Xi’an
Letztes Wochenende bin ich in die ehemalige Kaiserstadt Xi’an gefahren. Bereits nach wenigen Stunden Zugfahrt fing ich an, mich zu fragen, warum ich wieder nur einen Sitzplatz genommen hatte. Der Zug brauchte dank Verspätung insgesamt mehr als 16 Stunden und Schlaf bekam ich, wie bereits auf dem Weg nach Peking, so gut wie gar keinen. Immerhin lernte ich einige nette Leute kennen, darunter einige Schüler einer Gruppe deutscher Austauschschüler, einen schottischen Lehrer, der seinen Job gekündigt hatte, um Asien zu bereisen und natürlich auch zahlreiche Chinesen. Am nächsten Morgen kam ich dann mit zwei Stunden Verspätung an und nahm den Bus Richtung Stadtzentrum. Ursprünglich sollte ich von Mitarbeitern meines Hostels abgeholt werden, aber in einer E-Mail hieß es, im Falle einer Verspätung müsse man selbst kommen. Tatsächlich hatte trotzdem jemand auf mich gewartet und stand als ich bereits einchecken wollte noch am Bahnhof.
Nachdem ich mein Zimmer bezogen und meine Sachen verstaut hatte, wollte ich den ersten Tag nutzen, um die Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung zu besichtigen. Xi’an war über 1000 Jahre lang die Hauptstadt von 15 verschiedenen Dynastien. Leider ist vom alten Glanz der Stadt aber nur wenig übrig geblieben und in den meisten Stadtteilen stehen die in China üblichen Wohnhochhäuser. Allerdings hat Xi’an die längste erhaltene Stadtmauer Chinas (die Stadt ist heutzutage natürlich wie in den meisten europäischen Städten weit über die Grenzen dieser Mauer gewachsen). Über das eindrucksvolle Südtor stieg ich auf die Mauer und mietete mir dort ein altes klappriges Fahrrad ohne Federung. Das Wetter war toll und obwohl der Weg holprig war, hat es Spaß gemacht, einmal um die insgesamt 14 km lange Befestigungsanlage zu fahren. Am Nachmittag sah ich mir dann den Glocken- und Trommelturm an, die früher das Signal zum Öffnen bzw. Schließen der Stadttore gaben. Abends ging ich ins muslimische Viertel der Stadt, wo es sogar eine Moschee gibt, die allerdings wenige architektonische Merkmale des Orients aufweist und eher wie ein daoistischer Tempel wirkt. Außerdem gibt es in den engen Gassen des Viertels zahlreiche kleine Läden, die Essen anbieten.
Am zweiten Tag besichtigte ich dann die weltberühmte Terrakotta-Armee, die aber meiner Meinung nach nicht allzu spannend ist. In der Ausstellungshalle traf ich dann die deutschen Schüler zufällig wieder. Am Nachmittag ging ich dann zur großen Wildganspagode, wo abends immer eine Wassershow stattfindet. Ich sah mir zunächst die alten Tempelanlagen um die Pagode herum an, die im Laufe der Zeit zerstört und von späteren Dynastien wieder aufgebaut wurden und stieg dann auf die Pagode selbst. Danach spazierte ich noch ein wenige durch die Gegend und wartete auf die angekündigte Show. Diese war dann auch wirklich sehenswert. Zu teils chinesischer teils klassischer europäischer Musik schossen bunt beleuchtete Wasserfontänen in die Luft und viele Chinesen hatte ihre helle Freude daran trotz der Warnungen mitten durch zu laufen.
Da die ganzen Tempel zwar sehr schön sind, aber irgendwie doch alle sehr ähnlich aussehen und ich erst mal genug von der Stadt hatte, entschloss ich mich am dritten Tag einen Ausflug zum nicht weit entfernten Hua Shan zu machen. Am Fuß des Berges traf ich einen netten Chinesen, der ebenfalls alleine unterwegs war und mir anbot gemeinsam auf den Berg zu steigen. Der Aufstieg vom Westtor auf den Nordgipfel dauerte vier Stunden, wobei wir zunächst auf mal mehr mal weniger steilen Wanderwegen liefen. Später wurde es dann immer steiler und wir mussten auf abenteuerlichen schmalen in den Fels geschlagenen Treppenstufen weiterlaufen. Auf dem ganzen Weg war es relativ still und wir trafen nur einige wenige Leute, hauptsächlicher ältere Chinesen. Am Nordgipfel erwarteten uns dann leider doch die Touristenmassen, die ganz bequem die Gondel genommen hatten. Irgendwie kommt man sich leicht verarscht vor, wenn man nach vier Stunden Fußmarsch ankommt man sich erst an Massen von furchtbar unpassend bekleideten Chinesinnen in hohen Schuhen und Digitalkamera in der Hand vorbei drängen muss, um die Aussicht genießen zu können. Vom Nordgipfel aus gingen wir erst auf den Westgipfel, dann auf den Südgipfel, welcher mit 2154 Metern der höchste ist, und schließlich auf den Ostgipfel, von wo aus morgens viele Leute, die auf dem Berg übernachten, den Sonnenaufgang betrachten. Nach weiteren vier Stunden kamen wir wieder beim Nordgipfel an, von wo aus wir die Bergbahn nehmen mussten, um noch rechtzeitig für die Busse nach Xi’an ins Tal zu gelangen. Der Ausflug kostete mich zwar leider etwas mehr Geld als ich ausgeben wollte, aber die Aussicht auf die wunderschöne Natur war wirklich klasse (vor allem wenn sonst aus der Stadt kaum raus kommt)
Am letzten Tag erholte ich mich dann von der anstrengenden Wanderung. Ich besichtigte lediglich noch die kleine Wildganspagode und schrieb dann einige Karten. Abends fuhr ich dann mit einem 70-jährigen Amerikaner, den ich im Hostel kennengelernt hatte zum Bahnhof.
Auf der Rückfahrt traf ich dann eine Chinesin, mit der ich bereits auf dem Hinweg geredet hatte, und natürlich wieder zahlreiche andere interessierte Chinesen. Mit manchen kann man ganz gut einfache Unterhaltungen auf Chinesisch führen, andere wollen ihr Englisch aufbessern und weigern sich schlichtweg ihre Muttersprache zu sprechen. Dadurch entstehen Dialoge wie dieser:
A: Where are you from?
B: 我来自德国. (Ich komme aus Deutschland)
A: Ah, you’re from Germany. Why are you here in China?
B: 我住在上海.我是德语老师.(Ich wohne in Shanghai. Ich bin Deutschlehrer)
A: What part of Shanghai do you live in?
B: 浦东新区.(Pudong Xinqu)
…
In der Nacht konnte ich sogar halbwegs gut schlafen. Der Zug hatte allerdings wieder Verspätung, sodass ich direkt vom Bahnhof zur Schule gehen musste. Am Abend bin ich dann zum ersten Mal zum Friseur gegangen und habe mir für weniger als zwei Euro die Haare schneiden lassen.
Du kannst alle Antworten zu diesem Eintrag via RSS 2.0 Feed abonieren. Kommentare und Pings sind zur Zeit geschlossen.
Kommentare sind geschlossen.