Liebe Blog-Leser, liebe Freunde,
meine Gedanken drehen Kreisel, ohne klaren Anfang zwar, dafür bleiben sie auf halber Strecke stecken. Maze ibyumweru bitandatu mu Rwanda. Ich bin schon sechs Wochen hier und alles in meinem Kopf schreit nach: REFLEKTIERE! Zeit für ne Bilanz…
Was hatte ich mir vor dem Abflug vorgenommen? Was ist in Erfüllung gegangen und was in die Hose? Wo stehe bzw. sitze ich jetzt…? Bevor ich also hier mit meiner supersubjektiven Selbsbetrachungsschwadronage beginne, möchte ich euch um Mithilfe bitten. Normalerweise stelle ich ja immer die Fragen…Diesmal seid IHR es! Und zwar zu dem total konkreten Thema: „Ari schon 6 Wochen in Ruanda“ Was wollt ihr von mir wissen??? Any Schlagwörter oder Kriterien für die Bilanz?
Mich interessiert folgendes:
a) Was hat dich in den letzten Wochen inspiriert und auf welche Weise?
b) Was hast dich persönlich besonders berührt?
Freu mich auf deine Antworten!
Ich hab erstmal 2 Fragen:
1.) Was war seit du in Ruanda bist dein größter Erfolg?
2.) Was könnte Dich dazu veranlassen nach Ruanda auszuwandern?
Ich bin gespannt 😉
@Catherine
Erfolg: Dass ich noch da bin. Auswandern: Never!!
Vielleicht sollte ich die Frage beantworten, wenn ich aus meiner Kulturschock-Tiefpunktphase wieder raus bin.. nein ehrlich; Erfolg verbinde ich irgendwie gleich automatisch mit Leistung… ich bin doch hier um zu lernen… die ersten zwei Tage in Ruanda hatte ich das Gefühl, dass sich die Welt auf den Kopf gestellt hat und ich im Handstand rumlaufen müsste, wenn ich wieder was sehen will…
Ich freue mich über jede Form der spontanen Annäherung hier, wenn eine Kollegin plötzlich in mein Büro stürmt um mich mit Umarmungen und Küsschen zu begrüßen, wenn eine andere Kollegin mir am Tagesende ganz unerwartet auf deutsch..„Bis morgen“ zuruft, wenn die Jungs auf dem Basketballplatz nach drei Minuten nicht mehr „Die komische große Weiße“ in mir sehen, sondern eine wertvolle Mitspielerin …das sind meine kleinen unzählbaren und ganz persönlichen Erfolge, auch wenn sie das Land vielleicht nicht weiterbringen.. Mittlerweile verstehe ich sogar manchmal Dialoge (okay ich verstehe ein Wort pro Satz und errate den Rest..) Integration hängt an der Sprache: jedes Wort Kinyarwanda, das ich lerne, ist ein Erfolg…
Warum ich nicht auswandern würde…meine 4 Hauptgründe: Kein Meer, keine Schienen, kein Schnee, kein ICE..
1. Hast du deinen Alltag gefunden? In wiefern unterscheidet er sich von deinem deutschen?
2. Freust du dich mittlerweile ueber die kleinen Dinge, die klappen oder bekommst du Aggressionen, weil nichts so funktioniert, wie du es gerne haettest oder gewoehnt bist?
3. Wenn du alleine bist: Konzentrierst du dich mehr auf dich und deine aktuelle Situation oder verbringst du mehr Zeit am PC (skype, facebook,..), um dich abzulenken?
Na dann mal viel Spass.. du hast es so gewollt. 😀
Liebe Lea,
danke für deine tollen unkonkreten Fragen… Ich arbeite mich langsam vor..
FRAGE 1: Dazu eine Gegenfrage…Wie kann man den einen Alltag finden?? Ich dachte, der ist immer da, wenn auch mal abwechslungsreicher, mal weniger..
Ich denke die meisten der folgenden Punkte treffen auf viele Alltage im (afrikanischen) Ausland zu, nicht nur auf meinen in Ruanda.
Alltag in Ruanda 1.. Versuche einen Schritt vor die eigene Haustür zu machen ohne dass dir kreischende Kinder entgegenlaufen und „Muzungu, Muzungu, Muzungu“ schreien bzw. ohne dass sich jemand nach dir umdreht und guckt, als ob er so was wie dich noch nie gesehen hätte… (ich werde mir braune Körpermalfarbe aus Deutschland schicken lassen, habe schon Günter Wallraff um Hilfe gefragt) Ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass die sich nicht an mich gewöhnen…bin doch nicht im Busch hier…
Alltag in Deutschland 2: Um 10 oder um 11 Uhr morgens aufstehen. Ruanda: 06.00 Uhr in der Früh aufstehen.. um 18.00 Uhr knipst Frau Sonne ihre Lichter aus (komisch, es ist so warm draußen, müsste doch eigentlich Sommer hier sein, oder?)
Alltag in Deutschland 3: Du bewunderst die neue Haarpracht deiner Freundin und bist neidisch. Ruanda: Du bewunderst die neue Perücke deiner Freundin und beteuerst zum 100sten Male, dass deine Haare echt sind.
Alltag Nr. 4: Wenn du in Deutschland einen Verrückten triffst, gehst du lachend oder schimpfend vorbei. Wenn du in Ruanda einen Verrückten triffst, denkst du, vielleicht ist es nur so die Kultur hier …
Alltag in Deutschland 5: Zwei Liter schwarzen Kaffee pro Tag. Ruanda: Ein Liter Tee (mit viel Milchpulver und braunem Zucker) und ein Liter Fanta. Ich glaube nicht, dass mir und meiner Gesundheit das besser bekommt und eigentlich ist Ruanda doch das Kaffeeland schlechthin (PS: Hat jemand ne Kaffee-Maschine übrig?)
Alltag in Deutschland 6: Du kommst nicht so schnell auf die Idee, Fragen nach der Familie zu stellen. Ruanda: Du wirst ständig nach deiner Familie gefragt und willst zurückfragen.. In letzter Sekunde fällt dir wieder ein, dass du das vielleicht doch nicht tun solltest…
Alltag Nr. 7: Wenn es in Deutschland regnet, benutzt du einen Regenschirm und gehts deines Weges. Wenn es hier in Ruanda regnet, kriegst du Angst, es könnte der Weltuntergang sein und bleibst deshalb zuhause (oder stellst dich stundenlang unter).
Alltag in Deutschland 8: Ich bin eine FRAU, FRAU; FRAU. Alltag in Ruanda. Ich bin das junge Mädchen ohne einen Ehemann (das gilt ungerechterweise nicht für Männer!!! Und die wollen mir was von Gender-Focus hier erzählen?)
Hmm, ein paar Punkte hätte ich noch..
FRAGE 2:
Liebe Lea,
das ist doch eine Imperativfrage… Insgeheim ahnst du doch, dass meine Aggro-Verzweiflung hier nicht zu kurz kommt. Bestimmt möchtest du mir damit sagen: „Come down, Mädel. Du bist in Afrika!“ (Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat: I’m in Negotiation-Phase..)
@LEA: FRAGE 3:
Allein sein in Ruanda? Wie geht das bitte? Das Land hat 301 Einwohner pro Quatratkilometer, also mehr als jedes andere afrikanische Land und fast so viel wie Indien (na gut, nicht ganz).
Wenn ich allein sein will, verbunkere ich mich in meinem Appartment (siehe auch meine Antwort zu deiner Frage 1, Alltag in Ruanda 1). Und weil mich dann entweder Hausgecko Mutoya oder die betrunkenen Party-Gäste vor meiner Haustür vom konstruktiven, eigenständigen Denken abhalten, chille ich täglich via Facebook, Twitter, Skype und Co
Ich war noch nie so dankbar für und verbunden mit dem Web 2.0 wie hier …