraums ausgeben, aber dann hätte man es viel schwerer weiter Eintritt zu verlangen…
Chengdu hat wie die meisten alten Städte einige Sehenswürdigkeiten zu bieten und ich habe auch wieder den ein oder anderen Tempel besichtigt. Allerdings ist das schon länger her und die Tempel hier sind auch nicht anders als die in anderen Städten. Deswegen spare ich mir jetzt eine detaillierte Beschreibung. Erwähnenswert ist aber die Küche Sichuans. Die meisten denken, wenn sie Sichuan (Sezuan für die, die mit der neuen Pinyin-Transkription nichts anfangen können) hören wohl sofort an scharfes Essen. Und es gibt einen Grund, warum das Essen dieser Provinz einen solchen Ruf genießt. Quasi jede Mahlzeit wird mit diversen scharfen Zutaten gewürzt. Am markantesten ist aber wohl 花椒 (huajiao), ein Pfeffer, der im Deutschen einfach nur Szechuanpfeffer genannt wird. Er schmeckt nicht nur scharf sondern hat sogar eine betäubende Wirkung im Mund. Trotz der teilweise gewöhnungsbedürftigen Schärfe ist das Essen in Sichuan sehr lecker. Insbesondere Hotpot sollte man mal probieren, wenn man nach Sichuan oder Chonqing kommt (die beiden gehörten früher zusammen).
Chengdu ist eine angenehme Stadt mit tollem Essen und einigen interessanten Sehenswürdigkeiten. Was mir aber am besten gefallen hat, war die Atmosphäre im Hostel. Das Personal war jung und freundlich und es ergaben sich ständig Situationen in denen man mit anderen Gästen in Kontakt kam. Wir spielten gemeinsam Jianzi (chinesischer Hacky Sack mit Federn) oder Tischtennis. Als am zweiten Abend eine Gruppe von Reisenden aus der Nachbarprovinz Yunnan ankam, die noch nichts gegessen hatte, wurde ich um kurz nach Mitternacht erst mal zum Hotpot-Essen eingeladen. Wie bereits gesagt war es zwar unheimlich scharf, aber eben auch sehr lecker. An einem anderen Tag sammelte ein Mädchen aus Dali von jedem 2 RMB ein und kochte dafür im Hostel ein leckeres vegetarisches Essen. Wir machten auch oft gemeinsam Musik, ein tibetischer Gast hatte nämlich seine Gitarre dabei. Vor allem mit Li Yao, deren englischer Name Abby ist, habe ich mich sehr gut verstanden. Sie arbeitet an der Rezeption des Hostels und wir haben relativ viel Zeit miteinander verbracht. Wir sind auch zweimal zusammen essen gegangen, dazu später mehr.
Da wir uns aber vorgenommen hatten ein bisschen mehr von dieser riesigen Provinz zu sehen (Sichuan ist ein gutes Stück größer als Deutschland und hat in etwa gleich viele Einwohner), mussten wir natürlich auch einige andere Orte besuchen. Zunächst fuhren wir ins nicht allzu weit entfernte Leshan, wo ein gigantischer Buddha Touristen anlockt. Zunächst liefen wir durch einen wirklich beeindruckende Anlage mit allerlei buddhistischen Statuen und Symbolen, die in den Berg gemeißelt waren. Das Wetter war nicht besonders gut, aber durch den leichten Regen wirkte der Süden Sichuans fast wie ein Dschungel. Der Buddha selbst ist mit einer Höhe von 71 Metern tatsächlich riesig. Man klettert an seitlich in den Berg geschlagenen Treppen nach unten und versucht, einen guten Blick auf die gesamte Statue zu bekommen. Gebaut wurde der große Buddha um die Strömung des Fluss, der unterhalb des Berges verläuft zu bändigen, da etliche Schiffe dort verunglückten. Tonnen von Gestein wurden aus dem Fels geschlagen und in den Fluss geworfen, wodurch sich die Strömungen tatsächlich geändert haben und die Passage sicherer geworden ist. Natürlich erzählen einem die Bewohner Leshans, dass die Kraft der Statue diese Veränderung bewirkt hat^^
Eine weitere Attraktion, die wir uns nicht entgehen lassen konnten, war das im Norden gelegene Naturschutzgebiet Jiuzhaigou. Uns wurde zwar gesagt, dass es im Sommer oder Herbst schöner sei, aber wir hatten schließlich keine große Wahl. Außerdem sind die Karten im Winter deutlich günstiger. Wir fuhren also mit dem Bus durch die Berge in den Norden. Die Strecke kann man nur als abenteuerlich beschreiben. Im Jahr suchte, wie einige noch wissen werden, ein furchtbares Erdbeben die Provinz heim. Viele Menschen starben und weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Auf dem Weg nach Jiuzhaigou kann man überall noch Spuren der Katastrophe finden. Zerstörte Straßen und Hochautobahnen und auch einige beschädigte Häuser säumen den Wegrand. Daher dauert die eigentlich gar nicht so weite Strecke auch 10-12 Stunden. Die Busse fahren nur morgens, man muss also mindestens drei Tage einplanen und sitzt dann zwei davon im Bus. Als wir ankamen mussten wir feststellen, dass es im Norden deutlich kälter ist als in Chengdu. Besonders gut hatte ich mich nicht vorbereitet und das Hostel hatte auch keine warmen Duschen. Auf unserem Zimmer war außer uns noch ein Japaner namens Hiroki, mit dem wir gemeinsam Essen gingen. Am nächsten Tag beschlossen wir ihn auch in den Park mitzunehmen. Hiroki begleitete uns den ganzen Tag und so hatte ich auch endlich ein wenig männliche Gesellschaft und konnte einige Gespräche führen, die mit Julia und Annika so nicht möglich gewesen wären^^ Hiroki hatte in Tokyo angefangen, Chinesisch zu studieren und verbrachte jetzt ein Auslandssemester in Harbin, ganz im Norden Chinas. Wie wir hatte er Ferien und reiste nun durchs Land.
Der Park war auch im Winter noch sehr spektakulär. Überall gab es tolle Wasserfälle und unfassbar blaue und grüne Seen. Außerdem konnte man in den kleinen Dörfern viele Menschen tibetischer Herkunft treffen. Das Gebiet war allerdings viel zu groß, um es bei diesen Temperaturen zu Fuß zu erkunden. Also zahlten wir bisschen mehr, um mit dem Bus fahren zu dürfen. Als wir Abends wieder zum Hostel kamen und gemeinsam in der Lobby aßen, rief mich jemand von Annikas Handy aus an. Sie hatte es anscheinend verloren und der Finder versuchte sie nun zu erreichen. Er redete eine Weile mit Hiroki, dessen Chinesisch am besten war, konnte sich aber nicht mit uns treffen, da er bereits wieder in Chengdu war. Es handelte sich anscheinend um einen tibetischen Mönch. Irgendwann war der Akku von Annikas Handy dann leer und sie musste sich damit abfinden, es nicht wiederzubekommen.
Am nächsten Tag wollten wir wieder zurück. Hiroki kann leicht verpeilt sein und so kam es, dass er kein Geld mehr hatte, um die Busfahrkarte zurück nach Chengdu zu bezahlen und auch nicht so leicht an neues kam. Also lieh ich ihm das Geld und wir fuhren gemeinsam zurück. Wir sprinteten um den Bus nicht zu verpassen, weil wir einfach kein Taxi bekamen und schon spät dran waren. Glücklicherweise hatte man auf uns gewartet, obwohl wir bereits 10 Minuten Verspätung hatten.
Wieder in Chengdu beschlossen wir weiterhin gemeinsam zu reisen. Annika, Julia und ich hatten bereits eine Karte für die Weiterfahrt nach Kunming in der Provinz Yunnan also wollte Hiroki sich auch eine kaufen. Er musste einen anderen Zug nehmen und sich wieder Geld von mir leihen-.- Ich verbachte noch einen Abend mit Abby vom Hostel, bevor wir dann am nächsten Morgen zum Bahnhof aufbrachen. Abby kam auch mit, um sich von mir zu verabschieden. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall noch einmal zurück kommen musste und machte mir schon Gedanken, wann ich das nächste Mal in Chengdu sein könnte.
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Danke David! Fotos lade ich normalerweise bei Facebook hoch. Ich habe auch diesmal welche gemacht, aber wenn du den zweiten Teil liest, wirst du wissen, warum es trotzdem keine gibt^^
Hey Patrick!
Super Bericht, sehr lebensnah, ein paar Photos waehren noch cool, besonders die aus dem Zug fand ich sehr anschaulich 🙂 Schreib schoen weiter so, in ein paar Jahren freust du dich sowas zu lesen! Alles gute weiterhin und bis bald mal,
David