Hangzhou

Letztes Wochenende war ich mit einigen anderen Freiwilligen in Hangzhou, einer alten Stadt nicht weit von Shanghai, die hauptsächlich für Tee, Seide und den Xihu (Westsee) bekannt ist. Letzterer gilt als eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Chinas. Es gibt sogar einen Spruch, der die Schönheit der Landschaft betont: “上有天堂,下有苏杭 (Shang you tiantang, xia you Su-Hang)“, was übersetzt soviel bedeutet wie: „Oben gibt es den Himmel, unten gibt es Hangzhou und Suzhou“ (letzteres ist vor allem für seine Gärten berühmt).

Bereits die Anreise war mehr als kompliziert, weil wir in einer größeren Gruppe reisen wollten. Bis jeder ein Zugticket hatte, das mit seinen Arbeitszeiten vereinbar war, musste ich viele Anrufe tätigen und oft zum Bahnhof gehen. Julia, die für unser Zwischenseminar aus Qingdao gekommen war, Frederik, der aus dem selben Grund aus Ulan Bator angereist war, und ich wollten bereits Freitag morgens losfahren und Felix am Bahnhof treffen. Jan Luis und Philipp mussten arbeiten und wollten daher abends nachkommen. Außerdem hatten Annika und Frederike angekündigt, dass sie ebenfalls kommen wollten und das gleiche Hostel gebucht hatten, das auch Julia für uns reserviert hatte. Nachdem wir am Vorabend noch letzte Vorbereitungen treffen mussten machten wir uns unausgeschlafen und überhastet auf den Weg zum Südbahnhof. Dabei schloss ich versehentlich die Tür von außen ab und damit Jan Luis ein. Bereits relativ früh hatten Jan Luis und ich festgestellt, dass unsere Wohnungsschlüssel nicht dafür geeignet sind, das Türschloss von innen aufzuschließen. Nur wenige Tage vor unserer Fahrt nach Hangzhou ist mir ein Schlüssel bei dem verzweifelten Versuch, die Wohnung zu verlassen, angebrochen und wir mussten einen neuen anfertigen lassen. Als Julia, Frederik und ich bereits in der Ubahn waren rief mich Jan Luis an und ich musste zurück, damit er zur arbeiten gehen konnte. Die anderen warteten auf mich und wir schafften es gerade noch rechtzeitig, in unseren Zug einzusteigen. In Hangzhou angekommen mussten wir dann mit dem Bus ins Stadtzentrum fahren, wo sich unser Hostel befand.

Wir entschlossen uns ein wenig die Gegend zu erkunden und auch dem berühmten Westsee schon mal einen Besuch abzustatten. Die Stadt und der See werden ihrem Ruf wirklich gerecht. Es gibt unzählige wunderschöne Orte, von denen wir wohl nur einen Bruchteil besichtigen konnten. Ich werde allerdings darauf verzichten, diese hier detailliert zu beschreiben. Bei Facebook lade ich aber wieder ein paar Bilder hoch. Abends kamen dann die anderen auch alle an und wir gingen gemeinsam zu einigen Straßenständen, um etwas zu essen. Danach gingen wir in eine Bar in der Nähe des Hostels. Nachdem wir den Nachtwächter des Hostels aufgeweckt hatten musste ich entsetzt feststellen, dass ich meinen Rucksack, in dem sich auch mein Pass befand in der Bar vergessen hatte. Also sprintete ich zurück und bekam bereits beim Reingehen meinen Rucksack und einen Schrankschlüssel, den jemand anderes von uns vergessen hatte, in die Hand gedrückt. Als ich wieder zurückkam, war Annika sehr erleichtert, dass ich ihren Schlüssel gefunden hatte. Meine Vergesslichkeit hatte also doch auch etwas Gutes.

Den Samstag verbrachten wir an und auf dem See, weil wir gehört hatten, dass das Wetter dann am besten werden sollte. Abends gingen wir gemeinsam Feuertopf essen. Dabei steht ein Topf mit kochender Brühe in der Mitte und man bestellt viele kleine Sachen, die jeder dann in den Topf werfen kann, und wenn sie fertig sind wieder herausholen und essen kann. Anschließend fuhren wir mit dem Taxi zu einer Reggae-Bar, um den Abend entspannt ausklingen zu lassen.

Am Sonntag mieteten wir Fahrräder und fuhren zu den Teeplantagen im Süden der Stadt. Nachdem wir bereits eine halbe Stunde gefahren waren und Frederiks Kette mehrmals herausgesprungen war, kehrten einige schließlich um, um ein neues Fahrrad zu holen. Nach diesen anfänglichen Startschwierigkeiten kamen wir gut voran. Auf dem Weg kamen wir an zahlreichen Brautpaaren vorbei, die Fotos von sich an den vielen „scenic spots“ um den See herum machen ließen. Viele chinesische Paare legen nämlich wert darauf, am Tag ihrer Hochzeit professionelle Bilder von sich vor verschiedenen Sehenswürdigkeiten Chinas zu machen. Oft tragen die Frauen gemietete Brautkleider im westlichen Stil oder traditionelle Chinesische Kleider. Auch andere Kostüme sind sehr beliebt. Einige lassen sich als Bauern, Soldaten oder in historischen Gewändern ablichten. Für diese Fotos wird nicht selten mehr Geld ausgegeben als für die eigentliche Zeremonie. Nachdem wir also an etlichen dieser Paare vorbeigekommen sind, hielten wir am nationalen Teemuseum, um uns die kostenlose Ausstellung kurz anzusehen. Dann fuhren wir weiter in Richtung des Drachenbrunnendorfes, wo der berühmteste Tee Chinas beheimatet ist. Wir tranken gemeinsam in einem privaten Teehaus den leckeren Grüntee und einige kauften danach auch noch etwas für zu Hause. Es war bereits 4 Uhr und wir hatten noch deutlich mehr als die Hälfte der geplanten Strecke vor uns. Da wir die Fahrräder nur bis 6 Uhr gemietet hatten wurde die Zeit also langsam knapp. Deswegen fuhren wir im zügigen Tempo den Berg hinunter, den wir zuvor mühsam auf der anderen Seite heraufgekommen waren (teilweise mussten wir schieben). Nach kurzer Zeit mussten wir aber umdrehen, da der asphaltierte Weg aufhörte und unsere Fahrräder für unwegsames Gelände einfach nicht geeignet waren. Erneut schoben wir die Fahrräder den Berg hinauf, um dann den gleichen Weg zurückzufahren, auf dem wir auch gekommen waren. Die Abfahrt machte richtig Spaß, obwohl einem einer so hohen Geschwindigkeit im chinesischen Verkehr schon mulmig werden konnte. Auf dem Rückweg sprang Philipp und mir dann mehrmals die Kette raus und wir mussten oft anhalten. Kurz vor dem Ziel verkeilte sich Philipps Kette dann so im Rahmen, dass wir sie nicht mehr ohne Hilfe herausholen konnten. Ein freundlicher Fahrradhändler, der selbst eine Tour gemacht hatte, hielt an um uns zu helfen, brauchte aber auch erst einen Schraubenschlüssel von seinem Kollegen, der extra zu uns fuhr, um die Kette wieder in Position zu bringen. Wir beschlossen, den beiden eine kleines Dankeschön für ihre Hilfe anzubieten und fragten, ob sie Geld nehmen würden, oder ob wir ihnen vielleicht ein Bier ausgeben könnten. Daraufhin sagten sie uns, wir könnten sie ja zum Essen einladen. Wir wollten zwar nicht undankbar erscheinen, aber das erschien uns ein bisschen viel. Glücklicherweise verabschiedeten sich die beiden aber noch, bevor wir unsere Räder zurückgegeben hatten, und fuhren dann einfach nach Hause. Da wir am nächsten Morgen abreisen wollten schauten wir lediglich noch zusammen „Pulp Fiction“ im Hostel und gingen nicht mehr groß weg.

Ursprünglich hatten wir vor, mit dem gleichen Bus zurückzufahren, mit dem wir auch gekommen waren. Allerdings standen wir mal wieder unter Zeitdruck, weil wir getrödelt hatten. Wir konnten die Station nicht finden und nahmen schließlich zwei Taxis. Unsere Fahrerin regte sich tierisch darüber auf, dass sie jetzt zum weit entfernten Südbahnhof fahren müsste, weil sie uns zunächst missverstanden hatte und dachte wir wollten zum Busbahnhof. Unter Protest fuhr sie dann aber doch. Wir kamen nach einer teuren Fahrt gerade noch rechtzeitig, aber die andere Hälfte der Gruppe war 5 Minuten vor Abfahrt noch nicht da. Deswegen tauschten wir schnell unsere Tickets um, damit wir einen späteren Zug nehmen konnten. Als die anderen auch endlich eintrafen tauschten wir auch das letzte Ticket noch schnell um, obwohl der Zug bereits abgefahren war (Ich würde zu gern sehen, was passiert, wenn man das bei der Deutschen Bahn versucht.) Wahrscheinlich ging das aber nur, weil wir eh nur Stehplätze hatten. Im Zug waren dann allerdings genug Plätze frei, sodass wir die ganze Fahrt lang sitzen konnten und halbwegs rechtzeitig zu unserem Zwischenseminar wieder in Shanghai waren.

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