Besuch von zu Hause
Ich habe schon länger nichts mehr von mir hören lassen, daher fällt es mir schwer, mich an all die Sachen, die inzwischen passiert sind, zu erinnern. Die letzten Wochen waren allerdings sehr ereignisreich und ich hatte kaum Zeit, zu schreiben. Anfang Januar, nachdem wir die Schüler geprüft und ihre Noten festgelegt hatten, endete der Deutschunterricht, um den Schülern genügend Zeit für die wichtigen Prüfungsfächer wie Mathe, Chinesisch und Englisch zu lassen. Danach sollten dann die Frühlingsferien beginnen, ich hatte also dort erst mal nichts mehr zu tun.
Meine Eltern waren indes mit meiner Schwester in Peking und Xi’an unterwegs und sollten am 7. Januar auch endlich nach Shanghai kommen. Ich fuhr also mit der U-Bahn zum internationalen Flughafen Pudong, was, obwohl ich in Pudong lebe, über eine Stunde dauert-.- Meine Eltern kamen dann schließlich mit ihrer kleinen Reisegruppe an und es gab ein herzliches Wiedersehen. Wir baten den Reiseführer, mich ebenfalls im Bus mitzunehmen und fuhren zunächst zum Hotel in der Nähe des Bahnhofs. Auf der Fahrt musste ich mich sehr zurückhalten, um dem Reiseführer nicht die ganze Arbeit abzunehmen, da ich meiner Familie einfach einiges zu erzählen hatte. Im Hotel machten sich meine Eltern dann erst einmal fertig und wir erzählten uns gegenseitig, was wir erlebt hatten. Am Abend wollten wir mit Yilei und ihrer Familie essen gehen. Eigentlich war abgemacht, dass meine Eltern bezahlen. Ich war ja bereits mehrmals eingeladen worden und wollte mich auf diese Weise revanchieren und gleichzeitig meinen Eltern die Möglichkeit geben, mit einmal ein richtiges chinesisches Essen zu erleben. Das Restaurant war sehr schön und man hatte einen tollen Blick auf den Bund. Meine Familie bekam dann prompt einige Geschenke überreicht, was meiner Mutter natürlich äußerst unangenehm war, während mein Vater sich wie ein Kind über einen Fächer freute. Die Kommunikation klappte auch erstaunlich gut. Ich übersetzte ein paar Brocken Chinesisch, Yileis Verwandtschaft sprach auch ein wenig Englisch und wenn gar nichts mehr ging, konnte Yilei schließlich hervorragend Deutsch.
Das Essen selbst war sehr lecker, aber für meine Familie, die gerade erst aus Deutschland gekommen war, doch gewöhnungsbedürftig. Von Aal über Entenzunge, hinzu Qualle waren einige Gerichte dabei, die in der deutschen Küche doch eher seltener zubereitet werden. Aber man probierte natürlich brav alles was auf den Tisch kam. Noch bevor wir überhaupt fertig gegessen hatten, lehnte sich Yilei zu mir herüber und teilte mir diskret mit, dass die Rechnung bereits beglichen sei. War meiner Mutter die Entgegennahme der Geschenke lediglich etwas unangenehm, zeigte sich jetzt auf ihrem Gesicht blankes Entsetzen. Es begann eine Diskussion darüber, wer denn nun bezahlen solle. Yileis Familie beharrte darauf, dass wir nun einmal Gäste in China seien und sie daher selbstverständlich bezahlen müssten. Ich wusste eigentlich schon vorher, dass das passieren würde und hatte Yilei ausdrücklich gesagt, dass sie ihrer Verwandtschaft klarmachen solle, dass wir die Rechnung übernehmen wollten. In China ist es aber unfassbar schwer, einem Gastgeber dieses „Recht“ zu nehmen. Ich habe schon öfter die Erfahrung gemacht, dass viele Chinesen Ausländer als Gäste behandeln und unbedingt ihren Pflichten als Gastgeber nachkommen möchten. Nach einer Weile lenkten meine Eltern schließlich ein, versicherten aber mehrfach, dass Yilei und ihre Familie, sollten sie nach Deutschland kommen, natürlich von uns eingeladen werden müssten.
Nach dem Essen fuhren wir noch schnell zu mir nach Hause, damit ich meinen Eltern zeigen konnte, wie ich so wohne und einige Sachen holen konnte. Meine Eltern wollten den Abend natürlich im Hotel ausklingen lassen, da es am nächsten Tag ein Programm gab. Weil die Zeit aber knapp war und ich meiner Schwester auch noch das nächtliche Shanghai zeigen wollte, fuhren wir beide gemeinsam in die Stadt, wo wir Jan Luis, Philipp und Felix treffen wollen, um gemeinsam feiern zu gehen. Wir hatten uns bereits vorher auf die Gästeliste des M1nt setzen lassen, da der Club sehr exklusiv sein sollte. Tatsächlich traf man bereits am Eingang zahlreiche nuttig schick angezogene chinesische Damen, die sich um reich wirkende Expats drängten. Im Eingangsbereich war dann tatsächlich das versprochene 19 Meter lange Haifischbecken, was auch recht cool war, aber die Haie waren selbstverständlich nicht ansatzweise so groß, wie man gehofft hatte. Der Club selbst befindet sich im 24 Stock eines Shanghaier Hochhauses und man hat eine tolle Aussicht auf die Innenstadt. Die Einrichtung war sehr elegant, aber so richtig Stimmung kam bei mir nicht auf. Die Atmosphäre war einfach zu versnobbt und Drinks waren so horrend teuer, dass man sich die Stimmung nicht einmal antrinken konnte. Die meisten Cocktails kosteten über 10 Euro und waren damit noch am unteren Ende der Skala angesiedelte. Wer seine Freunde mal so richtig verwöhnen will, kann hier auch eine 6 Liter Flasche irgendeines edlen Champagners für über 30000 Euro kaufen. Meine Schwester wollte eigentlich auch lieber schlafen gehen, um für den nächsten Tag fit zu sein. Daher verabschiedeten wir uns von den anderen und fuhren wieder zum Hotel. Ich übernachtete auf der Couch, um mir die lange Anfahrt am nächsten Morgen zu sparen.
Am nächsten Tag machte ich dann das Ausflugsprogramm meiner Familie mit. Wir klapperten die gängigsten Sehenswürdigkeiten ab und nahmen an einer Teezeremonie teil. Am Nachmittag bekamen wir ein wenig Zeit zum Bummeln und Shoppen auf der Nanjing Lu. Meine Mutter fühlte sich immer noch nicht wohl wegen der Geschenke, die Yileis Familie ihnen gemacht hatte und wollte deswegen zumindest eine Kleinigkeit besorgen. Wir kauften also Lindt-Schokolade und schlenderten dann ein bisschen durch die Seitengassen um die Hauptstraße. Am Abend fuhren wir dann noch in einige andere Viertel der Stadt, sodass ich meinen Eltern einige Orte zeigen konnte, von denen ich schon erzählt hatte. Ich übernachtete wieder im Hotel, da ich am nächsten morgen mit zum Flughafen kommen wollte.
Nach einem leckeren westlichen Frühstück im Hotel, machten wir uns auf den Weg zur Longyang Lu, wo wir den Transrapid zum Flughafen nehmen wollten. Die Strecke, für die ich beim ersten mal noch eine Stunde gebraucht hatte, legte der Maglev-Zug in lächerlichen 8 Minuten zurück. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 431 km/h rasten wir durch Pudong und kamen komfortabel beim Flughafen an. Dort verabschiedete ich mich von meiner Familie und dem Rest der Reisegruppe, bevor ich dann alleine nach Hause fahren musste (mit der unfassbar langsam U-Bahn natürlich, weil der Transrapid 50 RMB kostet). Der Heimweg fiel mir schon relativ schwer und die teils hässliche Architektur Pudongs tat ihr Übriges, um mir die Lust an China ein wenig zu nehmen. Das hielt aber nicht lange an, da schließlich Ferien waren und ich einiges geplant hatte um mich abzulenken. Noch am selben Nachmittag riefen meine Eltern an und teilten mir mit, sie säßen am Flughafen fest, weil es einen technischen Defekt an der Maschine gäbe und sie erst später wieder in Frankfurt landen würden.
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