und zwar gute…
Das trifft natürlich auf jedes Land zu, auf Ruanda jedoch in besonderem Maße. Der Genozid 1994 hat auch im Mediensystem starke Spuren hinterlassen. Und jetzt möchte ich erstmal ordentlich ausholen und hier niederschreiben, was ich über die Rolle der Medien im Genozid, das derzeitige Mediensystem und die internationale Medienförderung in Ruanda zu wissen glaube…(keine Angst, dafür gibt es ja Haus-, Diplom- und Doktorarbeiten. Wer sich dafür interessiert, dem schicke ich meine Infos gerne zu..)
Das bescheidene Ziel meines Journalismus-Workshops in Kanama nahe Gisenyi war es, die Schüler der APEFOC- Sekundärschule in Sachen Themenfindung, Newswriting, Interviewing und Media Ethics zu coachen. Meine Ungewissheit vor dem Workshop war riesig. Wie lange macht man Mittagspause, wenn sich doch die Mehrzahl der Schüler keine Mahlzeit leisten kann? Reichen die englischen Sprachkenntnisse? Wie kann ich freundschaftlich und respekteinflößend zugleich sein? Ich wusste, dass die Schüler alle Mitglieder im „Media Club“ der Schule waren und dennoch keinerlei journalistische Vorerfahrung hatten. Die Aktivitäten der Schüler im Club beschränken sich bisher darauf, jeden morgen Radio zu hören und die News an ihre Mitschüler weiterzugeben. Das war alles, was ich wusste. Dementsprechend „unkonkret“ war ich vorbereitet, was hier (Achtung: Lerneffekt – Leben in Ruanda) nur ein Vorteil sein kann. Der größte Fehler, den ich bisher gemacht habe, war mit meinen Koffern an Skripten, festgefahrenen Zeitplänen und Erwartungen anzureisen. Ich brauchte, so viel war mir klar, viel Freiraum und Gespür und vor allem viel Improvisation..
Ein Schüler wird mir besonders in Erinnerung bleiben. Alle paar Minuten macht er laute Geräusche, die aus den Tiefen seines Magens zu kommen schienen. „Handsome Little Devil“ steht auf seinem Shirt. Und er stellt mir solche und ähnliche Fragen:
„Wie viel kann ich als Journalist verdienen?“ „Naja, du wirst sicher kein Millioniär, du wirst nicht reich.“ „Aha, also ich muss das jetzt wissen. Arbeite ich dann als Journalist ‚for free’?“
„Werden wir für unsere Teilnahme an diesem Workshop bezahlt?“ „Nein, du kriegst hier Bildung umsonst. Aber wenn du nicht willst, kannst du gerne nach Hause gehen.“ „Aber wir brauchen ein bisschen Motivation…“
„Kamaliza, bitte! Hast du Drogen gegen meine Magenprobleme?“
„Kamaliza, gib uns ein Geschenk, damit wir dich nicht vergessen.“
„Warum bleibst du nicht hier in Ruanda?“ „…“ „Ach so, deshalb.“
Neben den vielen mich belustigenden Fragen der Studenten mischten sich auch einige hochpolitische, kontroverse…
„Warum kommt der Präsident, wenn ausländische Journalisten ihn einladen. Und bei unseren Journalisten kommt er nicht?“
„Muss mir ein Politiker Auskunft geben? Ist das eine Regel?“ „…“ Und was mache ich, also sagen wir, ich treffe unseren Bürgermeister auf der Straße und er will mir einfach nicht antworten.“ „Und wenn ein Politiker gerade genervt oder sauer ist, kann ich ihn dann trotzdem ansprechen?“ „Uns nimmt doch keiner ernst.“
„Kamaliza, kannst du uns eine Lizenz geben, damit wir mit im Ausland senden können?“
„Bald verlassen einige von uns die Schule. Und wenn wir nicht studieren können, wie können wir dann eine Arbeit als Journalist finden?“
„Ich will also Interviews mit den Leidtragenden der große Überschwemmung in Gisenyi führen, kann ich dann einfach alle Leute auf der Straße fragen?“
„Wofür kann ich hier als Journalist bestraft werden?“
„Wen darf ich fotografieren?“
„Wieso sperrt man kritische Menschen ein?“
„Meine wichtigste Regel der Medienethik lautet: Ein guter Journalist lässt sich nicht korrumpieren.“ „Aha, also wenn ich Politiker wäre und du der Journalist und ich würde dir 1000 Dollar anbieten, damit du deine Geschichte über mich nicht druckst, da würdest du ablehnen?“ „Ja, als guter Journalist würde ich ablehnen.“ „Nein, im Ernst jetzt mal, du kriegst doch keine Noten auf diese Antwort: Ich gebe dir 1000 Dollar jetzt sofort, du lehnst ab?“ „Ja, ich lehne ab.“
„Gibt es internationale Organisationen, die mir helfen (also die mich bezahlen), damit ich Journalist werden kann?“
„Bist du verheiratet?“ „…“ „Nein, nur so, aus Neugierde.“
Das „Unvorbereitet-Sein“ meinerseits hat sich gelohnt. Der Beamer ist ausgefallen und ich war dennoch „very understandable“. Das Flip-Chart Papier war pünktlich zum Workshop-Ende aufgebraucht und ich habe dank der vielen eifrigen Fragen minimal monologisiert. Auf die Frage nach der Rolle der Medien in der Gesellschaft bekam ich von allen dieselbe Antwort: „Informieren, Aufklären“. Als Thema des Tages wählten die meisten Kursteilnehmer dann aber Meddy und seine Musikauftritte. Ich sprach weniger über Zitierweisen und Stilblüten als übers Internet, Blogging und Twitter. Der Blog für den Media Club steht. Ein Schüler hatte in seiner Inbox 3789 ungelesene Mails. „Newsletter oder so“, er käme einfach nicht zum Lesen. Um beispielhaft für ihn einenTwitter-Account zu kreieren, haben wir dann eine halbe Stunde gebraucht. Zwei von seinen drei Mail-Adressen hat Twitter als schon verwendet angezeigt. Mit der dritten hat es geklappt, aber leider hatte der Junge das Passwort zum Einloggen vergessen…
Fortsetzung folgt…




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