Wieder ohne Worte. So wie Texte die Dinge sichtbar und fassbar machen, so zerstören sie auch. Sie zerlegen das Ganze, das Wahre, eine Nacht und ein halbes Leben in Sätze, Punkte, Kommas und Fragezeichen. Sie zerlegen selbst das Schweigen, selbst das Nichts. Ich verstehe nicht, wie Schriftsteller und Reporter je Anfänge für ihre Geschichte finden. Wo doch alles, selbst die Vorgeschichte, eine Vorgeschichte hat (ob man sie kennt oder nicht). P.s Vorgeschichte ist das, was ich vorgestern Nacht erfahren habe. Ich revidiere: Ein kleinen Teil davon, Bruchstücke, Erinnerungsfetzen, im wahrsten Sinne dieser Wörter. Er blendete sie aus, er hat geschwiegen. Immer. Bisher. Aus Schutz vor sich selbst und aus Schutz vor anderen. Und was er erzählt hat, war längst nicht „nur eine dieser Geschichten über Ruandas genozidäre Vergangenheit“, es war weit mehr. Es war eine Geschichte über die Gegenwart und die Zukunft dieser zerklüfteten Gesellschaft, über Intrigen und falsche Freundschaften, erschreckende Wahrsagungen und gescheiterte Versuche. Eine Geschichte über einen jungen Mann, der die Vergangenheit ruhen lasst und nicht sicher ist, was kommt, der alle Möglichkeiten ausschöpft und seine Grenzen zu gut kennt. Und wäre ich eine gute Journalistin, würde ich sie aufschreiben.
Nehmen, was war. Nehmen, was kommt.
6 07 2010Kommentare : 2 Kommentare »
Tags: Genozid, Hoffnung, Leben
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Es fehlt nur noch der Pass…
30 05 2010
Meine Kinyarwanda-Lernfortschritte treten auf der Stelle, meine Haut bleibt käsebleich und meine Haare „ultra-glatt“. Dennoch hat sich etwas geändert, das „Fremdheitsgefühl“ taut langsam auf. Ich werde beim ersten Anblick immer noch in Klischees getütet, aber (wenn ich entsprechend reagiere) auch wieder ausgepackt. Gestern hat der Busfahrer meinen ruandischen Kumpel verschmitzt gefragt, ob ich seine Schwester sei. Meine Antwort: Yego, ndi umunyarwanda kazi. Nitwa Kamaliza. Ja, ich bin Ruanderin. Ich heiße Kamaliza. Schmunzeln auf beiden Seiten. Leise Euphorie. Ich weiß nicht, wie repräsentativ meine Freunde, Kollegen und Bekanntschaften für die ruandische Bevölkerung sind, aber sie alle mögen und verstehen Ironie.
Neben meinen bescheidenen Kinyarwanda-Sprachkenntnissen und meinem ruandischen Namen gab ich in den letzten Wochen auch visuell zum Besten, dass ich eine von „hier“ bin. Ich ging mit meinen Einkäufen auf dem Kopf nach Hause spazieren und packte mich in blau-geblümte „Trachten“. Das verleitete einige Männer (mehr als sonst) dazu, mich lächelnd darauf hinzuweisen, dass jetzt bis zu meiner Einbürgerung nur noch ein Schritt fehle… . Ein „Umugabo“ (ein Mann) müsste her.. und sie wüssten auch schon WER…
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Tags: Gesellschaft, Kinyarwanda
Kategorien : Gastland
Nachtrag..
6 05 2010zu meinem „Verbalangriffs“-Artikel… Ich habe gestern einen Satz gelernt, den ich bis dato schon 4 mal gebraucht habe: „Ibyo ukora ni bibi. Rekeraho! frei übersetzt: „Is nich in Ordnung, was du da machst. Genug jetz!!“
- Jungs, die absichtlich auf meinen Rock trampeln, in der Hoffnung er wird rutschen,
- Jungs, die mich im Schwimmbad fotografieren,
- Kinder, die mit Steinen schmeißen,
- Kinder, die mich mit ihrer Handykamera verfolgen
Noch Fragen??? Nein, das ist nicht „mein“ Kulturschock, sondern deren schlechte Erziehung. NDARAKAYE – I’m getting angry.
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Tags: Erziehung, Kinyarwanda
Kategorien : Gastland, Mentalität
Alles nur Banane
29 04 2010Wie mein Tag hier in Kigali, so beginnt auch dieser Blog-Eintrag mit Bananen und endet mit Bananen. Delicious!!! Mein Frühstück, Mittag- und Abendessen…Ich kann nicht davon lassen, obwohl mein Magen wieder rebelliert. Am besten schmecken die kleinen Baby-Bananen, die in Deutschland ungefähr das 5-fache kosten.
Beim Einkauf zeigt sich schnell, wie afrikanisch man schon ist… Das beginnt bei der Auswahl der Einkaufsstätte… Hat man Platzangst oder ist in Eile, will man seine Ruhe haben und feilschfrei einkaufen , kann man in einen der überteuerten Supermärkte der Innenstadt gehen… pro Apfel zahlt man dann schon mal 50 Cent. Der Anblick vieler Weißhäuter dort darf einen bitte nicht stören… Auch nicht das Geläster der Kassierer/innen..oder die westliche Popmusik aus den Lautsprechern.. Auch nicht das eigene schlechte Gewissen.. (wenn man am Ausgang auf unterernährte Kinder trifft…)
Ist man dagegen am kulturellen Austausch und einem großen preiwerten Früchtekorb interessiert (JA JA JA), empfehlen sich die lokalen Großmärkte wie z. B. der in Kiminronko (ganz in der Nähe von meiner Arbeitsstätte). Wenn man aus Ruanda kommt oder sich hier schon beinahe zuhause fühlt, steuert man zielgerichtet – zwischen dutzenden von Ständen – auf einen der Verkäufer zu (wahrscheinlich ein Freund, ein Bruder oder eine Schwester). Man lässt sich beraten, verzieht die Mundwinkel und tut bedächtig.. bevor man sich zum Kauf entschließt.
Falls Muzungu das Obst und Gemüse zunächst etwas verschrumpelt vorkommen mag und er/sie mit dem Kauf hadert, wird spätestens nach dem ersten Probeschmaus klar: NIE MEHR diese schrecklich glänzend polierten Äpfel aus den heimischen Supermärkten…. (genau LINUS, nie mehr Bananen aus Ecuador) und nie mehr für Chemiefraß an der Kasse stehen.
Man feilscht derweil auf Kinyarwanda um den Preis und scheucht Jungs, die einem lautstark ihre Tragedienste aufdrängeln, erbarmungslos davon. Bettelnde Frauen mit zerlumpten Kleidern und Babys auf dem Rücken, machen einen traurig, aber mehr auch nicht. Fotografieren lässt man besser sein, außer man braucht noch mehr Aufmerksamkeit. Die Bilder beweisen ja, dass ich Aufmerksamkeit, Gedränge und stimmungvolle Feilsching-Atmospähre favorisiere (ich gebe zu, nicht immer…)
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Tags: Feilschen, Muzungu, Nahrung
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Kein Regenbogen in Sicht
14 04 2010
Die wunderschöne ruandische Natur konnte ich vor ein paar Wochen an der Grenze zu Tansania bestaunen.. Doch momentan ist in Kigali kein Regenbogen in Sicht…, dazu siehe:
http://www.newtimes.co.rw/index.php?issue=14230&article=28032 http://rwandinfo.com/eng/rwanda-grenade-attacks-in-two-locations-in-kigali-leaves-one-dead-four-injured/ http://www.belfasttelegraph.co.uk/news/world-news/rwanda-presidential-candidate-arrested-14775894.html?r=RSS
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Tags: Anschläge, Medien, Opposition, Politik
Kategorien : Gastland, Medien, Nachrichten
Alle schlechten Dinge sind Sechs
2 04 2010Es ist April, der Monat der Trauer in Ruanda. Meine Sorgen sind bedeutungslos klein, eine Stimme haben sie trotzdem. Nachdem ich ja bisher nur am Schwä
rmen war, hat sich der HIMMEL gestern dunkel zugezogen.
Es gießt aus Kannen und irgendwie läuft auch ansonsten alles schief. Ich habe ernsthaft und wiederholt versucht, mich an meine kulturweit-Impro-Theater-Workshops zu erinnern, wo mir beigebracht wurde, die Situationen anzunehmen, wie sie sind. Mit mäßigem Erfolg. Wer schon deprimiert ist (oder wer demnächst in dieses wundervolle Land kommt) kann auf diesen Blog-Eintrag getrost verzichten… Lese den Rest dieses Eintrags »
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Tags: Kinyarwanda, Kulturschock, Unfall, Unzufrieden, Wetter
Kategorien : Gastland
Eine Rolle rückwärts
30 03 2010Ich fange den Tag mal von hinten an. Die Schreibblockade ist überwunden. Irgendwie war ich die letzten zwei Wochen so sehr mit Eindrücke sammeln, Leute treffen und Kinyarwanda lernen beschäftigt, dass mir nicht nach Bloggen zumute war.
19:46 Kigali: Ich bin zuhause, endlich. Eben noch beim Gymtonic-Kurs (Aerobic) im großen Sportstadium gewesen, um wieder fit zu werden. Schließlich will ich die Jungs auf dem Freiplatz weiterhin so gut abzocken können. Einen Basketball habe ich letzte Woche für umgerechnet 5 Euro erstanden, jetzt fehlt nur noch eine Damenmannschaft und the play goes on…! Lese den Rest dieses Eintrags »
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Tags: Alltag, Kinyarwanda, Medien, Muzungu, Nahrung, Sport
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We are all Muzungu!
30 03 2010
Zwei Wochen sind vergangen, seit ich hier bin. Und ich bin einfach nur sprachlos. Nicht sprachlos sind die Kinder, die mir auf der Straße zuwinken, mich anlachen und meine Arme anfassen: „Muzungu!!!“ How are u? Good morning!
Muzungu ist hier der gängige Ausdruck für „Weiße“ (und wird einem nicht nur in Ruanda, sondern wohl auch in Burundi, Uganda, Malawi, Sambia, Mozambique und Kongo … also halb Afrika zugerufen). Interessant ist die Herkunft des Wortes. .. Lese den Rest dieses Eintrags »
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Tags: Muzungu
Kategorien : Gastland, Mentalität, Sprache





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